Literatur
Bianchi, Giannina/Müller, Christoph, Sicherheitsanalyse des Kitesurfens auf Schweizer Seen: Unfall-, Risikofaktoren- und Interventionsanalyse, in: Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu), Bern 2014; Decurtins, Nico, Nachhaltigkeit im Wassersport, in: Anne Mirjam Schneuwly (Hrsg.), Wassersportkommentar; Gfeller, Katja, Wassersport auf öffentlichen Gewässern der Schweiz, in: Anne Mirjam Schneuwly (Hrsg.), Wassersportkommentar; Gonin, Luc, Droit constitutionnel suisse, Genève 2021; Häfelin, Ulrich/Müller, Georg/Uhlmann, Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich/St. Gallen 2020; Kraemer, Raphael, Verkehrsregelungen auf ausserordentlichen Verkehrsflächen, Unter Berücksichtigung der Geltung des SVG auf Skipisten Wanderwegen, Diss. Freiburg 2015; Kwiatkowski, André, Unfall- und Präventionsmechanismen beim Kitesurfen unter Wettkampf- und Freizeitbedingungen, Diss., Hamburg 2009; Märki, Raphaël/Wyss, Karl-Marc, Bungeesurfen im Recht, Eine verwaltungsrechtliche Einordnung des Bungeesurfens im Kanton Bern sowie haftpflicht- und versicherungsrechtliche Hinweise, in: Jusletter 8. April 2019 (zit. Jusletter); Märki, Raphaël/Wyss, Karl-Marc, Bungeesurfen, in: Anne Mirjam Schneuwly (Hrsg.), Wassersportkommentar (zit. Wassersportkommentar); Pikora, Terri J./Braham, Rebecca/Hill, Catherine/Mills, Christina, Wet and wild: results from a pilot study assessing injuries among recreational water users in Western Australia, in: International Journal of Injury Control and Safety Promotion, Vol. 18 (2), 2011, 119 ff.; Pikora, Terri J./Braham, Rebecca/Mills, Christina, The Epidemiology of Injury among Surfers, Kite Surfers and Personal Watercraft Riders: Wind and Waves, in: Medicine and Sport Science, Vol. 58, 2012, 80 ff.; Schneuwly, Anne Mirjam, Kitesurfen im Schweizer Rechtsraum, in: AJP 4/2017 539 ff.; Zademack, Sophia, Motorboot und Wakeboard, in: Anne Mirjam Schneuwly (Hrsg.), Wassersportkommentar.
Materialien
Bericht des Bundesrates über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2014 vom 6. März 2015, BBl 2015 3158 ff.; Botschaft an den Grossen Rat, Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt: Änderung, vom 18. Februar 2015 (zit. Botschaft an den Grossen Rat, Kt. Aargau); Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt vom 1. Mai 1974, BBl 1974; Botschaft zu Teilrevision I des Luftfahrtgesetzes vom 20. Mai 2009, BBl 2009 4915 ff., 4941; Erläuternder Bericht zur Änderung der Verordnung über die Schifffahrt auf schweizerischen Gewässern (Binnenschifffahrtsverordnung, BSV) und der Verordnung über die Typenprüfung von Schiffen (Typenprüfungsverordnung), 2001 (zit. Erläuternder Bericht); COWI, Kitesurfing and Birds – A Review, Literature Study, Global Kitesports Association, November 2017 (zit. COWI Study); Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Erläuterungen zu den Änderungen der Verordnung über die Schifffahrt [Vernehmlassungsentwurf] vom 8. September 2015 (zit. Vernehmlassungsentwurf Kt. Luzern); Kitesurfclub Schweiz – Kitegenossen, Factsheet Rechtslage Kitesurfen Schweiz (zit. Factsheet); Kitesurfclub Schweiz – Kitegenossen, Kitesurfen in der Schweiz, Zug 2013: (zit. Kitesurfen in der Schweiz); Kitesurfclub Schweiz – Kitegenossen, Sicherheit Kitesurfen (zit: Verhaltensregeln); OECD-Kodizes zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs und der laufenden unsichtbaren Transaktionen, 2003 (zit. OECD-Kodex).
