Onlinekommentare 27.03.2024

Trailrunning

Zitiervorschlag: Janine Teissl/Marco Forte, Trailrunning, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar, https://bergsportkommentar.ch/trailrunning, 1. Aufl., (publiziert am 28. März 2023). 

Kurzzitat: Teissl/Forte, Rz. xx.


Literatur

Brehm Roland, Berner Kommentar, Art. 41-61 OR. Obligationenrecht, die Entstehung durch unerlaubte Handlung, Bern 2021; Christen Rita, Gutachten bei Bergunfällen, HAVE 2015 S. 268 ff.; Fellmann Walter, Berner Kommentar, Der einfache Auftrag, Art. 394-406 OR, Bern 1992; Gonseth, Andreas, Trailbünden, in: FITforLife 4-5/20, S. 70–71; Honsell Heinrich, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Auflage, Zürich 2013; Hungerbühler Francine, Klettern (inkl. Klettersteig), in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Kessler Martin a., in: Widmer Lüchinger Corinne/Oser David, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020; Koch Patrick, Skitouren und Variantenfahren (Teil 1), in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Kuonen Stéphanie, Alpinisme, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Müller Christoph, Berner Kommentar, Art. 1-18 OR mit allgemeiner Einleitung in das Schweizerische Obligationenrecht, Bern 2018 (zit. BK OR-Müller); Müller Franz/Sidiropoulos Alexia, Das Verfahren bei Bergunfällen aus anwaltlicher Sicht, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Müller Rahel, Haftungsfragen am Berg, Diss. Bern 2016 (zit. Müller, Diss.); dieselbe, Bergsportrecht: Einführung und Grundlagen, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar (zit: Müller, Bergsportkommentar), Trechsel Stefan/Fateh-Moghadam Bijan, in: Trechsel Stefan/Pieth Mark (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich/St. Gallen 2021; Vuille Miro, Wandern, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Widmer Lüchinger Corinne/Wiegand Wolfgang, in: Widmer Lüchinger Corinne/Oser David, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 2020.

I. Allgemeines

A. Einleitung

[1]

Seit der Mitte der 90er-Jahre nimmt die Popularität der Sportart Trailrunning zu und die Anzahl Trailläufer*innen wird vom Leichtathletik-Weltverband World Athletics heute auf weltweit ungefähr 20 Millionen geschätzt. Der Boom, den das Trailrunning auch in Europa erlebt, wurde nicht zuletzt durch die erste Austragung des Trailrunning-Wettkampfes UTMB (Ultra-Trail du Mont-Blanc) im Jahr 2003 gefördert, der mittlerweile Kult-Status erlangt hat. Gemäss World Athletics gehört Trailrunning heute zu den am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt, die Anerkennung als offizielle Leichtathletik-Disziplin erfolgte im Jahr 2015. Doch was zeichnet diese Sportart genau aus, wann wird von Trailrunning geredet und nicht mehr einfach von Laufen und wie reiht sich der Sport in die verschiedenen Bergsportarten ein?

[2]

Das Cambridge Dictionary definiert einen Trail als “a path through a countryside, mountain or forest area, often made or used for a particular purpose”. Unter der Disziplin des Trailrunnings ist also das Laufen abseits Asphaltstrassen und befestigter Wege zu verstehen. Die im Jahr 2013 gegründete Organisation International Trail Running Association (ITRA), ist als Partner von World Athletics heute für die Entwicklung des Trailrunnings verantwortlich. Die ITRA definiert Trailrunning als Sport inmitten der Natur und als Ausdauerlauf in natürlichem, abwechslungsreichem Gelände, das oft erhebliche Steigungen und Gefälle aufweist. Gemäss World Athletics, dem Dachverband aller nationalen Sportverbände für Leichtathletik, dem auch der Schweizer Leichtathletik-Verband Swiss Athletics angehört, findet Trailrunning auf verschiedenen Arten von natürlichem Gelände statt. Der am 7. März 2024 offiziell gegründete Verein graubünden Trailrun, der sich aus dem vom Kanton Graubünden im Jahr 2017 initiierten Projekt „graubündenTRAILRUN“, entwickelte, mit welchem der Kanton die Rahmenbedingungen fürs Trailrunning auf kantonaler Ebene strategisch aufbauen und den Ausbau einer spezifischen Trailrunning-Infrastruktur fördern- wollte (Gonseth, S. 70 f.), bezeichnet mit Trailrunning kurz und bündig „alle Arten von Laufen in einer natürlichen Umgebung mit minimalem Anteil an befestigtem Untergrund“ (https://graubuendentrailrun.ch/definition). Für die Qualifizierung eines Wettkampfes als Trail-Wettkampf hat die ITRA einen maximal möglichen Anteil an asphaltierten Strassen von 20 Prozent festgelegt.

[3]

Trailrunning grenzt sich also zum Laufen auf asphaltierten Strassen, auf befestigten Wegen oder auf der Rundbahn eines Sportstadions ab. Dabei findet Trailrunning auf unterschiedlichsten Arten von Naturwegen in unterschiedlicher Umgebung statt – auf Schotter-, Wald- und Wiesenwegen durch Wälder, Parks oder entlang von Seeufern, auf wurzligen, steinigen und gerölligen Trails in alpinem Gelände, auf Pfaden durch Sandwüsten, Schnee oder weite Ebenen. Nicht jeder Traillauf führt Trailläufer*innen also in die Berge – Trailrunning kann jedoch in die Kategorie der Bergsportarten eingeordnet werden, gibt es doch keine allgemein verbindliche Definition von Berg- oder Alpinsport (vgl. Müller, Bergsportkommentar, Rz. 2). Im Vergleich zu Wandernden sind Trailläufer*innen schneller unterwegs und legen in der Regel grössere Distanzen zurück und denjenigen Teil der Strecke laufend, der für sie laufbar ist. Die Trails können dabei verschiedenen Kategorien von Wegen zugeordnet werden und unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Berg- und Alpinwanderskala des Schweizer Alpen-Club SAC aufweisen (siehe dazu Müller, Bergsportkommentar, Rz. 5 und Vuille, Rz. 7-9). Trailrunning kann also, unter anderem abhängig vom Untergrund, der Höhe, des positiven und negativen Höhenunterschiedes, der Länge des Trails und schliesslich auch der Geschwindigkeit der Trailläufer*innen, einerseits ganz unterschiedlich anspruchsvoll sein und andererseits unterschiedliche Risiken und Gefahren bergen. Diese Risiken und Gefahren bestehen sowohl für die Trailläufer*innen selbst als auch für allfällige Begleitpersonen, ohne oder auch mit kommerzieller Orientierung.

