Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 19

Meldepflicht und Melderecht



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Bei begründetem Verdacht trifft das Versicherungsunternehmen eine Meldepflicht nach Art. 9 GwG. Hat das Versicherungsunternehmen keinen begründeten Verdacht nach Art. 9 GwG aber Wahrnehmungen gemacht, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren oder der Terrorismusfinanzierung dienen könnten, so kann es diese gestützt auf Art. 305ter StGB der Meldestelle für Geldwäscherei melden (Melderecht). Solche Wahrnehmungen liegen insbesondere vor, wenn die Vertragspartei ohne plausiblen Grund die für die Geschäftsbeziehung und Erfüllung der Sorgfaltspflichten üblichen Auskünfte und Unterlagen verweigert.

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Erstattet das Versicherungsunternehmen Meldung nach Art. 9 GwG, darf die Geschäftsbeziehung nicht mehr abgebrochen werden.

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Die Meldungen nach Art. 9 GwG und Art. 305ter Abs. 2 StGB erfolgen schriftlich, durch Telefax oder mit A-Post, auf dem von der Meldestelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Meldestelle) abgegebenen Formular (www.fedpol.admin.ch).

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Der Finanzintermediär informiert die FINMA über Meldungen an die Meldestelle, die Geschäftsbeziehungen mit bedeutenden Vermögenswerten betreffen, oder wenn aufgrund der Umstände anzunehmen ist, dass der Fall, der zur Meldung führte, Auswirkungen auf den Ruf des Finanzintermediärs oder des Finanzplatzes haben könnte.



Vorbemerkungen


Besteht Verdacht auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung, befindet sich das Versicherungsunternehmen in einem Interessenskonflikt. Auf der einen Seite steht die Verletzung des Kundenvertrauens, wenn sich der Verdacht als unbegründet herausstellt oder im Rahmen der auf die Meldung folgenden Abklärungen Informationen an Unbefugte gelangen, oder die Gefahr zivilrechtlicher Verantwortlichkeit aufgrund verzögerter Ausführungen von Tätigkeiten in der Geschäftsbeziehung. Auf der anderen Seite steht das öffentliche Interesse an der Geldwäschereibekämpfung, die Strafbarkeit der Mitarbeitenden (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) und des Versicherungsunternehmens (Busse, deren Höhe nach der Schwere des Verstosses und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bestimmt wird).


Art. 9 GwG löst diesen Interessenskonflikt so, dass bei begründetem Verdacht auf Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung eine Meldepflicht des Versicherungsunternehmens besteht. Werden ohne Bestehen eines begründeten Verdachtes Wahrnehmungen gemacht, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen oder einem qualifizierten Steuervergehen herrühren oder der Terrorismusfinanzierung dienen könnten, so kann das Versicherungsunternehmungen diese Hinweise gestützt auf Art. 305ter StGB der Meldestelle für Geldwäscherei melden (Melderecht). Solche Wahrnehmungen liegen gemäss Reglement insbesondere vor, wenn sich die Vertragspartei ohne plausiblen Grund unkooperativ verhält und die benötigten Auskünfte und Unterlagen verweigert. Wir die Meldung «guten Glaubens» erstattet, so greift ein Straf- und Haftungsausschluss gegenüber dem Kunden (vgl. Art. 11 GwG).


Weitere Konstellationen, welche Wahrnehmungen für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung begründen können, finden sich im Anhang zur GwV-FINMA.


zu Abs.1:


Nach Art. 9 Abs. 1 GwG muss ein Versicherunternehmen, das weiss oder den begründeten Verdacht hat, dass die in die Geschäftsbeziehung involvierten Vermögenswerte im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung nach Art. 305bis StGB stehen, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen (d.h. Taten, welche mit Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren bedroht werden) oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen (Art. 260ter Ziff. 1 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung dienen (Art. 260quinquies Abs. 1 StGB), der Meldestelle für Geldwäscherei unverzüglich Meldung erstatten.


Der Meldepflicht unterliegen Sachverhalte, welche dem Versicherungsunternehmen bei seiner Geschäftstätigkeit bekannt werden. Eine Meldepflicht besteht seit der GwG-Teilrevision 2009 gemäss Art. 9 Abs. 1 Bst. b GwG auch bei Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung.


Auf Grund der Materialien der GwG-Teilrevision 2009 ist für die Assekuranz unter «Verhandlungen zur Aufnahme der Geschäftsbeziehung» im Sinne des GwG das Eintreffen des unterzeichneten Versicherungs- oder Finanzierungsantrages beim Versicherungsunternehmen (Hauptsitz) bzw. die Eröffnung eines Prämiendepots oder eines Prämienkontos zu verstehen. Von diesem Zeitpunkt an besteht bei begründetem Verdacht auf Geldwäscherei eine Meldepflicht nach Art. 9 Abs. 1 GwG (vgl. dazu die Botschaft zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) vom 15. Juni 2007, Ziffer 1.3.6 «Meldepflicht bei Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung» (Art. 9 Abs. 1 Bst. b GwG; BBl 07.064, S. 6285).


Besteht im Zeitpunkt des Feststellens des Geldwäschereiverdachts keine Geschäftsbeziehung zum Kunden mehr, entfällt gemäss Rechtsprechung die Meldepflicht nach Art. 9 GwG nicht automatisch. Gemäss Rechtsprechung hält die Meldepflicht an, solange beim Finanzintermediär noch Vermögenswerte entdeckt und beschlagnahmt werden können, welche einen Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung haben, bezüglich welcher ein Geldwäschereiverdacht entstanden ist (vgl. BGE 6B_1453/2017 vom 7.8.2018, BGE 6B_503/2015 vom 24.5.2016, publiziert in BGE 142 IV 276). Demnach endet die Meldepflicht auch nicht automatisch mit der (möglichen) Kenntnisnahme der Strafverfolgungsbehörden. Diese extensive Auslegung der Meldepflicht führt nicht zu einer zusätzlichen Abklärungspflicht für das Versicherungsunternehmen. Es muss vom «Kunden» nicht zusätzliche Informationen verlangen oder besondere Nachforschungen anstellen, um den Verdacht zu erhärten, sondern muss direkt Meldung an die MROS erstatten.


