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Lohntransparenz: Ein Paradigmenwechsel im Recruiting?

Eine Weblaw-Community-Umfrage mit 101 Teilnehmer:innen zeigt einen deutlichen Trend. Wie beeinflusst diese Entwicklung das Recruiting? Welche Vorteile bieten sich Bewerber:innen? Wir tauchen tief in das brandaktuelle Thema von Lohntransparenz ein, beleuchtet durch die Augen von Dr. Anna Sender und Janusz Greg Tomasik.


Themen: Lohntransparenz, War for Talents, Recruiting, Bewerbung, IT-Branche, Rechtsbranche, Universität Luzern, Hochschule Luzern, SwissDevJobs.ch, Weblaw, Lawjobs.ch, Jusletter.
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Lesezeit: 5 Minuten.

Die Debatte um Lohntransparenz nimmt weltweit Fahrt auf. So sind bspw. die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bis Juni 2026 Transparenzinstrumente im nationalen Recht zu verankern. Die Schweiz, die nicht unmittelbar von der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz (in Kraft seit Juni 2023) betroffen ist, sieht sich gleichwohl mit dem wachsenden Interesse konfrontiert, insbesondere (geschlechts-)diskriminierende Lohnungleichheiten aktiv zu adressieren.
 

Für den öffentlichen Dienst ist Transparenz bekanntlich ein fundamentales Prinzip und schliesst unter Einhaltung der Regelungen zum Datenschutz und unter weiteren Voraussetzungen auch die Lohntransparenz mit ein. Nach immer lauter werdenden Stimmen aus der Forschung und Praxis folgen aus der Einführung von (ungefährer) Lohntransparenz auch in privaten Unternehmen aber nicht nur neue Herausforderungen.

Erfahren Sie in den Interviews mit Dr. Anna Sender, renommierte Expertin für strategisches Human Resource Management (HRM), die 2018 gemeinsam mit ihrem Forschungsteam eine bedeutende Studie zum Thema Lohntransparenz veröffentlicht hat, sowie mit Janusz Greg Tomasik, Mitgründer & CTO etablierter Stellenplattformen, u.a. SwissDevJobs.ch, der mit der Offenlegung konkreter Lohnbänder die IT-Rekrutierung revolutioniert, wie Lohntransparenz umgesetzt werden kann und welche Chancen und Herausforderungen sich insbesondere für private Unternehmen in einem angespannten Rekrutierungsmarkt ergeben.

Dr. Anna Sender

Guten Tag Frau Dr. Sender, vielen Dank, dass Sie uns für dieses Interview zur Verfügung stehen. Sie sind Autorin, Dozentin und angesehene Forscherin an der Hochschule Luzern und Universität Luzern. Zu ihren Spezialgebieten gehören u.a. das Talentmanagement und Vergütung. Ist eine externe Lohntransparenz in Stellenausschreibungen nach Ihrer Wahrnehmung ein effektives Mittel im War for Talents?

Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Lohntransparenz in einer Stellenausschreibung ist ein Signal für eine offene Kultur und die Wichtigkeit von Fairness. Somit muss Lohntransparenz zur Unternehmenskultur passen.

Studien haben gezeigt, dass Unternehmen durch Lohntransparenz in Stelleninseraten Kandidat:innen anziehen können, die sich sonst nicht bewerben würden. Lohntransparenz in einer Stellenausschreibung ermöglicht den Kandidat:innen eine bessere Einschätzung darüber, ob die Stelle für sie geeignet ist. Gleichzeitig kann sie aber auch gewisse Kandidat:innen von einer Bewerbung abhalten, weil sie suggeriert, dass der Lohn nicht darüber hinaus ausgehandelt werden kann. Tatsächlich zeigen die Studien, dass Lohntransparenz zur Lohnkompression führt und Ausreisser nach oben kaum mehr möglich sind.

Deswegen ist es wichtig, dass zuerst das Lohnsystem und die Lohnbänder überprüft und intern kommuniziert werden. - Dr. Anna Sender

Wichtig ist auch zu beachten, dass die Lohntransparenz nach aussen auch eine Wirkung innerhalb des Unternehmens haben kann. Dadurch wird beispielsweise ein Lohnband für bestimmte Positionen kommuniziert und somit auch intern klarer, wer wie viel verdient. Deswegen ist es wichtig, dass zuerst das Lohnsystem und die Lohnbänder überprüft und intern kommuniziert werden.
 

In welchen Ländern ist die externe Lohntransparenz kein Tabuthema und führt dies bei der Rekrutierung zu mehr Erfolg?
 

In Skandinavien ist Lohn kein Tabuthema. Leider liegen mir keine Daten vor, wie sich dies auf die Rekrutierung auswirkt. Vielleicht spannender ist aber ein Vergleich nach Branchen in der Schweiz. Unsere Studien zeigen, dass in gewissen Branchen (z.B. Unterrichtswesen) oft Lohntransparenz herrscht. In anderen (z.B. Finanzwesen) ist dies selten der Fall. Je nach Branche kann Lohntransparenz also ein Alleinstellungsmerkmal sein und die Rekrutierung unterstützen.