[4]

Ereignet sich beim Trailrunning ein Unfall, ist der Sachverhalt rechtlich zu beurteilen. Es müssen Haftungs- und Versicherungsfragen und allenfalls Fragen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit geklärt werden.

B. Abgrenzungen

1. Abgrenzung zu anderen Bergsportarten

[5]

Trailrunning unterscheidet sich in einigen Aspekten von anderen Bergsportarten, jedoch gibt es auch viele Gemeinsamkeiten. Zum Wandern und zum Bergsteigen besteht offensichtlich die grösste Nähe.

a. Wandern
[6]

Wandern (siehe für umfassende Ausführungen zum Wandern den Beitrag von Vuille) ist die Bergsportart, mit welcher Trailrunning die meisten Gemeinsamkeiten aufweist. Im Vergleich zu Trailläufer*innen sind Wandernde in der Regel langsamer und gemütlicher unterwegs, ist es doch eine sportliche Disziplin ohne Wettkampfcharakter. Gemeinsam ist beiden Bergsportarten, dass in der Regel keine spezielle Ausrüstung benötigt wird und ein Wanderrucksack sowie allenfalls Wanderstöcke bzw. eine leichtere Trailrunningweste sowie allenfalls leichtere Trailrunningstöcke für einen Tagesausflug in die Berge reichen. Trailläufer*innen legen auf ihren Läufen auch immer wieder Abschnitte wandernd zurück, versuchen jedoch, die Strecke laufend zurückzulegen, wo es die Wege erlauben.

b. Bergsteigen
[7]

Im Gegensatz zum Trailrunning sind beim Bergsteigen (siehe für umfassende Ausführungen zum Bergsteigen den Beitrag von Kuonen) oft technische Fähigkeiten wie Klettern gefragt und der Einsatz von Sicherheitsausrüstung wie Klettergurte und Seile notwendig. Trailrunning im Gebirge beinhaltet normalerweise keine über Kraxelpassagen hinausgehenden technisch viel anspruchsvolleren Kletterpassagen, sondern konzentriert sich auf das Laufen auf Trails in bergigem Gelände.

2. Abgrenzungen im Trailrunning

[8]

Auch innerhalb des Trailrunnings können Abgrenzungen zwischen unterschiedlichen Formen und Disziplinen vorgenommen werden.

a. Berglauf
[9]

Eine einheitliche Definition eines Berglaufs gibt es nicht. Auch beim Berglauf handelt es sich um einen Lauf in bergigem Gelände und Läufer*innen laufen unter anderem auf Trails, auch längere Abschnitte auf Asphalt sind jedoch keine Seltenheit. Im Vergleich zum Trailrunning konzentriert sich der Berglauf stärker auf den Aufstieg auf einen Hügel oder Berg und in der Regel auf das Ziel, einen Gipfel zu erreichen. Das Trailrunning hingegen ist in der Regel eine Mischung aus Auf- und Abstiegen auf Wegen mit abwechslungsreicher Beschaffenheit. Von Trailrunning mag man in der Schweiz noch nicht so lange hören und lesen, Bergläufe sind aber schon länger ein Begriff. Sierre-Zinal, der älteste Berglauf der Schweiz, der von der Walliser Stadt Sierre auf einer Höhe von 533 Metern mit Gegenanstiegen ins Bergdorf Zinal auf einer Höhe von 1675 Metern führt, wurde im Jahr 1974 zum ersten Mal ausgetragen. Und der Jungfrau-Marathon im Berner Oberland ist wohl einer der bekanntesten Bergläufe der Welt.

b. Skyrunning
[10]

Beim Skyrunning handelt es sich um eine technisch anspruchsvolle Form des Trailrunnings in alpinem Gelände. Die International Skyrunning Federation, die die offiziellen Skyrunning-Events ausrichtet, definiert Skyrunning als einen Lauf in einer Höhe von über 2000 Metern, bei dem der 2. Schwierigkeitsgrad der UIAA-Kletterskala nicht überschritten wird und der Passagen mit einer Steigung von über 30 Prozent enthält (siehe dazu https://www.skyrunning.com/about-skyrunning und https://www.berg-freunde.ch/blog/was-ist-skyrunning/).

c. Ultratrailrunning
[11]

Immer mehr Trailläufer*innen suchen das Abenteuer des Ultratrailrunnings. Dieses beginnt dort, wo die Marathondistanz von 42.195 Kilometern endet. Gegen oben gibt es kaum Grenzen – der Swiss Peaks Trail ist ein Ultra-Trail, bei dem die Trailläufer*innen auf einer Distanz von 660 Kilometern den gesamten Kanton Wallis durch- und überqueren und dabei über 49000 Höhenmeter bewältigen. Das Rennen ist damit der längste Ultra-Trail in Europa (https://www.runnersworld.de/laufkalender/swiss-peaks-trail).

3. Abgrenzung durch den Schwierigkeitsgrad und die Ausrüstung

[12]

Trailläufer*innen suchen das Abenteuer und diese Abenteuerlust scheint nicht so leicht zu stillen zu sein. Im Rahmen von Trail-Wettkämpfen werden immer längere Distanzen oder technisch anspruchsvollere Strecken angeboten. Die Läufer*innen suchen sich aber auch persönliche Herausforderungen und verfolgen beispielsweise FKT-Rekorde, versuchen dabei also, die «Fastest Known Time» für das Laufen bestimmter und unter Umständen extrem langer Strecken oder den Aufstieg auf Berggipfel zu unterschreiten. Dabei ist leichtes Gepäck unerlässlich und die Ausrüstung sollte möglichst minimal sein. So zerfliessen die Grenzen zwischen Trailrunning, Bergsteigen und Klettern und es unterscheiden sich die Anforderungen und damit auch die Risiken und Gefahren, welchen sich die Trailläufer*innen und allenfalls auch ihre Begleitpersonen aussetzen.