I. Allgemeines zur Wassersportart
Die Bezeichnung Kitesurf wird in der Schweizer Gesetzgebung (Art. 2 Abs. 1 Bst. a Ziff. 16 BSV) in der deutschen Version als «Drachensegelbrett», in der französischen bzw. italienischen hingegen als «Kitesurf» bezeichnet (in Frankreich wird die Bezeichnung planche aérotractée und in Italien tavola ad aquilone oder tavole con aquilone verwendet). Der deutsche Begriff (sowie derjenige in der französischen und der in der italienischen Gesetzgebung) nennt gleich die zwei Elemente, welche diese Sportart auszeichnen. Beim Kitesurfen lassen die Kiter*innen einen Lenkdrachen steigen, der genug Zugkraft entwickelt, damit diese sich mit einem Brett an den Füssen über Wasser halten und gleiten können. Die Fortbewegungsmethode ähnelt somit einerseits dem Wakeboarden, wobei die Kite-Sportler*innen im Unterschied dazu allerdings nicht durch motorisierte Zugkraft (meistens ein speziell ausgerüstetes Motorboot) über das Wasser gezogen werden (siehe hierzu Zademack, Rz. [coming soon]); andererseits ist das Kitesurfen durch die Windkomponente mit dem Windsurfen verwandt. Die Windsurfer*innen haben im Unterschied zu den Kitesurfer*innen jedoch durch die Grösse ihrer Bretter genug Eigenauftrieb und benötigen den Wind allein zur Fortbewegung. Die Kitesurfer*innen hingegen brauchen starken Wind im Drachenschirm für die kombinierte Funktion von Auftrieb und Fortbewegung.
Im Kite-Sport gilt es zudem zwischen dem Kitesurfen auf dem Wasser, dem Kiten mit einem Buggy auf festem Boden (Landkiten) sowie dem Snowkiten über schneebedecktem Gelände oder gefrorenem Gewässer zu unterscheiden. Historisch betrachtet haben die Pioniere des Kitesurfens bereits in den Jahren 1970 und 1980 an der Konstruktion eines lenkbaren Segels getüftelt, welche sie sowohl über Wasser als auch Land und insb. Schnee ziehen würde (Kitesurfclub Schweiz, Kitesurfen in der Schweiz, S. 7). Kitesurfen wurde jedoch erst Ende der 1990er-Jahre populär und hat sich inzwischen zu einem weltweiten Trend entwickelt. Die Anzahl der Kitesurfenden hat in den letzten Jahren rapide zugenommen und mittlerweile werden dieser Sportart bereits rund eine halbe Million Anhänger*innen weltweit zugerechnet.
II. Öffentlich-rechtliche Regelungen zu den Drachensegelbrettern
Für das Kitesurfen sind die zwei Elemente 1) die Lenkung eines Drachens und 2) das Surfen über dem Wasser rechtlich relevant und müssen unter den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Normen untersucht werden. Nach einem geschichtlichen Hintergrund zur Aufhebung des Kiteverbots in der Schweiz ist zu klären, ob Drachensegelbretter als Luftfahrzeuge oder Wassergefährte definiert werden, und Kitesurfer*innen entsprechend dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0) oder dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt (BSG; SR 747.201) unterstehen. Diese Überlappung der anzuwendenden Normen kann zu komplexen Rechtsfragen führen.
A. Geschichtlicher Hintergrund: Ursprüngliches Kite-Verbot in der Schweiz
Mit dem Aufkommen des Kite-Sports in der Schweiz haben die kantonal zuständigen Schifffahrtsämter entsprechend wachsenden Bedarf an Koordination festgestellt und die Regelung durch den Bund beantragt. Da es offenbar zu einzelnen Vorfällen beim Kitesurfen gekommen war, wurde von einigen Kantonen ein generelles Verbot auf Schweizer Gewässern gefordert (Erläuternder Bericht, S. 8; um welche Vorfälle es sich dabei handelte, wurde in diesem Bericht nicht ausgeführt). Im Jahr 2001 statuierte der Gesetzgeber schliesslich mit Art. 54 Abs. 2bis aBSV ein grundsätzliches Verbot (AS 2001 1089) des Kitesurfens auf Schweizer Gewässern: «Das Fahren mit Drachensegelbrettern ausserhalb behördlich bewilligter Wasserflächen ist verboten. Wasserflächen dürfen nur dann zur Benutzung durch Drachensegelbretter freigegeben werden, wenn die Sicherheit der übrigen Seebenützer innerhalb der freigegebenen Fläche gewährleistet bleibt und die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt wird.» Allerdings wurde den kantonalen Stellen ein Erlaubnisvorbehalt eingeräumt. Somit war Kitesurfen initial in allen Schweizer Regionen untersagt, mit Ausnahme der Gebiete, welche von den Kantonen freigegeben wurden; so z.B. der Silvaplanersee (Bündner Einführungsgesetz vom 24. September 2000 zum Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt, EG zum BSG, BR 877.100), der Walensee, der Neuenburgersee und eingeschränkte Zonen des Urnersees (Urner Reglement vom 14. Oktober 2003 über die Beschränkung der Schifffahrt und des Surfersports; RB 50.2115).
