Jusletter

Kantonale Notrechtssysteme

Eine vergleichende Übersicht des intrakonstitutionellen Notrechts in den Kantonen

  • Autoren/Autorinnen: Stefanie Rusch / Bernhard Waldmann
  • Beitragsart: Wissenschaftliche Beiträge
  • Rechtsgebiete: Übriges Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht
  • DOI: 10.38023/7389eea6-1581-4b30-91ec-385ae3773be8
  • Zitiervorschlag: Stefanie Rusch / Bernhard Waldmann, Kantonale Notrechtssysteme, in: Jusletter 3. Juni 2024
Der vorliegende Beitrag sichtet die bunte Vielfalt der kantonalen Notrechtssysteme. In einer vergleichenden Untersuchung werden die verfassungsrechtlichen Notrechts- und Notstandsklauseln anhand von Systematik, Anwendungsvoraussetzungen, Kompetenzumfang sowie rechtsstaatlich-demokratischen Korrektiven analysiert und entsprechende Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Der Beitrag endet mit einer Würdigung der kantonalen Normierungen und skizziert die wesentlichen Elemente von Notrechtssystemen, welche sowohl rasches als auch hinreichend legitimiertes Handeln in ausserordentlichen Situationen ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Zum Begriff des Notrechts
  • 2.1. Das echte (extrakonstitutionelle) Notrecht
  • 2.2. Das unechte (intrakonstitutionelle) Notrecht
  • 2.3. Auf dem Weg zu einem erweiterten Notrechtsbegriff?
  • 3. Notrechtssysteme in Bund und Kantonen im Überblick
  • 3.1. Zum Begriff des Notrechtssystems
  • 3.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Überblick
  • 4. Kantonale Notrechts- und Notstandsklauseln im Vergleich
  • 4.1. Ausgangslage: Begriffliches
  • 4.1.1. Typologie: Notrechts- und Notstandsklauseln
  • 4.1.1.1. Notrechtsklauseln
  • 4.1.1.2. Notstandsklauseln
  • 4.1.2. Abgrenzungen
  • 4.1.2.1. Staatsaufgaben
  • 4.1.2.2. Spezialgesetzliche Ermächtigungsklauseln
  • 4.1.2.3. Polizeiliche Generalklausel
  • 4.2. Systematische Einordnung
  • 4.2.1. Notrechtsklauseln
  • 4.2.2. Notstandsklauseln
  • 4.3. Anwendungsvoraussetzungen
  • 4.3.1. Notrechtsklauseln
  • 4.3.1.1. Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes
  • 4.3.1.2. Sachliche Dringlichkeit
  • 4.3.1.3. Zeitliche Dringlichkeit
  • 4.3.1.4. Subsidiarität
  • 4.3.2. Notstandsklauseln
  • 4.3.2.1. Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes
  • 4.3.2.2. Sachliche Dringlichkeit
  • 4.3.2.3. Zeitliche Dringlichkeit
  • 4.3.2.4. Subsidiarität
  • 4.3.3. Zusätzliche Anwendungsvoraussetzungen
  • 4.4. Kompetenzumfang
  • 4.4.1. Notrechtsklauseln
  • 4.4.2. Notstandsklauseln
  • 4.5. Bindung notrechtlicher Massnahmen an die bestehende Rechtsordnung
  • 4.5.1. Gesetzesbindung
  • 4.5.2. Verfassungsbindung
  • 4.6. Rechtsstaatlich-demokratische Korrektive
  • 4.6.1. Beschränkte Geltungsdauer
  • 4.6.2. Stellung der Parlamente
  • 4.6.2.1. Information
  • 4.6.2.2. Parlamentarische Genehmigung
  • 5. Würdigung
  • 5.1. Notwendigkeit eines Notrechtssystems
  • 5.1.1. Notrecht als «Fluch» oder «alternativlose Notwendigkeit»?
  • 5.1.2. Notrechtssystem als wesentliches Element des Rechtsstaats
  • 5.2. Ausgestaltung des Notrechtssystems
  • 5.2.1. Verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage
  • 5.2.2. Verhältnis verschiedener Normen des Notrechtssystems
  • 5.2.3. Angepasster (Un-)Bestimmtheitsgrad der Notrechts- und Notstandsklauseln
  • 5.2.3.1. Bestimmtheitsgrad der Anwendungsvoraussetzungen
  • 5.2.3.2. Umfang der Massnahmenkompetenzen
  • 5.2.4. Rechtsstaatlich-demokratische Korrektive
  • 5.2.4.1. Beschränkte Geltungsdauer
  • 5.2.4.2. Einbezug der ordentlichen Gesetzgebungsorgane
  • 5.2.4.2.1. Informations- und Anhörungsrechte der Parlamente als Korrektive
  • 5.2.4.2.2. Parlamentarisches Notverordnungsrecht als Korrektiv
  • 5.2.4.2.3. Parlamentarisches Genehmigungsverfahren als Korrektiv
  • 5.3. Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

Die Häufigkeit und Dynamik von kritischen Ereignissen in den letzten 25 Jahren – zu erwähnen sind namentlich die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA, die Erschütterung des Banken- und Finanzsystems in den Jahren 2007–2008, die Covid-19-Pandemie oder die kriegerischen Brandherde in Syrien, in der Ukraine oder in Nahost und die dahinter stehenden Konflikte der Grossmächte sowie die immer deutlicher festzustellenden Auswirkungen des Klimawandels – lassen den Eindruck aufkommen, dass die Welt von einer Welle unablässiger Katastrophen und Krisen heimgesucht wird. Die Gründe hierfür dürften vielschichtig sein: Führen einzelne Ereignisse heute aufgrund der globalen Vernetzungen und Abhängigkeiten schneller zu einer ausserordentlichen Situation oder werden die Menschen infolge der intensiven und kumulierten Verbreitung von Ereignissen in den (sozialen) Medien rascher in den Krisenmodus versetzt? Jedenfalls werden die Funktionsfähigkeit und die Resilienz des Rechtsstaats durch die Anhäufung und Dynamik solcher Ereignisse auf die Probe gestellt.

[2]

Es gehört zum Wesen des Rechtsstaats, für das Zusammenleben der Menschen und die Ordnung von Staat und Gesellschaft sowie für die Beilegung von künftigen Streitigkeiten Regeln aufzustellen, an denen sich Behörden und Private auszurichten haben. Wird der Rechtsstaat mit neuen Problemen konfrontiert, kann er zu deren Bewältigung neues Recht schaffen oder bestehendes anpassen. Im Bewusstsein, dass das Rechtsetzungsverfahren in einem demokratischen Rechtsstaat zeitaufwändig ist, kann er in Fällen zeitlicher Dringlichkeit vorausschauend Regeln für ein dringliches Verfahren bereitstellen. Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, die Regierung mit Blick auf eine rasche und wirksame Bewältigung bestimmter, voraussehbarer ausserordentlicher Situationen mit weitreichenden Rechtsetzungs- und Massnahmenkompetenzen auszustatten.1 Einer proaktiven und zugleich mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbaren Gesetzgebung sind allerdings Schranken gesetzt: Der Gesetzgeber kann weder alle Bedrohungslagen voraussehen noch kann er diese in ihrer konkreten Ausprägung hinreichend erfassen.2 Um die Handlungsfähigkeit des Staats zur Bewältigung ausserordentlicher Situationen in einem rechtsstaatlichen Rahmen zu sichern, ermächtigen der Bund und die (allermeisten) Kantone in ihren Verfassungen daher die Regierung zum Erlass von Verordnungen oder anderen Massnahmen, die zwar in den Verfassungen nur teilweise, in der Lehre und Praxis aber überwiegend als «Notrecht» oder «Notstandsrecht» bezeichnet werden.

[3]

Der vorliegende Beitrag3 widmet sich der Analyse der verschiedenen Notrechtssysteme in Bund und Kantonen. Dabei sollen die rechtlichen Mechanismen und Rahmenbedingungen herausgearbeitet werden, die es den staatlichen Behörden ermöglichen, in ausserordentlichen Situationen – also in Situationen, die mit den ordentlichen Mitteln nicht mehr bewältigt werden können – adäquat zu handeln und dabei die gebotenen rechtlichen Grenzen zu wahren. Die Untersuchung beginnt mit der Klärung einiger Begrifflichkeiten (Ziff. 2). Gestützt auf diese Verständnisgrundlage werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der kantonalen Notrechtssysteme zunächst in einer Übersicht dargestellt (Ziff. 3), um sie anschliessend hinsichtlich einiger Schlüsselfragen einer detaillierteren Analyse zu unterstellen (Ziff. 4). Schliesslich wird die Systemvielfalt einer Würdigung unterzogen (Ziff. 5).

2.

Zum Begriff des Notrechts ^

[4]

Der Begriff des Notrechts findet sich weder in der aktuellen Bundesverfassung4 noch in deren Vorgängerverfassungen von 1848 und 1874, wohl aber in einigen Kantonsverfassungen.5 Er wurde im Wesentlichen durch die Rechtspraxis und die Lehre geprägt und hat dabei im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren.

2.1.

Das echte (extrakonstitutionelle) Notrecht ^

[5]

Im 20. Jahrhundert stand der Begriff des Notrechts in der Schweiz primär für das Vollmachtenregime während der beiden Weltkriege, in welchem die Bundesversammlung dem Bundesrat jeweils die Vollmacht und den Auftrag erteilte, die zur Behauptung der Sicherheit, Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz, zur Wahrung des Kredits und der wirtschaftlichen Interessen des Landes und zur Sicherung des Lebensunterhaltes erforderlichen Massnahmen zu treffen und ihn im Rahmen dieser weitreichenden Befugnisse gar ermächtigte, von der Verfassung abzuweichen.6 Damit hatte die Bundesversammlung anstelle des Verfassungsgebers dem Bundesrat Kompetenzen übertragen, die sie selbst gar nicht innehatte. Sowohl die Vollmachtenbeschlüsse der Bundesversammlung als auch das durch den Bundesrat geschaffene Recht standen ausserhalb der (ordentlichen) Verfassung, weshalb in diesem Zusammenhang auch vom extrakonstitutionellen Notrecht die Rede ist. Die Rechtmässigkeit dieses Vorgehens war zunächst höchst umstritten.7 Im Laufe der Zeit hat sich allerdings die Ansicht durchgesetzt, dass die Bundesversammlung und (subsidiär) der Bundesrat in der Pflicht stehen, eine für das Land existenzbedrohende Notlage (sog. Staatsnotstand) abzuwenden. Dabei muss der Bundesversammlung kraft ungeschriebenen Verfassungsrechts bzw. Verfassungsgewohnheitsrechts die Befugnis zukommen, den Staatsnotstand – unter Vorbehalt der Wahrung der notstandsfesten Grundrechte – in Abweichung von der Verfassungsordnung zu regeln, während dem Bundesrat entweder aufgrund einer Bevollmächtigung durch die Bundesversammlung oder bei Handlungsunfähigkeit derselben eine selbständige Notverordnungsbefugnis8 zusteht.9

2.2.

Das unechte (intrakonstitutionelle) Notrecht ^

[6]

Von diesem ursprünglichen Notrechtsbegriff abzugrenzen sind die in der Verfassung ausdrücklich vorgesehenen Bestimmungen, welche das Parlament oder die Regierung ermächtigen oder gar verpflichten, zur Bewältigung ausserordentlicher Situationen in Abweichung von der ordentlichen Zuständigkeits- und Verfahrensordnung Rechtssätze mit Gesetzes- oder gar Verfassungsrang zu erlassen, Ausgaben zu genehmigen oder andere Massnahmen zu treffen. So werden beispielsweise in der Bundesverfassung der Bundesversammlung (Art. 173 Abs. 1 lit. c BV) bei Vorliegen ausserordentlicher Umstände und – konkurrierend – dem Bundesrat (Art. 185 Abs. 3 BV) bei eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit selbständige Verordnungskompetenzen zugewiesen. Diese bereits in der BV 1848 und der BV 1874 enthaltenen Kompetenzen wurden anfänglich nicht unter den Begriff des Notrechts gefasst10 oder als unechtes Notrecht11 bezeichnet. Da sich die Kompetenzen der Bundesversammlung und des Bundesrates aus der Verfassung selbst ergeben und sich Bundesversammlung und Bundesrat in Ausübung ihrer Kompetenzen – unter Vorbehalt einer in der Verfassung selbst enthaltenen Dispens – an die Verfassung zu halten haben,12 ist auch vom (intra)konstitutionellen Notrecht die Rede.13 Als Notrecht gelten dabei die rechtsetzenden Bestimmungen («Notverordnungen»), welche die Regierung oder auch das Parlament gestützt auf für bestimmte (ausserordentliche) Situationen vorgesehene verfassungsrechtliche Ermächtigungsklauseln erlassen.14

[7]

Dem (intra-)konstitutionellen Notrecht werden (auf Bundesebene) ferner auch das Institut der Bundesintervention (Art. 52 Abs. 2 BV),15 die polizeiliche Generalklausel (Art. 36 Abs. 1 BV)16 sowie teilweise Art. 184 Abs. 3 BV17 zugeschrieben. Nicht Teil des intrakonstitutionellen Notrechts bilden hingegen nach hier vertretener Auffassung die dringlichen Bundesgesetze (Art. 165 BV), da sie zum einen wohl eine zeitliche Dringlichkeit, aber keine ausserordentliche Lage i.S. einer Notsituation voraussetzen und zum andern – abgesehen von der Dringlichkeitsklausel und dem (allfälligen) nachträglichen Referendum – im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nicht als Surrogat für eine fehlende formell-gesetzliche Grundlage erlassen werden.18

[8]

Auch die Kantone haben in ihren Verfassungen Grundlagen für den Erlass von notrechtlichen Massnahmen verankert (vgl. Ziff. 3 und 4). Diesen kam aber bis vor kurzem noch keine grosse Bedeutung zu.19

2.3.

Auf dem Weg zu einem erweiterten Notrechtsbegriff? ^

[9]

Teilweise hat auch der Gesetzgeber in den einzelnen Sacherlassen besondere Bestimmungen für – mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschriebene – ausserordentliche Verhältnisse oder Notlagen geschaffen. Diese sehen mit Blick auf mögliche künftige Notlagen innerhalb eines definierten Anwendungsbereichs besondere, unmittelbar anwendbare Regeln vor20 oder ermächtigen die Regierung zum Erlass der zur Bewältigung der Notlage erforderlichen Vorschriften21 und Massnahmen22. Die spezialgesetzlichen Delegationsnormen sowie die darauf abgestützten Verordnungen werden grundsätzlich nicht zum Notrecht gezählt, zumal diese Ermächtigungsklauseln einen engen, sektorspezifischen Anwendungsbereich haben und der Verordnungsgeber bei der Wahrnehmung der ihm eingeräumten Befugnisse – unter Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Vorschriften – vollumfänglich an das Gesetz gebunden bleibt.23 In neuerer Zeit werden allerdings diese besonderen Ermächtigungsklauseln und die darauf abgestützten Verordnungen in der Nähe des Notrechts verortet.24 Das wird auch dadurch begünstigt, dass im Rahmen einer neusten Teilrevision des Parlamentsgesetzes gewisse, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise erlassene Verordnungen dem gleichen Verfahren unterstellt wurden wie Verordnungen nach Art. 185 Abs. 3 BV.25 Wo das Gesetz dem Verordnungsgeber erlaubt, von bestehenden Gesetzesbestimmungen abzuweichen,26 ist die Nähe zum Notrecht offensichtlich.

3.

Notrechtssysteme in Bund und Kantonen im Überblick ^

3.1.

Zum Begriff des Notrechtssystems ^

[10]

In der juristischen Literatur werden die in den Verfassungen von Bund und Kantonen explizit verankerten Instrumente zur Bewältigung von ausserordentlichen Situationen bzw. von Notlagen teilweise unter dem Begriff des (intrakonstitutionellen) «Notrechtssystems» zusammengefasst.27 Der Begriff des Systems steht dabei für die Gesamtheit aller Verfassungsnormen, die als Quelle für den Erlass von Notrecht i.w.S. (Erlasse, Verfügungen usw.) dienen.28 Dabei lassen sich zwei Grundtypen von Notrechtsquellen unterscheiden:

  • Im Zentrum stehen die in den Verfassungen von Bund und Kantonen anzutreffenden Bestimmungen, welche der Regierung (allenfalls dem Parlament) in einer mehr oder weniger generalklauselartig umschriebenen ausserordentlichen Situation selbständige Verordnungs-, Verfügungs- und andere Massnahmenkompetenzen übertragen. Die entsprechenden Kompetenznormen werden – in Anlehnung an das Instrument der polizeilichen Generalklausel – häufig als «Notrechtsklauseln»29 umschrieben, während die darauf abgestützten Akte – je nach Rechtsnatur – als «Notverordnungen», «Notverfügungen» oder «Notmassnahmen» bezeichnet werden.30 Wo die Anwendung der Notrechtsklauseln und das Verfahren zum Erlass der darauf gestützten Massnahmen im Gesetz konkretisierend geregelt werden,31 bilden auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen Bestandteil des «Notrechtssystems».32
  • Darüber hinaus finden sich in einzelnen Kantonsverfassungen Bestimmungen, welche den Gesetzgeber in Fällen von Katastrophen, kriegerischen Ereignissen oder anderen Notlagen ermächtigen, dem Parlament oder der Regierung für beschränkte Zeit Befugnisse einzuräumen, die von der verfassungsmässigen Zuständigkeitsordnung abweichen.33 Diese Bestimmungen werden nachfolgend als «Notstandsklauseln» bezeichnet.34 Auch wenn der Regierung die Ermächtigung zum Erlass von Notrecht durch das Gesetz eingeräumt wird,35 finden die entsprechenden Notverordnungen ihre Grundlage letztlich in der Verfassung. Das Notrechtssystem in diesen Kantonen reicht damit über jenes in der Bundesverfassung hinaus und erfasst auch Kompetenzen und Vollmachten, die auf Bundesebene dem extrakonstitutionellen Notrecht zugeschrieben werden.
[11]

Es gilt allerdings zu bedenken, dass die in den Verfassungen von Bund und Kantonen enthaltenen Regelungen, welche der Regierung und dem Parlament in bestimmten Situationen in Abweichung von der verfassungsmässigen Zuständigkeits- und Verfahrensordnung besondere Befugnisse zusprechen oder gar Aufgaben zuweisen, kein in sich geschlossenes System bilden. Vielmehr handelt es sich um einzelne, teilweise miteinander konkurrierende Klauseln, deren Anwendung und Verfahren teilweise vom Gesetzgeber konkretisierend geregelt werden. Auf Bundesebene bilden diese Klauseln ausserdem Bestandteil eines in der Verfassung angelegten Gesamtsystems, das über die genannten Notrechtsklauseln hinaus stillschweigend die Pflicht und die Kompetenz der Bundesversammlung umfasst, bei einem Staatsnotstand dem Bundesrat die notwendigen Vollmachten zu übertragen, und – wo das Parlament dazu nicht in der Lage ist – den Bundesrat zum Erlass der notwendigen Verordnungen ermächtigt.36 Schliesslich sind die Notrechtsklauseln auch mit anderen Instrumenten – wie etwa mit den spezialgesetzlichen Massnahmen- und Regelungskompetenzen – in Bezug zu setzen, die zwar nicht Bestandteil des Notrechts bilden, aber dennoch für die Bewältigung ausserordentlicher Lagen dienstbar gemacht werden können.

[12]

Im Folgenden wird der Begriff der «Notrechtssysteme» in erster Linie mit Blick auf die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Notrechts- und Notstandsklauseln in den Verfassungen von Bund und Kantonen verwendet.

3.2.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Überblick ^

[13]

Neben dem Bund haben auch 23 Kantone Notrechtsklauseln in ihre Verfassungen aufgenommen37. Einige Kantone kennen zusätzlich eine Notstandsklausel,38 während die KV ZG ausschliesslich eine Notstandsklausel enthält.39 Einzig in den Verfassungen von AI40 und TI41 finden sich keine Kompetenzbestimmungen zum Erlass von Notrecht; vorbehalten bleibt freilich auch hier die Anwendung der (ungeschriebenen) polizeilichen Generalklausel.42

[14]

Im Gegensatz zum Bund ermächtigen die Kantonsverfassungen unmittelbar nur die Regierungen zum Erlass von Notverordnungsrecht (und anderen Massnahmen), nicht aber die Parlamente.43 Rund die Hälfte der Kantone44 kennt zudem kein spezielles Dringlichkeitsverfahren für die Gesetzgebung. Als umso wichtiger erweisen sich daher Regelungen über die Kontrollfunktionen der Parlamente und die Überführung der Notverordnungen ins ordentliche Recht.45

[15]

Alle (verfassungsrechtlichen) Notrechtsklauseln haben gemeinsam, dass sie für ihre Anwendung eine ausserordentliche Situation voraussetzen, welche zwar im Tatbestand unterschiedlich umschrieben wird, aber letztlich immer daran anknüpft, dass fundamentale Rechtsgüter schwerwiegend bedroht oder bereits geschädigt sind, die Massnahmen des geltenden Rechts zu deren Schutz nicht ausreichen und keine Zeit mehr besteht, die notwendigen Rechtsgrundlagen im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens bereitzustellen.46 Selbst in Kantonen, in welchen die Notrechtsklauseln ihre Anwendung allein vom Vorliegen einer Katastrophe oder einer Notlage abhängig machen,47 wird implizit die Beeinträchtigung oder unmittelbare Gefährdung eines fundamentalen Rechtsgutes verlangt. Ein ausserordentliches Ereignis vermag allein die Anwendung der Notrechtsklausel nicht zu begründen, solange nicht gleichzeitig fundamentale Rechtsgüter ernsthaft und unmittelbar bedroht sind.

In Kantonen, deren Verfassung sowohl eine Notrechts- als auch eine Notstandsklausel enthält, kann zwischen Notlagen unterschiedlichen Grades und entsprechend unterschiedlich weitreichenden Befugnissen der Staatsorgane differenziert werden: So knüpft beispielsweise Art. 64 Abs. 2 KV NW die Befugnis des Regierungsrates zum Erlass von Noterlassen an das Vorliegen einer «Not», während Art. 49a KV NW den Gesetzgeber ermächtigt, für den Fall von Katastrophen und kriegerischen Ereignissen dem Landrat, dem Regierungsrat und den administrativen Räten die Befugnis einzuräumen, für beschränkte Zeit in Abweichung von den Zuständigkeitsvorschriften der Verfassung Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung anzuordnen. Eine ähnliche Regelung kennen ebenfalls die Kantone GL48 und SO49. Auch der Kanton NE unterscheidet zwischen der Störung oder unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und den Sondervollmachten bei Katastrophen oder anderen ausserordentlichen Lagen.50
[16]

Obwohl die meisten kantonalen Notrechtsklauseln in ihren Grundzügen an Art. 185 Abs. 3 BV erinnern oder diesem sogar nachgebildet sind,51 lassen sich dennoch zwischen den einzelnen Klauseln Unterschiede feststellen:

  1. Die Differenzen betreffen zunächst die Umschreibung der «Notrechtslage» und der relevanten Schutzgüter.52 So beziehen sich die Notrechtsklauseln in den Kantonen BS, VS und ZH gleich wie Art. 185 Abs. 3 BV auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei damit noch nichts über die Dimensionen des Sicherheits- und Ordnungsbegriffs ausgesagt wird.53 Die Notrechtsklauseln in den Kantonen AG, AR, BE, BL, GR, LU, SH, SO und SZ erwähnen zusätzlich das Vorliegen einer sozialen Notlage, während – wie bereits erwähnt – in den Kantonen FR, GE, GL, JU, NW, OW, SG, TG, UR und VD auf die Nennung bestimmter Schutzgüter verzichtet wird.
  2. Unterschiede bestehen ebenfalls mit Bezug auf den Umfang der Kompetenzen, die der Regierung eingeräumt werden.54 Die meisten Notrechtsklauseln ermächtigen die Regierung bei Vorliegen einer Notrechtslage zum Erlass von (zur Bewältigung der ausserordentlichen Situation) notwendigen Massnahmen, ohne diese auf eine bestimmte Handlungsform (rechtsetzender Erlass, Verfügung, Realakt etc.) zu beschränken.55 Andere Kantone begrenzen die Kompetenz der Regierung auf den Erlass von Verordnungen und Verfügungen56 oder ausschliesslich auf den Erlass von Verordnungen.57
  3. Im Rahmen der Ausübung ihrer Kompetenzen haben sich die Kantone an das Bundesrecht zu halten58 und interkantonales Recht zu berücksichtigen. Innerhalb der kantonalen Normenhierarchie treten Notverordnungen des Regierungsrates anstelle eines fehlenden Gesetzes im formellen Sinne und können damit auch wichtige Bestimmungen enthalten sowie schwerwiegende Grundrechtseinschränkungen legitimieren, sofern auch die übrigen Voraussetzungen für Grundrechtseinschränkungen erfüllt sind.59 Durch die Notrechts- oder Notstandsklausel wird die Regierung ermächtigt, anstelle des Parlaments (und des Volkes) fehlende Gesetze zu ersetzen und bestehende Gesetze zu ergänzen («praeter legem»). In einzelnen Kantonsverfassungen werden die Regierungen explizit autorisiert, von bestehenden Gesetzen («contra legem»)60 oder gar von der Kantonsverfassung («contra constitutionem»)61 abzuweichen. In anderen Kantonen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit Notverordnungen und andere notrechtliche Massnahmen bestehende Gesetzes- oder gar Verfassungsbestimmungen durchbrechen dürfen.62
  4. Obwohl Notverordnungen der Rang eines formellen Gesetzes zukommt, unterliegen sie weder im Bund noch in den Kantonen einem Referendum. Weil ihr Erlass von der ordentlichen Kompetenz- und Verfahrensordnung abweicht, muss ihre zeitliche Geltungsdauer beschränkt sein.63 In den meisten Kantonen fallen die Notverordnungen unmittelbar von Verfassungs wegen spätestens ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten dahin;64 in drei Kantonen beläuft sich die Maximalfrist auf zwei Jahre.65 In anderen Kantonen verlangt die Verfassung eine Befristung der Notverordnungen, überlässt es aber dem Parlament, die Dauer der Frist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens festzulegen.66 In einigen wenigen Kantonen sieht die Kantonsverfassung keine Beschränkung der Geltungsdauer für Notverordnungen vor.67 Unabhängig davon sind Notmassnahmen nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Anwendungsvoraussetzungen der Notrechtsklauseln wegfallen:68 sie sind aufzuheben69 oder fallen kraft einer entsprechenden Regelung gar eo ipso dahin.70
  5. Unterschiede bestehen schliesslich auch hinsichtlich der Verfahrensmodalitäten. Im Bund und in den allermeisten Kantonen setzt die Anwendung der Notrechtsklauseln durch die Regierung keine formelle Ausrufung des Notstands voraus.71 Der Entscheid über das Vorliegen einer Notlage ist in jenem über den Erlass der notrechtlichen Massnahmen implizit mitenthalten.72 In der Beurteilung des Vorliegens einer Notlage steht der Regierung angesichts der offenen Umschreibung der Notrechtsklauseln ein gewisses Ermessen zu. Um Missbrauch und damit die Unterlaufung des Grundsatzes der Gewaltenteilung zu unterbinden, bedarf es verfahrensrechtlicher Korrektive und Kontrollmassnahmen.73 Im Bund ist der Bundesrat nun seit der letzten Teilrevision des ParlG74 verpflichtet, die zuständigen parlamentarischen Kommissionen zu den Entwürfen für Verordnungen und Verordnungsänderungen, die er gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV oder auf bestimmte spezialgesetzliche Ermächtigungen erlassen will, zu konsultieren. Ausserdem kann die Bundesversammlung Notverordnungen des Bundesrates jederzeit mit eigenen Notverordnungen (Art. 173 Abs. 1 lit. c BV) übersteuern. Die Kantonsverfassungen kennen diese Erlassform nicht. In den meisten Kantonen bedürfen die Verordnungen der Genehmigung durch das Parlament, wobei sich die Regelungen im Einzelnen – etwa hinsichtlich der Vorlagefrist («sofort»75, «unverzüglich»76, «sobald als möglich»77, innerhalb einer bestimmten Frist78) oder der Wirkungen einer Nichtgenehmigung79 – voneinander unterscheiden. In einigen Kantonen sind die Notverordnungen dem Parlament bloss zur Kenntnisnahme vorzulegen.80 In den Kantonen, die keine Genehmigungspflicht kennen, fallen die Verordnungen nach Ablauf ihrer maximal zulässigen Geltungsdauer dahin;81 derweilen besteht die Möglichkeit, den Inhalt der Notregelung ins ordentliche Recht zu überführen.82

4.

Kantonale Notrechts- und Notstandsklauseln im Vergleich ^

[17]

Bereits die dargelegte Übersicht lässt eine föderalistische Vielfalt der kantonalen Notrechtssysteme und ihrer Ausgestaltungsweisen erkennen. Im Folgenden sollen die skizzierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verfassungsrechtlichen Notrechts- und Notstandsklauseln vertieft und Einzigartigkeiten herausgearbeitet werden. Nach einer begrifflichen Klärung (Ziff. 4.1) werden die kantonalen Notrechts- und Notstandsklauseln mit Blick auf ihre systematische Einordnung in der Kantonsverfassung (Ziff. 4.2), ihre Anwendungsvoraussetzungen (Ziff. 4.3), ihren jeweiligen Kompetenzumfang (Ziff. 4.4), die Bindung der darauf gestützten notrechtlichen Massnahmen an Gesetz und Verfassung (Ziff. 4.5) sowie hinsichtlich vorhandener rechtsstaatlich-demokratischer Korrektive (Ziff. 4.6) einer vergleichenden Betrachtung unterzogen.

4.1.

Ausgangslage: Begriffliches ^

[18]

Die Sichtung sämtlicher Kantonsverfassungen zeigt eine breite Fülle möglicher Notrechtssysteme, welche auf einen ersten Blick nur wenige Ähnlichkeiten aufzuweisen scheinen. Jedoch sehen beinahe alle Kantonsverfassungen ein Notrechtssystem vor, um in besonderen Gefahrensituationen die staatliche Handlungsfähigkeit zu sichern.83

Noch vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie fehlte im Kanton UR ein Notrechtssystem auf Verfassungsstufe.84 Der Bedarf einer entsprechenden Verfassungsnorm wurde aber umgehend erkannt und eine entsprechende Teilrevision in die Wege geleitet,85 sodass bereits am 15. Dezember 2020 der heute geltende Art. 90 Abs. 3  KV UR in Kraft treten konnte.86
[19]

Einzig den Verfassungen der Kantone AI und TI lässt sich kein Notrechtssystem entnehmen: Im Kanton AI besteht aktuell gar weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesstufe ein Notverordnungsrecht der Exekutive;87 auch nach einem spezifischen Dringlichkeitsverfahren sucht man vergebens.88 Diese beiden Lücken wurden nun anlässlich der an der Landsgemeinde vom 28. April 2024 gutgeheissenen Totalrevision der KV AI behoben.89

Zu Beginn der Covid-19-Krise hatte die fehlende ausdrückliche Rechtsgrundlage in der KV AI Unklarheiten und zeitintensive Diskussionen über die Verschiebung oder die Absage der Landsgemeinde hervorgerufen.90 So wurde der geltende Art. 30 Abs. 5 KV AI, wonach die Standeskommission «alle Geschäfte [erledigt], die einer Regierung als solcher zufallen und nicht ausdrücklich einer andern verfassungsmässigen Behörde zugewiesen sind», schliesslich dahingehend ausgelegt, dass die Standeskommission auch für den Erlass von Notrecht zuständig ist.91 Künftig soll Art. 25 Abs. 1 der totalrevidierten nKV AI die Standeskommission ermächtigen, «ohne weitere gesetzliche Grundlage das Notwendige zu regeln oder Massnahmen zu ergreifen», wenn dies für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zur Abwehr von Notständen und nicht wiedergutzumachenden Schäden erforderlich ist.
[20]

Im Kanton TI fehlt zwar eine verfassungsrechtliche Notrechtskompetenz, doch werden dem Staatsrat in ausserordentlichen Situationen durch die Gesetzgebung (Art. 22 LProtPop) analoge Befugnisse zugesprochen.92

4.1.1.