[13]

Neben dem Schwierigkeitsgrad des Weges bietet also auch die Ausrüstung eine Möglichkeit, eine Abgrenzung und eine Einordnung in die Reihe der Bergsportarten vorzunehmen. Die klassische Trailrunningausrüstung besteht in Trailrunningschuhen mit einem guten Profil, einem Trailrunningrucksack, allenfalls Trailrunningstöcken und je nach Gelände Spikes, einem Eispickel und einem Helm. Nicht mehr um Trailrunning handelt es sich in der Regel, wenn weitere Bergsteiger- oder Kletterausrüstung benötigt wird, wobei die Notwendigkeit der Sicherheitsausrüstung auch einer subjektiven Beurteilung unterliegt.

C. Rechtliche Grundlagen

[14]

Trailläufer*innen sind in der Regel auf unterschiedlichsten Arten von Fuss- und Wanderwegen unterwegs. Für Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen dieser Wege in der Bundesverfassung (BV), dem Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG), dem Strassenverkehrsgesetz (SVG), der Signalisationsverordnung (SVV) und der Norm SN 640 829a des VSS kann auf den Beitrag zum Wandern (siehe dazu den Beitrag von Vuille) verwiesen werden. Die rechtsverbindliche Norm SN 640 829a zur Signalisation des Langsamverkehrs erläutert in Ziffer. 7.7, dass das Wanderwegnetz aus der Gesamtheit der miteinander verknüpften Wander-, Berg- und Alpinwanderwege besteht. Diese drei Kategorien von Wegen werden in der Norm definiert und es werden die Anforderungen an die Benützerinnen und Benützer der Wege festgehalten (siehe auch Vuille, Rz. 7). Der SAC unterteilt die Wege in seiner Berg- und Alpinwanderskala in diese drei Kategorien, unterscheidet insgesamt jedoch die sechs Schwierigkeitsgrade T1 bis T6. Der Skala kommt zwar kein Normcharakter zu, sie kann aber rechtliche Auswirkung haben, werden die darin festgelegten Schwierigkeitsgrade doch in verschiedenen Bestimmungen der Risikoaktivitätenverordnung zur Abgrenzung herangezogen (vgl. Müller, Diss., Rz. 13; RiskV Anhang 2).

[15]

Neben den allgemeinen rechtlichen Grundlagen sind auch in Bezug auf das Trailrunning das Bundesgesetz über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten (RiskG) von Relevanz sowie die Risikoaktivitätenverordnung (RiskV), welche für Anbieter*innen von so genannten Risikoaktivitäten die Bewilligungs-, Zertifizierungs- und Versicherungspflicht regelt und Sorgfaltspflichten festlegt (siehe zur Risikoaktivitätengesetzgebung Müller, Bergsportkommentar, Rz. 9 ff.).

II. Privatrecht

[16]

Trailrunning wird auf ganz unterschiedlichen Wegen in der freien Natur ausgeübt. Die sich sonst schon ergebenden Gefahren beim Wandern oder bei Hochtouren spitzen sich bei einer Begehung «im Laufschritt» naturgemäss zu. Bei Unfällen stellt sich dabei die Frage, ob allenfalls eine Drittperson für den Unfall haftbar gemacht werden kann. Zu den allgemeinen Haftungsgrundlagen bei Bergsportunfällen und den bestehenden Haftungsgrundlagen (Verschuldenshaftung, Kausalhaftung, vertragliche Haftung sowie Vertrauenshaftung) wird auf den allgemeinen Teil und die dort erwähnte Literatur verwiesen (vgl. Müller, Bergsportkommentar, Rz. 36 ff.). Nachfolgend wird ausschliesslich auf spezifische Fragestellungen und Konstellationen im Zusammenhang mit dem Trailrunning eingegangen. Ausserdem erfolgt eine Übersicht zu Konstellationen mit Vereinsbezug.

[17]

Bei Trailrunning-Wettkämpfen werden die teilnehmenden Läufer*innen ausserdem regelmässig fotografiert und die Bilder werden für Social-Media-Kampagnen oder Sonstiges verwendet, was persönlichkeitsrechtliche Fragen aufwirft (siehe Rz. 42).

A. Vertragliche Haftung des gewerbsmässigen Trailrunning-Guides

1. Anwendbarkeit des Risikoaktivitätengesetzes

[18]

Im Gegensatz zu den Sportarten Hochtouren (Bergführer*in), Schneesport (Schneesportlehrer*in) oder Wandern (Wanderleiter*in) wird der Beruf des Trailrunning-Guides im RiskG (siehe für eingehende Ausführungen zur Risikoaktivitätengesetzgebung: Müller, Bergsportkommentar, Rz. 8 ff.) nicht explizit erwähnt. Auch in der Risikoaktivitätenverordnung wird nicht explizit auf das Trailrunning eingegangen. Aufgrund der Umschreibung des Geltungsbereichs in Art. 1 Abs. 1 RiskG (es gilt für gewerbsmässig angebotene Risikoaktivitäten in gebirgigem oder felsigem Gelände und in Bach- oder Flussgebieten, wo Absturz- oder Abrutschgefahr oder ein erhöhtes Risiko durch anschwellende Wassermassen, Stein- und Eisschlag oder Lawinen besteht und zur Begehung besondere Kenntnisse oder besondere Sicherheitsvorkehren erforderlich sind) besteht jedoch kein Zweifel daran, dass das Gesetz bei Erfüllung der Voraussetzungen dieser Generalklausel grundsätzlich ohne Weiteres auch auf eine Tätigkeit als Guide einer Trailrunning-Tour anwendbar ist. Trailläufer*innen machen nämlich nichts weiteres als Wandernde oder Bergsteigende, sie bewegen sich einfach wesentlich schneller fort und führen in der Regel wesentlich weniger Ausrüstung mit sich.