Das Verbot wurde begründet mit Sicherheitsbedenken, Fragen der Manövrierfähigkeit, Problemen bei der Bergung auf den Seen, fehlenden Vortrittsregelungen sowie Unfällen mit anderen Seebenützer*innen (AB 2012 S. 830; Motion «Gleichstellung des Kitesurfens mit anderen Wassersportarten» [Curia Vista, Gesch.-Nr. 12.3496]). Da der Sport meist bei starkem Wind ausgeübt wird und Kiter*innen bei entsprechenden Windverhältnissen recht hohe Geschwindigkeiten auf dem Wasser erreichen, wurde eine gewisse Gefährdung auch für andere Wassersportler*innen angenommen. Ausserdem waren anfänglich die wichtigen Sicherheitsvorkehrungen, um sich im Notfall vom Lenkdrachen zu lösen, noch nicht ausgereift. Doch Sicherheitsstandards und Material wurden weiterentwickelt und die damaligen Bedenken sind heute überholt. Die Erfahrung zeigt, dass das Fahren mit Drachensegelbrettern nicht riskanter ist als andere Sportarten (zur Verletzungsgefahr siehe nachfolgend Rz. 35), zudem ist die Umweltbelastung weniger hoch als der Motorboot- oder Segelsport (AB 2012 S 830; Motion «Gleichstellung des Kitesurfens mit anderen Wassersportarten» [Curia Vista, Gesch.-Nr. 12.3496]).
Veranlasst durch die Motion von Ständerat Hans Hess wurde der Verbesserung der Sicherheitsstandards und dem technischen Fortschritt nun Rechnung getragen und das generelle Verbot auf den 15. Februar 2016 aufgehoben (Motion Hess «Gleichstellung des Kitesurfens mit anderen Wassersportarten» [Curia Vista, Gesch.-Nr. 12.3496]; AB 2012 N 2239). Aus der Aufhebung des allgemeinen Kitesurfverbots konnte jedoch kein neues (Grund-)Recht auf Kitesurfen auf Schweizer Seen abgeleitet werden. Wie Gonin es treffend zusammenfasst: «il n’existe pas de droit à faire du kitesurf sur un lac suisse spécifique, pas plus qu’il n’existe, en droit constitutionnel suisse, de droit à acquérir – ou posséder – une arme» (Gonin, Rz. 2177). Die freigegebenen Wasserflächen wurden aus Umweltschutzgründen von einigen Kantonen gleich wieder beschränkt. Dies, weil sich in vereinzelten Fällen die Schirme der Kitesurfer*innen in den Schilfgürteln der Schutzzonen verfingen. So hat etwa der Kanton Luzern das Kitesurfen auf dem Sempachersee im Jahr 2011 verboten (vgl. Vernehmlassungsentwurf Kt. Luzern, 7). Die Umweltbedenken sind in einigen Kantonen sogar so gross, dass das Kitesurfen auf dem gesamten Hoheitsgebiet verboten wird; so z.B. im Kanton Aargau (vgl. Botschaft an den Grossen Rat, Kt. Aargau, S. 11).
Konkret sind gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. g WZVV folgende Spots für Kitesurfende gesperrt: Bielersee: Hagneckdelta und St. Petersinsel (vis-à-vis La Neuveville); Bodensee: Ermatingerbecken (TG), Stein am Rhein (SH, TG), Alter Rhein: Thal (SG), Rorschacher Bucht / Arbon (SG); Genfersee: Rive droite du Petit-Lac (GE, VD), Rive gauche du Petit-Lac (GE), Pointe de Promenthoux (VD), les Grangettes (VD, VS); Lac de la Gruyère à Broc (FR); Lago Maggiore: Bolle di Magadino (TI); Murtensee: Chablais (FR), Salavaux (VD); Neuenburgersee: Fanel - Chablais de Cudrefin, Pointe de Marin St. Blaise (BE, FR, VD, NE), Chevroux jusqu’à Portalban (FR, VD), Yvonand jusqu’à Cheyres (FR, VD), Grandson jusqu’à Champ-Pittet (VD); Thunersee: Kanderdelta bis Hilterfingen (BE).