Typologie: Notrechts- und Notstandsklauseln ^

[21]

In den Kantonen, welche über ein verfassungsrechtliches Notrechtssystem verfügen, stehen die in der jeweiligen Kantonsverfassung verankerten Notrechts-93 und Notstandsklauseln94 im Mittelpunkt. Letztere werden vielfach in entsprechenden Gesetzen («Notstandsgesetzen») konkretisiert, auf deren Grundlage für spezifisch bezeichnete Notsituationen besondere Befugnisse an Parlament oder Regierung übertragen werden. An dieser Stelle sollen die Begriffe der Notrechts- (Ziff. 4.1.1.1) und Notstandsklauseln (Ziff. 4.1.1.2) erneut aufgenommen und vertieft werden, um sie anschliessend von ihnen ähnlich scheinenden, jedoch nicht dem Notrechtssystem angehörenden Normen abzugrenzen (Ziff. 4.1.2).

4.1.1.1.
Notrechtsklauseln ^
[22]

Notrechtsklauseln sind vorderhand an die Exekutive gerichtet und übertragen ihr selbständige und somit unmittelbar auf die Verfassung gestützte Verordnungs-, Verfügungs- und Massnahmenkompetenzen. Da die betreffenden Verfassungsbestimmungen dem Instrument der polizeilichen Generalklausel95 nicht unähnlich sind und für ihre Inanspruchnahme zwingend eine ausserordentliche (Not-)Situation vorliegen muss, wird in diesem Zusammenhang teilweise auch von Notrechts- bzw. Notverordnungskompetenzen gesprochen. Diese Bezeichnungen sind allerdings mit Vorsicht zu verwenden, erlauben gewisse Notrechtsklauseln nicht nur den Erlass von Verordnungen, sondern auch von Verfügungen, Massnahmen oder von Beschlüssen.96

Auf Bundesebene ist Art. 185 Abs. 3 BV als Notrechtsklausel einzustufen, da die Norm den Bundesrat unmittelbar, d.h. ohne weitere gesetzliche Konkretisierung, zum Erlass von (Not-)Verordnungen und Verfügungen ermächtigt, sofern die innere und äussere Sicherheit oder die öffentliche Ordnung anderweitig nicht mehr gewahrt werden können. Zudem besteht mit Art. 173 Abs. 1 lit. c BV eine Notrechtsklausel, welche die Bundesversammlung adressiert. Ein solches Notverordnungs- und Verfügungsrecht des Parlaments ist nur im Kanton GL in vergleichbarer Weise vorgesehen.97 Umgekehrt fehlt auf Bundesebene eine Notstandsklausel, wie sie in mehreren Kantonen Verwendung findet.98
[23]

Notrechtsklauseln werden mit Ausnahme von AI, TI und ZG in sämtlichen Kantonsverfassungen geführt.99 In den Kantonen FR100, NE101, UR102 und VD103 werden die Notrechtsklauseln auf Gesetzesstufe104 konkretisiert, wobei die entsprechenden Regelungen teilweise auch die Übertragung zusätzlicher Ermächtigungen an die Regierung beinhalten. Indes nimmt auch das BevSG FR in seinem Ingress auf die verfassungsrechtliche Notrechtsklausel Bezug, doch beschränkt es sich darauf, deren Wortlaut zu wiederholen (vgl. Art. 11 Abs. 2 lit. c BevSG FR).

Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL, wonach der Landrat zur «Rechtsetzung in dringlichen Fällen anstelle der Landsgemeinde» zuständig ist, verschliesst sich einer klaren Zuordnung zum Not- oder Dringlichkeitsrecht. Zwar setzt die Norm keine eigentliche Notlage voraus, sondern lässt zeitliche Dringlichkeit als Anwendungsvoraussetzung genügen, doch werden vorübergehend – namentlich bis zur nächsten ordentlichen Landsgemeinde – die Rechtsetzungskompetenzen der Landsgemeinde auf den Landrat verschoben. Letzterer ist innerhalb der ordentlichen Zuständigkeitsordnung nur berechtigt, der Landsgemeinde «Vorlagen» und «Anträge» für Verfassungsänderungen und Gesetze zu unterbreiten (Art. 89 Abs. 1 lit. a KV GL), er kann selbst jedoch keine Verfassungs-, Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen erlassen. So überträgt Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL dem Landrat – wie es für eine Notrechtsklausel typisch ist – selbständige, ihm ansonsten nicht zustehende Rechtsetzungsbefugnisse. Im Ergebnis beinhaltet die Bestimmung sowohl not- als auch dringlichkeitsrechtliche Elemente und weist einen hybriden Charakter auf. So kann Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL als Dringlichkeitsklausel mit notrechtlichen Zügen oder als Dringlichkeitsklausel sui generis bezeichnet werden.
4.1.1.2.
Notstandsklauseln ^
[24]

Zum verfassungsrechtlichen Notrechtssystem gehören des Weiteren Verfassungsbestimmungen, welche sich zwar nicht an die Regierung richten, jedoch den Gesetzgeber entweder ermächtigen105 oder verpflichten,106 Regelungen zur Bewältigung von Katastrophen, Krisen oder anderen ausserordentlichen Lagen zu erlassen. Diese stets als Gesetzgebungsaufträge ausgestalteten, besonderen Kompetenzen werden als Notstandsklauseln bezeichnet.

[25]

Die sich auf die Notstandsklauseln stützenden kantonalen Gesetze107 – insbesondere zum Bevölkerungs- und Katastrophenschutz – nennen die dargestellten Notstandsklauseln in ihrem Ingress i.d.R. explizit und führen diese näher aus. Im Gegensatz zu den Notrechtsklauseln bedürfen die Notstandsklauseln eines Ausführungsgesetzes, da sie selbst lediglich als Gesetzgebungsauftrag ausgestaltet sind und die ausführenden Organe nicht von sich aus ermächtigen können. So übertragen erst die konkreten ausführenden Bestimmungen dem Parlament oder der Regierung in besonderen Notsituationen weitere Verordnungs-, Verfügungs- und Massnahmenkompetenzen («Sondervollmachten»), welche im Falle von «Katastrophen» («catastrophe»108), «kriegerischen Ereignissen» («guerre»109), «Notlagen»110, «Versorgungsstörungen»111 oder «schweren Mangellagen»112 zur Anwendung gelangen.113

[26]

Notstandsklauseln finden sich in den Verfassungen der Kantone GL, JU, NE, NW, SO und ZG.114 Der Kanton ZG erweist sich hier insofern als einzigartig, als er lediglich eine Notstandsklausel in § 84 KV ZG verankert und auf eine zusätzliche Notrechtsbestimmung verzichtet. Die übrigen Kantone besitzen neben der Notstands- zusätzlich eine Notrechtsklausel.115

§ 84 KV ZG erscheint auch darüber hinaus als Besonderheit, blieb die in der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1990 angenommene und am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Bestimmung116 doch für beinahe 30 Jahre ungenutzt117 und wurde erst 2020 mit dem BevSG ZG durch den Gesetzgeber umgesetzt.
[27]

Die Verfassungen von GL, NW und SO bringen mit den Formulierungen («kann») in ihren Notstandsklauseln zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Gesetzesbestimmung erlassen darf, dazu jedoch nicht verpflichtet ist.118 Demgegenüber statuieren die Verfassungen von JU und ZG einen zwingenden Gesetzgebungsauftrag, den auch beide Kantone wahrgenommen haben.119 Augenfällig ist Art. 75 KV NE: Im Gegensatz zu den übrigen Notstandsklauseln ist die Norm nicht als Auftrag an den Gesetzgeber konzipiert, sondern adressiert ausdrücklich den Staatsrat, indem diesem qua Verfassung Sondervollmachten («[p]ouvoirs exceptionnels») «[e]n cas de catastrophes ou d’autres situations extraordinaires» (Abs. 1) zugesprochen werden. Der Staatsrat kann von dieser Notrechtskompetenz allerdings nur Gebrauch machen, sofern die ausserordentliche Situation vorausgehend durch den Grossen Rat – vorausgesetzt, dass dieser sich versammeln kann – festgestellt worden ist (Art. 75 Abs. 2 KV NE).

Das Ausführungsgesetz des Kantons SO (Katastrophengesetz SO) stützt sich gemäss seinem Ingress auf die ehemaligen Art. 19bis, 31 und 38 aKV SO, obschon die aKV SO bereits am 1. Januar 1988 (!) ausser Kraft getreten und durch die geltenden KV SO ersetzt worden ist. Der heutige Art. 93 KV SO entspricht der Notstandsklausel der aKV SO (Art. 19bis aKV SO120) und bildet somit die Verfassungsgrundlage der Ausführungsbestimmungen im geltenden Katastrophengesetz SO.

4.1.2.

Abgrenzungen ^

[28]

Nach hier vertretener Ansicht fallen unter den Begriff des «Notrechtssystems» ausschliesslich die erläuterten Notrechts- und Notstandsklauseln, welche schliesslich als Grundlage für den Erlass von Notrecht i.w.S. dienen.121 Darüber hinaus bestehen weitere Verfassungs- und Gesetzesnormen, die dem hier dargelegten Notrechtsbegriff zwar gleichen, mit diesem aber nicht identisch sind. Angesprochen sind Staatsaufgaben (Ziff. 4.1.2.1), spezialgesetzliche Ermächtigungsklauseln (Ziff. 4.1.2.2) sowie die polizeiliche Generalklausel (Ziff. 4.1.2.3).

4.1.2.1.
Staatsaufgaben ^
[29]

Nicht zum Notrecht und damit zu den Notrechts- und Notstandsklauseln sind jene Verfassungsbestimmungen zu zählen, welche zwar die Bewältigung von ausserordentlichen Situationen als Staatsaufgabe definieren, jedoch weder Organkompetenzen vorsehen noch dem Gesetzgeber eine Ermächtigung zur Einräumung von Sondervollmachten an die Exekutive oder Legislative übertragen. Gleichwohl können sie im präventiven Sinne den Kanton – aber auch die Gemeinden – zur Schaffung einer Regelung für die Katastrophen- und Krisenbewältigung anhalten.

So verpflichtet Art. 75 KV FR den Kanton und die Gemeinden, «die notwendigen Massnahmen» zu treffen, «um Katastrophen und Notsituationen vorzubeugen und sie zu bewältigen.» Eine vergleichbare Formulierung wählt Art. 79 Abs. 2  KV GR, welcher zum Erlass von «Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen und zur Aufrechterhaltung der wichtigen Staatsfunktionen in Notlagen» auffordert, ohne die zugehörigen Organkompetenzen zu bestimmen. Ähnliches gilt für § 27 KV AG, wonach der Schutz von «insbesondere Leben, Freiheit, Gesundheit und Sittlichkeit» sowie die Abwendung sozialer Notstände verlangt wird. Auch hier muss sich der Regierungsrat auf die zugehörige Kompetenznorm in § 91 Abs. 4 KV AG stützen, sofern er Notverordnungen erlassen möchte.
4.1.2.2.
Spezialgesetzliche Ermächtigungsklauseln ^
[30]

Ebenfalls nicht Bestandteil der kantonalen Notrechtssysteme bilden schlichte Ermächtigungsnormen auf Gesetzesstufe, welche sich insbesondere in den kantonalen Bevölkerungs-, Zivil- oder Katastrophenschutzgesetzen befinden.122 Zwar haben sie gewisse Ähnlichkeiten mit jenen Gesetzen, welche die Notrechts- und Notstandsklauseln konkretisieren, doch stützen sie gerade nicht auf diese ab, sondern greifen in ihrem Ingress – wenn sie denn einen solchen besitzen123 – auf das BZG oder spezifische Aufgabenbestimmungen in der Kantonsverfassung zurück. Auch die spezialgesetzlichen Ermächtigungsklauseln übertragen der Regierung besondere Befugnisse, sind aber auf spezifische Fälle zugeschnitten. Sie haben einer ausreichenden Normbestimmtheit zu genügen und können keine suspendierende Wirkung entfalten.124

Beispielhaft zu nennen ist Art. 16 BSG GR, welcher sich sowohl auf das BZG als auch auf Art. 79  KV GR («Öffentliche Ordnung und Sicherheit») abstützt. Ebenfalls dieser Kategorie zuzuordnen ist § 3 Abs. 2 BZG AG, dessen Grundlagen sich in den Bestimmungen zur Verfassungsrevision, namentlich §§ 27, 36 Abs. 2 und Art. 78 Abs. 1  KV AG, Art. 75 Abs. 3 BZG, Art. 4 Abs. 1 und 2 KGSG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2 LVG, befinden.125 Gleiches gilt für Art. 29 GBBAL VS, welcher auf Art. 25 Abs. 5, 31 Abs. 1  lit. a und Abs. 3 lit. a sowie Art. 42 Abs. 1  und 2  KV VS gründet.
[31]

Spezialgesetzliche Ermächtigungsklauseln finden sich auch in den Bevölkerungsschutzgesetzen der Kantone SH und TI.126

4.1.2.3.
Polizeiliche Generalklausel ^
[32]

Abschliessend ist die polizeiliche Generalklausel von den Notrechtsbestimmungen abzugrenzen. Unabhängig davon, ob die Kantone ein Notrechtssystem formell zur Verfügung stellen, bleibt die (geschriebene127 oder ungeschriebene128) polizeiliche Generalklausel bei gegebenen Voraussetzungen parallel anwendbar.

[33]

Obwohl die polizeiliche Generalklausel den Notrechtsbestimmungen ähnelt, bestehen mit Blick auf die Anwendungsvoraussetzungen129 und den Kompetenzumfang bedeutende Unterschiede.130 So dient erstere grundsätzlich zur Bewältigung von «sachlich isolierten und örtlich sowie zeitlich stark begrenzten Gefahrenereignissen»131, während die Notrechtsinstrumente in bereichsübergreifenden, länger andauernden Krisenlagen anrufbar sind und somit eine ausserordentliche Gefährdungssituation erfordern.132 Der spezifischere Charakter der polizeilichen Generalklausel gilt i.d.R. auch für den personellen Anwendungsbereich, sind nämlich im Rahmen ihrer Anrufung meist nur einzelne Personen betroffen, während Notrechtsklauseln zur Abwehr einer Gefährdung mehrerer Rechtsgüter dienen müssen.133 Auch der sachliche Anwendungsbereich erweist sich als enger, da – wie der Wortlaut bereits vermuten lässt – die polizeiliche Generalklausel ausschliesslich den klassischen Polizeigüterschutz bezweckt und keine Abweichungen von Gesetz (contra legem) oder Verfassung (contra constitutionem) erlaubt.134 Notrechts- und Notstandsklauseln hingegen können eine Erweiterung der Schutzgüter und Befugnisse vorsehen.135 Breiter ist der Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel insofern, als sie im Gegensatz zu den Notrechtsklauseln nicht nur von der Regierung, sondern von sämtlichen Exekutivbehörden in Anspruch genommen werden kann.136

4.2.

Systematische Einordnung ^

[34]

Basierend auf der angebrachten begrifflichen Unterscheidung sind die kantonalen Notrechts- und Notstandsklauseln nun anhand ihrer systematischen Stellung innerhalb der jeweiligen Kantonsverfassung zu umschreiben.

4.2.1.

Notrechtsklauseln ^

[35]

Die systematische Einordnung der Notrechtsklauseln in die Kantonsverfassungen präsentiert sich prima vista einheitlich, zeigt bei genauerer Betrachtung jedoch nicht unbeachtliche Nuancierungen auf. Immerhin gliedert das Gros der Kantone seine Notrechtsklauseln in die Bestimmungen über die Aufgaben und Kompetenzen der Regierung ein.137

Dies entspricht der Systematik auf Bundesebene. Der Bund platziert seine Notrechtsklauseln ebenfalls – ohne diese expressis verbis als solche zu bezeichnen – im 2. und 3. Kapitel, jeweils im Abschnitt über die Zuständigkeiten von Bundesversammlung (Art. 173 Abs. 1 lit. c BV) und Bundesrat (Art. 184 Abs. 3 und 185 Abs. 3 BV). Anders hat der Kanton UR seine regierungsrätliche Noterlasskompetenz bei den Gesetzgebungskompetenzen des Landrates – welcher in der Funktion der Legislative agiert – aufgeführt (Art. 90  KV UR).
[36]

Die Mehrheit der Notrechtsklauseln ist in die Bestimmungen zu den Rechtsetzungskompetenzen der Regierung eingebettet (AG, BL, GL, LU, NW, OW, SO).138 Teilweise aber wird die Bewältigung einer Gefahrensituation als eigenständige Zuständigkeit des Regierungsrates im Anschluss an dessen ordentliche Rechtsetzungskompetenz normiert. So heben die Kantone AR, BS, FR, GE, JU, SG, SZ, TG und VD den besonderen Charakter der betreffenden Bestimmungen durch spezifische Bezeichnungen wie «ausserordentliche Lagen»139 («situations extraordinaires»140), «ausserordentliche Umstände»141 oder «Notstand»142 («État de néccessité»143) hervor und grenzen ihre Notrechtsklauseln auf diese Weise von den ordentlichen Rechtsetzungskompetenzen des Regierungsrates ab. Die Kantone SG, JU und SZ beziehen sich hierbei nicht auf die betreffende sachliche Notsituation, sondern unterstreichen die ausserordentliche Natur der zu erlassenden Regelungen durch die Überschrift «Droit d’urgence»144, «Dringlichkeitsrecht»145 und «Notrecht»146. Die Kantonsverfassung des Kantons NE verzichtet auf die Schaffung einer separaten Organkompetenz und fügt seine Notrechtsklausel in die «übrigen Zuständigkeiten» («autres compétences»147) ein.

Art. 75 KV SG mutet auf einen ersten Blick missverständlich an, spricht die Norm doch als einzige von «Dringlichkeit». Entgegen der Überschrift ermächtigt die Bestimmung nämlich nicht zu einer Beschleunigung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens – dies ist in Art. 68 KV SG vorgesehen, welcher dieselbe Bezeichnung («Dringlichkeit») trägt –, sondern überträgt dem Regierungsrat ein Notverordnungsrecht.148 So handelt es sich trotz der irreführenden Überschrift um eine Notrechtsklausel im hier verstandenen Sinne.
Im Kanton VS ist die Notrechtsklausel (Art. 56 KV VS) in eine Aufgabenbestimmung eingebettet, die dem Staatsrat die Verantwortung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung überträgt.149 Auch im Kanton AI ordnet sich die Notrechtsklausel in die staatlichen Aufgaben ein, wobei Art. 25 Abs. 1 nKV AI ausdrücklich die Standeskommission zur Rechtsetzung ermächtigt.150
[37]

Obwohl die Überschriften der Notrechtsklauseln der Kantone BE, GR, SH und ZH den soeben genannten Bezeichnungen ähneln, unterscheidet sich ihre systematische Einordnung insofern, als die Bestimmungen i.S. eigenständiger Zuständigkeiten des Regierungsrates erst im Anschluss an den Katalog der «weiteren Befugnisse» aufgelistet werden. Das besondere Wesen der notrechtlichen Rechtsetzungskompetenzen wird aber auch hier durch die Bezeichnungen «ausserordentliche Lagen»151 oder «Notstand»152 unterstrichen.

4.2.2.

Notstandsklauseln ^

[38]

Gar noch verschiedenartiger erweisen sich die kantonalen Notstandsklauseln, welche sich kaum mehr eindeutigen Gruppen zuordnen lassen. Wenigstens drei Kantone, namentlich GL, JU und NE, haben ihre Notstandsklauseln in den allgemeinen Bestimmungen zur Behörden- und Staatsorganisation untergebracht.153 Die bereits bei den Notrechtsklauseln genannte Kategorie einer eigenständigen Zuständigkeitsbestimmung, welche unmittelbar nach den «weiteren Befugnissen» aufgeführt wird, ist auch in der KV NE zu finden. So ordnet der Kanton NE seine Notstandsklausel nach den übrigen Zuständigkeiten («autres compétences»154) – wo sich im Übrigen auch eine Notrechtsklausel befindet – in die Befugnisse und Aufgaben der Regierung unter «pouvoirs exceptionnels en cas de situations extraordinaires»155 ein. Ähnlich wie die Notrechtsklausel im Kanton VS ist die Notstandsbestimmung des Kantons SO in die Aufgabenbestimmung zur Katastrophen- und Krisenvorsorge integriert.

[39]

Eine a priori ungewöhnliche systematische Platzierung scheint der Kanton ZG für seine Notstandsklausel gewählt zu haben. Der Gesetzgebungsauftrag in § 84 KV ZG findet sich im V. Titel über die Bestimmungen betreffend die Verfassungsrevision. Der Grund für diese im interkantonalen Vergleich einzigartige Platzierung der Notstandsklausel ergibt sich aus deren Abs. 2. So wird der Kantons- oder Regierungsrat darin vorübergehend zum Erlass von Regelungen contra constitutionem befähigt, sodass bei Inanspruchnahme dieser Befugnis die Kantonsverfassung tatsächlich für beschränkte Zeit materiell verändert – sodann «revidiert» – wird.

4.3.

Anwendungsvoraussetzungen ^

[40]

Nachfolgend sind die Anwendungsvoraussetzungen der kantonalen Notrechtssysteme zu betrachten, wobei wiederum zwischen den Notrechts- und den Notstandsklauseln unterschieden wird. Vorab ist in Erinnerung zu rufen, dass deren paralleler Gebrauch zwar nicht ausgeschlossen ist,156 die Anwendungsvoraussetzungen der Notrechts- und Notstandsklauseln jedoch von jenen der polizeilichen Generalklausel abgegrenzt werden müssen.157 Insbesondere sei erneut darauf hingewiesen, dass Massnahmen, welche sich auf die polizeiliche Generalklausel stützen, weder vom Gesetz noch von der Verfassung abweichen dürfen.158 Sie sind lediglich von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage befreit.159

4.3.1.

Notrechtsklauseln ^

[41]

Analog den Anwendungsvoraussetzungen auf Bundesebene,160 verlangt die Anrufung der kantonalen Notrechtsklauseln, dass eine Verletzung eines fundamentalen Rechtsgutes unmittelbar droht (sachliche Dringlichkeit) und deren Abwendung anderweitig nicht rechtzeitig gewährleistet werden kann (zeitliche Dringlichkeit). Darin eingeschlossen ist die Subsidiarität des Notrechts, wonach dieses nur bei unzureichendem Instrumentarium des ordentlichen Rechts in Anspruch genommen werden darf.161

4.3.1.1.
Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes ^
[42]

Der Rückgriff auf kantonale Notrechtsklauseln setzt die Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes voraus.162 Eine Vielzahl der kantonalen Notrechtsklauseln verlangt diesbezüglich eine schwerwiegende Störung der «öffentlichen Sicherheit»163 («sécurité public»164), wobei wiederum eine Mehrheit diesen Tatbestand durch die «öffentliche Ordnung»165 («ordre public»166), aber auch durch wirtschaftliche, soziale167 oder gar deren beide Rechtsgüter ergänzt.168

Wie ein Querschnitt durch die Kantone zeigt, fallen unter die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorderhand der Schutz von Leib und Leben, Eigentum oder Freiheit, aber auch die öffentliche Gesundheit.169 Im Rahmen der Covid-19-Pandemie wurde sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene rege diskutiert, ob sich der Kompetenzgegenstand auf die klassischen Polizeigüter beschränkt, oder auch weitere – unter anderem wirtschaftliche – Güter erfassen soll.170 Insbesondere im Kanton ZH erregte die Berücksichtigung sozialer Notstände die Gemüter: Obschon die Kommission die Ausweitung des Kompetenzgegenstandes im Rahmen der Verfassungsrevision ausdrücklich verneinte171 und auch das Verwaltungsgericht diese Meinung vertritt,172 wurde die restriktive Auslegung in der Covid-19-Pandemie kritisiert.173 So schliessen Uhlmann/Wilhelm «wirkliche Ausnahmefälle» nicht aus, in welchen auch Verordnungen und Massnahmen zur Bewältigung eines sozialen oder wirtschaftlichen Notstands möglich sind.174 Auch auf Bundesebene lässt sich eine Tendenz der Lehre hin zu einer Ausweitung der Kompetenzgegenstände erkennen.175
[43]

Die Kantone FR, GE, GL, JU, NW, OW, SG, TG, UR und VD verfolgen einen gegensätzlichen Ansatz und übertragen eine generelle Ermächtigung zur Ergreifung von Massnahmen in ausserordentlichen Situationen,176 ohne deren Merkmale in ihren Verfassungen genauer zu bezeichnen. Dies darf, wie gesagt,177 nicht zum Schluss verleiten, die Gefährdungslage allein reiche aus, um sich des Notrechts zu bedienen – eine Rechtsgutverletzung oder -bedrohung wird gleichwohl vorausgesetzt.

Art. 113 KV GE erwähnt zwar zusätzlich den Fall von «catastrophes», jedoch ohne dem Gesagten Wesentliches beizufügen. Der Anwendungsbereich bleibt dank dem Zusatz «ou d’autre situation extraordinaire» nach wie vor breit.
4.3.1.2.
Sachliche Dringlichkeit ^
[44]

Für eine Anrufung der Notrechtsklausel ist darüber hinaus erforderlich, dass die genannten fundamentalen Rechtsgüter in erheblicher oder schwerwiegender Weise betroffen sind und deren Schutz durch Rückgriff auf bestehende Rechtsgrundlagen nicht (mehr) gewährleistet werden kann (sachliche Dringlichkeit).178

Besonders betont wird die Schwere der Beeinträchtigung in den Kantonen FR, GR, LU, NE, SH, SZ, VD, VS und ZG durch den Zusatz «schwerwiegen[d]»179, «erns[t]»180, «erheblic[h]»181, «sérieusement»182, «grav[e]»183 oder «gros[s]»184. Der Kanton TG unterstreicht die sachliche Dringlichkeit in § 44 Abs. 1 KV TG in gar zweifacher Weise («grosse Not»; «schwer[e] Störung»).
4.3.1.3.
Zeitliche Dringlichkeit ^
[45]

Mit Blick auf die zeitliche Dringlichkeit wird verlangt, dass die Rechtsgutverletzung bereits eingetreten ist oder unmittelbar droht und staatliches Handeln daher umgehend geboten ist.185 Hiermit ist allerdings nicht nur die Unmittelbarkeit der Bedrohung oder Rechtsgutverletzung selbst gemeint, sondern das Erfordernis sofortigen staatlichen Handelns. Kann der Gefahr mit Massnahmen begegnet werden, welche auf dem Wege des ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsverfahrens ergehen, ist die zeitliche Dringlichkeit nicht erfüllt.186

So bedienen sich die Kantone AG, AR, BE, BL, BS, GR, LU, NE, SG, SH, SO, SZ, VS und ZG eines dem Bund («eingetreten[e] oder unmittelbar drohend[e] schwer[e] Störungen»187) beinahe identischen Vokabulars («eingetreten[e] oder unmittelbar drohend[e] Störungen»188).189 Auffallend ist zudem der Kanton SG, welcher die zeitliche Dringlichkeit ausdrücklich und in unterschiedlicher Weise in seiner Notrechtsklausel verarbeitet.190 In den Notrechtsklauseln der Kantone GE, JU, NW, OW, TG, UR sowie VD wird das zeitliche Element indes nicht erwähnt, freilich aber auch dort implizit vorausgesetzt.
4.3.1.4.
Subsidiarität ^
[46]

Gemäss dem Kriterium der Subsidiarität darf eine Notrechtsklausel erst dann angerufen werden, wenn die übrigen Bestimmungen der geltenden Rechtsordnung keine wirksamen Massnahmen mehr bereitstellen.191 Hierbei ist jede Massnahme im Einzelnen zu prüfen: Besteht für die spezifisch vorgesehene Massnahme eine ordentliche Rechtsgrundlage, ist diese auch bei Vorliegen eines Notstands in Anspruch zu nehmen und nicht auf Notrecht zurückzugreifen.192

[47]

In der Lehre ist umstritten, ob der Subsidiarität eigenständige Bedeutung zuzumessen oder sie in der Prüfung der sachlichen und zeitlichen Dringlichkeit bereits enthalten ist. Während Biaggini hier keine Differenzierung vorsehen will,193 halten Saxer/Brunner explizit an einer zusätzlichen Prüfung fest.194 Im Ergebnis dürfte eine scharfe Abgrenzung dieser drei Anwendungskriterien nur schwer vorzunehmen sein.

Besonders hervorgehoben wird das Subsidiaritätserfordernis beispielsweise in Art. 75 KV SG, welcher einen umgehenden Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat auf Erlass von gesetzlichen Bestimmungen fordert, welche die Notverordnungen ersetzen. Dies unterstreicht, dass die Notmassnahmen nur vorübergehenden Charakter innehaben und ordentliches Gesetzesrecht bevorzugt wird.195

4.3.2.

Notstandsklauseln ^

[48]

Grundsätzlich muss das Gesagte auch für die Anwendungsvoraussetzungen von Notstandsklauseln gelten.196 Schliesslich ermöglichen diese gleichermassen den Erlass von notrechtlichen Bestimmungen im hier verstandenen Sinne. Entsprechend erfordert die – u.U. zu den Notrechtsklauseln gar parallele – Anrufung von Notstandsklauseln ebenfalls die Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes sowie sachliche und zeitliche Dringlichkeit. Auch ist von den besonderen Notstandsbefugnissen erst und nur dann Gebrauch zu machen, wenn das ordentliche Recht den Schutz der bedrohten Rechtsgüter nicht mehr wahren kann.

[49]

Einige Ermächtigungsgesetze, welche sich auf die betreffenden Notstandsklauseln stützen, übertragen dem Parlament und der Regierung weitgehende Befugnisse oder sehen gar die Möglichkeit zum Erlass von Massnahmen contra legem und contra constitutionem vor. Folgerichtig werden teilweise zusätzliche Anwendungsvoraussetzungen oder strengere rechtsstaatlich-demokratische Korrektive verlangt.197

4.3.2.1.
Betroffenheit eines einschlägigen Schutzgutes ^
[50]

Die Rechtsgüter, deren Betroffenheit die Notstandsklauseln fordern, werden in der Regel konkreter umschrieben als in den Notrechtsklauseln. So handelt es sich meist um spezifische Gefahrensituationen, an deren Eintreten besondere Ermächtigungen geknüpft werden. Einige Notstandsklauseln begnügen sich jedoch damit, lediglich die in den Notrechtsklauseln angesprochenen Schutzgüter zu wiederholen.

[51]

Die Notstandsklauseln der Kantone GL, JU, NE, NW, SO und ZG beziehen sich auf «schwer[e] Mangellagen»198, «Katastrophen»199 («catastrophes»200), «kriegerisch[e] Ereignisse»201, «guerre»202, «Zeiten der Not»203 oder «ander[e] Notlagen»204. Die zugehörigen gesetzlichen Ermächtigungsnormen nehmen die in den Notstandsklauseln genannten Rechtsgüter nur teilweise auf.