[19]

Aus Art. 3 lit. a und b RiskV folgt, dass für das gewerbliche Anbieten von geführten Trailrunning-Touren, welche als Hochtouren oder Alpinwanderungen ab dem Schwierigkeitsgrad T4 einzustufen sind, eine Bewilligungspflicht besteht. Erreicht die geplante Route diesen Schwierigkeitsgrad nicht und bleibt im Bereich der Grade T1-T3, ist keine Bewilligung erforderlich. Ab Schwierigkeitsgrad T4 muss der Führer mindestens über einen Abschluss als Wanderleiter mit eidgenössischem Fachausweis sowie eine entsprechende Zusatzausbildung verfügen (Art. 8 Abs. 4 RiskV) um die Bewilligung zu erhalten. Wanderungen mit höherer Einstufung (T5 und T6) und Hochtouren dürfen nur Bergführer*innen mit eidgenössischem Fachausweis anbieten (Art. 4 Abs. 1 RiskV). Zumal Wege mit einem Schwierigkeitsgrad von über T4 und Hochtouren in der Regel nicht mehr als Trailrun begangen werden können, insbesondere da das Mitführen von technischem Material unabdingbar wird, kann davon ausgegangen werden, dass in aller Regel keine gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an kommerzielle Anbieter*innen von Trailruns gestellt werden und damit grundsätzlich keine Bewilligungspflicht besteht.

2. Vertragsverhältnis

[20]

In aller Regel besteht das Vertragsverhältnis zwischen Guide und Gast direkt. Denkbar ist grundsätzlich jedoch auch, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Gast und einer Drittperson besteht, welche als Veranstalter*in auftritt und selbst in einem Vertragsverhältnis (Arbeitsvertrag oder Auftrag) mit einem Trailrunning-Guide steht. Solche Veranstalter*innen mit mehreren unter Vertrag stehenden Guides bestehen Stand heute nicht. Diverse Sportartikelhändler oder -hersteller führen aber etwa Schnupper-Veranstaltungen oder Materialtests durch, welche teilweise auch von externen Guides geleitet werden (siehe als Beispiel ein Angebot des Backdoor Shop in Grindelwald).

[21]

Das Vertragsverhältnis zwischen Guide und Gast ist dabei als Auftrag nach Art. 394 OR zu qualifizieren. Dabei haftet die Beauftragte dem Auftraggeber für eine getreue und sorgfältige Ausführung des ihr übertragenen Geschäfts (Art. 398 Abs. 2 OR; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 234 ff. sowie Art. 398 N 16 ff.). Die vertraglich geschuldete Leistung stellt dabei konkret die einwandfreie Planung und sichere Durchführung der vereinbarten Tour unter Berücksichtigung der äusseren Umstände und der individuellen Fähigkeiten des Gastes dar. Dabei kann es unter Umständen auch geboten sein, bei erkennbarer Überforderung oder mangelhafter Ausrüstung (Schuhe, mitgeführte Sicherheitsausrüstung, Wasser etc.) des Gastes die Route abzuändern oder gar einen einzelnen Gast aus der Gruppe auszuschliessen, um den vertraglichen Pflichten gegenüber den übrigen Teilnehmenden nachzukommen.

3. Haftung und Sorgfaltspflichten des professionellen Trailrunning-Guides

[22]

Ein Auftragsverhältnis charakterisiert sich dadurch, dass von der Beauftragten ein sorgfältiges Tätigwerden im Sinne der vorangehenden Ausführungen verlangt wird (siehe Rz. 21). Verletzt der oder die Beauftragte diese Pflicht und wird der Auftraggeber oder die Auftraggeberin dadurch geschädigt, wird er oder sie gemäss Art. 97 i.V.m. Art. 398 OR schadenersatzpflichtig. Für das Mass der Sorgfalt verweist das Gesetz in Art. 398 Abs. 1 OR auf die vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis zu wahrende Sorgfalt (Art. 321a Abs. 1 und Art. 321e Abs. 2 OR)

[23]

Es ist an dieser Stelle auf einen wichtigen Unterschied in der Beurteilung einer Fahrlässigkeit im Sinne einer Missachtung des zu wahrenden Sorgfaltsmassstabs hinzuweisen. Diese unterscheidet sich nämlich im vertraglichen und im ausservertraglichen Verhältnis. Im Rahmen der ausservertraglichen, deliktischen, Haftung wird die Sorgfaltspflichtsverletzung nämlich anhand der individuellen und subjektiven Umstände und Kenntnisse der (potentiell) haftenden Person beurteilt (BK OR-Brehm, Art. 41 N 196 mit Hinweis auf BGE 129 IV 119/121). Bei der vertraglichen Haftung hingegen kann sich die in die Pflicht genommene Person nicht auf den eigenen, gegebenenfalls mangelhaften, Kenntnis- und Ausbildungsstand berufen. Vielmehr gilt hier ein objektiver Verschuldensbegriff und Sorgfaltsmassstab. Massgebend ist also, was von einem durchschnittlichen Schuldner im Verkehrskreis, in dem er handelt, üblich und zu erwarten ist (BSK OR I-Lüchinger/Wiegang, Art. 99 N 9 mit Hinweis auf BGE 115 II 62/64).

[24]

Dabei ist zu beachten, dass das Trailrunning, wie sämtliche sportliche Aktivitäten in der Natur, diverse immanente Risiken aufweist, welche vom Auftraggeber nicht oder kaum beherrschbar sind. Zu denken ist dabei insbesondere an unvorhersehbare Steinschläge, Wegabbrüche oder Stolperstürze. In diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, dass die Begehung von Wanderwegen bereits im normalen Tempo erhebliche Gefahren birgt (siehe dazu die Kasuistik in Vuille, Rz. 68 ff. sowie 73 ff.), wobei diese durch die höhere Geschwindigkeit bei der Begehung beim Trailrunning und die dabei wesentlich spärlicher ausfallende Ausrüstung naturgemäss stark erhöht sind. Dieses Risiko lässt sich durch den Zuzug einer ausgebildeten Person als Guide teilweise auf diese abwälzen, ein gewisses bergimmanentes Restrisiko verbleibt jedoch stets beim Auftraggeber (Müller, Diss., Rz. 35 und 299).

[25]

Wie vorstehend unter Rz. 17 ff. ausgeführt, ist die Tätigkeit als Trailrunning-Guide in der Gesetzgebung (RiskG und RiskV) nicht explizit aufgeführt und reguliert. Gegenwärtig sind diesbezüglich auch keine Literatur oder Rechtsprechung vorhanden. Was die von einem Trailrunning-Guide zu wahrenden Sorgfaltspflichten angeht, kann jedoch wohl ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass in einem konkreten Haftungsfall die in Art. 2 Abs. 1 und 2 RiskG aufgeführten Sorgfaltspflichten vom Gericht auch analog auf den Guide angewendet würden (siehe zu den Sorgfaltspflichten gem. RiskG und RiskV: Müller, Bergsportkommentar, Rz. 17 ff.).

