Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

4. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für das Auslandgeschäft

Art. 23

Versicherungsabkommen Schweiz – Fürstentum Liechtenstein



1

Zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein besteht das Abkommen betreffend die Direktversicherung vom 9. Juli 1998 mit Anhang (SR 0.961.514).

2

Die Aufsicht über die Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei obliegt bei Niederlassungsgeschäften der Aufsichtsbehörde des Tätigkeitslandes, bei Dienstleistungsgeschäften derjenigen des Sitzlandes (Art. 27 Abs. 1 Anhang zum Abkommen).

3

Im Hinblick auf Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei unterliegen Niederlassungsgeschäfte der Gesetzgebung des Tätigkeitslandes, Dienstleistungsgeschäfte derjenigen des Sitzlandes. Die Beträge nach Art. 10 Abs. 1 lit. d des liechtensteinischen Gesetzes vom 11. Dezember 2008 über berufliche Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung von Geldwäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung (Sorgfaltspflichtgesetz, SPG) gelten auch für Dienstleistungsgeschäfte schweizerischer Versicherungsunternehmen (Art. 28 Anhang zum Abkommen).



zu Abs. 1:


Das zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abgeschlossene Abkommen betreffend die Direktversicherung findet nach Art. 2 Anwendung auf Versicherungsunternehmen, deren Sitz sich in der Schweiz oder in Liechtenstein befindet und die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Aufsicht über die privaten Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsicht) unterliegen.


Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz oder in Liechtenstein dürfen das Versicherungsgeschäft im Gebiet des anderen Landes sowohl durch eine Niederlassung als auch im Dienstleistungsverkehr betreiben. Dienstleistungsverkehr im Sinne des Abkommens liegt vor, wenn ein Versicherungsunternehmen vom Sitzland aus Risiken deckt, «die im Gebiet der anderen Vertragspartei gelegen sind, ohne dass das Unternehmen dort von einer Niederlassung Gebrauch macht» (Anhang zum Abkommen, Art. 2 Abs. 4).


Im Verhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein liegt die Finanzaufsicht über ein Versicherungsunternehmen, einschliesslich der Tätigkeit, die es über Niederlassungen und im Dienstleistungsverkehr ausübt, in der alleinigen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Sitzlandes. Dies gilt aufgrund des Abkommens nicht nur für den Dienstleistungsverkehr, sondern auch für die Tätigkeit durch Niederlassungen. Die Finanzaufsicht bezieht sich auf die gesamte Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens (Anhang Art. 3 Abs. 1 und 2).


Im Bereich der Bekämpfung der Geldwäscherei hingegen besteht eine Spezialregelung: Bei Niederlassungsgeschäften sind die Aufsichtsbehörden im Tätigkeitsland zuständig. Zudem unterliegen Niederlassungsgeschäfte der Gesetzgebung des Tätigkeitslandes. Schliessen schweizerische Versicherungsunternehmen über ihr liechtensteinische Niederlassung Versicherungsgeschäfte ab, so sind die Behörden in Liechtenstein zuständig und es kommt das SPG zur Anwendung (vgl. dazu auch das Informationsblatt für schweizerische Versicherungsunternehmen, verfügbar auf der Website der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, www.fma-li.li). Massgebend für das Vorliegen eines Niederlassungsgeschäfts ist, ob im Tätigkeitsland selber über die Annahme des Versicherungsantrags entschieden wird und sich somit dort auch die Akten befinden. Verfügt die Niederlassung im Tätigkeitsland selber über keine Abschlusskompetenz, so werden keine Versicherungsgeschäfte über die Niederlassung abgeschlossen, so dass ein Dienstleistungsgeschäft vorliegt und somit die Gesetzgebung und Behörden des Sitzlandes zuständig sind. Davon zu unterscheiden sind die zivilrechtlichen Pflichten zur Eintragung der Niederlassung in die Register im Tätigkeitsland. Im Fürstentum Liechtenstein besteht beispielsweise eine Eintragungspflicht in das Öffentlichkeitsregister bereits, wenn eine Agentur oder andere ständige Präsenz im Fürstentum Liechtenstein vorliegt (vgl. Ziff. 3 des Informationsblattes für schweizerische Versicherungsunternehmen der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein).


zu Abs. 2 und 3:


Bezüglich der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen und Aufsicht im Bereich der Bekämpfung der Geldwäscherei muss bei Versicherungsnehmern mit Domizil im Fürstentum Liechtenstein unterschieden werden, ob ein Dienstleistungs- oder ein Niederlassungsgeschäft vorliegt. Ein Dienstleistungsgeschäft liegt vor, wenn von der Schweiz aus Versicherungsverträge ohne Gebrauch einer Niederlassung abgeschlossen werden (z. B. aufgrund der Vermittlung des Geschäfts durch einen Makler). Diesfalls kommen die schweizerischen Bestimmungen im Bereich der Geldwäschereibekämpfung und somit das Reglement zur Anwendung.


Bei Niederlassungsgeschäften kommt das liechtensteinische Gesetz über die beruflichen Sorgfaltspflichten bei Finanzgeschäften vom 11. Dezember 2008 (Sorgfaltspflichtgesetz, SPG; in Kraft seit 1. März 2009) zur Anwendung.


Die im SPG geregelten Sorgfaltspflichten entsprechen im Wesentlichen jenen des schweizerischen Geldwäschereigesetzes. Abweichungen bestehen bei dem eine Identifizierungspflicht auslösenden Schwellenwert, bei der betrieblichen (beruflichen) Vorsorge, beim Kollektiv-Versicherungsgeschäft, bei Lebensversicherungen ohne Sparanteil (Risikoversicherungen) sowie bei der Erstellung eines Profils der Geschäftsbeziehung und bei der Dokumentation. Dem SPG untersteht im Unterschied zum schweizerischen GwG auch das Kollektiv-Versicherungsgeschäft sowie die Lebensversicherungen ohne Sparanteil (Risikoversicherungen).


Gemäss Art. 4 lit. a SPG sind Einrichtungen, welche sich ausschliesslich auf dem Gebiet der betrieblichen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge betätigen, vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Sammeleinrichtungen mit Sitz in Liechtenstein gelten als steuerbefreite Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge und sind damit ebenfalls vom persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen (Schriftliche Auskunft der liechtensteinischen Stabsstelle für Sorgfaltspflichten vom 9. September 2005).


In Bezug auf die formellen Vorschriften, d.h. wie die gesetzlichen Sorgfaltspflichten nach dem SPG durchzuführen sind, findet bei Dienstleistungsgeschäften wiederum das schweizerische Recht Anwendung. Es gilt somit das Reglement. Bei Niederlassungsgeschäften hingegen gilt das liechtensteinische Recht.