Beispielsweise äussert sich § 84 Abs. 1 KV ZG mit «Katastrophen, kriegerischen Ereignissen oder anderen Notlagen» relativ konkret, fasst in § 12 Abs. 1 BevSG ZG diese Gefahrensituationen jedoch als «Notstan[d]» zusammen. Schlüssig legiferiert der Kanton NW, welcher die in Art. 49a KV NW vorgesehenen «Katastrophen und kriegerischen Ereigniss[e]» in §§ 3 Abs. 1 NOR NW und Art. 6 Abs. 1 NSG NW wiederholt. Eine ungewöhnlich detaillierte Konkretisierung kann der Kanton JU in Art. 5 Abs. 2 LPCi JU vorweisen, indem die in Art. 60 KV JU genannte «catastrophe» in einem nicht abschliessenden («notamment») Katalog möglicher Ausprägungen weiter verfeinert wird.
4.3.2.2.
Sachliche Dringlichkeit ^
[52]

Mithin lässt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen die sachliche Dringlichkeit nur schwer ermitteln. Die Normierung der jeweiligen Gefahrenzustände aber reicht aus, um die besondere sachbezogene Schwere der Situation hervorzuheben. So dürfte die häufig gewählte Kombination von «Katastrophen» und «kriegerischen Ereignissen»205 bereits implizieren, dass mit deren Eintritt schwerwiegende Beeinträchtigungen von Schutzgütern verbunden sind.

Im Falle der «Mangellag[e]», deren sachliche Dringlichkeit nicht ohne weiteres gegeben ist, fügt Art. 81 Abs. 1  KV GL zu Recht ausdrücklich an, dass es sich um eine ausgeprägte («schwer[e]») Form derselben handeln muss. Der Kanton ZG nimmt in seiner Notstandsklausel gar sämtliche Anwendungsvoraussetzungen auf und verweist explizit auf das Erfordernis «sachlicher und zeitlicher Dringlichkeit» (§ 84 Abs. 1 KV ZG), wobei er im entsprechenden Ausführungsgesetz in § 12 Abs. 1 BevSG ZG ersteres Element zusätzlich unterstreicht («schwer[e] Gefährdung»).
4.3.2.3.
Zeitliche Dringlichkeit ^
[53]

Die Voraussetzung der zeitlichen Dringlichkeit wird ausschliesslich von § 84 Abs. 1 KV ZG explizit genannt. Im Übrigen findet sie in den Notstandsklauseln keine ausdrückliche Erwähnung, wird aber stillschweigend vorausgesetzt.

4.3.2.4.
Subsidiarität ^
[54]

Für die Subsidiarität ist weitgehend auf die Ausführungen zu den Notrechtsklauseln zu verweisen.206 Trotz seiner Unschärfe kann das Subsidiaritätserfordernis das Verhältnis zwischen den Notrechts- und Notstandsklauseln klären und eine provisorische Anwendungshierarchie begründen. So sind die meist weitreichenderen Notstandsklauseln aus rechtsstaatlichen Gründen im Vergleich zu den Notrechtsklauseln stets subsidiär anzuwenden. Erst wenn die allgemeinen Notrechtsbefugnisse zur Bewältigung der herrschenden Notsituation nicht mehr genügen, dürfen die gestützt auf die Notstandsklauseln normierten Massnahmenkompetenzen207 in Anspruch genommen werden.

[55]

Eine besondere Ausprägung des Subsidiaritätskriteriums sieht Art. 75 Abs. 1 KV NE i.V.m. Art. 14 Abs. 1 LCE NE vor, wonach der Staatsrat erst dann selbständig tätig werden darf, wenn der Grosse Rat seine Befugnisse nicht (mehr) ausüben kann.

4.3.3.

Zusätzliche Anwendungsvoraussetzungen ^

[56]

Im Kanton GE ist die auf der Notrechtsklausel basierende Massnahmenkompetenz des Staatsrates grundsätzlich daran gebunden, dass der Grosse Rat die ausserordentliche Situation festgestellt hat («constate la situation extraordinaire»208). Diese Voraussetzung aber entfällt, sollte der Grosse Rat aufgrund der herrschenden Umstände an der Versammlung gehindert sein.209 Das gleiche Regime ist in der Notstandsklausel des Kantons NE vorgesehen: Auch hier muss eine Feststellung der ausserordentlichen Situation durch den Grossen Rat nur erfolgen, wenn dieser versammlungsfähig ist.210 Somit steht eine allfällige Handlungsunfähigkeit des Grossen Rates dem Erlass staatsrätlicher Notmassnahmen nicht entgegen.

In der Covid-19-Pandemie war der Grosse Rat des Kantons NE nach wie vor handlungsfähig und stellte in seiner Session vom 4. November 2020 per Dekret eine ausserordentliche Lage gemäss Art. 75 Abs. 1 KV NE fest.211
[57]

Im Übrigen sind weitere Voraussetzungen insbesondere in jenen Fällen zu erfüllen, in welchen die auf den Notstandsklauseln basierenden Gesetze der Regierung die Befugnis einräumen, gesetzes- oder verfassungsderogierende Massnahmen vorzusehen.212

So setzt die Möglichkeit des Nidwaldner Regierungsrates, im Falle kriegerischer Ereignisse von der Verfassung abzuweichen (Art. 6 Abs. 1 NSG NW), die formelle Feststellung eines Notstands durch den Bundesrat voraus (Art. 3 Abs. 2 NSG NW). Gleiches gilt, wenn er gemäss § 3 Abs. 1 NOR NW von der ordentlichen Kompetenzordnung abweichen will (Art. 3 Abs. 1 NSG NW u. § 5 Ziff. 2 NOR NW i.V.m. Art. 49 a NW), wobei in diesem Fall die Feststellung durch den Regierungsrat selbst erfolgt.
Auch im Kanton ZG wird für die Anwendung von § 12 Abs. 1 BevSG ZG, welcher sowohl Massnahmen contra legem als auch contra constitutionem erlaubt, die Feststellung des Notstands durch den Regierungsrat verlangt (§ 10 Abs. 1 BevSG ZG). Der Zuger Regierungsrat muss dies der Bevölkerung in geeigneter Weise kommunizieren (§ 10 Abs. 3 BevSG ZG), das geografische Notstandsgebiet klar bezeichnen sowie die Notstandsbereiche definieren (§ 10 Abs. 2 BevSG ZG).

4.4.

Kompetenzumfang ^

[58]

Die sich bereits abzeichnende Mannigfaltigkeit der kantonalen Notrechtssysteme setzt sich im Instrumentarium, welches die Notrechts- und Notstandsbestimmungen zur Bewältigung der Krisenlagen vorsehen, fort. Wiederum werden Notrechts- (Ziff. 4.4.1) und Notstandsklauseln (Ziff. 4.4.2) separiert behandelt.

4.4.1.

Notrechtsklauseln ^

[59]

Obwohl sich die Ausgestaltung der Notrechtsklauseln an ihr bundesrechtliches Pendant von Art. 185 Abs. 3 BV anlehnt, ist die auf Bundesebene vorgegebene Kombination von Notverordnungs- und Verfügungskompetenzen213 überraschenderweise nur im Kanton GL anzutreffen.214

Im Kanton GL wird dem Landrat gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL eine Befugnis zur «Rechtsetzung»215 eingeräumt, worunter sowohl Verfassungs-, Gesetzes- als auch Verordnungsrecht fallen können. Aus dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich a priori nicht erschliessen, welche Erlassform der Landrat wählen soll. Während der Covid-19-Pandemie aber hat sich der Landrat selbst auf Verordnungen beschränkt und keine Gesetzes- oder Verfassungsbestimmungen erlassen. Es ist anzunehmen, dass der Verfassungsgeber sich bewusst für den Begriff der «Rechtsetzung» entschieden und den impliziten Verweis («anstelle der Landsgemeinde») auf Art. 69 Abs. 1 KV GL erwogen hat, um dem Landrat eine Kompetenz zum vorübergehenden Erlass von Verordnungen mit Gesetzes- oder Verfassungsrang einzuräumen.
[60]

Die Kantone AR, BE, BS, FR, GE, GR,216 JU, NE, SH, SZ, TG, VD, VS und ZH wählen zumindest auf Verfassungsstufe eine eher weitere Umschreibung und sehen die Möglichkeit von «Massnahmen»217 («mesures»218) oder «Beschlüssen»219 vor, differenzieren diese aber i.d.R. in den Notrechtsklauseln selbst oder in den zugehörigen Ausführungsbestimmungen durch besondere Anwendungsvoraussetzungen für «Notverordnungen» («ordonnances»220) weiter aus.221

[61]

Die Notrechtsklauseln der Kantone AG, BL, LU, SG und SO grenzen die Befugnisse der Regierung bereits von Beginn auf den Erlass von «Verordnungen»222 ein. Gleiches dürfte wohl auch für die Kantone NW, OW und UR gelten, welche «Noterlasse»223 als zulässig erachten und somit eine Beschränkung auf die Gesetzgebung andeuten. Diese Annahme wird von Art. 75 Ziff. 3 KV OW gestützt, dessen Erlasstext zwar ebenfalls von «Noterlassen» spricht, allerdings mit seiner Überschrift («Verordnungsbefugnisse») unterstreicht, dass dem Instrumentarium ausschliesslich Verordnungen angehören sollen.

4.4.2.

Notstandsklauseln ^

[62]

Im Gegensatz zu den Notrechtsklauseln bleiben die Notstandsklauseln im Umfang ihrer Kompetenzen – schliesslich werden diese auf dem Gesetzesweg an die Regierung übertragen – offen. So sprechen die Kantone GL, NE, NW, SO und ZG in ihren Verfassungen von «Befugnissen»224 oder «Massnahmen»225 («mesures»226) – die KV ZG erwähnt gar beides – und deuten hiermit ein breites Instrumentarium zur Bewältigung der herrschenden Gefahrensituation an. Jedenfalls bleiben die Kompetenzen, welche der Regierung zur Verfügung gestellt werden dürfen, nicht auf den Erlass von Notverordnungen beschränkt. Offengelassen wird der delegierbare Kompetenzumfang in § 84 KV ZG.

4.5.

Bindung notrechtlicher Massnahmen an die bestehende Rechtsordnung ^

[63]

Von den Anwendungsvoraussetzungen von Notrechts- oder Notstandsklauseln zu unterscheiden ist die Frage, ob und inwieweit die Regierung an die bestehende Rechtsordnung gebunden ist, wenn sie gestützt auf eine Notrechtsklausel oder infolge einer Ermächtigung in der Notstandsgesetzgebung Massnahmen trifft. Die Diskussion, ob gesetzesergänzende (praeter legem), gesetzesderogierende (contra legem) oder sogar verfassungsderogierende (contra legem)227 Noterlasse i.S.v. Art. 185 Abs. 3 BV zulässig sind, wurde zwar nicht erst in der Covid-19-Pandemie aufgegriffen,228 erhielt aber aufgrund der grossen Zahl an Notverordnungen, welche Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen derogierten,229 neuen Aufwind. Während auf Bundesebene keine expliziten Ermächtigungsklauseln bestehen, können die Kantonsverfassungen eine Vielzahl an Bestimmungen vorweisen, welche zum Erlass von Massnahmen praeter und contra legem oder contra constitutionem befähigen. Nachfolgend werden die verschiedenen gesetzes- (Ziff. 4.5.1) oder verfassungsbezogenen (Ziff. 4.5.2) Abweichungsmöglichkeiten aufgezeigt.

4.5.1.

Gesetzesbindung ^

[64]

Im Kontext der Notrechtsklausel von Art. 185 Abs. 3 BV gilt es als unbestritten, dass bundesrätliche Notverordnungen bestehende Bundesgesetze ergänzen und fehlende bundesgesetzliche Regelungen subsituieren können (praeter legem). Dies ist die logische Konsequenz der gesetzesvertretenden Natur der Noterlasse.230 Daran anlehnend sehen auch alle kantonalen Notrechts- und Notstandsklauseln vor, dass Notverordnungen ohne gesetzliche Grundlage ergehen dürfen.231

[65]

Massnahmen contra legem werden gemäss neuerer, wohl mehrheitlicher Ansicht auf Bundesebene ebenfalls als zulässig erachtet. Notverordnungen besitzen trotz ihres vereinfachten Erlassverfahrens formell Gesetzesrang,232 sodass sie auch wichtige Bestimmungen (Art. 164 BV) enthalten und schwere Grundrechtseinschränkungen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV) legitimieren können. Vor diesem Hintergrund agiert der Bundesrat unter den gegebenen Voraussetzungen für eine beschränkte Zeit als (ausserordentlicher) formeller Gesetzgeber. Als solcher muss er – wie auch der ordentliche Gesetzgeber – von Gesetzen abweichen können, wodurch bestehende Gesetzesbestimmungen zwar nicht formell aufgehoben, aber materiell in ihrer Wirkung suspendiert werden. Einige Autorinnen und Autoren fordern in dieser Hinsicht zu Recht eine gewisse Differenzierung und betrachten die Abweichung von Gesetzen, welche selbst Notrechtsbefugnisse normieren, als unzulässig.233 Da der Gesetzgeber die ausserordentliche Situation mithin bedacht und somit geregelt hat, sei es rechtsstaatlich bedenklich, hier eine Übersteuerung durch den Bundesrat zuzulassen.234 Manche Stimmen halten gar gänzlich an der Gesetzesbindung fest und fordern wenigstens eine ausdrückliche Abweichungsermächtigung auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe235 oder die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen.236

[66]

Es versteht sich von selbst, dass die Kantonsregierungen beim Erlass von Notmassnahmen (insbesondere auch von Notverordnungen) an das Bundesrecht gebunden sind und interkantonales Recht berücksichtigen müssen. Jedoch lassen die Kantone Abweichungen von bestehendem kantonalen Gesetzesrecht zu, wobei zwischen den Notrechts- und den Notstandsklauseln zu differenzieren ist:

  • In ihren Notrechtsklauseln erlauben die Kantone JU und TG explizit237 den Erlass gesetzesderogierender Massnahmen. Der Kanton UR lässt dies in Art. 90 Abs. 3 KV UR zwar offen, konkretisiert allerdings in Art. 2 Abs. 2 BSG UR, dass der Regierungsrat «in ausserordentlichen Lagen notfalls vom Gesetz abweichen» kann.
    So steht es gemäss Art. 91 Abs. 1 KV JU der Regierung des Kantons JU zu, im Falle zeitlicher Dringlichkeit Verordnungen und Massnahmen zu ergreifen, «qui dérogent aux arrêtés, décrets ou lois.»238 Auch § 44 Abs. 1 KV TG normiert unmissverständlich die Möglichkeit des Regierungsrates, in Abweichung «von Verfassung und Gesetz» Regelungen zu erlassen. Im Kanton UR müssen allerdings engere Anwendungsvoraussetzungen gegeben sein, um von gesetzesderogierenden Massnahmen Gebrauch machen zu können. Mithin kann der Urner Regierungsrat von den Zuständigkeits- und Verfahrensregeln in den kantonalen Gesetzen nur dann abweichen, wenn einerseits eine ausserordentliche, anderweitig nicht mehr bewältigbare Situation vorliegt sowie anderseits ein Notstand durch den Regierungsrat selbst ausgerufen worden ist (Art. 2 Abs. 2 BSG UR i.V.m. Art. 90 Abs. 3  KV UR).239
    Dahingegen äussern sich die Verfassungen der Kantone GE, LU, NE und VD nicht ausdrücklich zu den Abweichungsmöglichkeiten, sehen aber gleichwohl die Möglichkeit von Massnahmen contra legem vor, indem sie der Regierung erlauben, «les mesures nécessaires»240, «les mesures qu’il faut»241 respektive «die notwendigen Verordnungen»242 zu erlassen oder «das Notwendige [zu] regeln»243.244
    Auch im Kanton GE ist der Erlass gesetzesderogierender Massnahmen – vorbehalten der Handlungsfähigkeit des Grossen Rates – an die Feststellung einer ausserordentlichen Lage gebunden (Art. 113 Abs. 2 KV GE).
    Im Kanton GL weist Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL dem Landrat die Rechtsetzungskompetenz in dringlichen Fällen «anstelle der Landsgemeinde» zu, welche kraft Art. 69 Abs. 1 KV das ordentliche Organ für die Gesetzgebung ist. Damit kann der Landrat in dringlichen Fällen (wozu erst recht auch Notlagen gehören) ebenfalls Verordnungen mit Gesetzesrang schaffen und dabei von bestehenden Gesetzen abweichen.
  • Mithin sehen alle kantonalen Notstandsklauseln die Möglichkeit vor, dem Parlament oder der Regierung auf dem Wege des Gesetzes die Befugnis zum Erlass gesetzes- und teils auch verfassungsderogierender245 Massnahmen zu übertragen.246 
    Während in den Kantonen NW und ZG die formelle Feststellung des Notstandfalles durch den Regierungsrat eine notwendige Voraussetzung für den Erlass von Massnahmen contra legem darstellt,247 verlangen die Kantone GL und JU keine spezifischen Anwendungsbedingungen, um sich den gesetzesderogierenden Möglichkeiten bedienen zu können; die ordentlichen Anwendungsvoraussetzungen248 reichen aus.249 Im Kanton NE ist für die Inanspruchnahme der Notstandsklausel (Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 KV NE) die Ausrufung der ausserordentlichen Lage nur dann erforderlich, sofern der Grosse Rat sich versammeln kann.
  • Obwohl die Kantone SH und TI keine entsprechenden Notstandsklauseln vorweisen können, sehen ihre spezialgesetzlichen Bestimmungen250 die Möglichkeit gesetzesderogierender Massnahmen vor.
    So steht es dem Tessiner Staatsrat zu, nach Ausrufung eines Notstands von den kantonalen Gesetzen abzuweichen, wobei er insbesondere nicht an die ordentlichen Genehmigungs-, Erlaubnis-, Konzessions- und Vergabeverfahren gebunden ist (Art. 22 LProtPop).251 Gleiches gilt im Kanton SH, wo der Regierungsrat die erforderlichen Massnahmen ebenfalls «in Abweichung von den gesetzlichen Grundlagen» (Art. 16 Abs. 1 BevSG SH) anordnen kann.

4.5.2.

Verfassungsbindung ^

[67]

Die Diskussion betreffend die Zulässigkeit verfassungsderogierender Notverordnungen des Bundesrates wird nach wie vor kontrovers geführt. So erstreckt sich das Meinungsspektrum von einer umfassenden Verfassungsbindung bis hin zur als beinahe selbstverständlich interpretierten Verordnungsmöglichkeit contra constitutionem.252 Ein Konsens besteht immerhin insofern, als ein Eingriff in kantonale Kompetenzen möglich sein muss, da mit Art. 185 Abs. 3 BV nicht nur eine Organ-, sondern eine vorübergehende und subsidiäre Verbandskompetenz begründet wird.253 Im Übrigen bleiben die Abweichungsmöglichkeiten umstritten, wobei sich die neueren Stimmen darauf einzumitten scheinen, Verfassungsabweichungen in engen Grenzen zuzulassen. Zwar soll die grundsätzliche Bindung an die Bundesverfassung bestehen bleiben,254 doch kann in einer Krisenlage eine umfassende Verbindlichkeit unzweckmässig sein und einer effektiven Bewältigung entgegenstehen.255

[68]

Während Art. 185 Abs. 3 BV zur Frage der Verfassungsbindung schweigt, finden sich in den Kantonsverfassungen mehrere Notrechts- und Notstandsklauseln, welche den Erlass verfassungsderogierender Normen ausdrücklich verankern. In der (herrschenden) Lehre ist anerkannt, dass Notrechtsverordnungen und andere Massnahmen von der Kantonsverfassung abweichen dürfen, sofern darin eine entsprechende Grundlage – u.U. auch nur implizit256 – vorhanden ist.257

  • Ein Blick in die kantonalen Notrechtsklauseln zeigt, dass einzig der Kanton TG notrechtliche Massnahmen contra constitutionem ausdrücklich zulässt (§ 44 Abs. 1 KV TG). Dabei wird der Regierungsrat nicht nur von der Einhaltung der verfassungsmässigen Kompetenzordnung, sondern generell von der Einhaltung der Verfassung dispensiert.258 Im Kanton VD äussert sich die Notrechtsklausel nur implizit, bringt jedoch mit dem Passus «toutes les mesures» zum Ausdruck, dass auch in Abweichung von der Verfassung geregelt werden darf. Konkret wird der Staatsrat in Art. 125 Abs. 1 KV VD i.V.m. Art. 26a Abs. 1 LOCE VD zum Erlass von verfassungsderogierenden «mesures», «arrêtes» und «décisions» ermächtigt.259
    Obwohl sich der Wortlaut von Art. 91 KV BE zur Verfassungsbindung nicht explizit ausspricht, herrscht verbreitet die Ansicht, dass die Auslegung der Norm auf die Befähigung des Regierungsrates hindeutet, von der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung abzuweichen.260 So werde ihm die Befugnis zum Erlass wichtiger Bestimmungen eingeräumt, welche unter normalen Umständen qua Verfassung in der Kompetenz des Grossen Rates (Art. 69 Abs. 4 KV BE) liegen, einem Referendum unterstehen (Art. 61 f. KV BE) oder mittels Initiative (Art. 58 Abs. 1 KV BE) angestrebt werden müssen.261 Zusätzlich anerkannt wird eine Abweichung von den verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausgabenkompetenzen.262 Nicht nur im Falle von BE ist darauf hinzuweisen, dass «an die Notwendigkeit von Massnahmen contra constitutionem hohe Anforderungen zu stellen»263 sind.
    Wie gesehen,264 überträgt Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL dem Landrat die Rechtsetzungskompetenz in dringlichen Fällen «anstelle der Landsgemeinde». Wird angenommen, dass durch diesen impliziten Verweis auf Art. 69 Abs. 1 KV GL der Landrat die Rechtsetzungsbefugnisse der Landsgemeinde vorübergehend übernimmt und somit zur Gesetz- und Verfassungsgebung berechtigt ist, kann Art. 69 Abs. 1 KV GL als hinreichende Grundlage für verfassungsderogierende Notverordnungen gewertet werden. Dem Landrat steht es folglich zu, Notverordnungen mit Verfassungsrang vorzusehen.265 Anderes aber gilt für die analoge Notverordnungskompetenz des Regierungsrates. Weder sieht Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL eine explizite Ermächtigung noch einen impliziten Verweis auf Art. 69 Abs. 1 KV GL vor, sodass Massnahmen in Abweichung von der Verfassung unzulässig sind.266
  • Eindeutigere Aussagen zur Zulässigkeit von Massnahmen contra constitutionem finden sich in den Notstandsklauseln. So wird der Gesetzgeber in den Kantonen GL,267 JU,268 NW,269 SO270 und ZG271 bei Katastrophen, kriegerischen Ereignissen oder anderen Notständen explizit ermächtigt, das Parlament und die Regierung mit Befugnissen auszustatten, die von der Kantonsverfassung abweichen.272 Nur im Kanton NE ist erst mittels systematischer Auslegung zu erkennen, dass der Staatsrat durch Erlass von «toutes les mesures nécessaires» (Art. 75 Abs. 1 KV NE i.V.m. Art. 14 Abs. 1 LCE NE) vorübergehend auch entgegen der Kantonsverfassung legiferieren kann.273
[69]

In den Kantonen SH und TI werden die Regierungen einzig durch das Gesetz ermächtigt, zum Schutz der Bevölkerung – wenn nötig – im Rahmen von Notstandsmassnahmen von der Verfassung abzuweichen,274 ohne dass der Gesetzgeber für eine solche Kompetenzübertragung über eine entsprechende Verfassungsgrundlage verfügt. Bei fehlender Verfassungsgrundlage ist es dem Gesetzgeber aber verwehrt, die Regierung mit Befugnissen auszustatten, die von der verfassungsmässigen Kompetenzordnung abweichen.

Dies schliesst allerdings nicht aus, dass basierend auf Art. 16 Abs. 1 BevSG SH oder Art. 22 Abs. 1 LProtPop TI Massnahmen contra legem ergehen dürfen. Eine Abweichung von bestehenden Gesetzen, welche auf gleicher Stufe stehen, ist durchaus zulässig.

4.6.

Rechtsstaatlich-demokratische Korrektive ^

[70]

Die Anrufung der Notrechts- und Notstandsklauseln führt zu einer Verschiebung der legislativen Kompetenzen hin zur Exekutive.275 Darüber hinaus werden der Regierung teilweise Ermächtigungen eingeräumt, welche ihr in «normalen» Zeiten nicht zustehen. So wird das Gewaltengefüge in ausserordentlichen Situationen in den Bereich der Exekutive gerückt und der Rechtsstaat gerät – insbesondere bei langer Dauer der Notrechtslage – erheblich unter Druck. Hinzu tritt ein Wegfall der üblichen demokratischen Verfahren, sind Notverordnungen trotz formellem Gesetzesrang schliesslich vom Referendum ausgenommen.276 Dieser Strapazierung der rechtsstaatlichen und demokratischen Strukturen ist mit geeigneten Instrumenten entgegenzutreten.277 Mitunter sind verschiedene rechtsstaatlich-demokratische Korrektive geeignet, diesen Verlust parlamentarischer und demokratischer Mitwirkung in einer ausserordentlichen Situation zu kompensieren.

Auf Kantonsebene tritt als weiteres, den Rechtsstaat stärkendes Element der umfassende Rechtsschutz gegenüber regierungsrätlichen Notverordnungen hinzu. Anders als auf Bundesebene, wo Bundesratsverordnungen aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Ausnahmeregelung einer direkten gerichtlichen Kontrolle entzogen bleiben,278 sind kantonale Notverordnungen sowohl konkret als auch abstrakt überprüfbar.279 So können die jeweiligen Regierungsakte wenigstens ex post einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt und rechtsstaatliche Defizite sowie allfällige, der zeitlichen Dringlichkeit geschuldete Fehler korrigiert werden.
[71]

Abschliessend sind die rechtsstaatlich-demokratischen Korrektive auf Kantonsebene zu betrachten, welche die krisenbedingte Verschiebung des Gewaltengefüges zur Exekutive teilweise auszugleichen vermögen oder gar zur Wiederherstellung der ordentlichen Kompetenzordnung führen. Dargelegt werden die Verfahrensvorschriften betreffend eine Beschränkung der Geltungsdauer der notrechtlichen Massnahmen (Ziff. 4.6.1) sowie die Stellung der kantonalen Parlamente (Ziff. 4.6.2).

4.6.1.

Beschränkte Geltungsdauer ^

[72]

Noterlassen ist der vorübergehende Charakter bereits immanent, dienen sie doch gerade in jenen Fällen, in welchen eine passende Rechtsgrundlage weder vorhanden ist noch auf dem ordentlichen Wege rechtzeitig bereitgestellt werden kann, als Ersatz der fehlenden Bestimmungen.280 Versagt neben dem ordentlichen Erlassgebungs- auch ein allfälliges Dringlichkeitsverfahren,281 kann die ausserordentliche Situation nur noch über den Erlass von Notmassnahmen, gestützt auf die entsprechenden Notrechts- oder Notstandsklauseln und die darauf basierenden Ermächtigungsgesetze, bewältigt werden. Die notrechtlichen Massnahmen sind hierbei einerseits geeignet, die staatliche Handlungsfähigkeit und damit den Schutz der bedrohten Rechtsgüter zu wahren, und verschaffen andererseits den zuständigen Behörden einen Zeitraum, um die notwendigen Regelungen in Wahrung der ordentlichen Kompetenzordnung bereitzustellen. Aufgrund der mit dem Notrechtsgebrauch einhergehenden rechtsstaatlichen und demokratischen Defizite muss eine möglichst schnelle Rückführung in das ordentliche Recht erfolgen und eine das Notrecht ersetzende, formell-gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Befristungsvorschriften können hierbei helfen, eine möglichst zügige Wiederherstellung der gebotenen Verhältnisse zu begünstigen sowie einer Überdehnung der notrechtlichen Befugnisse entgegenzuwirken.

[73]

Auf Bundesebene fordert Art. 185 Abs. 3 BV letzter Satz eine zeitliche Beschränkung der Notverordnungen.282 Eine Höchstgeltungsdauer wird dort zwar nicht genannt, doch sollen die Notverordnungen nicht länger in Kraft stehen, als die ausserordentliche Situation anhält (Dauervoraussetzungen). Sobald sie als Überbrückung bis zur Schaffung ordentlicher Erlasse nicht mehr notwendig sind, sollten sie umgehend ausser Kraft gesetzt werden.283 Auch in den Kantonen sehen die meisten Notrechts- und Notstandsklauseln eine zeitliche Befristung der notrechtlichen Massnahmen vor:

  • Die jeweiligen Notrechtsklauseln verankern eine beschränkte Geltungsdauer meist explizit auf Verfassungsstufe. In den Kantonen AR, BE, BL, BS, FR, GE, GR, JU, SH, SO, SZ, TG und ZH ist eine Befristung auf maximal ein Jahr vorgesehen,284 während die Geltungsdauer in AG, LU und SG auf zwei Jahre befristet ist.285
    Eine dem Bund analoge Formulierung wählt der Kanton VD, welcher ebenfalls keinen Zeithorizont festlegt, jedoch in Art. 26a Abs. 1 LOCE VD eine allgemeine Beschränkung («limités dans le temps») der Geltungsdauer fordert.286 Auch NW, OW und UR verzichten auf eine numerische Befristung, halten aber gleichwohl fest, dass es sich um «zeitlich befristete Noterlasse»287 handelt.
    Gänzlich ohne Hinweise auf eine allfällige Höchstgeltungsdauer kantonaler Notmassnahmen bleiben Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (vgl. ebenso Art. 89 Abs. 1 lit. d KV GL für dringliche Verordnungen des Landrates), Art. 89 Abs. 1 lit. d KV NE und Art. 56 Abs. 2  KV VS.288 Indes legt der Kanton AI in seiner neuen Notrechtsklausel ebenfalls keine zeitliche Beschränkungsdauer fest (Art. 25 Abs. 1 nKV AI), unterwirft allfällige Notregelungen in Art. 31 Abs. 2 VE SOG AI allerdings einer absoluten Einjahresfrist, sofern der Grosse Rat die Notmassnahmen nicht genehmigt. Doch gilt auch hier, dass mit dem Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen und somit dem Bestehen einer ausserordentlichen Situation die jeweiligen Massnahmen ausser Kraft treten müssen.289
  • Die Notstandsklauseln der Kantone sehen hingegen keine zeitlichen Befristungen direkt im Verfassungstext vor.290 Gleichwohl unterstreichen die Notstandsklauseln der Kantone GL, JU, NW und SO mit dem Passus «für beschränkte Zeit»291, «temporairement»292 oder «vorübergehend»293 das Erfordernis einer zeitlichen Befristung, wie es sich freilich bereits aus den Dauervoraussetzungen ableiten lässt. Nur Art. 75 KV NE i.V.m. Art. 14 Abs. 1 LCE NE schweigen sich zu einer zeitlichen Beschränkung gänzlich aus.
    Für die Art. 89 Abs. 1 lit. f und 99 Abs. 1 KV GL gilt eine Besonderheit: So sind die darauf gestützten kantonalen Erlasse expressis verbis «bis zur nächsten Landsgemeinde» – im Falle von Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL gar «bis zur nächsten ordentlichen Landsgemeinde» – befristet und fallen zu diesem Zeitpunkt eo ipso und ex nunc dahin. Die Befristung erweist sich hierbei als relativ. Zwar findet die ordentliche Landsgemeinde grundsätzlich am ersten Sonntag im Mai (Art. 63 Abs. 1 KV GL) und somit spätestens ein Jahr nach Erlass der Notverordnungen statt, doch muss gerade in Krisenzeiten auch mit einem längeren Ausfall der Landsgemeinde gerechnet werden.294
[74]

Nach Ablauf der vorgesehenen Frist fallen die Massnahmen i.d.R. – sofern die betreffenden Notverordnungen aufgrund der Beendigung der ausserordentlichen Lage nicht ohnehin obsolet geworden sind – eo ipso dahin.295

4.6.2.