[26]

Der nicht abschliessende Pflichtenkatalog von Art. 2 Abs. 2 RiskG umfasst dabei die Pflicht des Guides, den Kunden oder die Kundin über besondere Gefahren aufzuklären (lit. a) und zu überprüfen, ob er/sie über ein ausreichendes Leistungsvermögen verfügt, um die gewählte Aktivität auszuüben (lit. b). Der Guide hat dabei sicherzustellen, dass das Material mängelfrei ist und dass Installationen (dabei wäre etwa an Metallseile an besonders exponierten Stellen zu denken) in einem guten Zustand sind (lit. c). Ausserdem hat er/sie die Eignung der Wetter- und Schneebedingungen für die beabsichtigte Unternehmung zu überprüfen (lit. d). Er/sie hat die ausreichende Qualifikation des beigezogenen Personals (lit. e) sowie dem Schwierigkeitsgrad und der Gefahr entsprechend genügendes Personal sicherzustellen (also ein angemessenes Verhältnis zwischen Teilnehmenden und Guides; lit. f). Schliesslich ist auch Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen und es sind namentlich die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu schonen, wobei dies haftungsrechtlich wohl nicht von Relevanz sein dürfte (lit. g).

[27]

Wie weit die zu wahrenden Pflichten eines Trailrunning-Guides reichen, ist von den konkreten Umständen abhängig. Von Relevanz sind dabei insbesondere die Erfahrung und sportliche Leistungsfähigkeit der Teilnehmenden sowie die zu erwartenden technischen Schwierigkeiten und körperlichen Anforderungen der geplanten Tour. Angesichts der Tatsache, dass für Trailrunning-Guides keine offiziell anerkannte Ausbildung besteht (wie etwa bei Bergführer*in oder Wanderleiter*in) dürfte der Sorgfaltsmassstab jedoch insgesamt weniger weit reichen. Dies gilt auf jeden Fall betreffend den Vergleich zu Bergführerin und Bergführer, welche eine sehr umfassende Ausbildung inklusive der Aneignung einer längeren Berufspraxis absolvieren müssen (siehe dazu https://sbv-asgm.ch/bergfuehrer-bergfuehrerin/). Doch auch zu einer Person mit eidgenössischem Fachausweis Wanderleiter/in muss aufgrund der formalisierten Ausbildung (siehe https://sbv-asgm.ch/wanderleiter-wanderleiterin/) von einem, wenn auch nur leicht, reduzierten Massstab ausgegangen werden. Mit fortschreitender Popularität und Professionalisierung ist es jedoch durchaus denkbar, dass sich Guides von Trailrunningtouren schon bald (mindestens) am gleichen Sorgfaltsmassstab wie Wanderleiter*innen orientieren müssen.

B. Ausservertragliche Haftung / Deliktshaftung nach Art. 41 OR

[28]

Die geschädigte Person kann bei Fehlen eines Vertragsverhältnisses zur schädigenden Person (sowie bei Vorliegen eines solchen alternativ) gestützt auf die Deliktshaftung nach Art. 41 OR gegen die schädigende Person Ansprüche geltend machen. Als die Sorgfaltspflicht und damit eine Haftung begründender Faktor kommt dabei etwa die Gefälligkeit (BK OR-Müller, Art. 41 N 274; Honsell, § 9 N 38; Hürlimann-Kaup, S. 6 ff.) oder faktische Führereigenschaft (siehe dazu die bundesgerichtliche Rechtsprechung aus dem Strafrecht: BGE 91 IV 117, BGE 98 IV 168 und BGE 100 IV 210 sowie nachstehend Rz. 39) der leitenden Person infrage.

[29]

Die von der leitenden Person im Rahmen einer Gefälligkeit oder als faktischer Führer (siehe zum Begriff des faktischen Führers Koch, Rz. 23 ff.) zu wahrenden Sorgfaltspflichten orientieren sich an den konkreten Fähigkeiten und Voraussetzungen der entsprechenden Person (subjektiver Sorgfaltsmassstab), dies im Gegensatz zu einem professionellen Guide (objektiver Sorgfaltsmassstab) (siehe zur Unterscheidung Rz. 23 und die dortigen Literaturverweise).

[30]

Es ist hier darauf hinzuweisen, dass die meisten Mitglieder von Trailrunning-Vereinen, welche etwa wöchentliche Trainings oder Touren in den Bergen leiten, über keine diesbezügliche, spezifische Ausbildung verfügen und die Vereine auch meist über keine spezifische Trainingsorganisation mit ausgebildeten Trainern verfügen. Der Erfahrungsschatz der Guides unterscheidet sich, wenn überhaupt, denn auch häufig nur wenig von demjenigen der übrigen Teilnehmenden. Die entsprechende Funktion erschöpft sich meist in einer blossen organisatorischen Tätigkeit, nämlich der Vorgabe von Datum und Strecke. Eine effektive Führungsfunktion mit Übernahme der Verantwortung für die Gruppe wird in der Regel nicht ausgeübt. In aller Regel dürften also die zu wahrenden Sorgfaltspflichten wesentlich weniger weit reichen, als diejenigen von professionellen und ausgebildeten Guides, welche diese Tätigkeit gegen Entgelt und auf Vertragsbasis anbieten.

[31]

Es ist also davon auszugehen, dass in den aktuell bestehenden «lockeren» Konstellationen eine Haftung eines Guides nur in absoluten Ausnahmen anzunehmen ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der ehrenamtlichen und für das Vereinsmitglied kostenlosen Tätigkeit analog einer Gefälligkeitshaftung selbst bei grundsätzlich bestehender Haftung wohl eine deutliche Reduktion der Quote des zu tragenden Schadenersatzes anwendbar sein dürfte (Art. 43 Abs. 1 OR, siehe dazu BK OR-Kessler, Art. 43 N 15 m.w.H. auf Literatur und Rechtsprechung). Bei Hinzutreten von weiteren Herabsetzungsgründen, etwa grober Fahrlässigkeit der teilnehmenden Person (z.B. absolut unzureichende Ausrüstung, grobfahrlässiges Verhalten im Gelände) oder würde der Ersatzpflichtige dadurch in eine Notlage versetzt, sind diese Herabsetzungsgründe zusätzlich zu würdigen (Art. 44 Abs. 1 und 2 OR, s. dazu BK OR-Kessler, Art. 44 N 7 ff. m.w.H. auf Literatur und Rechtsprechung betreffend diverse mögliche Herabsetzungsgründe).