Das Versicherungsunternehmen (interne Fachstelle zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung) muss gemäss Art. 9 Abs. 1 GwG Kenntnis oder «den begründeten Verdacht» haben, dass die in die Geschäftsbeziehung involvierten Vermögenswerte im Zusammenhang mit einem Verbrechen (d.h. Taten, welche mit Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren bedroht sind) oder einem qualifizierten Steuervergehen stehen.


Der Verdacht muss nicht ein an Sicherheit grenzendes Ausmass annehmen. Zudem ist es nicht Sache des Versicherungsunternehmens, systematisch abzuklären, ob ein strafbares Verhalten vorliegt. Es hat jedoch die nach den Umständen gebotene Sorgfalt walten zu lassen. Ein Verdacht ist dann begründet, wenn er auf einem konkreten Hinweis oder mehreren Anhaltspunkten beruht, die einen verbrecherischen Ursprung der Vermögenswerte befürchten lassen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 9 Abs. 1 E-GwG).


Ein begründeter Verdacht verlangt nicht, dass Gewissheit betreffend Vorliegen eines Verbrechens oder eines qualifizierten Steuervergehens besteht – es muss jedoch mehr als blosse «Ungewöhnlichkeit» im Sinne von Art. 6 GwG vorliegen.


Führen die Abklärungen nach Art. 6 GwG zu keinem Ergebnis und bleibt der Verdacht bestehen, so folgt daraus die Meldepflicht.


Weist die Abklärung des Hintergrundes ungewöhnlicher oder verdächtiger Geschäftsbeziehungen auf eine mögliche Verbindung zu einer terroristischen Organisation hin, ist ebenfalls unverzüglich Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei zu erstatten.


Die Meldung ist «unverzüglich» an die Meldestelle für Geldwäscherei im Bundesamt für Polizei (fedpol) zu richten (Art. 9 Abs. 1 GwG).


Nach Art. 9 Abs. 1 GwG muss ein Finanzintermediär der Meldestelle für Geldwäscherei (Meldestelle) unverzüglich Meldung erstatten, wenn er weiss oder den begründeten Verdacht hat, dass die in die Geschäftsbeziehung involvierten Vermögenswerte:

  1. im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung nach Art. 260ter Ziff. 1 oder Art. 305bis StGB stehen,
  2. aus einem Verbrechen oder einem qualifizierten Steuervergehen herrühren,
  3. der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen, oder
  4. der Terrorismusfinanzierung (Art. 260quinquies Abs. 1 StGB) dienen.

Unter «Verhandlungen zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung» wird der Zeitraum zwischen Eintreffen des unterzeichneten Antrages am Hauptsitz des Versicherungsunternehmens und der Annahme des Antrages durch das Versicherungsunternehmen (Vertragsschluss) verstanden.


Beim Abbruch einer Geschäftsbeziehung muss der Finanzintermediär nur auf der Basis der Informationen Meldung erstatten, über die er im Zeitpunkt des Abbruchs verfügt. Diese Ausweitung der Meldepflicht führt nicht zu einer zusätzlichen Abklärungspflicht für den Finanzintermediär. Er muss vom «Kunden» nicht zusätzliche Informationen verlangen oder besondere Nachforschungen anstellen, um den Verdacht zu erhärten.


Dem Melderecht kommt sozusagen eine Scharnierfunktion zu. Dies im Zusammenhang mit bestehenden Zweifeln über die Rechtmässigkeit der Vermögenswerte, ohne dass ein begründeter Verdacht vorliegt, da bestimmte Informationen hierfür fehlen, die aber bei der Vertragspartei mangels Kooperation nicht mehr einzuholen sind. Der Finanzintermediär besitzt in diesem Sinne eine Alternative zur Meldung nach Art. 9 GwG oder einer Nichtmeldung, als nunmehr die bei ihm gescheiterten Abklärungen sozusagen ex officio durch eine kantonale Strafverfolgungsbehörde auf dem Verfügungsweg vorgenommen werden (Detlev M. Basse, Know your costumer/client [Referat Seminar SRO-SAV/SNV vom 24. September 2002] Anm. 38).


zu Abs. 2:


Erstattet das Versicherungsunternehmen Meldung nach Art. 9 GwG, darf eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht mehr abgebrochen werden. Ein Abbruch einer Geschäftsbeziehung ist nach Ausübung des Melderechts gemäss Art. 305ter StGB ist weiterhin möglich. Jedoch empfiehlt es sich, Vermögenswerte nur unter Wahrung des paper trails dem Kunden verfügbar zu machen (keine Barauszahlungen).


zu Abs. 3:


Die Meldung hat gemäss den von der Meldestelle zur Verfügung gestellten Vorlagen/Formvorgaben zu erfolgen (z. B. auch Meldungen über ein Online-Portal; vgl. www.fedpol.admin.ch). Beim Ausfüllen der Meldung sind die datenschutzrechtlichen Schranken zu beachten (z.B. Anonymisierung der Namen von nicht involvierten Drittpersonen).


zu Abs. 4:


In relevanten Meldefällen – sprich in Fällen in denen bedeutende Vermögenswerte involviert sind oder der gemeldete Fall Auswirkungen auf den Ruf des Finanzplatzes Schweiz haben könnte – besteht eine direkte Informationspflicht an die FINMA.