Stellung der Parlamente ^

[75]

Entgegen der auf Kantonsebene breit anzutreffenden Pflicht der Regierung, ihre Notmassnahmen der Legislative zur Genehmigung vorzulegen, hat sich im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung 1999 ein nachträglicher Genehmigungsvorbehalt der Bundesratsverordnungen aufgrund des Widerstands des Ständerates nicht durchzusetzen vermocht.296 Geschaffen wurde mithin die Möglichkeit der Bundesversammlung, die vom Bundesrat erlassenen Massnahmen mit ihrem eigenen Notverordnungsrecht (Art. 173 Abs. 1 lit. c BV) zu übersteuern.297

Dieses parlamentarische Notverordnungskorrektiv ist aufgrund des im Vergleich mit dem dringlichen Gesetzgebungsverfahrens (Art. 165 BV) nur geringen zeitlichen Gewinns allerdings weniger wirksam, als es vordergründig scheint.298 Zudem befolgt die Bundesversammlung i.d.R. die «politische Klugheitsregel»299, sein Modifikations- und Annullationsrecht nur zurückhaltend einzusetzen, um die Rechtssicherheit und die bundesrätliche Handlungsfähigkeit nicht unnötig zu gefährden.
[76]

Eine Übersteuerungsmöglichkeit durch eigene Notverordnungen des Parlaments ist in keinem Kanton ausdrücklich vorgesehen.

Jedoch ist im Kanton GL ein System anzutreffen, welches jenem des Bundes durchaus ähnelt. So handelt es sich bei den selbständigen Notverordnungskompetenzen des Land- (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL) und Regierungsrates (Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL) um parallele (konkurrierende) Notrechtskompetenzen, welche an jene von Bundesrat (Art. 185 Abs. 3 BV; s.a. Art. 184 Abs. 3 BV) und Bundesversammlung (Art. 173 Abs. 1 lit. c BV) erinnern. Die verfassungsrechtlich vorgesehene Organhierarchie bedingt, dass die Kompetenzen des Regierungsrates zurücktreten müssen, wenn der Landrat rechtsetzend tätig wird; seine Notverordnungskompetenz ist subsidiär. Erst, wenn es die ausserordentlichen Umstände oder die zeitliche Dringlichkeit dem Landrat nicht (mehr) erlauben, eigenes Notverordnungsrecht rechtzeitig zu erlassen, kann der Regierungsrat tätig werden.
4.6.2.1.
Information ^
[77]

Auf Bundesebene ist der Bundesrat verpflichtet, das zuständige Organ der Bundesversammlung über den Erlass einer Notverordnung spätestens innerhalb von 24 Stunden nach der Beschlussfassung zu informieren (Art. 7e Abs. 2 RVOG).300 Auch in den Kantonen ist eine Information der Parlamente vorgesehen und teilweise mit einer nachträglichen Genehmigungspflicht301 verknüpft.

  • So sehen die Notrechtsklauseln der Kantone GE, GL, VD und VS explizit eine Pflicht zur Information des Parlaments vor.302 Aus einer reinen Informations- oder Vorlagepflicht lässt sich allerdings noch keine Genehmigungspflicht ableiten.303
    Das Erfordernis einer parlamentarischen Genehmigung schliesst die Information des Parlaments über den Genehmigungsgegenstand bereits in sich ein, sodass die meisten Kantone auf eine ausdrückliche Verankerung von Informations- und Genehmigungspflicht verzichten. Nur im Kanton GE muss der Grosse Rat den Staatsrat über die getroffenen Massnahmen informieren (Art. 113 Abs. 1 KV GE) und – im Falle überjähriger Notverordnungen – dessen Genehmigung einholen, damit die Massnahmen nicht mit Ablauf eines Jahres hinfällig werden (Art. 113 Abs. 3 KV GE). Die zusätzliche Information des Parlaments verfolgt hier jedoch einen spezifischen Zweck. So ist der Grosse Rat gemäss Art. 113 Abs. 2 KV GE für die Ausrufung einer ausserordentlichen Situation zuständig und somit auf eine vorausgehende Information über die Fällung notrechtlicher Massnahmen zwingend angewiesen.
  • Von jenen Kantonen, welche eine Notstandsklausel vorweisen können, sehen die Kantone GL, NE, NW, SO und ZG die Pflicht zur Information des Parlaments vor.304
    Beispielsweise hat der Regierungsrat des Kantons GL, sofern er Vorschriften in Abweichung von der Kantonsverfassung i.S.v. Art. 81 Abs. 1 KV GL vorsieht und «[s]obald es die Umstände zulassen», dem Landrat einen Bericht über die getroffenen Massnahmen vorzulegen. Letzterer ist wiederum gehalten, nach Erhalt des Berichts die Landsgemeinde darüber in Kenntnis zu setzen (Art. 81 Abs. 2 KV GL). Der Kanton GL verstärkt hiermit sein – mit einer ausschliesslichen Informationspflicht eher schwach ausgestaltetes – rechtsstaatlich-demokratisches Korrektiv im Falle von Massnahmen contra constitutionem insofern, als die Vorlage an Landrat oder Landsgemeinde nicht genügt, sondern zwingend beide informiert und unter Beigabe eines erläuternden Berichts in Kenntnis gesetzt werden müssen (Art. 81 Abs. 2 KV GL). Es bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber des Kantons GL von seiner Notstandsklausel keinen Gebrauch gemacht hat. Früher lagen mit dem Notrechtsgesetz sowie der Notrechtsverordnung entsprechende Ausführungsgesetze vor, welche aber mit dem Erlass des BevG GL aufgehoben worden sind. Zwar ist aus der historischen Entwicklung zu schliessen, dass das BevG GL als ausführendes Gesetz gelten soll, doch geht dessen Inhalt über eine Begriffskonkretisierung sowie organisationsrechtliche Bestimmungen nicht hinaus.
    Die Verfassungen der Kantone NE, NW, SO und ZG bleiben hinsichtlich einer Pflicht zur Information der Legislative stumm, verlangen jedoch in ihren ausführenden Gesetzesbestimmungen, dass der Kantonsrat «unverzüglich in Kenntnis»305 gesetzt respektive dem Grossen Rat ein Bericht über die getroffenen, u.U. verfassungsderogierenden Massnahmen unterbreitet306 wird.307 Sowohl Art. 60 KV JU als auch das darauf gestützte LPCi JU äussern sich nicht zu einer Informationspflicht.
[78]

Auf Bundesebene ist der Bundesrat seit Neuestem gehalten, die zuständigen parlamentarischen Kommissionen zu den Entwürfen für Verordnungen und Verordnungsänderungen, die er gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV erlässt, zu konsultieren (Art. 22 Abs. 3 i.V.m. Art. 151 Abs. 2bis ParlG).308 In den Kantonsverfassungen hingegen ist ein solches Anhörungsrecht der Parlamente nicht auffindbar.

4.6.2.2.
Parlamentarische Genehmigung ^
[79]

Anders als auf Bundesebene ist das Instrument der nachträglichen Genehmigung der regierungsrätlichen Notmassnahmen durch kantonale Parlamente weit verbreitet. Trotz dieser überkantonalen Einheitlichkeit eines Genehmigungssystems erweisen sich die Folgen, welche mit der jeweiligen parlamentarischen (Nicht-)Genehmigung einhergehen, als äusserst divers.

  • Die Notrechtsklauseln der Kantone AR, BE, BL, BS, FR, GE, GR, NW, OW, SH, SO, SZ, UR und ZH sehen ausdrücklich vor, dass Notverordnungen «sofort»309, «unverzüglich»310 oder «sobald als möglich»311 dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden müssen.312 In den Kantonen TG und VD ergibt sich das Erfordernis der Genehmigung aus der (systematischen) Auslegung der Notrechtsklausel.313
    In den Kantonen BS, FR, GE, GR und TG wird nicht nur eine Genehmigung von Notverordnungen, sondern von sämtlichen Notmassnahmen – im Kanton GR auch von «Beschlüssen» – verlangt.314 In den Kantonen GE und FR gilt zudem die Besonderheit, dass eine Genehmigung nur dann benötigt wird, wenn es sich um Massnahmen handelt, welche länger als ein Jahr gelten sollen.315
    Ein besonderes Korrektiv findet sich im Kanton VD. Nicht nur ist der Staatsrat dazu verpflichtet, den Grossen Rat «[d]ès que les circonstances le permettent» (Art. 26 c Abs. 1 LOCE VD) über die getroffenen Massnahmen i.S.v. Art. 26 a Abs. 1 LOCE VD zu unterrichten, sondern er muss diesem zusätzlich einen detaillierten Bericht vorlegen (Art. 125 KV VD i.V.m. Art. 26 a Abs. 1 und Art. 26 c Abs. 1 LOCE VD).316 Darüber hinaus ist der Staatsrat gehalten, dem Grossen Rat «les normes constituant les bases légales expresses nécessaires au maintien des mesures prises» (Art. 26 c Abs. 2 LOCE VD) vorzulegen. In welcher Frist dies allerdings geschehen muss – «sans délai» (Art. 26 a Abs. 1 LOCE VD) müssen lediglich die getroffenen Massnahmen vorgezeigt werden – ist aus dem Wortlaut nicht ersichtlich.
    Im Kanton SG wird zwar weder eine Informations- noch eine Genehmigungspflicht verlangt, doch fördert Art. 75 KV SG die Rückführung in ordentliches Recht insofern, als die Regierung nach Erlass von Notverordnungen «dem Kantonsrat ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen» stellen muss. Obschon die Staatswirtschaftliche Kommission des Kantons SG betont, dass keine eigentliche Antragspflicht besteht, äussert sie ihre Erwartung deutlich, «dass die Regierung nach Verabschiedung einer dringlichen Verordnung bis zur nächsten Session des Kantonsrates eine Vorlage ausarbeitet und dem Kantonsrat zuleitet.»317 Unklar hingegen bleibt, welche Konsequenzen drohen, sollte der Kantonsrat auf die Vorlage nicht eintreten.318 Gemäss der Ansicht der Staatswirtschaftlichen Kommission wäre diesfalls von einer Gleichsetzung von Nichteintreten und Nichtgenehmigung auszugehen.319 Uhlmann/Wilhelm gehen gar darüber hinaus und plädieren bei Nichteintreten für das Ausserkrafttreten des Notrechts. Somit würde die Regierung – wie auch im Falle einer Ablehnung der Notregelungen durch den Kantonsrat – dazu verpflichtet, ihre Massnahmen so rasch als möglich wieder ausser Kraft zu setzen.320
  • Die verfassungsrechtlichen Notstandsklauseln sehen für die von der Regierung getroffenen Notstandsmassnahmen keine Genehmigungspflichten vor und auch ihre Gesetze greifen dies nicht auf. Indes wäre der in den Notstandsklauseln adressierte Gesetzgeber ermächtigt, regierungsrätliche Massnahmen einer Genehmigungspflicht zu unterstellen, doch hat kein Kanton hiervon Gebrauch gemacht.321
[80]

Bei den Genehmigungsrechten ist es dem Parlament lediglich erlaubt, den vorgesehenen Massnahmen zuzustimmen oder diese abzulehnen – eigene Gestaltungsmöglichkeiten werden dem Parlament nicht zugestanden. In den Kantonen NW, OW und UR wird dem Parlament immerhin das Recht erteilt, über die weitere Geltung und Befristung der Noterlasse zu befinden. Darüber hinaus darf das Parlament aber auch in diesen Kantonen nicht gestalterisch tätig werden.322 Angesichts der auf eine Genehmigung reduzierten parlamentarischen Mitwirkung sowie der Tatsache, dass das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen der Notrechtsklausel bzw. eines Notstands i.d.R. durch den Regierungsrat selbst festgestellt wird,323 sind die Rechtsfolgen einer Genehmigung oder Nichtgenehmigung durch das Parlament umso mehr hervorzuheben.

[81]

Relativ eindeutig hinsichtlich der Folgen einer (Nicht-)Genehmigung zeigen sich die Kantone AG, JU, LU, SG und VD. Deren Notrechtsklauseln sehen keine parlamentarische Genehmigung vor und die Notmassnahmen fallen nach Ablauf der vorgesehenen Frist ohne weiteres Zutun dahin.324 Die betreffenden Kantone sind somit verpflichtet, bei anhaltender Bedrohungslage innerhalb dieser Geltungsdauer Ersatz durch ordentliches Recht zu schaffen.325

In den Kantonen FR und GE ist eine Besonderheit zu beachten: Massnahmen gemäss Art. 117 KV FR sind nur dann dem Grossen Rat zur Genehmigung zu unterbreiten, wenn deren Geltungsdauer ein Jahr übersteigt. Auch im Kanton GE bleiben überjährige Notverordnungen – unabhängig davon, ob der Grosse Rat sie genehmigt – bis zum Ablauf eines Jahres nach deren Inkrafttreten gültig (vgl. Art. 113 Abs. 3 KV GE).
Ein weiterer Sonderfall liegt im Kanton SG vor. Da es sich bei der Vorlage an den Kantonsrat i.S.v. Art. 75 KV SG um kein eigentliches Genehmigungsrecht handelt, bleibt eine ablehnende Haltung des Parlaments auf die Gültigkeit der Notverordnungen ohne Wirkung. Nach Ablauf der vorgesehenen zweijährigen Frist fallen Notverordnungen von Gesetzes wegen dahin.326 Der Zweck der Vorlagepflicht besteht vordergründig in der Wiederherstellung der ordentlichen Verhältnisse und nicht in einer aktiven Beteiligung des Kantonsrates an der Notrechtsgebung.
[82]

Die Kantone AR, BE, BL, BS, FR, GE, GR, SH, SO, SZ, TG und ZH verknüpfen in ihren Notrechtsklauseln das parlamentarische Genehmigungsrecht insofern mit der Befristungspflicht, als die Noterlasse nur dann – ex nunc oder nach Ablauf der entsprechenden Geltungsdauer – ihre Gültigkeit verlieren, wenn sie nicht durch das Parlament genehmigt wurden. Hiervon zu unterscheiden sind die Folgen, sollte sich das Parlament positiv zu den Massnahmen äussern.

[83]

Obschon der Wortlaut sich diesbezüglich nicht explizit erweist, ist davon auszugehen,327 dass die Notverordnungen der Kantone AR, BE, BL, BS, GR, SH, SO, SZ, TG und ZH unmittelbar ausser Kraft treten, wenn das Parlament sie nicht genehmigt. Spricht sich der Kantonsrat hingegen für die in Frage stehenden Massnahmen aus, bleiben sie bis zum Ablauf der verfassungsrechtlich vorgesehenen Frist von einem Jahr in Kraft; danach fallen sie ex nunc dahin.328 Die Gültigkeit der Notverordnungen bleibt sodann auf diese Zeit beschränkt und kann,329 ungeachtet einer allfälligen parlamentarischen Genehmigung, darüber nicht hinausgehen. Anderes gilt für die Kantone FR und GE, deren Noterlasse nach der Genehmigung befristungslos weitergelten. Selbst wenn sie vom Parlament verworfen werden, endet ihre Gültigkeit erst mit Ablauf der vorgesehenen Befristung.330

Unklar bleibt § 62 Abs. 2 KV SZ, welcher zwar eine parlamentarische Genehmigung verlangt, sich allerdings zu den Folgen einer Nichtgenehmigung ausschweigt. Die Bestimmung hält lediglich fest, dass Notverordnungen «nach Ablauf eines Jahres dahin[fallen], wenn sie nicht ins ordentliche Recht überführt werden.»
Der Kanton VD ist mit Blick auf die Folgen einer parlamentarischen (Nicht-)Genehmigung wiederum einzigartig. Indes wählt er in Art. 26c Abs. 1 LOCE VD eine ausschliessliche Pflicht, das Parlament über die getroffenen Massnahmen zu informieren sowie diesem einen Bericht vorzulegen. Jedoch fallen die Notstandsmassnahmen ipso facto dahin, sofern der Staatsrat es unterlässt, dem Grossen Rat die in Art. 26c Abs. 2 LOCE VD geforderten gesetzlichen Grundlagen zu unterbreiten respektive Letzterer diese nicht genehmigt (Art. 26c Abs. 3 LOCE VD). Lehnt das Volk die zugehörige Gesetzesgrundlage in einer nachträglichen Referendumsabstimmung schliesslich ab, treten die betreffenden Massnahmen ebenfalls ausser Kraft (Art. 26c Abs. 3 LOCE VD). Dieses vom Kanton VD gewählte Regime erinnert an die bundesrechtliche Regelung, wonach der Bundesrat innert 6 Monaten nach Erlass von auf Art. 185 Abs. 3 BV gestützten Notverordnungen der Bundesversammlung einen Entwurf einer gesetzlichen Grundlage unterbreiten muss, ansonsten die getroffenen Massnahmen hinfällig werden (Art. 7d Abs. 2 lit. a Ziff. 1 RVOG). Wie Art. 26c Abs. 3 LOCE VD, sieht auch Art. 7d Abs. 2 lit. b RVOG das Ausserkrafttreten der Massnahmen vor, wenn die Bundesversammlung den vom Bundesrat vorgelegten Gesetzesentwurf ablehnt.
Im Kanton AI ist ebenfalls eine Befristung auf maximal ein Jahr vorgesehen (Art. 25 Abs. 1 nKV AI i.V.m. Art. 31 Abs. 3 VE SOG AI). Im Gegensatz zu den anderen Kantonen aber wählt der Kanton AI eine gegensätzliche Formulierung, indem er die Folgen der Nichtgenehmigung regelt. Entsprechend sind Notregelungen dem Grossen Rat innert 6 Monaten zur Genehmigung vorzulegen. Lehnt dieser die Massnahmen ab, fallen sie nach Ablauf eines Jahres ohne weiteres dahin. Sofern der Grosse Rat seine Genehmigung aber erteilt, können die Notmassnahmen unbeschränkt weitergelten.

5.

Würdigung ^

[84]

Abschliessend sind anhand der dargelegten Erkenntnisse Schlussfolgerungen zu ziehen sowie mögliche Regelungsoptionen aufzuzeigen. Vorab ist die Frage der Notwendigkeit eines Notrechtssystems (Ziff. 5.1) zu klären, worauf die Ausgestaltung der kantonalen Regelungsmodelle einer kritischen Würdigung unterzogen wird (Ziff. 5.2). Die wesentlichen Ergebnisse werden in einem Fazit zusammengefasst (Ziff. 5.3).

5.1.

Notwendigkeit eines Notrechtssystems ^

[85]

In Anbetracht der eingangs erwähnten Krisen ist man rasch geneigt, die Frage der Notwendigkeit eines Notrechtssystems ohne weiteres zu bejahen. Schliesslich haben auch die Kantone AI und UR aufgrund der Erfahrungen in der Covid-19-Pandemie umgehend erkannt, dass eine ausserordentliche Situation ohne eine (klarere) Notrechtsklausel nur schwer bewältigt werden kann.331 Auch der Kanton ZG hat in Folge der Covid-19-Krise den lange brach gelegenen Gesetzgebungsauftrag in Angriff genommen.332

5.1.1.

Notrecht als «Fluch» oder «alternativlose Notwendigkeit»? ^

[86]

Die Diskussion betreffend die Legitimität und Legalität des Notrechts hat die hier dargestellte Entwicklung des Notrechtsbegriffs begleitet und sich in dessen Abhängigkeit gewandelt.333 Hingegen unberührt geblieben ist das Vokabular der daran geübten Kritik. Obschon das Instrument des intrakonstitutionellen Notrechts grundsätzlich weniger einschneidende Folgen nach sich zieht als das ehemals unter den Begriff «Notrecht» subsumierte extrakonstitutionelle Notrecht, sieht es sich manchem Tadel ausgesetzt.334 Doch auch das Gegenteil ist zu finden: so erklingen gleichermassen befürwortende Stimmen, welche, obwohl mit kritischem Unterton, die Führung aus einer Hand sowie die Übernahme der Verantwortung durch die Regierung zu loben wissen.335

[87]

Das (intrakonstitutionelle) Notrecht nun voreilig entweder als «alternativlose Notwendigkeit»336 oder «Fluch»337 zu bezeichnen, greift wohl zu kurz, kann ein bipolares Verständnis in einer sich immer wieder neu präsentierenden Krisenvielfalt doch kaum bestehen. Zwar ist der Skepsis gegenüber der rechtmässigen Anrufung der bundesrechtlichen Notrechtsklausel im jüngsten Fall der CS-Krise durchaus zuzustimmen,338 doch ist gleichermassen darauf hinzuweisen, dass Notrecht ein «notwendiges Übel»339 oder – optimistischer formuliert – «für jeden Staat eine Überlebenshilfe»340 bildet. Dies soll nicht heissen, dass Notrecht und die darauf bauende Praxis einer kritischen Prüfung entzogen werden sollten. Kägis Rat, dass «[e]in freiheitsliebendes Volk […] die Notrechtspraxis seiner Behörden stets mit Misstrauen verfolgen und überwachen soll»341, gilt auch im Falle intrakonstitutioneller Notrechtsanwendung. Zwar soll die Frage der «‹Illegalität des Vollmachtenregimes›»342 – und somit des extrakonstitutionellen Notrechts – hier gerade nicht im Fokus stehen, doch erinnert der in jüngster Zeit beinahe selbstverständlich anmutende bundesrätliche Notrechtsgebrauch343 an die Fragilität des rechtsstaatlichen Systems.

5.1.2.

Notrechtssystem als wesentliches Element des Rechtsstaats ^

[88]

Der Rechtsstaat wurzelt in seinen Rechtsgrundlagen, welche sowohl seinen Legitimationsgrund, aber auch die Schranke seines Handelns bilden. Er kann nur dann und nur so weit tätig werden, wie das Recht es ihm erlaubt. So scheint es dem rechtsstaatlichen Wesen geradezu immanent, dass staatliches Handeln auch in ausserordentlichen Situationen auf rechtlichen Grundlagen beruhen muss.344 Dies kann womöglich nicht in Kriegs-, aber sehr wohl in Krisensituationen gelten. Die Schweizerische Bundesverfassung, welche auf rechtsstaatlichen und demokratischen Werten baut, soll nicht nur «Schönwetterverfassung»345 sein, sondern muss auch unter ausserordentlichen Umständen bestehen können. Ein «Griff in die Sterne»346 ist zur Abwendung schwerer Rechtsgutverletzungen nicht vorgesehen und muss mittels geeigneter Institutionen und Verfahren so weit als möglich vorbereitet werden. Solange das Notrecht tatsächlich «alternativlo[s]»347 bleibt, zählt es zu den rechtsstaatlichen Pflichten des Verfassungsgebers, ein Notrechtssystem auch in das eigene Grunddokument aufzunehmen.

[89]

Diese Forderung nach Rechtsstaatlichkeit aber kollidiert mit den Herausforderungen, welche eine ausserordentliche Situation mit sich bringt. Die Bewältigung akuter Bedrohungen fundamentaler Rechtsgüter setzt rasches, koordiniertes und flexibles Handeln voraus, was sich mit den ordentlichen, vertikal und horizontal verteilten Strukturen («Schönwetterverfassung»348) kaum bewältigen lässt. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, welches die Schaffung der notwendigen Regelungen erreichen könnte, scheitert an der zeitlichen Dringlichkeit oder der Unfähigkeit des Parlaments, sich zu einer Session zusammenzufinden.349 Liegen Verhältnisse vor, welche «ein rasches und energisches Vorgehen erfordern», kann die hierfür adäquate Handlungsfähigkeit nur gesichert werden, «wenn eine Zentralstelle mit der Anordnung und gegebenenfalls auch mit der Ausführung der nötigen Massnahmen betraut ist.»350 So müssen, um den Schutz der bedrohten Rechtsgüter zu wahren, einerseits die Zuständigkeiten bei einem demokratisch legitimierten Organ konzentriert und andererseits Entscheidungsverfahren beschleunigt werden.351

[90]

Vorderhand und je nach Art der Krise können die bestehenden spezialgesetzlichen Regelungen eine Bündelung der Entscheidungsgewalt sowie eine schnellere Reaktionsfähigkeit erreichen, ohne die Rechtssicherheit allzu stark zu strapazieren.352 Die nach hier vertretener Auffassung nicht zum Notrecht zu zählenden Bestimmungen übertragen der Regierung in bestimmten ausserordentlichen Situationen besondere Kompetenzen und Gesetzgebungsbefugnisse, deren Inanspruchnahme einen allfälligen Rückgriff auf Notrecht verhindern oder wenigstens einzelne Massnahmen auf ordentliches Recht stützen kann. Fehlen solche spezialgesetzlichen Regelungen, kann subsidiär die allgemeine polizeiliche Generalklausel überbrückend dienen, um die Handlungsfähigkeit auch in unvorhersehbaren Situationen zu erhalten. Länger andauernde Notsituationen aber können dazu führen, dass die Anwendungs(dauer)voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel überdehnt werden oder nicht mehr gegeben sind. So dürfte insbesondere aus rechtsstaatlicher Perspektive mit fortschreitender Dauer der Notsituation ihre Rechtfertigung dahinfallen, ist die Schaffung ordentlichen Rechts im Verlaufe der Krise doch zuzumuten.353 Darüber hinaus umfasst die polizeiliche Generalklausel einen engeren Anwendungsbereich als die Notrechts- und Notstandsbestimmungen und ist mitunter nicht geeignet, über die klassischen Polizeigüter hinausgehende Rechtsgüter und somit sämtliche ausserordentlichen Verhältnisse einzuschliessen.354 Auch ihr engerer Kompetenzumfang, welcher Massnahmen contra legem oder contra constitutionem verbietet, kann die Handlungsfähigkeit der Behörden stark begrenzen. Mithin ist nicht auszuschliessen, dass in räumlich oder sachlich übergreifenden – mitunter komplexen – Krisen die spezialgesetzlichen Ermächtigungsklauseln oder die polizeiliche Generalklausel keine Linderung (mehr) bringen.

[91]

Gleichwohl bleibt mit Blick auf das Legalitätsprinzip, die Rechtssicherheit sowie das Subsidiaritätserfordernis die Abstützung auf ordentliches Verfassungs- und Gesetzesrecht zu bevorzugen.355 Allerdings kann eine Krise naturgemäss nicht in ihrer Gesamtheit präventiv geregelt werden. Indes lassen sich gewisse Szenarien antizipieren und kann auf Grundlage einer Lagebeurteilung ein Grundstock ordentlichen Rechts ex ante zur Verfügung gestellt werden, doch zählt es zu den Wesensmerkmalen einer Krise, dass sich diese dynamisch entwickelt und mit zunehmender globaler Vernetzung komplexer und unkalkulierbarer wird. Obschon auch Notrechts- und Notstandsklauseln hierfür i.d.R. keine abschliessende Grundlage bieten können, eröffnen sie die Möglichkeit, auf ordentlichem Verfahrensweg einen abstrakten normativen Rahmen sowie ein zugehöriges Instrumentarium bereitzustellen.356 Dies erhöht die demokratische Legitimation; zudem können Zeitverzögerungen und Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeiten reduziert und der Einsatz von extrakonstitutionellem Notrecht vermieden werden. Ferner bieten Notrechts- und Notstandsklauseln Instrumente an, welche über den Schutz der Polizeigüter hinausreichen und den behördlichen Handlungsspielraum erweitern. Sollen Reaktionsfähigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit in Krisenlagen ausgeglichen bleiben, ist ein Notrechtssystem folglich – auch auf Kantonsebene – zu empfehlen.

5.2.

Ausgestaltung des Notrechtssystems ^

[92]

Im Ergebnis ist nicht nur die Frage der Notwendigkeit eines Notrechtssystems von Relevanz, sondern muss auch dessen Ausgestaltung in den Blick genommen werden. Es gilt, für ein möglichst breites Spektrum ausserordentlicher Situationen die notwendigen Verfahren und Instrumente bereitzustellen sowie gleichzeitig den rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen gerecht zu werden. Namentlich ist zu bestimmen, welche Normstufe (Ziff. 5.2.1) für die Verankerung von Notrechts- und Notstandsklauseln angemessen ist und in welcher Bestimmtheit diese abzufassen sind (Ziff. 5.2.3). Letzteres verlangt unter anderem die Klärung der Höhe des Konkretisierungsgrades (Ziff. 5.2.3.1) sowie des Umfanges (Ziff. 5.2.3.2) der sich darauf stützenden Massnahmen.

5.2.1.

Verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage ^

[93]

Vorab ist auf das Erfordernis einer geschriebenen verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlage für die jeweiligen Notrechts- und Notstandsbestimmungen hinzuweisen. Hierfür sprechen sowohl rechtsstaatliche als auch demokratische Gründe, kann überhaupt erst eine formelle Verankerung Rechtssicherheit herstellen und ermöglicht ein Erlass im ordentlichen Verfassungsgebungsverfahren eine zwingende direktdemokratische Beteiligung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Nicht nur auf Bundesebene,357 sondern – mit Ausnahme von UR – auch in den Kantonen erfordert der Akt der Verfassungsgebung zwingend den Einbezug des Parlaments358 respektive der Landsgemeinde359 und eröffnet hiermit einen breiteren, verschiedene Interessen einbringenden Diskurs.360 Darüber hinaus wird – auch in UR – stets eine obligatorische Volksabstimmung361 verlangt und der Entscheid somit zusätzlich demokratisch untermauert.

[94]

Mit der Höhe der Normstufe steigt stets der Grad an demokratischer Legitimation, sodass insbesondere mit Blick auf die sensible Gewaltenverschiebung hin zur Exekutive in Krisenlagen immerhin die Ermächtigungsklausel auf möglichst demokratischer Basis beruhen sollte. Ohne hier auch nur die Grundzüge der Diskussion über den Sinn sowie die Umsetzbarkeit eines materiellen Verfassungsbegriffes aufzeigen zu können, sollte aufgrund der mit einer Notrechts- oder Notstandsklausel übertragenen Machtbefugnisse die Frage der materiellen Verfassungswürdigkeit wenigstens in Betracht gezogen werden. Mit Eichenberger ist festzuhalten, dass dem materiellen Verfassungsrecht «das grundlegende Recht, das den Staat als rechtliche Einrichtung begründet und inhaltlich im wesentlichen Gehalt festlegt»362, zugehörig ist. Da Notrecht naturgemäss Gesetzesrang besitzt und zudem mit der ordentlichen Zuteilung der Stammfunktionen bricht,363 dürfte es an der Wesentlichkeit der Bestimmung wohl kaum fehlen. Auch den grundlegenden Organisations- und Zuständigkeitsregelungen der obersten Behörden ist in materieller Hinsicht eher Verfassungsrang zuzuschreiben.364 Eichenberger hebt den Gesetzgeber – dessen Funktion die Exekutive im Falle der Notrechtssetzung einnimmt – hier besonders hervor und anerkennt dessen sachliche und funktionelle Zuständigkeiten als verfassungswürdige Inhalte.365 Obwohl von der Definition eines materiellen Verfassungsbegriffes aus demokratischen Gründen zu Recht Abstand genommen wird,366 scheint es rechtsstaatlich doch bedenklich, eine Notrechts- oder Notstandsklausel ohne weiteres vom materiellen Verfassungsrecht auszuklammern. Wird zudem die Möglichkeit verfassungsderogierender Massnahmen und insbesondere eine u.U. damit verbundene Abweichung von der ordentlichen Kompetenzordnung betrachtet, drängt sich eine Normierung auf Verfassungsstufe erst recht auf.367

Ein Eingriff in die kantonalen Kompetenzen durch Noterlasse wird auf Bundesebene nicht nur in der Lehre vorderhand als zulässig erachtet, sondern wurde auch im Rahmen der Bewältigung der Covid-19-Krise in der Praxis akzeptiert.368 Gleiches gilt für die Kantone BE369 und NE,370 welche in der Pandemie zu verfassungsderogierenden Notmassnahmen gegriffen haben. Im Kanton GL hat der Landrat gleich selbst über eigentlich der Landsgemeinde vorzulegende Geschäfte entschieden (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL) und erst, als im September 2021 die epidemiologische Lage die Durchführung der Landsgemeinde wieder zuliess, seine Entscheide dem Glarner Volk nachträglich zur Genehmigung unterbreitet.371
[95]

Für eine verfassungsrechtliche Verankerung der Notrechts- und Notstandsklauseln spricht gleichermassen der «verfassungsrevidierende» Charakter von Massnahmen contra constitutionem:372 Mithin liegt es nicht in der Zuständigkeit der Regierung, Verfassungsrecht zu schaffen und wird ihr eine solche Kompetenz mit einer allgemeinen Notrechts- oder Notstandsklausel auch nicht ohne weiteres übertragen. Rechtmässig kann eine Abweichung von der Zuständigkeits- und Verfahrensordnung nur sein, wenn der Verfassungsgeber selbst die Exekutive dazu explizit ermächtigt.