C. Haftung im Rahmen von Vereins- und Gruppenaktivitäten

[32]

Viele Trailläufer*innen gehören keinem Verein an und gehen ihren Aktivitäten in einfachen, locker zusammengewürfelten Gruppen nach. Ambitionierte Läufer*innen üben ihren Sport jedoch sehr häufig auch in dem Trailrunning verschriebenen Teilsektionen von Leichtathletik-Verbänden oder Lauf-Vereinen aus. Ausserdem bestehen spezifische Trailrunning-Vereine (z.B. der Verein trail-maniacs). Diese Vereine verfügen meist über ein mehr oder weniger dichtes Trainingsprogramm mit diversen Aktivitäten bis hin zu spezifischen Trainingswochen im Gebirge oder der Organisation von Wettkämpfen.

[33]

Dabei stellen sich auch Fragen in haftpflichtrechtlicher Hinsicht. Kommt es beispielsweise im Rahmen einer vom Verein organisierten Aktivität (Training, Wettkampf, Tour im Gelände) zu einem haftungsrelevanten Unfall, fragt sich, ob und auf welcher Basis der Verein dafür von der teilnehmenden Person in die Pflicht genommen werden kann. Ausserdem kann unter gewissen Umständen auch in Gruppen ohne weitergehender vertraglicher Bindung jemand die Leitung übernehmen, welche dann gegebenenfalls im Rahmen einer Gefälligkeitshaftung oder als faktischer Führer in die Pflicht genommen werden kann.

1. Haftung des Vereins

[34]

Der Verein als juristische Person (Art. 52 Abs. 1 und 2 ZGB) kann entweder aus einem Vertragsverhältnis (Art. 97 OR) oder aus Delikt (Geschäftsherrenhaftung, Art. 55 OR) haften.

[35]

Verpflichtet sich ein Verein gegenüber einem Vereinsmitglied oder Dritten zur Durchführung eines Trainings oder Rennens, entsteht dadurch ein Vertragsverhältnis. Dieses kann entweder explizit (wie dies etwa bei (semi-)professionellen Renn-Veranstaltungen üblich ist) oder aber konkludent (Art. 1 Abs. 2 OR, etwa durch schlichtes Erscheinen am Startplatz des Trainings) zu Stande kommen. Als Vertragsgrundlage wird herbei von einem Auftrag nach Art. 394 ff. OR ausgegangen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass eine Vergütung im Rahmen von Vereinsaktivitäten nicht üblich ist bzw. die Vereinsaktivitäten meist mit einem pauschalen jährlichen Mitgliederbeitrag abgegolten werden.

[36]

Die Person, welche die Aktivität effektiv leitet oder organisiert, handelt dabei entweder als Organ/Vorstandsmitglied im Namen des Vereins (Art. 69 Abs. 1 ZGB) oder aber als beigezogene Hilfsperson. Hilfspersonen können dabei entweder als Arbeitnehmer des Vereins auftreten (etwa angestellte und bezahlte Trainer), viel häufiger handelt es sich aber um Freiwillige, welche meist auch selbst Vereinsmitglieder sind. Die Haftungsgrundlage stellen hier Art. 97 OR bzw. Art. 101 OR (für Hilfspersonen) dar.

[37]

Alternativ kann der Verein auch auf Basis der (ausservertraglichen) Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR) für die Handlung seiner Organe und beigezogenen Hilfspersonen in die Pflicht genommen werden. Dies ist insbesondere in Konstellationen relevant, in welchen eben gerade kein vertragliches Verhältnis zwischen dem Verein und der geschädigten Person besteht. Zu denken ist hier etwa an geschädigte Zuschauer einer Veranstaltung, welche mangels Vertragsverhältnis zum veranstaltenden Verein lediglich auf dieser Basis Ansprüche geltend machen können.

2. Persönliche Haftung des Vereinsmitglieds

[38]

Ein Verein haftet grundsätzlich ausschliesslich mit seinem Vermögen für seine Verbindlichkeiten, sofern die Statuten nichts anderes bestimmen (Art. 75a ZGB). Eine Haftung der Mitglieder für Haftpflichtansprüche gegenüber dem Verein dürfte somit nahezu niemals bestehen. Das Vereinsvermögen ist in aller Regel relativ beschränkt, sehr grosse Sportvereine ausgenommen, und besteht häufig ausschliesslich aus Mitgliederbeiträgen sowie eventuell Einnahmen aus vom Verein organisierten Veranstaltungen, welche zusammen zur Finanzierung der laufenden Aktivitäten dienen. Zudem verfügen gerade kleine Vereine über keine eigene Haftpflichtversicherungspolice zur Abdeckung allfälliger Haftungs-Risiken. Das Haftungssubstrat muss somit in den meisten Fällen als überschaubar und bei weitem nicht ausreichend für die Befriedung eines komplexen Körperschadens oder grösseren Sachschadens beurteilt werden. Aus Sicht der geschädigten Person kann es somit häufig wesentlich attraktiver, gegen eine natürliche Person (mit allenfalls vorhandener Privathaftpflichtversicherung) vorzugehen.

[39]

Das im Namen des Vereins die Aktivität durchführende/leitende Vereinsmitglied verpflichtet sich jeweils nicht persönlich und vertraglich. Es handelt leidglich im Namen des Vereins. Eine vertragliche Grundlage und damit eine Haftung nach Art. 97 OR fällt damit ausser Betracht. Damit verbleibt als Haftungsgrundlage ausschliesslich die Deliktshaftung nach Art. 41 OR.