5.2.2.

Verhältnis verschiedener Normen des Notrechtssystems ^

[96]

Ein Notrechtssystem begnügt sich i.d.R. nicht mit einer Notrechts- und Notstandsklausel, sondern reichert sein Instrumentarium mit den darauf basierenden spezialgesetzlichen Ermächtigungsnormen sowie der polizeilichen Generalklausel an. Meist umfasst es zahlreiche Bestimmungen, welche zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen.373 Ein gewisses Spektrum unterschiedlicher Normen ist durchaus zu begrüssen: So kann die Ermächtigung der Regierung zum Erlass von Notmassnahmen anstelle einer fehlenden Gesetzesbestimmung geboten sein, ohne dass ein länger andauernder Notstand wie beispielsweise eine Katastrophe oder ein kriegerisches Ereignis vorliegen muss.

[97]

Bereits aus Gründen der Subsidiarität und der Rechtsstaatlichkeit ist es angebracht, vorderhand jene Klauseln anzurufen, welche auf die herrschende Krisensituation angepasst sind oder weniger weitgehende Befugnisse vorsehen. So ist im Falle einer drohenden fundamentalen Rechtsgutverletzung in einer konkreten, zeitlich und örtlich begrenzten Bedrohungslage vorerst, sofern vorhanden, auf die ausserhalb des Notrechtssystems stehenden spezialgesetzlichen Delegationsnormen zurückzugreifen, bevor die polizeiliche Generalklausel genutzt wird.374 Ebenso sind die besonderen Anwendungsvoraussetzungen zu beachten und die Notstandsklauseln nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn deren Gebrauch auch tatsächlich geeignet, erforderlich und somit verhältnismässig ist.

So ist es beispielsweise dem Nidwaldner Regierungsrat offensichtlich nicht erlaubt, im Falle einer weniger schwerwiegenden Bedrohungslage auf sein in Art. 49a KV NW i.V.m. § 3 Abs. 1 NOR NW verankertes Recht zum Erlass von Massnahmen in Abweichung von der ordentlichen Kompetenzordnung zurückzugreifen, wenn die aktuelle Situation die Schwelle zu einem «Notstand» i.S.v. Art. 2 Abs. 1 NSG NW nicht erreicht.
[98]

Um eine der vorliegenden Situation oder der Eingriffsstärke entsprechende Anrufung der einzelnen Klauseln in sinnvoller Weise zu gewährleisten, müssen diese aufeinander abgestimmt werden. Ansonsten drohen Unklarheiten des anwendbaren Rechts oder gar des zuständigen Organs, würden beispielsweise die polizeiliche Generalklausel und die Notrechtsklausel zu Unrecht parallel genutzt.375 Eine Klärung der herrschenden Vorrangregeln ist insbesondere dann gefordert, wenn neben der Verfassung weitere spezialgesetzliche Vorschriften bestehen, welche der Regierung Massnahmenkompetenzen in einer bestimmten Notlage übertragen.

5.2.3.

Angepasster (Un-)Bestimmtheitsgrad der Notrechts- und Notstandsklauseln ^

[99]

Die Anwendungsvoraussetzungen der verfassungsrechtlichen Notrechts- und Notstandsklauseln gewähren dem Gesetzgeber bzw. den rechtsanwendenden Behörden a priori grossen Spielraum. Gleichwohl stellt sich die Frage, inwieweit eine gesetzliche Konkretisierung der Anwendungsvoraussetzungen (Ziff. 5.2.3.1) sowie eine Beschränkung der eingeräumten Massnahmenkompetenzen (Ziff. 5.2.3.2) sinnvoll sind.

5.2.3.1.
Bestimmtheitsgrad der Anwendungsvoraussetzungen ^
[100]

Die Notrechts- und Notstandsklauseln sehen bewusst eine offene Formulierung ihrer Anwendungsvoraussetzungen vor, um der Regierung (Notrechtsklausel) oder dem Parlament (Notstandsklausel) geeignete Handlungsmöglichkeiten bereit zu halten. Indes ist die Konkretisierung von Verfassungsrecht durch den kantonalen Gesetzgeber nicht ausgeschlossen, ja gar angebracht, sofern Bestimmtheitsgebot und Rechtssicherheit zu weiterer Ausdifferenzierung drängen.376 Auch spricht die höhere demokratische Legitimation der Legislative377 für die Einräumung eines grösseren gesetzlichen Konkretisierungsspielraums, scheint doch gerade in exekutivlastigen Notstandszeiten ein vorausgehender Einbezug des Gesetzgebers wünschenswert.

[101]

Die Vorteile, welche mit einer detaillierten gesetzlichen Regelung einhergehen, müssen mit Blick auf den spezifischen Charakter einer Krise allerdings relativiert werden. So kann eine zu hohe Normdichte dazu führen, dass sich die Krisenlage den gesetzlichen Voraussetzungen nicht fügen will und aus dem Anwendungsbereich fällt.378 Es dürfte unschwer zu erkennen sein, dass sich die damit u.U. einhergehende Handlungsunfähigkeit unter dem meist herrschenden Zeit- und Handlungsdruck ungünstig auswirkt. Eine analoge Problematik tritt auch ein, wenn sich die Norm als unklar oder mehrdeutig erweist – dies hat das Beispiel des Kantons AI379 nur allzu deutlich aufgezeigt. Im Allgemeinen bleibt fraglich, welcher Gewinn sich aus stark ausdifferenzierten gesetzlichen Konkretisierungen von Notrechts- und Notstandsklauseln ziehen lässt, wenn deren Anwendbarkeit darunter leidet.

[102]

Die den besonderen Verhältnissen einer Notsituation angepasste Handlungsfähigkeit und das Bedürfnis nach Rechtssicherheit müssen daher sorgfältig abgewogen werden. Schliesslich ist es gerade Merkmal einer ausserordentlichen Situation, dass ihre konkrete Ausprägung kaum vorhersehbar und folglich nicht oder nur begrenzt präventiv regulierbar ist.380 Insbesondere mit Blick auf eine ausserordentliche Lage gilt – wie der Begriff bereits impliziert –, dass «es ganz allgemein gar nicht möglich und auch nicht erwünscht [ist], jeden auch den unwahrscheinlichsten Fall […] zum voraus [sic] zu regeln.»381 Das Paradoxon – oder Dilemma – einer Notsituation ist deren hoher und unmittelbarer Handlungsbedarf bei gleichzeitig fehlender Kenntnis der herrschenden Lage.382 So mutet es wahrlich seltsam an, Unvorhersehbares in detaillierte Normen zu giessen; es sollte dann die Frage aufgeworfen werden, ob Notrecht überhaupt angebracht und nicht auf ordentliches Recht zurückzugreifen ist. Überdies zeichnen sich ausserordentliche Situationen durch eine meist schwer prognostizierbare dynamische Entwicklung aus, welche schnelles und sich der herrschenden Lage immer wieder neu angepasstes Handeln fordert. Die Exekutive ist zwingend auf Regelungs- und Handlungsspielraum angewiesen, um situationsadäquate Entscheidungen fällen zu können.383 Im Ergebnis wird der Gesetzgeber vor die Herausforderung gestellt, einen normativen Rahmen bereitzustellen, welcher den Wunsch nach Rechtssicherheit und demokratischer Legitimation mit rascher Handlungsfähigkeit in Einklang bringt.

[103]

Das Gesagte leitet zur Frage hin, welcher Konkretisierungsgrad für die Anwendungsvoraussetzungen von Notrechts- und Notstandsklauseln angemessen erscheint. In Anbetracht einer der Natur einer ausserordentlichen Situation geschuldeten Offenheit der Notbestimmungen ist eine allzu detaillierte Ausgestaltung der entsprechenden Ermächtigungsklauseln zu vermeiden. Bereits eine zu enge Definierung der möglichen ausserordentlichen Situationen schränkt den Anwendungsbereich deutlich ein und sollte nur als Instrument hinzugezogen werden, um das Verhältnis der Notrechts- und Notstandsklauseln untereinander zu klären.384 Im Übrigen ist an generalklauselartigen Formulierungen festzuhalten, welche die unterschiedlichen Anwendungsvoraussetzungen385 – einschlägiges Schutzgut, sachliche und zeitliche Dringlichkeit sowie Subsidiarität – hinreichend zum Ausdruck bringen. Höhere Anforderungen an die Bestimmtheit sind hingegen an die Normierungen der rechtsstaatlich-demokratischen Sicherungsinstrumente zu stellen.

[104]

Empfehlenswert scheinen die Notrechtssysteme der Kantone, die – wie GL, JU, NE, NW und SO – neben Notrechtsklauseln zusätzlich eine Notstandsklausel in ihre Verfassungen aufgenommen haben und somit den Gesetzgeber zusätzlich ermächtigen, dem Parlament und der Regierung bei einem katastrophen- oder kriegsbedingten Notstand besondere Befugnisse («Sondervollmachten») zu übertragen. Hiermit werden dem Parlament oder der Regierung in den entsprechenden Notsituationen Kompetenzen zugesprochen, die von der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung386 oder der Verfassung im Allgemeinen387 abweichen können. Mithin sind auch Notrechtsklauseln offen gefasst, müssen aber nicht zwingend durch den Gesetzgeber konkretisiert werden.

Anzufügen ist das Beispiel des Kantons ZG, welcher keine Notrechts-, sondern lediglich eine Notstandsklausel kennt, die im Zuge der Covid-19-Krise in einem eigenständigen Gesetz konkretisiert worden ist. Das neue BevSG ZG verlangt, dass bereits beim Erlass von regierungsrätlichen Notverordnungen contra legem ein Notstand durch den Regierungsrat förmlich festgestellt wird. Nach 30 Tagen ist eine Überprüfung der Notstandsvoraussetzungen durch den Kantonsrat vorgesehen, sollte der Regierungsrat bis dahin den Notstand nicht bereits wieder aufgehoben haben (§ 11 Abs. 1 BevSG ZG). Innert weiterer 60 Tage entscheidet schliesslich der Kantonsrat mit einem einfachen Beschluss über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung des Notstands (§ 11 Abs. 2 und 3 BevSG ZG). Der vorübergehende Charakter der Notverordnungen wird noch zusätzlich betont, da diese mit der Aufhebung des Notstands – u.U. auch nur in einem Teilgebiet – eo ipso hinfällig werden (§ 14 Abs. 1 BevSG ZG). Zwar stehen dem Regierungsrat eine Verlängerungsmöglichkeit um 60 Tage in eigener Kompetenz oder der Antrag an den Kantonsrat, eine ebensolche Verlängerung um ein Jahr vorzunehmen, zur Verfügung; nach Ablauf dieser beiden Fristen aber fallen die Verordnungen endgültig dahin, sofern keine Überführung in ordentliches Recht vorgenommen worden ist (§ 14 Abs. 2 und 3 BevSG ZG). Dieser zweifache Einbezug sowie die abschliessende Entscheidungsmacht des Kantonsrates ist innerhalb der unterschiedlichen Notrechtssysteme – jenes des Bundes eingeschlossen – einzigartig. Dabei hat das erläuterte System zahlreiche Vorteile vorzuweisen: Die Ausrufung des Notstands durch den Regierungsrat klärt einerseits den Beginn der ausserordentlichen Situation und legitimiert anderseits den Einsatz notrechtlicher Massnahmen. Die hierdurch verursachte «Selbstermächtigung» des Regierungsrates wird insofern kompensiert, als die Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen durch eine andere Behörde – die Legislative – erfolgt. So wird der Kantonsrat nicht nur einbezogen, sondern seine Aufsichtsfunktion wird durch die Möglichkeit, über das Weiterbestehen des Notstands zu entscheiden, gar gestärkt. Auch ist zu begrüssen, dass der kantonsrätliche Entscheid in die Form eines einfachen Beschlusses gekleidet und formell festgeschrieben wird. Da die regierungsrätlichen Notmassnahmen unmittelbar und ohne weiteres dahinfallen, sollte der Kantonsrat diese ablehnen, kann er seinen Einfluss gar noch ausbauen, wobei zusätzliche Verlängerungsmöglichkeiten vermeiden, dass hieraus Regelungslücken hervorgehen. Insgesamt vermittelt das in §§ 11 und 14 BevSG ZG vorgesehene Regime einen rechtsstaatlich ausgeglichenen Eindruck. Der Kantonsrat wird in korrigierender Funktion mit vergleichsweise starkem Einfluss ausgestattet, ohne die Handlungsfähigkeit des Regierungsrates über Gebühr zu beschneiden.
5.2.3.2.
Umfang der Massnahmenkompetenzen ^
[105]

Ebenfalls Teil der Ausgestaltung der Notrechts- und Notstandsklauseln bildet der Umfang der darin vorgesehenen Massnahmenkompetenzen. Mit Blick auf die Notrechtsklauseln ist bereits auf Stufe Verfassung zu normieren, ob «Massnahmen» im Allgemeinen zulässig sind oder deren Rechtsform verfassungsrechtlich auf «Verordnungen», «Verfügungen» oder «Beschlüsse» beschränkt werden soll.388 Im Falle der Notstandsklauseln ist eine weitere Ausdifferenzierung erst in den darauf gestützten spezialgesetzlichen Ermächtigungsklauseln hingegen zulässig. Schweigt der Verfassungsgeber zum konkreten Umfang der Massnahmenkompetenzen, hat er diesen Entscheid bewusst vorweggenommen und dem Gesetzgeber den diesbezüglichen Gestaltungsspielraum vorbehalten.

[106]

Keine Formfreiheit besteht im Falle gesetzes- oder verfassungsderogierender Massnahmen. Da nur Notverordnungen Gesetzesrang besitzen und daher geeignet sind, bestehende Gesetze und u.U. Verfassungsbestimmungen zu derogieren, ist für Massnahmen contra legem oder contra constitutionem ausschliesslich die Rechtsform der Verordnung zulässig.389 Mit anderen Rechtsformen (wie insbesondere Rechtsanwendungsakten) können rechtsetzende Bestimmungen nicht derogiert werden. Überdies sind Zugeständnisse hinsichtlich einer Abweichung von der Kantonsverfassung zwingend selbst auf Verfassungsstufe zu verankern.390 Dem einfachen Gesetzgeber steht es nicht zu, ohne Ermächtigung des Verfassungsgebers dessen Funktion zu übernehmen. Diesbezüglich ist insbesondere von Relevanz, dass die jeweiligen Abweichungsmöglichkeiten eindeutig umschrieben sind, damit keine zeitraubenden «Auslegungsdiskussionen» in ausserordentlichen Situationen resultieren. Bislang halten die wenigsten Kantone eindeutig fest,391 ob die Regierung an das bestehende Gesetzes- und Verfassungsrecht gebunden ist. Zwar lässt sich beispielsweise aus dem Vergleich der Passus «les mesures nécessaires»392 und «toutes les mesures nécessaires»393 schliessen, dass auch Massnahmen in Abweichung von der Verfassung zulässig sind, doch wird aus solchen Formulierungen der angestrebte Kompetenzumfang nur schwer ersichtlich. Darüber hinaus genügt es nicht, explizit festzuhalten, dass entgegen Gesetz oder Verfassung geregelt werden darf, sondern es muss auch der Abweichungsumfang selbst definiert werden. Namentlich ist, wie in den Kantonen NE, NW, SO, TG und ZG vorgesehen, zu unterscheiden, ob allgemein «von der Verfassung»394 oder nur «von den Zuständigkeitsvorschriften»395 abgewichen werden darf.

5.2.4.

Rechtsstaatlich-demokratische Korrektive ^

[107]

Soll ein Notrechtssystem in ein rechtsstaatliches Gefüge eingepasst werden, kann es nicht nur aus Notrechts- und Notstandsklauseln bestehen, sondern muss durch rechtsstaatlich-demokratische Sicherungs- und Kontrollmechanismen zum Ausgleich gebracht werden. Wie gesehen,396 verursacht eine ausserordentliche Situation eine Verschiebung der legislativen Kräfte auf die für rasches Handeln besser geeignete Exekutive. Aufgrund der erforderlichen offenen Formulierung der Notrechtsklausel wird der Regierung hiermit erhebliche Regelungsmacht übertragen, sodass bereits aus rechtsstaatlichen Gründen die Verschiebung des Gewaltengefüges über geeignete Mechanismen kompensiert werden muss.397 Dies ist zusätzlich erforderlich, um den Risiken einer extensiven Inanspruchnahme der Notrechts- und Notstandsklauseln oder gar einem Machtmissbrauch entgegenzuwirken.398

[108]

Zur Wahrung von Rechtsstaat und Demokratie sowie zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Gewaltengleichgewichts bedarf es besonderer Verfahrensregeln, welche die Machtverlagerung zur Exekutive zeitlich begrenzen und die Mitwirkung von Volk und Parlament gewährleisten. Im Folgenden sind die in den Kantonen vorgesehenen Korrektive – im Einzelnen die zeitliche Befristung von Notmassnahmen (Ziff. 5.2.4.1) und der Einbezug der ordentlichen Gesetzgebungsorgane (Ziff. 5.2.4.2) – einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

5.2.4.1.
Beschränkte Geltungsdauer ^
[109]

Unzweifelhaft von Nutzen sind zeitliche Befristungen von Noterlassen, welche in beinahe allen Kantonen vorhanden sind.399 Zwar verlieren Notrechtsbestimmungen mit dem Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen einer ausserordentlichen Situation ohnehin ihre Gültigkeit, doch kann eine zeitlich beschränkte Geltungsdauer die rechtsetzenden Behörden zusätzlich unter Druck setzen, die Noterlasse alsbald in ein ordentliches Gesetz zu überführen. Sollte es ihnen nämlich nicht gelingen, innerhalb der vorgegebenen Frist ordentliches Recht zu schaffen, treten die Noterlasse i.d.R. eo ipso ausser Kraft.

[110]

Wie gesehen,400 sind die Notverordnungen des Kantons JU auf ein Jahr, jene von AG, LU und SG auf zwei Jahre beschränkt und fallen nach Ablauf dieser Frist ohne weiteres dahin.401 Da die genannten Kantone keine parlamentarische Genehmigung verlangen, ist davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber eine Rückführung der Notverordnungen in ordentliches Recht innerhalb dieses Zeitfensters für möglich erachtet402 – reicht die Frist jedoch nicht aus, droht ein Regelungsvakuum.403 Dieselbe Gefahr besteht erst recht in den Kantonen AR, BE, BL, BS, GR, SH, SO, SZ, TG und ZH, in welchen Notverordnungen bei einer Nichtgenehmigung durch das Parlament unmittelbar ihre Gültigkeit verlieren.404 Für potenzielle Regelungslücken weniger anfällig scheint das System der Kantone FR und GE. Zum einen behalten ihre Notmassnahmen in jedem Fall eine Gültigkeit von einem Jahr und werden zum anderen die (überjährigen) Verordnungen nur bei einer Nichtgenehmigung des Parlaments und erst nach Ablauf dieser Frist hinfällig.405

[111]

Doch selbst wenn das Parlament die Genehmigung erteilt und dem Kantonsrat 1–2 Jahre für die Schaffung ordentlicher Rechtsnormen verbleiben, kann die Rückführung der Rechtsgrundlagen mit Schwierigkeiten verbunden sein. Exemplarisch sei der Kanton SO erwähnt, welcher es rückblickend «aufgrund der Dynamik der Pandemie und der permanenten Veränderung der vom Bund angeordneten Massnahmen»406 als herausfordernd beschreibt, «epidemiologische Notverordnungen innert Jahresfrist in das ordentliche Gesetzesrecht zu überführen.»407 Je nach Dynamik einer Krise können eine fristgerechte Wiederherstellung der ordentlichen Kompetenzordnung tatsächlich beschwerlich sein und Regelungslücken eine reale Gefahr darstellen. Sich nun durch eine Verlängerung der Notverordnungen zu behelfen, ist i.d.R. jedoch ausgeschlossen.408 Mithin denkbar ist eine Erneuerung der Noterlasse, welche allerdings eine besondere Begründung der Unvorhersehbarkeit sowie der Unmöglichkeit einer Überführung in ein ordentliches Gesetz verlangt.409 Auch der Kanton SO hat sich dieser Möglichkeit bedient und ein Regelungsvakuum mit dem Erlass einer jeweils zweiten Notverordnung vermieden.410 So ist zu empfehlen, einmalige (!) Erneuerungsmöglichkeiten formell festzuhalten, um einer allfälligen Handlungsunfähigkeit und Rechtsunsicherheit zu entgehen.

Eine ausdrückliche Erneuerung der ausserordentlichen Massnahmen hätte Art. 90 Abs. 2 VE KV VS eingeführt: Die Bestimmung schliesst eine Erneuerung der Massnahmen namentlich aus, sofern der Grosse Rat sie nicht innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten ratifiziert. Im Umkehrschluss wäre – vorbehalten der fristgerechten grossrätlichen Zustimmung – eine wohl einmalige Erneuerung von Verfassungs wegen als zulässig einzustufen.
Eine andere Lösungsvariante ist im Kanton ZG zu finden. Zwar können die Notverordnungen an sich nicht erneuert werden, doch hat der Regierungsrat das Recht, den Notstand in eigener Kompetenz um 6 Monate zu verlängern. Mit entsprechendem Antrag an den Kantonsrat ist gar eine Verlängerung um ein Jahr erlaubt (§ 14 Abs. 2 und 3 BevSG ZG).
5.2.4.2.
Einbezug der ordentlichen Gesetzgebungsorgane ^
[112]

Während der Covid-19-Pandemie liess sich kaum ein Medium auffinden, welches Krisenzeiten nicht als die «Stunde der Exekutive»411 betitelte. Dies nicht zu Unrecht, wurde auch hier mehrfach hervorgehoben, dass der Zeit- und Handlungsdruck einer ausserordentlichen Situation mit der Natur des Parlaments nur schwer vereinbar ist. Es scheint verkürzt, aufgrund der praktischen Erfahrungen sowie der systembedingten – mithin gewollten – Trägheit des Erlassverfahrens dem Parlament jegliche Rolle in einer Krise abzusprechen.412 Vielmehr verlangt die Stärkung seiner Krisenresistenz gewisse Differenzierungen mit Blick auf die parlamentarischen Funktionen. Ist die Legislative in Anbetracht der zeitlichen Dringlichkeit zur Ausübung seiner angestammten Funktion der Rechtsetzung ungeeignet, muss dies nicht heissen, dass es andere, ihm genauso zugehörige Rollen nicht wahrnehmen kann – und soll. Es ist weiterhin gehalten, im Rahmen seiner Oberaufsicht413 eine prüfende und (ex post) korrigierende Stellung einzunehmen.414 Dies stärkt das demokratisch-rechtsstaatliche Fundament, ohne im Falle parlamentarischer Handlungsunfähigkeit zu dessen Erosion zu führen.

[113]

Im Folgenden sind die dargestellten Rechte und Handlungsmöglichkeiten der Parlamente aufzunehmen und deren Bedeutung und Eignung in Krisenzeiten zu beleuchten. So ist erneut auf die Informations- und Anhörungsrechte (Ziff. 5.2.4.2.1) sowie die Möglichkeit eines eigenen Notverordnungsrechts der Legislative (Ziff. 5.2.4.2.2) einzugehen und abschliessend eine Würdigung des Genehmigungsverfahrens (Ziff. 5.2.4.2.3) vorzunehmen.

5.2.4.2.1.
Informations- und Anhörungsrechte der Parlamente als Korrektive ^
[114]

Vorab fällt auf, dass die Kantone LU, NE, SH und TI weder ein Informations- noch ein Genehmigungsrecht des Parlaments vorsehen.415 In Anbetracht der ohnehin bereits eingeschränkten parlamentarischen Handlungsfähigkeit ist eine fehlende Information der Legislative rechtsstaatlich bedenklich. Ohne fundierte Wissensgrundlage bleibt es dem Parlament verwehrt, adäquat zu reagieren oder seine Korrektur- und Kontrollfunktion überhaupt wahrzunehmen. Wenigstens eine vorausgehende Information muss – wie in den übrigen Kantonen explizit oder in Zusammenhang mit der Genehmigungspflicht implizit vorhanden – zwingend bestehen.

[115]

Ebenfalls in keinem Kanton zu finden ist ein dem Bund analoges Anhörungsrecht des Parlaments vor Erlass des Notrechts (Art. 22 Abs. 3 i.V.m. 151 Abs. 2bis ParlG). Obwohl rechtsstaatlich wünschenswert und durchaus praxistauglich, erwiese sich dessen Einführung auf Kantonsebene gleichwohl als schwierig(er). Im Gegensatz zum Bund sind die Parlamente in den Kantonen stärker vom Milizprinzip geprägt.416 Die Berufstätigkeit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier hat zur Folge, dass diese sich nur unregelmässig zusammenfinden und auf eine sich dynamisch entwickelnde Krisenlage nicht in gebotener Zeit reagieren können;417 eine rasche parlamentarische Handlungsfähigkeit wird durch ein Milizparlament und die meist schwerfälligen Entscheidverfahren beträchtlich ausgebremst. Wenigstens die im Vergleich zum Bundesparlament kleinere Grösse kommt der Entscheidgeschwindigkeit der kantonalen Parlamente entgegen.418 So dürfte, obwohl eine eindeutige Aussage in Anbetracht der Vielfalt der Organisationsstrukturen kantonaler Parlamente419 freilich schwer zu treffen ist, deren Funktionsweise mit einem vorgängigen Anhörungsrecht kaum vereinbar sein. Jedenfalls bedingte der Ausbau von legislativen Anhörungs- und Konsultationsrechten eine Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Parlamente – beispielsweise mittels ausserordentlicher oder virtueller Sessionen bzw. Kommissionssitzungen.420

Eine solche Ausweitung muss auf Kantonsebene keinesfalls verworfen werden: So haben sich unter anderem die Kantone BL und FR bereits in der Covid-19-Pandemie Videokonferenzen zunutze gemacht und damit einen Unterbruch der parlamentarischen Versammlungen verhindern können.421 In einigen Kantonen, wie beispielsweise im Kanton SG, besteht zudem die Möglichkeit des Kantonsrates, ausserordentliche Sessionen einzuberufen (Art. 69 Abs. 2 GeschKR SG).422 Der Regierungsrat des Kantons AG hingegen lehnt den Einsatz virtueller oder hybrider Grossratssitzungen mit dem Argument ab, dass hieraus kein Zeitgewinn resultiere und «[d]er zeitliche Aspekt […] trotzdem eine fast unüberwindbare Herausforderung»423 bliebe. Hier widerspricht die staatswirtschaftliche Kommission des Kantons SG, welche betont, dass die bestehenden rechtlichen Grundlagen für eine Einberufung einer ausserordentlichen Session sehr wohl genügen und es sich bei der raschen Reaktionsfähigkeit des Kantonsrates «letztlich mehr um eine praktisch-organisatorische als eine rechtliche oder politische Frage»424 handelt.
5.2.4.2.2.
Parlamentarisches Notverordnungsrecht als Korrektiv ^
[116]

In den Kantonen sind neben der Beschränkung der Geltungsdauer und der vorausgehenden Information meistens parlamentarische Genehmigungspflichten vorgesehen.425 Eine Übersteuerungsmöglichkeit der Legislative, wie sie in Art. 173 Abs. 1 lit. c BV auf Bundesebene verankert ist, hat sich auf kantonaler Ebene allerdings nicht durchzusetzen vermocht.426

[117]

Diese Lücke ist aus mehreren Gründen zu begrüssen: Zwar erweitert ein eigenes Notverordnungsrecht die Möglichkeiten des Parlaments, indem dieses nicht nur von der Regierung vorgefertigte Notverordnungen bestätigen oder verwerfen, sondern selbst gestaltend tätig werden und mögliche Mängel ausbessern kann. Gleichwohl zeigen die Erfahrungen auf Bundesebene, dass der Weg über eine parlamentarische Notverordnung gegenüber dem Erlass von (dringlichem) Gesetzesrecht kaum zeitsparender ist.427 Caroni/Schmid vermuten gar, dass bei grosser zeitlicher Dringlichkeit «wohl keine dieser Varianten»428 genügen kann. Es sollte durchaus kritisch stimmen, dass die Bundesversammlung bislang noch nie von ihrem «Kontroll- und Korrekturinstrument»429 Gebrauch gemacht und es während der Covid-19-Pandemie ebenso unangetastet gelassen hat.430 Die gewünschte Wiederherstellung der ordentlichen Verhältnisse wird zudem nur bedingt erreicht, bleibt der ausserordentliche Charakter der erlassenen Notverordnungen schliesslich bestehen und erhöht sich die demokratische Legitimation aufgrund des nach wie vor fehlenden Referendums nur minimal.431 Hinzu tritt, dass eine zu rege «Korrekturwut» des Parlaments zu Rechtsunsicherheit führen sowie den Anschein fehlenden Vertrauens in die staatliche Führung vermitteln kann.432 Rückblickend auf die Covid-19-Krise, in welcher sich aufgrund der raschen Anpassungen der Notverordnungen die Rechtslage kaum noch überblicken liess, scheint eine zusätzliche revidierfähige Gewalt wenig praktikabel. Überdies kann ein übersteuerndes Korrektiv eine gewisse «Abschreckungswirkung» entfalten und die drohende Korrektur den Bundesrat zu einer präventiven Begrenzung seines Handlungsspielraums verleiten, um der parlamentarischen Rüge zu entgehen.433 Dieses letzte Argument aber sollte mit Vorsicht gewichtet werden, ist es doch gerade Sinn und Zweck der Gewaltenteilung, neben der Machtkontrolle auch deren Hemmung zu generieren.

[118]

Des Weiteren ist zu bedenken, dass ein eigenes Notverordnungsrecht – wie übrigens sämtliche Handlungen des Parlaments – in ausserordentlichen Situationen nur erfolgreich sein kann, wenn die Legislative handlungsfähig bleibt. So selbstverständlich ist dem nicht, hat sich die Bundesversammlung in der Covid-19-Pandemie durch den Abbruch der Frühlingssession am 15. März 2020 schliesslich selbst dem politischen Geschehen entzogen.434 Zwar hat sich das anfängliche Unbehagen bald in einen erstaunlichen parlamentarischen Aktivismus gewandelt und schliesslich zu einer grossen Zahl an Vorstössen geführt,435 doch muss wohl auch in Zukunft mit allfälligen Ausfällen gerechnet werden. Auch die kantonale Ebene ist hiervon nicht gefeit, haben einige Kantonsparlamente ihre Tätigkeit in der Covid-19-Krise vorübergehend vollständig ausgesetzt436 oder den Rhythmus sowie die Durchführungsbedingungen der Sitzungen angepasst.437

[119]

Im Ergebnis scheint eine parlamentarische Übersteuerungsmöglichkeit nur von Nutzen, wenn die Notverordnungsrechte der Legislative – wie dies auf Bundesebene der Fall ist438 – weitergehender sind und im Vergleich zum Dringlichkeitsrecht einen Zeitgewinn mit sich bringen. Diesfalls kann das Parlament bei einer Untätigkeit der Exekutive stellvertretend regeln oder deren Massnahmen mit eigenen Notverordnungen korrigieren, sollte die Regierung bei der Wahl ihrer Massnahmen gänzlich unsachgemäss entschieden haben.439 Ob konkurrierende Notrechtszuständigkeiten von Parlament und Regierung jedoch tatsächlich angemessen und der Krisenbewältigung dienlich sind, ist in Anbetracht des Gesagten zu bezweifeln.

Im Kanton SG wurde ein eigenes Notverordnungsrecht des Kantonsrates gleichwohl in Betracht gezogen: Die Motion (42.21.06) «Handlungsfähigkeit des Kantonsrates sicherstellen» vom 25. März 2021440 verlangte in ihrer ursprünglichen Fassung, dass auch «der Kantonsrat bei Bedarf auf eigene Veranlassung dringlich Recht setzen»441 kann. Darüber hinaus sollte es ihm ermöglicht werden, dringlichen Verordnungen die Anwendung zu verweigern, wenn der Regierungsrat es unterlässt, dem Kantonsrat ohne Verzug Antrag auf den Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen (Art. 75 KV SG).442 Der Regierungsrat hat diese Forderung nun insofern abgeschwächt, als dem Kantonsrat kein eigenes Notverordnungsrecht, sondern lediglich die Möglichkeit zukommen soll, die Regierung mittels einer Motion zur Vorlage der entsprechenden Notbestimmungen zur Beratung und Beschlussfassung anzuhalten.443
5.2.4.2.3.
Parlamentarisches Genehmigungsverfahren als Korrektiv ^
[120]

An das Gesagte schliesst die Frage, ob ein parlamentarisches Genehmigungsrecht – mit oder ohne gestalterische Komponente – zu bevorzugen oder eine gänzlich andere Lösung in Betracht zu ziehen ist. Vorweg ist die Bedeutung der parlamentarischen Genehmigung auf kantonaler Ebene hervorzuheben. Da die Kantone anders als auf Bundesebene ihren Parlamenten eine eigene Notverordnungskompetenz verwehren und gleichzeitig der Regierung erhebliche Machtbefugnisse übertragen, stehen sie umso mehr in der Pflicht, das Gleichgewicht der Gewalten anderweitig zu erhalten. Hier bietet sich ein parlamentarisches Genehmigungsrecht als mögliches Korrektiv an.

[121]

Gewinnbringend kann dies allerdings nur sein, wenn – bevorzugt auf Verfassungsstufe – eine klare Regelung vorliegt und insbesondere die Folgen der Nichtgenehmigung definiert werden. Zu kurze Zeiträume zur Schaffung ordentlichen Gesetzesrechts oder allfällige Regelungslücken müssen bereits in einer entsprechenden Rechtsgrundlage antizipiert werden. Im Gegensatz zu einer übersteuernden Notverordnungsmöglichkeit ist die Rechtssicherheit durch die nachträgliche Genehmigung an sich zwar nicht betroffen, doch kann diese dennoch Einbussen erleiden, wenn ein Dahinfallen der Massnahmen ex nunc ein Regelungsvakuum auslöst.444 Dieser Gefahr können legislative Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie in den Kantonen NW, OW und UR vorliegen,445 entgegensteuern, indem der Entscheid über die Befristung dem Parlament selbst übertragen wird. In bester Kenntnis der eigenen Möglichkeiten kann das Kantonsparlament eine angemessene Geltungsdauer der Notmassnahmen festlegen, welche für deren Rückführung in ordentliches Recht genügt. Damit wird nicht nur die Rolle der Parlamente gestärkt, sondern auch das Risiko von Regelungslücken gemindert.

[122]

Zu bedenken bleibt, dass auch ein Genehmigungsrecht eine Handlungsfähigkeit des Kantonsparlaments und insbesondere eine rasche Vorlage durch den Regierungsrat voraussetzt. Indes bietet eine nachträgliche Genehmigung im Vergleich zu einer vorausgehenden Konsultation den Vorteil, dass die Regierung umgehend reagieren und den Schutz bedrohter fundamentaler Rechtsgüter sichern kann, ohne dem Parlament sämtliche – obschon nachträglichen Rechte – zu entziehen. Doch reduziert sich hierdurch auch die Mitwirkungsstärke des Parlaments, wird dieses unter dem Druck der herrschenden ausserordentlichen Verhältnisse schliesslich meist zum «Abnicken» degradiert.446 Je mehr Zeit bis zur Befassung mit der Vorlage verstreicht, desto grösser wird die Gefahr, dass der Kantonsrat vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Haben sich die Notmassnahmen des Regierungsrates in der Praxis bereits bewährt, wird das Parlament faktisch zu einer Genehmigung gezwungen, sofern es die Rechtssicherheit nicht in stossender Weise tangieren möchte.447

5.3.

Fazit ^

[123]

Es fällt nicht leicht, in der hier gezeigten Fülle kantonaler Lösungsmöglichkeiten ein Schlusswort über deren Zusammenhänge zu finden. Vielleicht muss Notrecht als «alternativlose Notwendigkeit»448 verstanden werden, doch gilt dies in keiner Weise für dessen Ausgestaltungsweise. Die Alternativität ist geradezu erstaunlich. So reicht das Spektrum von ausgefeilten, detailreich erläuterten Notrechtszuständigkeiten bis hin zu beinahe banal anmutenden, gar auf Gesetzesstufe vorgesehenen Umschreibungen. Sollte der Föderalismus tatsächlich «im Niedergang begriffen sein»449, hat sein Zerfall die kantonalen Notrechtssysteme (noch) nicht erreicht.

[124]

Obschon die föderalistische Vielfalt der kantonalen Notrechtssysteme zu begrüssen ist, sollten im hier wahrlich bestehenden «Ernst der Lage» einige zentrale Ausgestaltungselemente nicht übersehen werden. In erster Linie dürfte in Anbetracht der Erfahrungen der Covid-19-Pandemie Einigkeit darüber herrschen, dass es sich bei einer Notrechts- oder Notstandsklausel nicht nur um ein Bedürfnis, sondern um einen zwingenden Bestandteil einer Kantonsverfassung450 handelt. Werden verschiedene Notrechts- und Notstandsklauseln sowie spezialgesetzliche Ermächtigungsnormen in Erwägung gezogen, ist deren Verhältnis unter sich formell zu klären.451 Die grösste Herausforderung dürfte darin liegen, das Spannungsverhältnis zwischen einer den spezifischen Eigenschaften einer Krise Rechnung tragenden Normdichte einerseits und der gebotenen Rechtssicherheit andererseits aufzulösen.452 Indes ist von einer allzu ausufernden Regelungstätigkeit Abstand zu nehmen, doch müssen als unverzichtbare Gehalte einer Notrechts- oder Notstandsklausel die verfassungsrechtliche Festlegung des Umfangs der Massnahmenkompetenzen453 sowie die rechtsstaatlich-demokratischen Korrektive454 gelten.

[125]

Soweit ersichtlich, sind die meisten Kantone zumindest in regulatorischer Hinsicht für ausserordentliche Situationen angemessen gerüstet. Ob und inwiefern sich ihr Notrechtssystem in der Praxis bewähren kann, wird sich freilich erst in der nächsten, hoffentlich in ferner Zukunft liegenden Krise zeigen.

[126]

Das Literatur-, das Materialien- und das Erlassverzeichnis sowie eine Übersicht der kantonalen Notrechts- und Notstandsklauseln finden sich im PDF zum Artikel und in diesem PDF-Dokument separat.


Stefanie Rusch, M.A. HSG in Rechtswissenschaften, Doktorandin SNF (NFP 80) an der Universität Freiburg i.Ue.

Bernhard Waldmann, Prof. Dr. iur. RA, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg i.Ue. und Co-Direktor des Instituts für Föderalismus.

Diese Forschung wurde ganz oder teilweise durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) (209937) gefördert. Zur Umsetzung von Open Access wird eine Creative Commons Attribution CC BY Lizenz auf jedes Authors Accepted Manuscript angewendet, das aus dieser Einreichung hervorgeht. Dieser Beitrag ist lizenziert unter Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