D. Haftung gegenüber Dritten, Werkeigentümerhaftung und Vertragshaftung von Bergbahnen

[40]

Eine Haftung ist grundsätzlich auch gegenüber Dritten denkbar. So etwa, wenn Trailläufer*innen aufgrund unangepasster Geschwindigkeit mit Wandernden zusammenstossen oder Steine losgetreten werden, welche andere Bergsportler*innen treffen. Bei von Trailläufer*innen begangenen Wegen handelt es sich ausserdem häufig um Werke im Sinne von Art. 58 Abs. 1 OR. Sind diese mangelhaft und kommt es deshalb zu einem Schaden, fragt es sich, ob Ansprüche gegen die Werkeigentümerschaft bestehen und durchgesetzt werden können (vgl. Hungerbühler, Rz. 43 ff.). Zumal viele Bergbahnen explizit an Trailrunner*innen gerichtete Werbung machen und Wanderwege dafür bereitstellen und unterhalten, wäre ausserdem (bei Bestehen eines Transportvertrags oder sonstigen Vertragsverhältnisses) eine Vertragshaftung von Bergbahnbetreibern für Unfälle bei von ihnen beworbenen Aktivitäten zumindest diskutabel. Dies in analoger Anwendung der Rechtsprechung zu den Pistensicherungspflichten von Skigebieten (BGE 115 IV 189).

[41]

Für weitere Ausführungen zur Haftung gegenüber Dritten, der Werkeigentümerhaftung sowie die Haftung der Bergbahnunternehmen aus Transportvertrag inklusive entsprechender Kasuistik wird auf die Ausführungen im Beitrag zum Wandern (Vuille, Rz. 33 ff. und 37 ff.; siehe auch Elsener/Wälchli, Rz. 36 ff.) verwiesen, welche auf Konstellationen mit Trailläufer*innen ebenfalls anwendbar sind.

E. Das Recht am eigenen Bild

[42]

Grundsätzlich sind alle Fotos urheberrechtlich geschützt. Dabei ist einerseits der Schutz des Urhebers des Fotos relevant und andererseits der Schutz der Person(en), die auf dem Foto zu sehen ist oder sind. Da als Teil des Persönlichkeitsrechts jede Person ein Recht am eigenen Bild hat (Art. 28 ZGB), darf grundsätzlich jede Person selbst bestimmen, ob sie fotografiert werden möchte und für welche Zwecke die Fotografien verwendet werden dürfen. Das unerlaubte Fotografieren oder Verbreiten von Bildern ist also im Bereich des Datenschutzrechts relevant und kann auch strafrechtlich von Relevanz sein (u.U. auch durch eine Verletzung von Art. 179quater StGB). Um bei Trailrunning-Wettkämpfen Fotos und Videos aufnehmen zu können, holen die Veranstalter bei der Anmeldung eine Einverständniserklärung der Trailläufer*innen ein, diese fotografieren und filmen und die Fotos und Videos im Internet, auf Social Media und allenfalls für Werbezwecke nutzen zu dürfen (siehe als Beispiel die Art. 52 bis 54 des Reglements des Laufs Sierre-Zinal). Auch Vereine holen in der Regel eine entsprechende Einverständniserklärung ihrer Mitglieder ein oder sollten dies zumindest tun.

III. Strafrecht

A. Allgemeines

[43]

Wer Bergsport betreibt, setzt sich Gefahren aus und auch Trailläufer*innen können abstürzen, von schlechtem Wetter überrascht werden, in Lawinen geraten oder durch Stein- oder Eisschlag getroffen werden (vgl. Christen, S. 268). Die Grundlagen für die Beurteilung von allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen bei Bergunfällen finden sich im Allgemeinen Teil dieses Kommentars (vgl. Müller, Bergsportkommentar, Rz. 1 und Rz. 52 ff. sowie Müller/Sidiropoulos, Rz. 1 ff.). Ereignet sich beim Trailrunning ein Unfall, kann bei der Prüfung von allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen in der Regel davon ausgegangen werden, dass diesem ein fahrlässiges und kein vorsätzliches Verhalten zugrunde liegt. Insbesondere muss geprüft werden, ob eine Person, die am Unfall beteiligt war, den Tatbestand der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StBG), der fahrlässigen Körperverletzung (Art. 125 StBG) oder der Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB) erfüllt und ob der Unfall damit strafrechtlich relevant ist (Christen, S. 270).

[44]

Dabei ist auch ein mögliches strafrechtlich relevantes Verhalten einer professionellen oder ehrenamtlichen Anbieterin einer Trailrunning-Tour oder einer Veranstalterin eines Trail-Wettkampfes zu prüfen. Wettkämpfe sind im Trailrunning sehr häufig, hat man als Trailläufer*in doch fast jedes Wochenende mehrere Trailläufe zur Auswahl. Für die strafrechtlich relevanten Aspekte von Wettkämpfen wird auf die Ausführungen im Beitrag «Wettkampf in den Bergen» verwiesen, der ausführlich auf die strafrechtliche Verantwortung von Veranstaltern von Wettkämpfen im Falle von Unfällen eingeht (siehe dazu Toneatti, Rz. 86 ff.).

B. Fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung

1. Fahrlässigkeit

[45]

Verletzt ein*e Trailläufer*in fahrlässig eine andere Person und unter Umständen tödlich, können damit die Tatbestände der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB oder der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 StGB erfüllt werden. «Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist» (Art. 12 Abs. 3 StGB). Eine fahrlässige Tötung oder eine fahrlässige Körperverletzung können also begangen werden, indem eine Person gegen eine Sorgfaltspflicht verstösst und dadurch eine Körperverletzung, eine Gesundheitsschädigung oder den Tod einer anderen Person verursacht. Beim Trailrunning ist es beispielsweise vorstellbar, dass ein*e Trailläufer*in einen Steinschlag auslöst, ein losgetretener Stein eine Begleitperson trifft und diese, allenfalls sogar tödlich, verletzt, oder der Steinschlag zu einem möglicherweise tödlichen Unfall führt.