  1. 1 Vgl. für den Fall einer Epidemie Art. 6 Abs. 2 EpG oder bei einer schweren Mangellage in der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen Art. 31 ff. LVG.
  2. 2 BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 29; Rechsteiner, S&R 2020, N. 66.
  3. 3 Der Stand der vorliegenden Untersuchung ist der 28. April 2024.
  4. 4 Immerhin scheint die Bundesverfassung implizit zwischen einer ordentlichen und einer ausserordentlichen Lage zu unterscheiden und sieht für Letztere besondere Aufgaben- und Kompetenzbestimmungen vor: vgl. etwa Art. 58 Abs. 2 (Armee), Art. 61 Abs. 2 (Einsatz des Zivilschutzes bei Katastrophen und Notlagen [sic!]), Art. 102 Abs. 1 (Landesversorgung), Art. 114 Abs. 4 (Arbeitslosenversicherung), Art. 173 Abs. 1 lit. c BV (Kompetenzen Bundesversammlung).
  5. 5 Vgl. die Randtitel von Art. 81 KV GL, § 62 KV SZ; ferner im Verfassungstext § 84 Abs. 1 KV ZG («notrechtliche Massnahmen») oder auf Gesetzesstufe § 8 PolG BS, Art. 16 Abs. 1 lit. e BSG GR, § 12 BevSG ZG.
  6. 6 AS 1914 347; AS 1939 769.
  7. 7 Grundlegend Giacometti, Vollmachtenregime, S. 34 ff.; ferner Fleiner/Giacometti, Bundesstaatsrecht, S. 789; Burckhardt, Kommentar, S. 670.
  8. 8 Vgl. zum Begriff der Notverordnung statt vieler Jaag, ZBl 2011, S. 639.
  9. 9 Vgl. Bernard, VdS II, IV.4, N. 41; Häfelin et al., Bundesstaatsrecht, N. 1803; Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 1171; Kley, Staatsrecht, § 25 N. 60; Malinverni et al., Vol. I, N. 1662 ff.; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 575, 592 f.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 70; BBl 2010 1563, S. 1568. Zurückhaltend Tschannen, Staatsrecht, N. 456 f., der zwar den Staatsnotstand als Rechtfertigungsgrund für nötigenfalls verfassungsdurchbrechende Massnahmen anerkennt, eine verfassungsgewohnheitsrechtliche Legitimationsgrundlage aber ablehnt; ähnlich auch Lehner, Diss. Bern, S. 11 f.; Lienhard/Häsler, SBVR-III, N. 111. – Vgl. ferner zur (Völker-)Rechtskonformität des extrakonstitutionellen Kriegsnotrechts der Schweiz BGE 126 II 145 E. 4c/cc S. 161; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 41.
  10. 10 Vgl. etwa Eichenberger, Komm. aBV, Art. 102 N. 15. Dieses Verständnis hallt auch in der Botsch. VE 96, S. 419, nach («[…] [k]eine Verfassungsgrundlage für Notrecht»).
  11. 11 Trümpler, Diss. Zürich, N. 18.
  12. 12 Die Kompetenz zu von der Verfassung abweichenden Notverordnungen oder Notmassnahmen bedarf einer entsprechenden Verfassungsgrundlage.
  13. 13 Statt vieler Häfelin et al., Bundesstaatsrecht, N. 1801; Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 1165 ff.; BSK BV-Künzli, Art. 15 N. 1 u. 40; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 61; Rechsteiner, S&R 2020, S. 118; Trümpler, Diss. Zürich, N. 179 ff.; Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 688; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 713; Wyss, Jusletter 2020, N. 12; kritisch zur Verwendung des Notrechtsbegriffs in diesem Kontext Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 9. Enger beziehen Haller/Kölz/Gächter, Staatsrecht, N. 432, das intrakonstitutionelle Notstandsrecht auf Konstellationen, in denen die Verfassung selbst vorsieht, dass in Notzeiten von ihr abgewichen werden darf.
  14. 14 Vgl. bereits Giacometti, SJZ 1950, S. 212; zum Ganzen auch Ziff. 3. – In einem erweiterten Verständnis fallen neben den Notverordnungen auch die Notverfügungen und andere gestützt auf die Notrechtsklausel erlassene Massnahmen unter das «Notrecht»; vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 60; s. für eine Übersicht über die mehrdeutige Begriffsverwendung Trümpler, Diss. Zürich, N. 3.
  15. 15 Häfelin et al., Bundesstaatsrecht, N. 1801; Trümpler, Diss. Zürich, N. 192 f.; wohl auch SGK BV-Schweizer/Müller, Art. 52 N. 24.
  16. 16 BGE 137 II 431 E. 3.3.1 S. 444 («konstitutionelles Notrecht»).
  17. 17 Moeckli, VdS III, VIII.8, N. 34; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 60; a.M. BSK BV-Künzli, Art. 184 N. 29; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 117 f.
  18. 18 So auch Biaggini, BV Komm., Art. 165 N. 2; SGK BV-Tschannen, Art. 165 N. 10; Waldmann, Herausforderungen, S. 10; vgl. für eine Abgrenzung des Dringlichkeits- und des Notrechts auch Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 339 ff., 438 ff.; Schott/Kühne, ZBl 2010, S. 420 f. Demgegenüber sieht ein Teil der Lehre in der Ermächtigung der Bundesversammlung zum Erlass von Dringlichkeitsrecht generell (Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 1165) oder hinsichtlich der verfassungsändernden dringlichen Bundesgesetze (Häfelin et al., Bundesstaatsrecht, N. 1801; unter Berufung auf den Entstehungskontext Schmid/Herzog, ZBl 2023, S. 305 ff.) einen Teilbereich des Notrechts, während wiederum andere in Art. 165 Abs. 3 BV «notrechtliche Züge» erkennen (SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 60; Trümpler, Diss. Zürich, N. 186 f.).
  19. 19 Auer A., Staatsrecht, N. 723.
  20. 20 Z.B. Art. 41 PBG (vorrangige Durchführung von Transporten zugunsten von Bund und Kantonen in besonderen und ausserordentlichen Lagen).
  21. 21 Z.B. Art. 62 SchKG (Fristenstillstand bei Epidemien, Landesunglück und Kriegszeiten); Art. 31 ff. LVG (Vorschriften über wirtschaftliche Interventionsmassnahmen bei einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage); Art. 6 Abs. 2 EpG (Massnahmen in der besonderen Lage).
  22. 22 Z.B. Art. 47 Abs. 2 (Verpflichtungen von Fernmeldedienstanbieterinnen, in besonderen und ausserordentlichen Lagen Räumlichkeiten und Anlagen zur Verfügung zu stellen) und Abs. 4 FMG (Anordnung Dienstpflicht).
  23. 23 Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 43; Trümpler, Diss. Zürich, N. 34, 180, 181 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 12.
  24. 24 Vgl. etwa Biaggini, ZBl 2020, S. 240.
  25. 25 Vgl. Art. 151 Abs. 2bis i.V.m. Anhang 2 ParlG.
  26. 26 Vgl. Art. 34 Abs. 1 u. Abs. 4 LVG.
  27. 27 Vgl. z.B. Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 688; Frésard, Jusletter 2021, N. 6.
  28. 28 Vgl. für einen umfassenderen Begriff des «Notrechtssystems», in welchem neben der Grundlage («Notrechtsquelle») weitere Elemente («Notrechtsvoraussetzungen», «Notrechtsträger», «Notrechtshandlung» usw.) dazukommen Trümpler, Diss. Zürich, N. 49 ff.
  29. 29 Vgl. etwa Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 686; Waldmann, Herausforderungen, S. 15.
  30. 30 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 60.
  31. 31 Vgl. etwa für gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV erlassene Verordnungen und Verfügungen des Bundesrates Art. 7d–7e RVOG.
  32. 32 Vgl. mit Bezug auf die Verwendung der Notverordnungskompetenz Lehner, Diss. Bern, S. 8.
  33. 33 Vgl. Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 49a KV NW; Art. 93 KV SO; § 84 KV ZG. Im Kanton NE (Art. 75 KV NE) stehen dem Staatsrat bei Handlungsunfähigkeit des Grossen Rates gar verfassungsunmittelbare Notmassnahmenkompetenzen zu.
  34. 34 Vgl. auch Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 130, der von «Katastrophen-», «Notrechts-» oder «Notstandsbestimmungen» spricht.
  35. 35 Vgl. z.B. § 12 BevSG ZG.
  36. 36 Vgl. dazu im Detail Bernard, VdS II, IV.4, N. 31 ff.
  37. 37 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 81 u. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (auch Art. 89 Abs. 1 lit. f KV beinhaltet notrechtliche Elemente, vgl. Fn. 43 u. Rn. 59); Art. 48 KV GR; Art. 60 u. 91 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 74 Abs. 1 lit. f u. Art. 75 KV NE; Art. 49a u. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 68 KV SH; Art. 79 Abs. 4 u. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 62 KV SZ; § 44 KV TG; Art. 90 Abs. 3 KV UR (diese Bestimmung ist erst während der Covid-19-Pandemie geschaffen worden und seit 15. Dezember 2020 in Kraft, s.a. Rn. 18); Art. 125 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS; Art. 72 KV ZH. Der Wortlaut dieser Bestimmungen wird in Anhang 4 abgebildet.
  38. 38 Vgl. Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 49a KV NW; Art. 93 KV SO.
  39. 39 § 84 KV ZG.
  40. 40 Die neue totalrevidierte Kantonsverfassung sieht nun aber eine Notrechtskompetenz der Standeskommission vor (vgl. Art. 25 Abs. 1 nKV AI). Die Verfassung ist derzeit noch nicht in Kraft.
  41. 41 Notstandskompetenzen des Staatsrates werden aber durch Gesetz begründet (vgl. Art. 22 LProtPop TI); Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 519.
  42. 42 Vgl. hierzu Ziff. 4.1.2.3 a.E.
  43. 43 Immerhin ermächtigt Art. 89 Abs. 1 KV GL den Landrat, in dringlichen Fällen anstelle der Landsgemeinde Recht zu setzen; diese Bestimmung ist zwar als Dringlichkeitsklausel abgefasst, trägt aber ebenfalls notrechtliche Züge (s.a. Rn. 59). Darüber hinaus ermächtigen einzelne Kantonsverfassungen den Gesetzgeber, dem Parlament in bestimmten Fällen von schweren Notlagen (wie z.B. bei Katastrophen oder kriegerischen Ereignissen) Befugnisse einzuräumen, die von den Zuständigkeitsvorschriften der Verfassung (Art. 49a KV NW) bzw. von der Verfassung (Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 93 Abs. 2 KV SO) abweichen.
  44. 44 AI, AR, JU, LU, NW, OW, SO, SZ, TG, UR, VD u. ZG. Im Kanton BE wurde erst anlässlich der Erfahrungen der Covid-19-Pandemie ein neuer Verfassungsartikel betreffend ein dringliches Gesetzgebungsverfahren ausgearbeitet. Der in der Volksabstimmung vom 3. März 2024 angenommene Art. 74a KV BE sieht nun die Möglichkeit vor, ein «Gesetz, dessen Inkrafttreten keinen Aufschub duldet […] sofort in Kraft» zu setzen (Abs. 1). Spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des dringlichen Gesetzes muss sich dieses in einer obligatorischen Volksabstimmung (Art. 61 Abs. 1 lit. abis KV BE) bewähren und tritt im Falle einer Ablehnung unmittelbar nach der Abstimmung ausser Kraft (Art. 74a Abs. 2 KV BE).
  45. 45 Vgl. dazu Auer A., Staatsrecht, N. 674; Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 667. Zum Ganzen Ziff. 5.2.4.
  46. 46 Vgl. ausführlich zu den Anwendungsvoraussetzungen Ziff. 4.3.
  47. 47 Vgl. Art. 117 KV FR («ausserordentliche Umstände»); Art. 113 Abs. 1 KV GE («catastrophe ou autre situation extraordinaire»); Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL («in Notlagen»); Art. 91 Abs. 1 KV JU («en cas d’urgence»); Art. 64 Abs. 2 KV NW («Not[erlasse]»); Art. 75 Ziff. 3 KV OW («Not[erlasse]»); Art. 75 KV SG («unaufschiebbarer Regelungsbedarf»); Art. 90 Abs. 3 KV UR («Not[erlasse]»); Art. 125 Abs. 1 KV VD («graves menaces ou autres situations d’exception»); vgl. auch § 44 Abs. 1 KV TG («grosse Not» alternativ zur schweren Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit).
  48. 48 Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (Versorgungsstörungen, schwere Mangellagen, Katastrophen oder kriegerische Ereignisse).
  49. 49 Art. 79 Abs. 4 (öffentliche Ordnung und Sicherheit, soziale Notstände) und Art. 93 KV SO (Katastrophen und kriegerische Ereignisse).
  50. 50 Art. 74 lit. f KV NE. Das Vorliegen einer ausserordentlichen Lage wird vom Grossen Rat festgestellt, sofern er sich versammeln kann (Art. 75 Abs. 2 KV NE).
  51. 51 Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 517.
  52. 52 S. Ziff. 4.3.1.1 u. 4.3.2.1.
  53. 53 Vgl. dazu Rn. 42 f.
  54. 54 S. Ziff. 4.4.
  55. 55 Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 91 KV JU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 68 Abs. 1 KV SH; § 62 Abs. 1 KV SZ; Art. 125 Abs. 1 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS i.V.m. Art. 56 GORBG VS; Art. 72 Abs. 1 KV ZH; vgl. ähnlich Art. 25 Abs. 1 der neuen, totalrevidierten nKV AI («das Notwendige regeln oder Massnahmen ergreifen»); im Ergebnis wohl auch Art. 48 KV GR (Verordnungen und Beschlüsse); § 44 KV TG.
  56. 56 Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL.
  57. 57 § 91 Abs. 4 KV AG; § 74 Abs. 3 KV BL; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 KV SG; Art. 79 Abs. 4 KV SO; wohl auch Art. 64 Abs. 2 KV NW u. Art. 75 Ziff. 3 KV OW («Noterlasse»; a.M. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 524) u. Art. 90 Abs. 3 KV UR («Noterlasse»).
  58. 58 Statt vieler Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 527; Waldmann, Herausforderungen, S. 28.
  59. 59 Vgl. analog für Verordnungen nach Art. 185 Abs. 3 BV (bzw. Art. 102 Ziff. 8–10 aBV) BVGE 2021 V/2 E. 2.3 S. 20; BGE 125 II 417 E. 6b S. 428; für Verordnungen nach Art. 184 Abs. 3 BV BGE 141 I 20 E. 4.2 S. 23.
  60. 60 Vgl. Art. 91 Abs. 1 KV JU; § 44 Abs. 1 KV TG.
  61. 61 § 44 Abs. 1 KV TG. – Im Kanton GL können dem Landrat und der Regierung im Fall von Versorgungsstörungen oder schweren Mangellagen sowie bei Katastrophen oder kriegerischen Ereignissen für beschränkte Zeit Befugnisse eingeräumt werden, die von den Vorschriften der Kantonsverfassung abweichen (Art. 81 Abs. 1 KV GL). Ausserdem erklärt Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL den Landrat für zuständig in dringlichen Fällen anstelle der Landsgemeinde Recht zu setzen, was auch Änderungen der Kantonsverfassung miteinschliesst (Art. 69 Abs. 1 KV GL). Art. 60 KV JU gestattet dem Gesetzgeber, bei Krieg oder Katastrophen das Parlament oder die Regierung für eine beschränkte Zeit mit Kompetenzen auszustatten, die von der Verfassung abweichen. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in Art. 49a KV NW, Art. 93 Abs. 2 KV SO und § 84 Abs. 2 KV ZG. – Einige Kantone beauftragen ihre Regierung in ihrem Gesetz über den Bevölkerungsschutz, die nötigen Massnahmen zu regeln und gestatten ihnen dabei, bestehende Gesetzesbestimmungen zu durchbrechen (vgl. Art. 2 Abs. 2 BSG UR) bzw. von ordentlichen Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften abzuweichen (vgl. § 8 Abs. 3 BevSG SZ; Art. 22 LprotPop TI). Hingegen verfügt der Gesetzgeber im Rahmen des intrakonstitutionellen Notrechts nicht über die Befugnis, die Regierung (ohne entsprechende verfassungsmässige Befugnis) von der Einhaltung der Verfassung zu dispensieren (Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 684; so aber Art. 16 Abs. 1 BevSG SH).
  62. 62 So erachtet bspw. der Regierungsrat des Kantons LU in Auslegung von § 56 Abs. 3 KV LU gesetzesderogierende Notverordnungen als zulässig (Rechenschaftsber. LU, S. 36). Dasselbe wird für Notverordnungen des Regierungsrates des Kantons SG (Art. 75 KV SG) angenommen (vgl. Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 21). Ferner wird davon ausgegangen, dass Art. 91 KV BE Abweichungen von der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung und der ordentlichen Ausgabenkompetenz erlaube; vgl. Komm. KV BE-Bolz, Art. 91 N. 5; Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 662 f. Vgl. ähnlich für den Kanton VD (Art. 125 KV VD) Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 523, 526 m.w.H. – A.M. Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2177, wonach stillschweigende Ermächtigungen zur Verfassungsdurchbrechung wegen Art. 51 BV unzulässig seien (m.H.a. Giacometti, Staatsrecht der Kantone, S. 520). S. Ziff. 4.5.
  63. 63 Vgl. (mit Bezug auf Art. 102 Ziff. 10 aBV) BGE 123 IV 29 E. 3a S. 34.
  64. 64 Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; Art. 91 Abs. 2 KV JU; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 72 Abs. 2 KV ZH. Im Kanton GR gilt die Befristung auch für Beschlüsse (Art. 48 Abs. 2 KV GR), in BS für sämtliche Notstandsmassnahmen (§ 109 Abs. 2 KV BS). In den Kantonen FR und GE treten die Notverordnungen spätestens nach einem Jahr ausser Kraft, es sei denn, der Grosse Rat habe sie bis dahin genehmigt (Art. 117 KV FR; Art. 113 Abs. 3 KV GE). S. Rn. 73 f.
  65. 65 § 91 Abs. 4 KV AG; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 Satz 3 KV SG. S. Rn. 73.
  66. 66 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR; vgl. auch Art. 185 Abs. 3 BV i.V.m. Art. 7d Abs. 2 RVOG. S. Rn. 73.
  67. 67 So in den Kantonen GL, NE, VD und VS. Der Kanton GL verlangt aber, dass der Noterlass sobald als möglich dem Landrat oder der nächsten Landsgemeinde (Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL) respektive der nächsten ordentlichen Landsgemeinde (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL) vorgelegt wird. Im Kanton VD findet sich das Erfordernis der Befristung in der Ausführungsgesetzgebung (vgl. Art. 26a Abs. 1 LOCE VD).
  68. 68 Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2162.
  69. 69 Vgl. explizit § 84 Abs. 2 KV ZG.
  70. 70 Vgl. Art. 117 KV FR.
  71. 71 Vgl. aber Art. 113 Abs. 2 KV GE (Feststellung der ausserordentlichen Lage durch den Grossen Rat, sofern dieser versammlungsfähig ist); ferner Art. 75 KV NE (Feststellung der ausserordentlichen Lage durch den Grossen Rat); § 10 Abs. 1 u. § 11 BevSG ZG i.V.m. § 84 KV ZG (Feststellung des Notstands durch den Regierungsrat; Überprüfung durch den Kantonsrat, sofern der Regierungsrat den Notstand nicht innert 30 Tagen wieder aufhebt).
  72. 72 Waldmann, Herausforderungen, S. 20.
  73. 73 Waldmann, Herausforderungen, S. 21; Lehner, Diss. Bern, S. 66.
  74. 74 Art. 151 Abs. 2bis ParlG wurde im Nachgang an die Covid-19-Pandemie im Rahmen der Teilrevision des ParlG aufgenommen, vgl. hierzu Änderung vom 17. März 2023 (Verbesserung der Funktionsweise des Parlaments, insbesondere in Krisensituationen), in Kraft seit 4. Dezember 2023 (AS 2023 483).
  75. 75 Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO.
  76. 76 § 109 Abs. 2 KV BS; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 KV TG; § 72 Abs. 2 KV ZH.
  77. 77 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  78. 78 Vgl. Art. 25 Abs. 1 der neuen, totalrevidierten nKV AI i.V.m. Art. 31 Abs. 2 VE SOG AI (6 Monate); im Kanton VD ist das Genehmigungsverfahren im Gesetz geregelt (Art. 125 Abs. 2 KV i.V.m. Art. 26a u. 26c LOCE VD). In den Kantonen FR (Art. 117 KV FR) und GE (Art. 113 Abs. 3 KV GE) wird für die Vorlegung der Notverordnung an den Grossen Rat keine Frist gesetzt; diese fällt aber dahin, sofern sie der Grosse Rat nicht bis dahin genehmigt hat; vgl. auch Art. 48 Abs. 2 KV GR.
  79. 79 Verlust der Wirksamkeit der notrechtlichen Massnahmen ex nunc (Art. 117 KV FR) oder erst nach einem Jahr (Art. 31 Abs. 2 VE SOG AI).
  80. 80 Vgl. explizit Art. 56 Abs. KV VS; ferner wohl auch Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL.
  81. 81 Vgl. § 91 Abs. 4 KV AG (2 Jahre); § 56 Abs. 3 KV LU (2 Jahre); Art. 91 Abs. 2 KV JU (1 Jahr).
  82. 82 Im Kanton SG hat die Regierung dem Kantonsrat ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen (Art. 75 Satz 2 KV SG).
  83. 83 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL, vgl. hierzu Fn. 43 u. Rn. 59); Art. 48 KV GR; Art. 91 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 68 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 KV SZ; § 44 KV TG; Art. 90 Abs. 3 KV UR; Art. 125 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS; Art. 72 KV ZH; § 84 KV ZG.
  84. 84 So noch Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 519.
  85. 85 Vgl. Schlussber. Covid-19 UR, S. 79 ff.
  86. 86 Vgl. BBl 2021 1414, S. 3.
  87. 87 Vgl. hierzu kritisch Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 520; s.a. Ber. Covid-19 AI, S. 19 f.; Waldmann, Herausforderungen, S. 27.
  88. 88 Vgl. Auer A., Staatsrecht, N. 674.
  89. 89 Vgl. Ergebnisse der Landsgemeinde vom 28. April, Medienmitteilung Ratskanzlei vom 28. April 2024, S. 1 (https://www.ai.ch/politik/landsgemeinde/landsgemeinden/28-april-2024 > Ergebnisse der Landsgemeinde vom 28. April 2024; alle Websites zuletzt besucht am 28.4.2024). Die Totalrevision der KV AI zieht diverse Folgearbeiten auf Gesetzebene – wie bspw. die Revision des VE SOG AI – nach sich, welche die verfassungsrechtliche Notrechtsklausel vervollständigen und daher nur gemeinsam mit dieser in Kraft gesetzt werden können. So ist mit dem Inkrafttreten der totalrevidierten Verfassung frühestens an der nächsten Landsgemeinde 2025 mit Annahme der entsprechenden Gesetzesvorlagen zu rechnen, vgl. Landsgemeindemandat AI, S. 73 f.
  90. 90 Vgl. Ber. Covid-19 AI, S. 19; s.a. Landsgemeindemandat AI, S. 45.
  91. 91 Vgl. Ber. Covid-19 AI, S. 19.
  92. 92 Vgl. zu dessen Zulässigkeit allerdings Rn. 66 betr. die Gesetzesbindung u. 69 betr. die Verfassungsbindung.
  93. 93 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL, vgl. hierzu Fn. 43 u. Rn. 59); Art. 48 KV GR; Art. 91 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 68 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 KV SZ; § 44 KV TG; Art. 90 Abs. 3 KV UR; Art. 125 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS; Art. 72 KV ZH.
  94. 94 Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 75 KV NE; Art. 49a KV NW; Art. 93 u. 135 KV SO; § 84 KV ZG.
  95. 95 Vgl. zur Abgrenzung der Notrechts- und Notstandsklauseln von der polizeilichen Generalklausel Ziff. 4.1.2.3.
  96. 96 Vgl. Ziff. 4.4.
  97. 97 Vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL, wonach der Landrat in dringlichen Fällen anstelle der Landsgemeinde für die Rechtsetzung zuständig ist.
  98. 98 Vgl. hierzu sogleich Ziff. 4.1.1.2.
  99. 99 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL, vgl. hierzu Fn. 43 u. Rn. 59); Art. 48 KV GR; Art. 91 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 68 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 KV SZ; § 44 KV TG; Art. 90 Abs. 3 KV UR; Art. 125 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS; Art. 72 KV ZH; § 84 KV ZG. Auch der Kanton AI hat sich im Rahmen seiner Totalrevision der Kantonsverfassung für eine Notrechtsklausel (Art. 25 Abs. 1 nKV AI) entschieden.
  100. 100 Art. 11 Abs. 2 lit. c BevSG FR i.V.m. Art. 117 KV FR.
  101. 101 Art. 13 lit. f LCE NE i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE.
  102. 102 Art. 2 Abs. 2 BSG UR i.V.m. Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  103. 103 Art. 26a Abs. 1 u. 26c LOCE VD i.V.m. Art. 125 KV VD.
  104. 104 In allen drei Kantonen wurde das Bevölkerungsschutzgesetz als Ort der Ausführungsbestimmungen gewählt, vgl. Art. 13 lit. f LCE NE; Art. 2 Abs. 2 BSG UR; Art. 26a u. 26c Abs. 1 LOCE VD. Indes nehmen die entsprechenden Ermächtigungsgesetze in ihren Ingressen nicht ausdrücklich auf die verfassungsrechtlichen Notrechtsklauseln Bezug, doch bringen sie die Zugehörigkeit zu ihren Verfassungsgrundlagen im Gesetzestext klar zum Ausdruck (so bspw. bei Art. 26a Abs. 1 LOCE VD: «En application de larticle 125 de la Constitution, […]» [Hervorhebung durch die Verfasser]).
  105. 105 Art. 81 KV GL; Art. 49a KV NW.
  106. 106 Art. 75 KV NE; Art. 93 KV SO; § 84 KV ZG.
  107. 107 Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; Art. 14 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW u. § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 KV ZG.
  108. 108 Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 2 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 1 KV SO; § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG.
  109. 109 Art. 81 KV GL; Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; Art. 6 Abs. 1 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 1 KV SO; § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG.
  110. 110 § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG.
  111. 111 Art. 81 Abs. 1 KV GL.
  112. 112 Art. 81 Abs. 1 KV GL.
  113. 113 Hiervon bildet Art. 75 KV NE eine Ausnahme, welche der Regierung die entsprechenden Sondervollmachten bereits mit der genannten Verfassungsnorm überträgt, vgl. hierzu Rn. 27, s.a. Fn. 33.
  114. 114 Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 75 KV NE; Art. 49a KV NW; Art. 93 KV SO; § 84 KV ZG.
  115. 115 Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL; Art. 90 KV JU; Art. 74 KV NE; Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 79 Abs. 4 KV SO.
  116. 116 S. BBl 1992 VI 145, S. 145.
  117. 117 Daher noch anders Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 519; Waldmann, Herausforderungen, S. 27, Fn. 126.
  118. 118 Art. 81 KV GL; Art. 49a KV NW; Art. 93 KV SO. Trotz des fakultativen Charakters des Gesetzgebungsauftrags haben die Kantone NW und SO ein entsprechendes Ermächtigungsgesetz (NSG NW u. NOR NW; Katastrophengesetz SO) erlassen.
  119. 119 Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 KV ZG.
  120. 120 Vgl. hierzu den Wortlaut von Art. 19bis aKV SO: «Auf dem Wege der Gesetzgebung können zum Schutze der Bevölkerung für den Fall von Katastrophen und kriegerischen Ereignissen Massnahmen vorgesehen werden, die dem Kantonsrat und dem Regierungsrat für beschränkte Zeit Befugnisse einräumen, die von den Zuständigkeitsvorschriften der Verfassung abweichen.»
  121. 121 S. Ziff. 3.1.
  122. 122 Vgl. hierzu auch SGK BV-Schweizer/Müller, Art. 52 N. 25; Trümpler, Diss. Zürich, N. 181 ff.
  123. 123 Kein Ingress liegt im Falle des BevG GL, BevSG SH, BSG TG und BSG ZH vor.
  124. 124 Vgl. Trümpler, Diss. Zürich, N. 181 f.
  125. 125 S. hierzu auch Botsch. Covid-19 AG, S. 16.
  126. 126 Art. 16 Abs. 1 BevSG SH; Art. 22 LProtPop TI (Ingress). Vgl. zur Zulässigkeit der in beiden Gesetzen vorgesehenen Möglichkeit zum Erlass verfassungsderogierender Massnahmen Rn. 69.
  127. 127 Art. 28 Abs. 1 KV BE; § 15 Abs. 2 KV BL; Art. 23 Abs. 3 KV AR; § 13 Abs. 1 KV BS; Art. 38 Abs. 1 KV FR; Art. 43 Abs. 1 KV GE; Art. 2 Abs. 3 KV GL; Art. 33 Abs. 2 KV NE; Art. 5 Abs. 1 KV SG; Art. 21 Abs. 2 KV SH; Art. 44 Abs. 1 Satz 2 KV UR; Art. 38 Abs. 1 KV VD.
  128. 128 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 627 u. 678; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 71. S.a. Schlussber. Covid-19 UR, S. 80.
  129. 129 S.a. Ziff. 4.3.
  130. 130 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 36; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 672; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 72 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 17.
  131. 131 Komm. KV BE-Kälin, S. 139 f.
  132. 132 Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 11; s. hierzu ausführlich Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 672 ff., insb. 674 m.w.H.
  133. 133 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 673 a.E.
  134. 134 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 11; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 31; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 673; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 74; Waldmann, Herausforderungen, S. 17.
  135. 135 Vgl. BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 36; exemplarisch Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 676; Waldmann, Herausforderungen, S. 17. S.a. Ziff. 4.5.
  136. 136 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 674; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 76; Waldmann, Herausforderungen, S. 17.
  137. 137 § 91 KV AG; Art. 90 KV AR; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL; Art. 91 KV JU; § 56 KV LU; Art. 74 KV NE; Art. 64 KV NW; Art. 75 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 79 KV SO; § 62 KV SZ; § 44 KV TG; Art. 125 KV VD; Art. 56 KV VS.
  138. 138 Unter dem Randtitel «Rechtsetzung»: § 91 KV AG; § 74 KV BL; Art. 99 KV GL (Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL; vgl. hierzu Fn. 43 u. Rn. 59; § 56 KV LU; Art. 64 KV NW; Art. 75 KV OW (dort: «Verordnungsbefugnisse»); Art. 79 KV SO.
  139. 139 Art. 90 KV AR.
  140. 140 Art. 125 KV VD.
  141. 141 Art. 117 KV FR.
  142. 142 § 109 KV BS; § 44 KV TG.
  143. 143 Art. 113 KV GE.
  144. 144 Art. 91 KV JU.
  145. 145 Art. 75 KV SG.
  146. 146 § 62 KV SZ.
  147. 147 Art. 74 KV NE.
  148. 148 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 522; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 8; Waldmann, Herausforderungen, S. 27.
  149. 149 Es handelt sich hierbei um eine Organkompetenz und nicht um eine Staatsaufgabe (vgl. Ziff. 4.1.2.1), welche nach hier vertretener Auffassung gerade nicht dem Notrechtssystem angehört.
  150. 150 Die ungewöhnlich anmutende Platzierung sowie die sonst in keinem Kanton anzutreffende Überschrift («Ausserordentliche Zuständigkeiten») finden ihren Grund in der Zusammensetzung der Norm. Art. 25 nKV AI regelt nicht nur die Notrechtskompetenz der Standeskommission (Abs. 1) und das zugehörige Genehmigungsverfahren (Abs. 2), sondern überträgt auch Zuständigkeiten an die Bezirks-, Schul- und Kirchenräte sowie die Feuerschaukommission (Abs. 3). Überdies ermächtigt die Bestimmung die Standeskommission im Falle zeitlicher und sachlicher Dringlichkeit («Dringlichkeitsrecht», s. Landsgemeindemandat AI, S. 46) zum Erlass der «erforderlichen Regelungen zur Umsetzung von übergeordnetem Recht» (Abs. 4).
  151. 151 Art. 91 KV BE; Art. 48 KV GR; Art. 68 KV SH.
  152. 152 Art. 72 KV ZH.
  153. 153 Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 49a KV NW.
  154. 154 Art. 74 KV NE.
  155. 155 Art. 75 KV NE.
  156. 156 Vgl. BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 28.
  157. 157 S. Ziff. 4.1.2.3.
  158. 158 Anderes gilt für die verfassungsrechtlichen Notrechts- und Notstandsklauseln, welche den Erlass gesetzes- oder gar verfassungsderogierender Massnahmen gestatten, vgl. hierzu Ziff. 4.5.
  159. 159 S. insb. Fn. 134.
  160. 160 Vgl. zu den Anwendungsvoraussetzungen auf Bundesebene Bernard, ZBl 2021, S. 140 f.; Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10 u. 10a; Flückiger, S&R 2020, S. 146; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 64 ff.; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 33 u. 36; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 94 ff. u. 116 ff.; Stöckli, ZSR 2020, S. 23; Waldmann, Herausforderungen, S. 18 ff.
  161. 161 Vgl. Komm. KV VD-Dépraz, S. 262; Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 7; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 453 f.; Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 34; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 123; Waldmann, Herausforderungen, S. 20 f.
  162. 162 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 140; Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10 1. Lemma u. N. 11; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 36; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 446 ff.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 101 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 18 f.
  163. 163 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 25 Abs. 1 nKV AI; Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 1 KV BS; Art. 48 Abs. 1 KV GR; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 68 Abs. 1 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 1 KV SZ; § 44 Abs. 1 KV TG; Art. 72 Abs. 1 KV ZH.
  164. 164 Art. 13 lit. f LCE NE i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE. In den Kantonen bezieht sich der Begriff der «öffentlichen Sicherheit» aufgrund der ordentlichen Kompetenzordnung (vgl. Art. 57 Abs. 1, 54–56 BV) stets auf die innere Sicherheit, vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 57 N. 5; SGK BV-Müller/Mohler, Art. 57 N. 17 u. zum Begriff statt vieler Ber. Malama, S. 4477 ff.; Biaggini, BV Komm., Art. 57 N. 4; SGK BV-Müller/Mohler, N. 13 ff.
  165. 165 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 25 Abs. 1 nKV AI; Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 198 Abs. 1 KV BS; Art. 68 Abs. 1 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 1 KV SZ; § 44 Abs. 1 KV TG; Art. 56 Abs. 2 KV VS.
  166. 166 Art. 13 lit. f LCE NE i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; s.a. Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2166; Waldmann, Herausforderungen, S. 27.
  167. 167 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; Art. 48 Abs. 1 KV GR; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 68 Abs. 1 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 1 KV SZ; s.a. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 518; SGK BV-Schweizer/Müller, Art. 52 N. 25; Stn. zur Mo. FDP AG, S. 1 f.; Ber. zur Mo. FDP AG, S. 5, je mit Beispielen.
  168. 168 Art. 72 Abs. 1 KV ZH; § 44 Abs. 1 KV TG, vgl. hierzu Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 523 u. Waldmann, Herausforderungen, S. 27. Die neue, totalrevidierte Verfassung des Kantons AI sieht hier «Notständ[e]» im Allgemeinen aber auch «nicht wiedergutzumachend[e] Schäden» vor (Art. 25 Abs. 1 nKV AI).
  169. 169 S.a. Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 1; Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 33. Art. 25 Abs. 1 nKV AI verankert gar ausdrücklich und zusätzlich zum bereits breit gefächerten sachlichen Anwendungsbereich das Schutzgut der «öffentlichen Gesundheit».
  170. 170 Vgl. hierzu statt vieler Bernard, ZBl 2021, S. 140 f.; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 713; exemplarisch unter Bezugnahme auf die Sekundärmassnahmen in der Covid-19-Pandemie Flückiger, S&R 2020, S. 144 f.; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 127; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 153; Schott/Kühne, ZBl 2012, S. 438; Trümpler, Diss. Zürich, N. 282 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 19 u. 21 f.
  171. 171 Vgl. Prot. ZH Z 248.22, S. 854 ff.; Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 1 u. insb. 4; Uhlmann/Wilhelm, Kurzgutachten ZH, N. 23.
  172. 172 Vgl. VGer ZH AN.2020.00004 (28.5.2020), E. 4.2. Zustimmend Biaggini, ZBl 2021, S. 156 f.
  173. 173 So bspw. Ber. Covid-19 ZH, S. 35.
  174. 174 Vgl. Uhlmann/Wilhelm, Kurzgutachten ZH, N. 22 f.; s.a. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 112 m.w.H.
  175. 175 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 141; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 36; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 116 ff., insb. 122 f.; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 447 ff.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 103 ff. m.w.H., insb. 108 u. 113 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 22. A.M. Biaggini, ZBl 2020, S. 253 f.; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 713 f.
  176. 176 Art. 117 KV FR; Art. 113 Abs. 1 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL («in Notlagen und andern Fällen zeitlicher Dringlichkeiten»; s.a. Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL: «in dringlichen Fällen»); Art. 91 KV JU («cas d’urgence»); Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 75 KV SG; Art. 22 Abs. 1 LProtPop TI; Art. 2 Abs. 2 BSG UR i.V.m. Art. 90 Abs. 3 KV UR («ausserordentlich[e] Lag[e]»; «Notstand»); Art. 26a Abs. 1 LOCE VD i.V.m. Art. 125 Abs. 1 KV VD («graves menaces ou à d’autres situations d’exception»); s.a. Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2167; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 8 u. 40; Waldmann, Herausforderungen, S. 27.
  177. 177 S. Rn. 15.
  178. 178 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10 2. Lemma; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 32; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 450; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 116 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 19.
  179. 179 Art. 48 Abs. 1 KV GR; Art. 68 KV SH; § 62 Abs. 1 KV SZ; Art. 72 KV ZH.
  180. 180 Art. 117 KV FR.
  181. 181 § 56 Abs. 3 KV LU.
  182. 182 Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE.
  183. 183 Art. 26a Abs. 1 LOCE VD i.V.m. Art. 125 KV VD.
  184. 184 Art. 56 Abs. 2 KV VS.
  185. 185 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10 3. Lemma; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 33; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 451; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 120; Waldmann, Herausforderungen, S. 20.
  186. 186 Ausdrücklich SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 120.
  187. 187 Art. 185 Abs. 3 BV. Ähnlich Art. 48 Abs. 1 KV GR, Art. 68 Abs. 1 KV SH u. § 62 Abs. 1 KV SZ («eingetreten[e] oder unmittelbar drohend[e] schwerwiegend[e] Störungen»); § 56 Abs. 3 KV LU («unmittelbar drohend[e] erheblich[e] Störungen»); Art. 72 Abs. 1 KV ZH («schwerwiegend gestört oder unmittelbar bedroht»).
  188. 188 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 1 KV BS; Art. 13 lit. f LCE NE i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE («sérieusement et directement menacés ou troublés»); Art. 79 Abs. 4 KV SO.
  189. 189 Ähnlich wiederum Art. 117 KV FR («ernst[e] und unmittelbar drohend[e] Gefahr»); Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL («andern Fällen zeitlicher Dringlichkeiten»; s.a. Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL: «in dringlichen Fällen»); Art. 56 Abs. 2 KV VS («gross[e] und unmittelbar bevorstehend[e] Gefahr»).
  190. 190 So bereits die Überschrift («Dringlichkeit») von Art. 75 KV SG sowie innerhalb des Textes («unaufschiebbarer Regelungsbedarf»; «zeitlich[e] Dringlichkeit»); s.a. Ber. Covid-19 SG, S. 12.
  191. 191 Vgl. Komm. KV VD-Dépraz, S. 262; Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 7; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 453 f.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 123; Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 34; Waldmann, Herausforderungen, S. 20 f.
  192. 192 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 124.
  193. 193 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10a; wohl auch BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 31 ff., insb. 33 f.
  194. 194 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 98 u. 123 ff.
  195. 195 Vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 12; S.a. Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 39.
  196. 196 Hierauf deutet bspw. auch der Wortlaut von § 84 Abs. 1 KV ZG, welcher ausdrücklich «ausserordentlich[e] sachlich[e] und zeitlich[e] Dringlichkeit» vorschreibt.
  197. 197 Vgl. hierzu Ziff. 4.6.
  198. 198 Art. 81 Abs. 1 KV GL.
  199. 199 Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 49a KV NW (so auch § 3 Abs. 1 NOR NW); Art. 93 Abs. 1 KV (so auch § 2 Katastrophengesetz SO); § 84 Abs. 1 KV ZG.
  200. 200 Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE.
  201. 201 Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 93 Abs. 1 KV SO (so auch § 17 Katastrophengesetz SO); § 84 Abs. 1 KV ZG.
  202. 202 Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU.
  203. 203 Art. 135 KV SO.
  204. 204 § 84 Abs. 1 KV ZG.
  205. 205 Vgl. Fn. 199, 201 u. 202.
  206. 206 S. Ziff. 4.3.1.4.
  207. 207 Angesprochen sind Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 2 u. 17 i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 12 BevSG ZG i.V.m. § 84 KV ZG.
  208. 208 Art. 113 Abs. 2 KV GE.
  209. 209 S.a. Waldmann, Herausforderungen, S. 28.
  210. 210 Art. 75 Abs. 2 KV NE. Jedoch ist die Feststellung einer ausserordentlichen Lage zwingende Voraussetzung, um Notstandsmassahmen erlassen zu dürfen.
  211. 211 Vgl. Ber. Covid-19 NE, S. 1.
  212. 212 Vgl. hierzu Ziff. 4.5.
  213. 213 So in Art. 184 Abs. 3 u. Art. 185 Abs. 3 BV.
  214. 214 Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL.
  215. 215 Vgl. die Überschrift von Art. 89 KV GL. Die Bestimmung ist auch systematisch in die ordentlichen Rechtsetzungskompetenzen des Landrates integriert und wird nicht separiert aufgeführt, wie dies in anderen Kantonen der Fall ist.
  216. 216 Zwar nennt Art. 48 KV GR ebenfalls «Verordnungen», dürfte allerdings aufgrund der zusätzlichen Auflistung von «Beschlüssen» – worunter sich auch «Massnahmen» subsumieren lassen – einen weiteren Anwendungsbereich aufweisen, s. bereits Fn. 55 a.E.
  217. 217 Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 25 Abs. 1 nKV AI; Art. 91 KV BE; § 109 Abs. 1 KV BS; Art. 117 u. 75 KV FR; Art. 68 Abs. 1 KV SH; § 62 Abs. 1 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 56 Abs. 2 KV VS; Art. 72 Abs. 1 KV ZH.
  218. 218 Art. 113 Abs. 1 KV GE; Art. 91 Abs. 4 KV JU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 125 Abs. 1 KV VD.
  219. 219 Art. 48 Abs. 1 KV GR.
  220. 220 Art. 91 Abs. 1 u. 2 KV JU.
  221. 221 Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; Art. 48 Abs. 1 u. 2 KV GR; Art. 68 Abs. 2 KV SH; § 62 Abs. 1 u. 2 KV SZ; Art. 72 Abs. 1 u. 2 KV ZH.
  222. 222 § 91 Abs. 4 KV AG; § 74 Abs. 3 KV BL; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 KV SG; Art. 79 Abs. 4 KV SO.
  223. 223 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  224. 224 Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 84 Abs. 1 KV ZG.
  225. 225 Art. 81 Abs. 2 KV GL; Art. 49a KV NW; § 84 Abs. 1 u. 2 KV ZG.
  226. 226 Art. 75 Abs. 1 KV NE.
  227. 227 Vgl. zu den Begriffen Rn. 16 Ziff. 3. Gegenüber der Abgrenzbarkeit – insbesondere von Massnahmen praeter und contra legem – kritisch SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 156.
  228. 228 Vgl. hierzu Biaggini, ZBl 2020, S. 241 ff. m.H.a. die Entwicklung im Verlaufe der Covid-19-Pandemie; Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 697, insb. Fn. 111.
  229. 229 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 146 f.; Biaggini, ZBl 2020, S. 244 ff. u. 255 f.; Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 696 ff.; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 75 u. 91 ff.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 157 u. 180 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 23 f. S.a. exemplarisch auf Kantonsebene Auer C., LeGes 2021, N 2 f.
  230. 230 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 146 f.; Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10c 2. Lemma; ders., ZBl 2020, S. 255; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 72 f.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 152 f.; Stöckli, ZSR 2020, S. 23; Waldmann, Herausforderungen, S. 17, 22 u. insb. 24.
  231. 231 So bspw. ausdrücklich Art. 25 Abs. 1 nKV AI; Art. 90 Abs. 1 KV AR; Art. 91 KV BE; § 109 Abs. 1 KV BS; Art. 48 Abs. 1 KV GR; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 68 Abs. 1 KV SH; § 62 Abs. 1 KV SZ; Art. 125 Abs. 1 KV VD; Art. 72 KV ZH.
  232. 232 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 155; Waldmann, Herausforderungen, S. 22.
  233. 233 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 149; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 76 ff.; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 42; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 471 ff., insb. 472; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 155; Stöckli, ZSR 2020, S. 24 f.; Waldmann, Herausforderungen, S. 24. A.M. BGE 141 I 20 E. 5.4 S. 28; 123 IV 29 E. 3a S. 34 f. u. 122 IV 258 E. 2a S. 262 («Sie dürfen nicht im Widerspruch zu Erlassen der Bundesversammlung stehen»); Botsch. VE 96, S. 419; Moeckli, VdS III, VIII.8, N. 32.
  234. 234 Vgl. Lehner, Diss. Bern, S. 107; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 473; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 160; Waldmann, Herausforderungen, S. 24.
  235. 235 Diese fehlt auf Bundesebene, daher zurecht kritisch Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10c 2. Lemma; Biaggini, ZBl 2020, S. 242 5. Lemma; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 713. S.a. CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 74; Kley, ZBl 2020, S. 273.
  236. 236 Beispielhaft Bernard, ZBl 2021, S. 148 ff.; Flückiger, S&R 2020, S. 154 f.
  237. 237 Art. 91 Abs. 1 KV JU; § 44 Abs. 1 KV TG.
  238. 238 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 522 u. 526; Waldmann, Herausforderungen, S. 28.
  239. 239 S.a. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 686; s.a. Schlussber. Covid-19 UR, S. 79.
  240. 240 Art. 113 Abs. 1 KV GE; Art. 125 Abs. 1 KV VD.
  241. 241 Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE.
  242. 242 § 56 Abs. 3 KV LU.
  243. 243 Art. 25 Abs. 1 nKV AI.
  244. 244 Unter anderem hält der Ber. Covid-19 VD, S. 6, fest, dass bei gegebenen Voraussetzungen in Abweichung von «lois ou décrets du GC [Grand Conseil]» legiferiert werden kann.
  245. 245 S. Ziff. 4.5.2.
  246. 246 Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 5 Abs. 2 LPCi JU i.V.m. Art. 60 KV JU; Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW u. § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 12 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 2 KV ZG.
  247. 247 Art. 3 Abs. 1 NSG NW u. § 3 Abs. 1 u. § 5 Abs. 1 Ziff. 2 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 12 BevSG ZG u. § 10 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 2 KV ZG.
  248. 248 S. Ziff. 4.3.2.
  249. 249 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 522 u. 526; Waldmann, Herausforderungen, S. 28.
  250. 250 Art. 16 Abs. 1 BevSG SH; Art. 22 Abs. 1 LProtPop TI; vgl. zu den spezialgesetzlichen Ermächtigungsklauseln auch Ziff. 4.1.2.2.
  251. 251 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 699.
  252. 252 Für eine umfassende Bindung plädieren Botsch. VE 96, S. 419; wohl auch Kley, ZBl 2020, S. 276; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 40; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 465 ff., insb. 469; Rhinow/Schefer/Uebersax, Verfassungsrecht, N. 2702. Manche Stimmen erachten eine Bindung an die grundlegenden Verfassungsbestimmungen als ausreichend, vgl. Trümpler, Diss. Zürich, N. 315; Lehner, Diss. Bern, S. 120; diesbzgl. kritisch SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 144. Eher weitgehende Abweichungsbefugnisse werden von Flückiger, S&R 2020, S. 146 f. u. CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 85 ff., insb. 96 ff., vertreten.
  253. 253 Ausdrücklich Waldmann, Herausforderungen, S. 23 u. 34; s.a. Bernard, ZBl 2021, S. 148 f.; Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10c; ders., ZBl 2020, S. 256 a.E.; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 713; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 90 u. 97; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 143.
  254. 254 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 149; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 40. S.a. Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 8 a.E.; Waldmann, Herausforderungen, S. 22 f.
  255. 255 Vgl. Bernard, ZBl 2021, S. 149; Brunner/Wilhelm/Uhlmann, AJP 2020, S. 697; s. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 10c 1. Lemma; Flückiger, S&R 2020, S. 146; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 96 u. 99 ff.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 147. Dies entbindet den Notverordnungsgeber allerdings nicht davon, eine Interessenabwägung durchzuführen und die Verhältnismässigkeit der Verfassungsabweichung im Einzelfall zu prüfen, vgl. Flückiger, S&R 2020, S. 143, 145 u. insb. 146 ff.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 148; analog Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 455 f.
  256. 256 So vertreten im Kanton BE, vgl. Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 66; dies., ZBJV 2020, S. 663 a.E.
  257. 257 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 119 ff., 331, 527; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 65.
  258. 258 Vgl. Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2177; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 523 u. 526; Waldmann, Herausforderungen, S. 28. Während der Covid-19-Pandemie hat der Regierungsrat von diesem Recht soweit ersichtlich allerdings keinen Gebrauch gemacht.
  259. 259 Vgl. Komm. KV VD-Dépraz, S. 262.
  260. 260 Vgl. Auer C., LeGes 2021, N. 8; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 526; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 12 u. 65 ff.; Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 663.
  261. 261 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 526; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 12; dies., ZBJV 2020, S. 662. Eine Abweichung von der Kantonsverfassung wurde bei der Frage einer möglichen Ausserkraftsetzung der Schuldenfrage vom Regierungsrat als zulässig erklärt. Dies mit der Begründung, dass wegen der Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse massive Sparpakete drohten und eine Anpassung auf ordentlichem Weg zu lange dauern würde. Zudem sei die Abweichung zulässig, da es sich hier nur um formelles, nicht aber um materielles Verfassungsrecht handle, vgl. Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 659 f. u. 673 ff.
  262. 262 Vgl. Auer C., LeGes 2021, N. 8; Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 663.
  263. 263 Uhlmann/Wilhelm, Gutachten FIKO BE, N. 68.
  264. 264 S. Rn. 59.
  265. 265 Gl.M. aber mit anderer Begründung Komm. KV GL-Schweizer, S. 375 f.
  266. 266 Befürwortend hingegen Komm. KV GL-Schweizer, S. 467.
  267. 267 Der Kanton GL sieht in Art. 81 Abs. 1 KV GL die Möglichkeit des Gesetzgebers vor, dem Regierungsrat für beschränkte Zeit Befugnisse zu übertragen, «die von den Vorschriften dieser Verfassung abweichen.» Allerdings liegt kein ausführendes Gesetz vor; s.a. Hangartner et al., Demokratische Rechte, N. 2168 u. 2177.
  268. 268 Die KV JU erlaubt in ihrer Notrechtsklausel nicht nur Abweichungen von Erlassen, Gesetzen und Dekreten (Art. 91 Abs. 1 KV JU), sondern eröffnet in der Notstandsklausel (Art. 60 KV JU) zusätzlich die Möglichkeit, gestützt auf ein zugehöriges Ermächtigungsgesetz dem Parlament oder der Regierung verfassungsderogierende Kompetenzen («compétences dérogeant à la Constitution») zu übertragen. Wie auch im Kanton GL hat der Gesetzgeber davon keinen Gebrauch gemacht.
  269. 269 Im Kanton NW ist dem Regierungsrat gemäss § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW im Falle von Katastrophen gestattet, vorübergehend und «nötigenfalls in Abweichung von der normalen Kompetenzordnung» Massnahmen zu erlassen. Zusätzlich ist mit Art. 6 Abs. 1 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW vorgesehen, dass bei Ausbruch kriegerischer Ereignisse der Regierungsrat ebenfalls nicht an die Verfassung gebunden bleibt.
  270. 270 Der Kanton SO verankert in Art. 93 Abs. 2 KV SO die Möglichkeit, auf dem Wege des Gesetzes dem Regierungsrat für beschränkte Zeit Befugnisse einzuräumen, «die von den Zuständigkeitsvorschriften dieser Verfassung abweichen.» Er hat diesen Gesetzgebungsauftrag in § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO umgesetzt und das Recht des Regierungsrates verankert, «[f]ür den Fall kriegerischer Ereignisse […] alle nötigen Massnahmen» zu erlassen.
  271. 271 Im Kanton ZG wird dem Regierungsrat in § 12 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG die Erlaubnis übertragen, «bestehende Erlasse einstweilen ganz oder teilweise ausser Kraft» zu setzen.
  272. 272 Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW u. § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 12 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 2 KV ZG.
  273. 273 Vgl. Bauer, Komm. KV NE, Art. 75, S. 171.
  274. 274 Art. 16 Abs. 1 BevSG SH; Art. 22 Abs. 1 LProtPop TI.
  275. 275 Vgl. statt vieler Bernard, ZBl 2021, S. 139; ders., SJ 2023, S. 275; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714.; Kley, ZBl 2020, S. 276; Waldmann, Herausforderungen, S. 15 f. u. 37 ff.
  276. 276 Vgl. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 214; Jaag, ZBl 2011, S. 653.
  277. 277 Vgl. statt vieler Kley, ZBl 2020, S. 276; Lehner, Diss. Bern, S. 66; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 114 f.; Schott/Kühne, ZBl 2012, S. 441; Stöckli, ZSR 2020, S. 17 f. u. 47 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 16, 21 u. 37.
  278. 278 Art. 189 Abs. 4 BV. S.a. CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 221 ff., insb. 223; Jaag, ZBl 2011, S. 655; BSK BV-Künzli, Art. 184 N. 51; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 161; Stöckli, ZSR 2020, S. 45; Waldmann, Herausforderungen, S. 41. Möglich bleibt freilich eine konkrete Normenkontrolle anlässlich eines spezifischen Anwendungsfalles, vgl. Jaag, ZBl 2011, S. 656; BSK BV-Künzli, Art. 184 N. 51; SGK BV-Reich, Art. 189 N. 48; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 161 f; BSK BV-Seferovic, Art. 189 N. 60; Stöckli, ZSR 2020, S. 45; Trümpler, Diss. Zürich, N. 227; Waldmann, Herausforderungen, S. 41.
  279. 279 Art. 82 lit. b BGG; s.a. Jaag, ZBl 2011, S. 655; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 162 a.E. Exemplarisch für den Kanton ZH VGer ZH AN.2020.00004 (28. Mai 2020), insb. E. 1.1; hierzu auch Jaag, ZBl 2011, S. 655 f. S.a. Ziff. 4.3.1.4 u. 4.3.2.4.
  280. 280 S. zu den Anwendungsvoraussetzungen Ziff. 4.3.
  281. 281 Dringlichkeitsverfahren sind in den Kantonen AG, BE, BS, FR, GE, GL, GR, NE, SG, SH, TI, VS und ZH vorgesehen.
  282. 282 Nicht aber von Notverfügungen, vgl. BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 46.
  283. 283 Vgl. Botsch. VE 96, S. 419; Ber. Covid-19 VD, S. 5; Bernard, ZBl 2021, S. 151; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 43; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 461; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 122 u. 132 f.; Stöckli, ZSR 2020, S. 26 f. So bspw. ausdrücklich Art. 117 KV FR.
  284. 284 Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 2 KV BS; Art. 117 KV FR; Art. 113 Abs. 3 KV GE; Art. 48 Abs. 2 KV GR; Art. 91 KV JU; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 72 Abs. 2 KV ZH.
  285. 285 § 91 Abs. 4 KV AG; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 KV SG; s.a. betr. den Kanton AG Mo. FDP AG, S. 1.
  286. 286 S.a. Ber. Covid-19 VD, S. 6.
  287. 287 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  288. 288 Der Kanton VS hätte in seiner – am 3. März 2024 in der Volksabstimmung gescheiterten (vgl. hierzu Fn. 2 Anhang 3) – Totalrevision eine ausdrückliche zeitliche Beschränkung der ausserordentlichen Massnahmen vorgesehen (vgl. Art. 90 Abs. 1 VE KV VS).
  289. 289 S. Fn. 283.
  290. 290 Vgl. Art. 81 KV GL; Art. 60 KV JU; Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 49a KV NW; Art. 93 KV SO; § 84 Abs. 2 KV ZG.
  291. 291 Art. 81 Abs. 1 KV GL; Art. 49a KV NW; Art. 93 Abs. 2 KV SO; s.a. Art. 135 KV SO («nur befristet»).
  292. 292 Art. 60 KV JU.
  293. 293 § 84 Abs. 2 KV ZG; s.a. das zugehörige Ausführungsgesetz § 12 Abs. 1 BevSG ZG («einstweilen»).
  294. 294 Eine längere Zeitspanne kann sich ergeben, wenn aufgrund der herrschenden Krisenlage keine ausserordentliche Landsgemeinde (Art. 63 Abs. 3 KV GL) durchführbar ist und/oder die Landsgemeinde u.U. mehrmals verschoben werden muss (Art. 63 Abs. 2 KV GL).
  295. 295 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 2 KV BS; Art. 48 Abs. 2 KV GR; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 KV SG; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; Art. 72 Abs. 2 KV ZH. Einige Kantone verknüpfen die Gültigkeitsdauer mit der parlamentarischen Genehmigung, vgl. hierzu Ziff. 4.6.2.2.
  296. 296 Vgl. Reform der Bundesverfassung, AB 1998 N 116 f., 368, 477; Reform der Bundesverfassung, AB 1998 S 144 f., 194 f.; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 4 u. 26.
  297. 297 Vgl. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714; CR Cst.-Gonin, Art. 185 N. 57; Moeckli, VdS III, VIII.8, N. 31 u. 33; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 27 a.E.; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 83; Stöckli, ZSR 2020, S. 34.
  298. 298 S.a. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714; Stöckli, ZSR 2020, S. 35 f. u. 50.
  299. 299 SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 83. S.a. Stöckli, ZSR 2020, S. 35.
  300. 300 Vgl. Biaggini, BV Komm., Art. 185 N. 11a; Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 715; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 46; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 485 u. 488; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 140.
  301. 301 S. Ziff. 4.6.2.2.
  302. 302 Art. 113 Abs. 1 KV GE; Art. 99 Abs. 1 lit. d KV GL (so auch Art. 89 Abs. 1 lit. f KV GL); Art. 26a Abs. 1 u. Art. 26c Abs. 1 u. 2 LOCE VD i.V.m. Art. 125 Abs. 2 KV VD; Art. 56 Abs. 2 KV VS. Im Kanton AG lässt sich zwar dem Wortlaut von § 91 Abs. 4 KV AG keine entsprechende Pflicht entnehmen, sie wird aber von Lehre und Praxis anerkannt (vgl. Komm. KV AG-Eichenberger, § 91 N. 15; Mo. FDP AG, S. 1; Stn. Mo. FDP AG, S. 2; Ber. zur Mo. FDP AG, S. 10) und ist gemäss den Aussagen des Regierungsrates «der Formulierung auf Bundesebene nachgebildet.» (Stn. Mo. FDP AG, S. 2).
  303. 303 Vgl. zur Genehmigungspflicht Ziff. 4.6.2.2.
  304. 304 Art. 81 Abs. 2 KV GL (kein Ausführungsgesetz); Art. 14 Abs. 2 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 2 KV NE; Art. 3 Abs. 2 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 2 Abs. 2 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 12 Abs. 2 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG.
  305. 305 § 12 Abs. 2 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG.
  306. 306 Art. 14 Abs. 2 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 3 Abs. 2 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 2 Abs. 3 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 1 KV SO.
  307. 307 Die Notstandsklausel der KV ZG hat ein neuartiges Regime für den Fall eines Notstands geschaffen, welches die fehlende Genehmigung teilweise kompensieren kann, s. Rn. 104.
  308. 308 Vgl. hierzu statt vieler Graf, LeGes 2021, N. 1 ff., insb. mit Blick auf dringliche Verordnungen N. 18 ff.; Jaag, ZBl 2011, S. 654.
  309. 309 Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO.
  310. 310 § 109 Abs. 2 KV BS; § 62 Abs. 2 KV SZ; Art. 72 Abs. 2 KV ZH. Ähnlich Art. 25 Abs. 1 nKV AI («ohne Verzug»).
  311. 311 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  312. 312 Ohne Deklarierung der zeitlichen Dringlichkeit: Art. 113 Abs. 3 KV GE u. Art. 48 Abs. 2 KV GR. Der Kanton VS sah in seinem Entwurf für eine totalrevidierte Kantonsverfassung insofern eine Anpassung seiner Notrechtsklausel vor, als er einen im interkantonalen Vergleich einzigartigen klaren Zeithorizont von sechs Monaten festgelegt hätte, innerhalb dessen die ausserordentlichen Massnahmen vom Grossen Rat hätten ratifiziert werden müssen (Art. 90 Abs. 2 VE KV VS).
  313. 313 Vgl. § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 26a Abs. 1 («sans délai») u. 2 LOCE VD i.V.m. Art. 125 Abs. 2 KV VD, s.a. Ber. Covid-19 VD, S. 6.
  314. 314 § 109 Abs. 2 KV BS («Notstandsmassnahmen»); Art. 117 KV FR («Massnahmen»); Art. 113 Abs. 3 KV GE («mesures»); Art. 48 Abs. 2 KV GR; § 44 Abs. 2 KV TG («Notstandsmassnahmen»).
  315. 315 S.a. Rn. 73.
  316. 316 Vgl. hierzu bereits Ziff. 4.6.2.1.
  317. 317 Ber. Covid-19 SG, S. 13.
  318. 318 Art. 93 Abs. 4 GeschKR SG. Vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 12; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 18, s.a. 41 betr. mögliche Reformen.
  319. 319 Vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 12.
  320. 320 Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 20 f. m.w.H.
  321. 321 Vgl. aber zu den Pflichten, das Parlament zu informieren Art. 14 Abs. 2 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 3 Abs. 2 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 2 Abs. 3 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 1 KV SO; Art. 12 Abs. 2 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 1 KV ZG, hierzu bereits Rn. 77.
  322. 322 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  323. 323 So bspw. in den Kantonen NW, UR, SO, ZG und ZH, vgl. Art. 3 Abs. 1 NSG NW u. § 5 Ziff. 2 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW; Art. 2 Abs. 2 BSG UR i.V.m. Art. 90 Abs. 3 KV UR; § 2 Abs. 2 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 KV SO; § 10 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 KV ZG; § 11 Abs. 1 BevSG ZH i.V.m. Art. 72 KV ZH.
  324. 324 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 91 Abs. 2 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 26a Abs. 1 LOCE VD i.V.m. Art. 125 Abs. 2 KV VD; s.a. Komm. KV AG-Eichenberger, § 91 N. 15; Mo. FDP AG, S. 1; Stn. zur Mo. FDP AG, S. 1.
  325. 325 So ausdrücklich für den Kanton AG Stn. Mo. FDP AG, S. 2.
  326. 326 Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 18.
  327. 327 Hierauf deutet der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen, wonach die Notverordnungen «spätestens» nach Ablauf der vorgesehenen Frist dahinfallen, so ausdrücklich Art. 90 Abs. 2 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 KV BS; Art. 48 Abs. 2 KV GR; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 44 Abs. 2 KV TG.
  328. 328 Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 2 KV BS; Art. 48 Abs. 2 KV GR; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 72 Abs. 2 KV ZH.
  329. 329 Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 2 KV BS; Art. 48 Abs. 2 KV GR; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 72 Abs. 2 KV ZH; s.a. betr. den Kanton ZH Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 9; VGer ZH AN 2020.00004 (28. Mai 2020), E. 1.3.
  330. 330 Art. 117 KV FR; Art. 113 Abs. 3 KV GE. Der VE KV VS hätte eine ähnliche Regelung enthalten, wonach ausserordentliche Massnahmen nach Ablauf der festgelegten Geltungsdauer – unabhängig davon, ob der Grosse Rat sie ratifiziert hat oder nicht – ohne weiteres ausser Kraft getreten wären (Art. 90 Abs. 2 VE KV VS). Der Entwurf knüpft an die grossrätliche Ratifizierung lediglich die Möglichkeit einer Erneuerung der Massnahmen und nicht deren weitere Geltung (Art. 90 Abs. 2 VE KV VS).
  331. 331 S. Rn. 18 betr. UR u. Rn. 19 betr. AI.
  332. 332 Hierzu Rn. 26, s.a. Fn. 116.
  333. 333 S. Ziff. 2.
  334. 334 Vgl. i.S. einer Auswahl Biaggini, ZBl 2023, S. 311 a.E. («Fluch»); Fedier, NZZ 26. April 2023; Kley, NZZ 7. April 2020; Lienhard, NZZ 4. April 2023 («Griff in den rechtsstaatlichen Giftschrank»).
  335. 335 Vgl. statt vieler Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19; Müller/Jenni, S&R 2010, S. 106. Befürwortend auch mit Blick auf die Rettung der Credit Suisse Schäfer, NZZ 19. April 2023.
  336. 336 Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19.
  337. 337 Biaggini, ZBl 2023, S. 311 a.E. A.M. Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19.
  338. 338 Vgl. Biaggini, ZBl 2023, S. 309 ff.
  339. 339 Müller/Jenni, S&R 2010, S. 106.
  340. 340 Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19.
  341. 341 Kägi, Macht im Kleinstaat, S. 254.
  342. 342 Kägi, Macht im Kleinstaat, S. 254.
  343. 343 Hierzu kritisch Biaggini, ZBl 2023, S. 309 ff., insb. 314; s.a. Fontana, NZZ 21. März 2023, S. 4; Schäfer, NZZ 20. April 2023, S. 7. Ähnliche Stimmen erklangen bereits anlässlich der Rekapitalisierung der UBS während der Finanzkrise 2008, vgl. hierzu i.S. eines Überblicks BBl 2010 1563, insb. S. 1567 ff.; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 112 ff.; Müller/Jenni, S&R 2010, S. 104 f.; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 500 ff.
  344. 344 Art. 5 Abs. 1 BV. S.a. Bernard, ZBl 2021, S. 145 ff.; ausführlich zum Spannungsverhältnis von Rechtsstaat und Notrecht ders., SJ 2023, S. 270 ff., insb. 277 f.; Kley, NZZ 7. April 2020; Stöckli, ZSR 2020, S. 18; Waldmann, Herausforderungen, S. 8 u. 16.
  345. 345 Exemplarisch Sportveranstaltungen, Massnahmen gegen Gewaltpropaganda und gegen Gewalt, Bundesgesetz, Zweitrat, Votum Pfisterer, AB 2006 S 16; Burri, Sui-generis 2017, N. 11. S.a. Müller/Jenni, S&R 2010, S. 107.
  346. 346 Kley, NZZ 7. April 2020.
  347. 347 Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19.
  348. 348 S. Fn. 347.
  349. 349 Vgl. BGE 64 I 365 E. 3 S. 370; Ber. zur Mo. FDP AG, S. 10; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 114; Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19; Stöckli, ZSR 2020, N. 39 f.; Waldmann, Herausforderungen, S. 9 f., 37.
  350. 350 BBl 1920 V 327, S. 332, zit. in Kley, ZBl 2020, S. 271.
  351. 351 Vgl. Kley, ZBl 2020, S. 271; Waldmann, Herausforderungen, S. 37.
  352. 352 Vgl. zu den spezialgesetzlichen Delegationsnormen Ziff. 4.1.2.2 u. insb. Fn. 20 ff.
  353. 353 So auch Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 38.
  354. 354 S. Ziff. 4.1.2.3.
  355. 355 So auch ausdrücklich Schlussber. Covid-19 UR, S. 80 f. Vgl. zur Subsidiarität Ziff. 4.3.1.4 u. 4.3.2.4.
  356. 356 Vgl. Flückiger, S&R 2020, S. 143 m.H.a. das EpG.
  357. 357 Vgl. zum Verfahren auf Bundesebene Art. 192 ff., insb. Art. 195 i.V.m. Art. 140 Abs. 1 lit. a BV; hierzu statt vieler SGK BV-Ehrenzeller/Nobs, Art. 138 N. 17 ff.; SGK BV-Ehrenzeller/Nobs, Art. 140 N. 13 ff.; SGK BV-Ehrenzeller/Nobs/Gertsch, Art. 139 N. 62 ff.; BSK BV-Epiney/Diezig, Art. 138 N. 20 ff.; BSK BV-Epiney/Diezig, Art. 139 N. 51 ff.; BSK BV-Epiney/Diezig, Art. 140 N. 16 ff.; Gächter, Staatsrecht, § 23 N. 64 ff.
  358. 358 § 122 Abs. 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 KV AG; Art. 112 Abs. 1 KV AR; Art. 127 Abs. 3 KV BE; § 143 Abs. 2 i.V.m. § 63 KV BL; § 139 Abs. 2 i.V.m. § 83 KV BS; Art. 145 i.V.m. Art. 99 KV FR; Art. 91 Abs. 1 u. 3 KV GE; Art. 101 KV GR; Art. 136 Abs. 1 KV JU; § 82 i.V.m. § 45 KV LU; Art. 102 i.V.m. Art. 69 KV NE; Art. 92 Abs. 1 KV NW; Art. 111 KV OW; Art. 112 Abs. 2 KV SG; Art. 114 Abs. 2 KV SH; Art. 138 KV SO; § 89 i.V.m. § 49 Abs. 1 lit. a KV SZ; § 95 Abs. 1 i.V.m. § 36 KV TG; Art. 82 i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. c KV TI; Art. 174 KV VD; Art. 38 Abs. 1 KV VS; § 79 Abs. 2 i.V.m. § 41 lit. b KV ZG; Art. 132 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 lit. a KV ZH.
  359. 359 Art. 26 Abs. 2 KV AI; Art. 69 Abs. 1 KV GL.
  360. 360 Vgl. Auer A., Staatsrecht, N. 156; von Wyss, VdS III, VI.8, N. 12.
  361. 361 § 122 Abs. 1 u. 125 KV AG; Art. 26 Abs. 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 KV AI; Art. 60 Abs. 1 lit. a KV AR; Art. 61 Abs. 1 lit. a KV BE; § 30 lit. a KV BL; § 51 Abs. 1 lit. a KV BS; Art. 54 lit. a KV FR; Art. 65 Abs. 1 KV GE; Art. 16 Ziff. 1 KV GR; Art. 77 lit. b KV JU; § 32 lit. a KV LU; Art. 44 Abs. 2 i.V.m. Art. 102 Abs. 3 u. 4 KV NE; Art. 52 Ziff. 1 KV NW; Art. 58 lit. a KV OW; Art. 48 lit. a KV SG; Art. 32 lit. a KV SH; Art. 35 Abs. 1 lit. a KV SO; § 34 Abs. 1 lit. a KV SZ; § 95 Abs. 2 KV TG; Art. 82 Abs. 3 KV TI; Art. 24 lit. a i.V.m. Art. 120 KV UR; Art. 83 Abs. 1 lit. a KV VD; Art. 105 KV VS; § 31 lit. a i.V.m. § 79 Abs. 3 KV ZG; Art. 32 lit. a i.V.m. Art. 132 Abs. 3 KV ZH.
  362. 362 Komm. KV AG-Eichenberger, Einleitung, N. 35 (im Original kursiv).
  363. 363 Vgl. hierzu bereits Ziff. 4.5.1.
  364. 364 Vgl. BBl 2020 1243, S. 1255; s.a. Art. 140 Abs. 1 lit. bbis Ziff. 4 BB VE 2018. S. hierzu auch den Verfassungsvorbehalt in § 26 Abs. 1 KV AG u. dazu Komm. KV AG-Eichenberger, § 26 N. 2 ff.
  365. 365 Vgl. Komm. KV AG-Eichenberger, Einleitung, N. 36 2. Lemma.
  366. 366 Vgl. statt vieler Botsch. VE 96, S. 430 u. 433; BBl 1974 II 1133, S. 1157 f.; SGK BV-Ehrenzeller, Verfassungsinterpretation, N. 17; Gächter, Staatsrecht, § 23 N. 69 ff., insb. 77.
  367. 367 Vgl. hierzu auch die Ausführungen des Bundesrates zur Verfassungswürdigkeit in BBl 2020 1243, S. 1251; s.a. Art. 140 Abs. 1 lit. bbis Ziff. 1 BB VE 2018.
  368. 368 Vgl. betr. die Covid-19-VO Fristenstillstand Biaggini, ZBl 2020, S. 256.
  369. 369 S. hierzu bereits Fn. 261, s.a. Uhlmann/Wilhelm, ZBJV 2020, S. 659 f. u. 673 ff.
  370. 370 Vgl. hierzu die Übersicht in Ber. Covid-19 NE, S. 3 ff.
  371. 371 Ber. Covid-19 GL, S. 39. Anlässlich dieser Erfahrung zieht der Kanton GL nun eine Verfassungsänderung in Betracht, welche dem Landrat in ähnlich gelagerten Fällen mehr Kompetenzen übertragen soll, vgl. a.a.O., S. 8 u. 39.
  372. 372 Vgl. Komm. KV AG-Eichenberger, Einleitung, N. 36 letztes Lemma.
  373. 373 S. Ziff. 3.1.
  374. 374 Exemplarisch zum Verhältnis von Art. 7 EpG und Art. 185 Abs. 3 BV Biaggini, ZBl 2020, S. 260 ff. m.w.H.; Bernard, ZBl 2021, S. 142 ff.
  375. 375 Hierzu ebenfalls kritisch Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19. S.a. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 125.
  376. 376 Beispielsweise bleiben rein ausführende Regelungen betreffend Verfahren und Fristen stets möglich und notwendig.
  377. 377 Vgl. auf Bundesebene Art. 148 Abs. 1 BV. Obwohl auch die Mitglieder der Kantonsregierungen vom Volk gewählt werden, kommt den Kantonsparlamenten aufgrund ihrer stärkeren Repräsentativität eine höhere demokratische Legitimation zu, vgl. Auer A., Staatsrecht, N. 148 ff., insb. 149; Waldmann, Herausforderungen, Fn. 188.
  378. 378 Exemplarisch Flückiger, S&R 2020, S. 143 f., s.a. 145; ähnlich Ber. zur Mo. FDP AG, S. 10.
  379. 379 S. Rn. 19.
  380. 380 Vgl. Ber. Krisentest, S. 10 u. 13; Ber. Covid-19 SG, S. 15; Ber. zur Mo. FDP AG, S. 10; Flückiger, S&R 2020, S. 142 ff., 148 f.; BSK BV-Künzli, Art. 185 N. 29; Müller/Jenni, S&R 2010, S. 106; Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 66; Waldmann, Herausforderungen, S. 15.
  381. 381 BBl 1974 II 1133, S. 1159.
  382. 382 Hierzu ausführlich Flückiger, S&R 2020, S. 148 ff.
  383. 383 S.a. BBl 2020 1243, S. 1255; Bernard, ZBl 2021, S. 149; Komm. KV AG-Eichenberger, Einleitung, N. 44; Flückiger, S&R 2020, S. 145 m.H.a. den vom Bundesgericht auf kantonaler Ebene (BGE 135 I 130 E. 6.2 S. 137 f.) sowie den vom EGMR für die gesetzgebende Tätigkeit der Staaten als zulässig erachteten weiten Ermessensspielraum.
  384. 384 S. Ziff. 5.2.2.
  385. 385 Vgl. Ziff. 4.3.
  386. 386 § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW.
  387. 387 Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO.
  388. 388 S. Ziff. 4.4.
  389. 389 S. Rn. 65.
  390. 390 S. Ziff. 5.2.1.
  391. 391 Vgl. Ziff. 4.5. Eindeutig sind unter den Notrechtsklauseln ausschliesslich § 44 Abs. 1 KV TG, unter den Notstandsklauseln Art. 60 KV JU, Art. 6 Abs. 1 NSG NW u. § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV, § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO, § 84 Abs. 2 KV ZG i.V.m. § 12 Abs. 1 BevSG ZG.
  392. 392 So bspw. Art. 113 Abs. 1 KV GE.
  393. 393 So Art. 125 Abs. 1 KV VD (Hervorhebung durch die Verfasser).
  394. 394 Art. 14 Abs. 1 LCE NE i.V.m. Art. 75 Abs. 1 KV NE; Art. 6 Abs. 1 NSG NW i.V.m. Art. 49a KV NW; § 17 Abs. 1 Katastrophengesetz SO i.V.m. Art. 93 Abs. 2 KV SO; § 44 Abs. 1 KV TG; § 12 Abs. 1 BevSG ZG i.V.m. § 84 Abs. 2 KV ZG.
  395. 395 § 3 Abs. 1 NOR NW i.V.m. Art. 49a KV NW.
  396. 396 Vgl. Rn. 70, Fn. 275.
  397. 397 Vgl. Kley, ZBl 2020, S. 276; Lehner, Diss. Bern, S. 66; Lienhard/Zielniewicz, ZBl 2012, S. 114 f.; Schott/Kühne, ZBl 2012, S. 441; Stöckli, ZSR 2020, S. 17 f. u. 47 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 16 u. 21.
  398. 398 Vgl. Waldmann, Herausforderungen, S. 16.
  399. 399 S. Ziff. 4.6.1.
  400. 400 S. Ziff. 4.6.1.
  401. 401 § 91 Abs. 4 KV AG; Art. 91 KV JU; § 56 Abs. 3 KV LU; Art. 75 KV SG; s.a. Ziff. 4.6.1.
  402. 402 Vgl. Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 11 f.; betr. den Kanton SG vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 13.
  403. 403 Unklar bleibt die Geltungsdauer von Notverordnungen in den Kantonen GL und VS, da diese keine Befristung der Notverordnungen festlegen. Art. 26c Abs. 1 LOCE VD i.V.m. Art. 125 Abs. 2 KV VD sieht zwar eine zeitliche Befristung vor, schweigt allerdings zu deren Dauer, s.a. Ziff. 4.6.1.
  404. 404 Art. 90 KV AR; Art. 91 KV BE; § 74 Abs. 3 KV BL; § 109 Abs. 2 KV BS; Art. 48 Abs. 2 KV GR; Art. 68 Abs. 2 KV SH; Art. 79 Abs. 4 KV SO; § 62 Abs. 2 KV SZ; § 44 Abs. 2 KV TG; Art. 72 Abs. 2 KV ZH.
  405. 405 Art. 117 KV FR; Art. 113 Abs. 3 KV GE.
  406. 406 Ber. Covid-19 SO, S. 20.
  407. 407 Ber. Covid-19 SO, S. 20, s.a. 37. Gegenteilig argumentieren hier der Kanton SG, welcher eine Frist von zwei Jahren nur in besonderen Fällen als notwendig erachtet (vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 13) sowie die FDP-Fraktion des Kantons AG, welche darauf hinweist, dass ein «normaler Gesetzgebungsprozess […] zufälligerweise aktuell ebenfalls zwei Jahre» dauert, sodass eine Verkürzung der Frist für den Einbezug des Parlaments angebracht erscheine (vgl. Mo. FDP AG, S. 1).
  408. 408 Vgl. Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 12; s.a. Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 38.
  409. 409 Vgl. Komm. KV ZH-Häner, Art. 72 N. 12; Komm. KV LU-Seiler, § 56 N. 38.
  410. 410 Vgl. Ber. Covid-19 SO, S. 20.
  411. 411 Stöckli, ZSR 2020, S. 13; ders., Jusletter 2021, N. 15; Moeckli, Saiten 2020, S. 24; kritisch Biaggini, ZBl 2022, S. 77. Ähnlich Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714 («Krisenzeiten sind […] Exekutivzeiten»); Moeckli, VdS III, VIII.8, N. 33 («‹Sicherheit ist exekutivlastig›»); Uhlmann, NZZ 27. Oktober 2021.
  412. 412 So Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19; ders., Zauberwürfel, S. 152 ff.
  413. 413 Vgl. Waldmann, Herausforderungen, S. 39 ff. Weiterführend SGK BV-Ehrenzeller, Art. 169 N. 1 ff., insb. 6.; zur Rechtslage in den Kantonen Auer A., Staatsrecht, N. 162; von Wyss, VdS III, VI.8, N. 20.
  414. 414 Ähnlich Flückiger, S&R 2020, S. 150; Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19; ders., Zauberwürfel, S. 154 f.; Stöckli, ZSR 2020, S. 38 ff. u. 50 ff.; Waldmann, Herausforderungen, S. 39 ff. Insbesondere Flückiger, S&R 2020, S. 150 ff., fordert eine «obligation dobservation, dévaluation – prospective, concomitante et rétrospective – couplée à une obligation de correction et damélioration continue des textes normatifs en fonction de leurs impacts afin de tenir compte de l’évolution de la situation concrète» (Hervorhebung im Original) und verleiht der präventiven und evaluierenden Rolle des Parlaments unter Verwendung eines experimentellen Ansatzes vermehrtes Gewicht.
  415. 415 § 56 KV LU; Art. 74 Abs. 1 lit. f KV NE; Art. 16 Abs. 1 BevSG SH; Art. 22 Abs. 1 LProtPop TI. S.a. Ziff. 4.6.2.1.
  416. 416 Vgl. Auer A., Staatsrecht, N. 165; SGK BV-Schmid, Vorbem. zur Bundesversammlung, N. 26; von Wyss, VdS III, VI.8, N. 24.
  417. 417 Exemplarisch Ber. Covid-19 SG, S. 10 ff., insb. 11; Botsch. Covid-19 AG, S. 59 f.; Ber. zur Mo. FDP AG, S. 3 f. u. 9 f.; s.a. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 716, Fn. 65; Saxer, NZZ 4. April 2023, S. 18; Stöckli, ZSR 2020, S. 35 m.w.H.; Trümpler, Diss. Zürich, N. 313; von Wyss, VdS III, VI.8, N. 24.
  418. 418 Vgl. Auer A., Staatsrecht, N. 141.
  419. 419 Vgl. hierzu statt vieler Auer A., Staatsrecht, N. 165 ff.; von Wyss, VdS III, VI.8, insb. N. 25 ff.
  420. 420 So wurden auf Bundesebene die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie – u.a. der Abbruch der Frühlingssession 2020 – zum Anlass genommen, das ParlG mit Blick auf die Handlungsmöglichkeiten der Bundesversammlung zu revidieren, vgl. Pa.Iv. SPK-N (20.437); Ber. pa.Iv. SPK-N; Stn. BR pa.Iv. SPK-N. S. hierzu insb. Art. 2 Abs. 3, 10a, 32a, 33a, 45a ParlG; weiterführend Stöckli, ZSR 2020, S. 40 ff.
  421. 421 Vgl. Schlussber. Covid-19 BL, S. 25; Ber. Covid-19 FR, S. 7. S.a. betr. die kommunale Verwaltung im Kanton AG Botsch. Covid-19 AG, S. 52.
  422. 422 S.a. Ber. Covid-19 SG, S. 14.
  423. 423 Ber. zur Mo. FDP AG, S. 9.
  424. 424 Ber. Covid-19 SG, S. 14.
  425. 425 Vgl. Ziff. 4.6.2.2.
  426. 426 S. aber zum den konkurrierenden Notrechtskompetenzen im Kanton GL Rn. 23.
  427. 427 Vgl. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 173 N. 43; Stöckli, ZSR 2020, S. 35 f. u. 50; Trümpler, Diss. Zürich, N. 218.
  428. 428 Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714.
  429. 429 SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 173 N. 46 a.E. (Hervorhebung im Original).
  430. 430 Vgl. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 714; Biaggini, BV Komm., Art. 173 N. 12.
  431. 431 Vgl. Rechsteiner, Diss. St. Gallen, N. 490.
  432. 432 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 83; Stöckli, ZSR 2020, S. 50. Ähnlich Ber. zur Mo. FDP AG, S. 10 mit Verweis auf Komm. KV AG-Eichenberger, § 91 N. 15, welche beide die Gefahr von Organkonflikten bereits im Falle einer Genehmigungspflicht erkennen.
  433. 433 Vgl. SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 185 N. 83.
  434. 434 Medienmitteilung 15. März 2020. S.a. Caroni/Schmid, AJP 2020, S. 712; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 173 N. 47; Stöckli, ZSR 2020, S. 10; Waldmann, Herausforderungen, S. 36 f.
  435. 435 Vgl. i.S. einer Auswahl Pa.Iv. SPK-N (20.437); Pa.Iv. SPK-N (20.438); Petition Komitee Frühling 2020 (21.2010).
  436. 436 Die parlamentarischen Sitzungen des Kantons SG wurden vorübergehend ausgesetzt sowie die Aprilsession 2020 in einstimmigem Entscheid des Präsidiums abgesagt (vgl. Ber. Covid-19 SG, S. 9). Im Kanton VD musste das Parlament vom 10. März bis zum 12. Mai 2020 seine Sitzungen einstellen, wobei die Arbeit in den Kommissionen fortgeführt werden konnte (vgl. Ber. Covid-19 VD, S. 6). Auch die kommunale Ebene blieb nicht verschont: So konnten bspw. im Kanton AG Gemeindeversammlungen, Einwohnerratssitzungen und Sitzungen der kommunalen Behörden nicht oder nur eingeschränkt abgehalten werden (vgl. Botsch. Covid-19 AG, S. 52).
  437. 437 Vgl. Schlussber. Covid-19 BL, S. 25; Ber. Covid-19 FR, S. 7.
  438. 438 Vgl. BSK BV-Merker/Conradin, Art. 173 N. 48; SGK BV-Saxer/Brunner, Art. 173 N. 60.
  439. 439 Vgl. Stöckli, ZSR 2020, S. 50.
  440. 440 Vgl. Mo. SK SG; s.a. Ber. Covid-19 SG, S. 14.
  441. 441 Mo. SK SG.
  442. 442 S.a. Ber. Covid-19 SG, S. 14.
  443. 443 Vgl. Antrag Mo. SK SG.
  444. 444 So in AR, BE, BL, BS, GR, SH, SO, SZ u. TG; vgl. Ber. zu Mo. FDP AG, S. 9; s. bereits Ziff. 4.6.2.2.
  445. 445 Art. 64 Abs. 2 KV NW; Art. 75 Ziff. 3 KV OW; Art. 90 Abs. 3 KV UR.
  446. 446 So auch Ber. zur Mo. FDP AG, S. 9; Uhlmann/Wilhelm, Gutachten Dringlichkeitsrecht SG, N. 39. Vgl. den gleichgelagerten Fall bezüglich nachträglicher Referenden von dringlichen Bundesgesetzen bei Schmid/Waldmann, Plädoyer 2022, S. 10.
  447. 447 So ausdrücklich Ber. Covid-19 ZH, S. 35.
  448. 448 Müller M., NZZ 9. Juni 2023, S. 19. S. Ziff. 5.1.1.
  449. 449 So das Vorwort der Redaktion zum Sonderheft «Föderalismus in der heutigen Welt», Schweizer Monatshefte 8/1959, S. 681 ff., S. 681.
  450. 450 S. Ziff. 5.1.2 u. 5.2.1.
  451. 451 S. Ziff. 5.2.2.
  452. 452 S. Ziff. 5.2.3.1.
  453. 453 S. Ziff. 5.2.3.2.
  454. 454 S. Ziff. 5.2.4.

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