2. Sorgfaltspflichten

[46]

Verletzt ein*e Trailläufer*in also seine oder ihre Sorgfaltspflichten und verursacht er oder sie damit einen Unfall, den er oder sie hätte voraussehen und vermeiden können, liegt Fahrlässigkeit vor. Der Umfang der Sorgfaltspflichten hängt dabei von der Rolle des Trailläufers oder der Trailläuferin ab, der oder die allenfalls als Führungsperson in einer Gruppe unterwegs ist. Für die Beurteilung der rechtlichen Folgen eines Unfalls ist also entscheidend, in welcher rechtlichen Beziehung die Beteiligten des Unfalls zueinander gestanden haben. Die Sorgfaltspflichten einer professionellen Führungsperson, also eines professionellen Trailrunning-Guides, mit einem zahlenden Gast bzw. einer zahlenden Gruppe gehen dabei am weitesten, etwas weniger weit gehen die Sorgfaltspflichten eines ehrenamtlichen Trailrunning-Guides und eines faktischen Führers und am wenigsten weit gehen die Sorgfaltspflichten eines Mitglieds einer Gefahrengemeinschaft (siehe dazu Christen, S. 269 f. sowie die Rz. 22 ff. in diesem Beitrag).

3. Verantwortlichkeit aus Garantenstellung und Gefahrengemeinschaft

[47]

Eine Person hat eine Garantenstellung inne, wenn sie rechtlich verpflichtet war, einen konkret eingetretenen Erfolg nach Möglichkeit abzuwenden (siehe Praxiskommentar StGB-Trechsel/Fateh-Moghadam, Art. 11 N 7). Professionelle Trailrunning-Guides haben aufgrund ihres Vertragsverhältnisses mit den Teilnehmenden an ihren Trailrunning-Angeboten eine Garantenstellung inne, welche sich aus Art. 11 Abs. 2 lit. b StGB ergibt. Eine Garantenstellung auch eines ehrenamtlichen Trailrunning-Guides kann sich aus der Anerkennung einer Garantenstellung eines faktischen Führers oder einer faktischen Führerin einer Gruppe ergeben. Eine Garantenstellung eines ehrenamtlichen Trailrunning-Guides oder eines Mitglieds einer Trailrunning-Gruppe ist jedoch nur zu bejahen, wenn unter den konkreten Umständen die Person tatsächlich über mehr Erfahrung als die übrigen Gruppenmitglieder verfügt, Weisungen erteilt, die von den anderen Gruppenmitgliedern befolgt werden und diese bewusst oder unbewusst auf die Erfahrung und Kenntnisse der Person vertrauen. Nur wenn eine Person explizit oder konkludent eine (Führungs-)Verantwortung übernimmt, kann eine Rolle als faktischer Führer oder faktische Führerin angenommen werden. Darüber hinaus kann eine Obhutspflicht aus einer Gefahrengemeinschaft (vgl. Art. 11 Abs. 2 lit. c StGB) dann entstehen, wenn sich mehrere Personen deshalb auf eine Gefahr einlassen, weil sie darauf vertrauen, dass sie sich gegenseitig Hilfe leisten (siehe dazu Praxiskommentar StGB-Trechsel/Fateh-Moghadam, Art. 11 N 11 ff.). Tun sich aber mehrere gleich erfahrene Trailläufer*innen einzig mit dem Zweck zusammen, das Trailrunning gemeinsam auszuüben und ohne dass eine Person eine Führungsrolle einnimmt, besteht eine Gefahrengemeinschaft ohne faktische Führerschaft (siehe für umfassende Ausführungen zur faktischen Führerschaft und Gefahrengemeinschaften KOCH, Rz. 23 ff.).

[48]

Wie bereits festgehalten, ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit abhängig von der Verletzung der Sorgfaltspflichten des professionellen oder des ehrenamtlichen Trailrunning-Guides oder eines Mitglieds einer Trailrunning-Gruppe. Der Umfang der zu erfüllenden Sorgfaltspflichten ergibt sich aus der jeweiligen Rolle, die eine Person aufgrund allenfalls bestehender Vertragsverhältnisse, gesetzlicher Grundlagen oder dem expliziten oder konkludenten Übernehmen einer Führungsrolle innehat.

C. Sachbeschädigung

[49]

Unter einer Sachbeschädigung versteht man das strafrechtlich untersagte Beschädigen, Zerstören oder Unbrauchbarmachen einer fremden, im Eigentum einer anderen Person stehenden Sache. Beschädigt ein*e Trailläufer*in absichtlich das Eigentum anderer, kann dies also eine Sachbeschädigung gemäss Art. 144 StGB darstellen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Trailläufer*innen Zäune, Tore oder andere Strukturen beschädigen oder wenn sie im Eigentum einer Drittperson stehende Tiere oder Pflanzen schädigen.

IV. Sozialversicherungsrecht: Trailrunning ist kein Wagnis

[50]

Wie im Beitrag “Einführung und Grundlagen” dieses Kommentars (Müller, Bergsportkommentar, Rz. 65) ausgeführt, sieht das UVG Leistungskürzungen oder -verweigerungen vor, wenn der eingetretene Schaden schuldhaft herbeigeführt wurde oder wenn eine aussergewöhnliche Gefahr oder ein Wagnis eingegangen worden ist (Art. 37 und 39 UVG). Zur Erläuterung der Begriffe der Grobfahrlässigkeit und zur Abgrenzung von relativen und absoluten Wagnissen wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.

[51]

Zum aktuellen Zeitpunkt wird von der Suva keine Art, wie heute Trailrunning ausgeübt wird, als absolutes Wagnis eingestuft und es liegen auch keine Entscheide vor, welche ein relatives Wagnis im Zusammenhang mit Trailrunning beschreiben. In Anbetracht dessen, dass schon diverse 4000er der Schweiz (u.a. das Matterhorn) in immer grösseren Geschwindigkeiten mit immer weniger mitgeführtem Material (ohne Seil, ohne Sicherungsmaterial, ohne Pickel, ohne Steigeisen bzw. nur mit Leichtsteigeisen, solo bzw. ohne Begleitperson und nur in (z.T. etwas festeren Trailrunningschuhen) bestiegen werden, kann jedoch sicherlich infrage gestellt werden, ob bei derartigen Besteigungsarten das eingegangene Risiko überhaupt noch kontrolliert werden kann. Wenn man die bisherige Rechtsprechung zu den Wagnissen berücksichtigt, dürfte aus Sicht der Rechtsprechung eine Besteigung eines 4000ers in Turnschuhen, wobei solche normalerweise mit dem üblichen Hochtourenmaterial bestiegen werden, wohl selbst bei guten Verhältnissen zumindest ein relatives Wagnis darstellen.

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