Es ist noch darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung des allgemeinen Kitesurfverbots nur auf Binnengewässer sowie auf den Genfer-, Luganer- und Langenseen gilt. Auf dem Bodensee ist das Kitesurfen grundsätzlich immer noch untersagt (Art. 16.02 Abs. 5 Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee vom 17. März 1976 [Bodensee-Schifffahrts-Ordnung, BSO; SR 747.223.1]). Einzig durch eine behördliche Ausnahmebewilligung (Art. 16.02 Abs.1 BSO) kann in bestimmten Uferbereichen das Kitesurfen erlaubt werden.
B. Luftfahrtregelungen
Die Benutzung des Luftraums über der Schweiz ist für Luftfahrzeuge und Flugkörper gesetzlich geregelt; das UVEK erlässt die entsprechenden Verkehrsregeln (für Drachen gilt die Verordnung des UVEK vom 24. November 1994 über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien [VLK; SR 748.941]). Luftfahrzeuge sind Fluggeräte, die sich durch Einwirkung der Luft in der Atmosphäre halten können (Art. 1 Abs. 2 LFG). Der Lenkdrache, auch Kite genannt, fällt per Definition unter das Luftfahrtgesetz und wird den Drachen sowie den Drachenfallschirmen assimiliert. Im Anhang zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Verordnung vom 14. November 1973 über die Luftfahrt (Luftfahrtverordnung, LFV; SR 748.01) werden diese als Luftfahrzeuge ohne motorischen Antrieb bezeichnet, die schwerer als Luft sind. Das Kite schwebt in der Regel mit einer Segelfläche von 4 bis 18m2 in einer Höhe von 25m bis 30m über die Kite-Sportler*innen, welche durch ein Trapez an die Leinen des Drachens gekoppelt sind. Mit der Lenkvorrichtung können sie das Kite seitlich bewegen, um sich fortzubewegen. Je nach Grösse und Windverhältnissen kann der Drache die Sportler*innen für die Zeit eines Sprunges in die Lüfte heben, doch in der Regel fahren die Kiter*innen über das Wasser oder Gelände und bleiben mit dem Boden verbunden.
C. Gewässer- und Schifffahrtsregelungen
1. Definition laut Schifffahrtsregelung
Laut Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 16 BSV ist das Drachensegelbrett «ein Segelschiff mit geschlossenem Rumpf, das von nicht motorisierten Fluggeräten (Flugdrachen, Drachensegel oder ähnlichen Geräten) geschleppt wird; das Fluggerät ist über ein Leinensystem mit der Person verbunden, die auf dem Drachensegelbrett steht.» Zu beachten ist hierbei, dass es vom Gesetzgeber als Segelschiff i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 9 i.V.m. Ziff. 1 BSV definiert wird (siehe hierzu Gfeller, Rz. 12). In den Regelungen bezüglich der Schifffahrt auf dem Genfersee (Reglement über die Schifffahrt auf dem Genfersee vom 7. Dezember 1976 [SR 0.747.221.11]), auf dem Bodensee (Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee vom 17. März 1976 [Bodensee-Schifffahrts-Ordnung, BSO; SR 747.223.1]) sowie auf dem Langen- und Luganersee (Abkommen zwischen der Schweiz und Italien betreffend die Schifffahrt auf dem Langensee und dem Luganersee vom 2.12.1992 [SR 0.747.225.1]) wird der Begriff Drachensegelbrett oder Kitesurf nicht definiert; es kann aber unter dem Begriff Segelfahrzeuge subsumiert werden. Dem Wortlaut der BSV entsprechend ist das gesamte Konstrukt, sowohl das Brett als auch der Lenkdrache, der Verordnung unterstellt. Bewegen sich die Kiter*innen also mit ihrem Surfbrett mitsamt Drachen im Luftraum über Schweizer Gewässern, unterstehen sie grundsätzlich dem Binnenschifffahrtsgesetz; dementsprechend gilt die Luftfahrtregelung für Drachensegelbretter nur subsidiär.
Für ein konkreteres Rechtsverständnis ist hier als Voraussetzung wiederum zwischen den folgenden drei Funktionen zu unterscheiden: Die Kiter*innen können ihre Lenkdrachen (1) im seichten Gewässer aufsteigen lassen oder (2) auch mit einem Begleitschiff aufs offene Gewässer gebracht werden, um dort starten zu können. Bietet sich das Gelände an, so können die Kitesurfer*innen (3) aber auch den Drachen an Land starten, um anschliessend ins Wasser zu steigen. Bei diesen Szenarien obliegt es grundsätzlich den Gemeinden, entsprechende Einwasserungs- und Anlegezonen auszuscheiden, damit die Drachensegelbretter den regulären Schiffsverkehr nicht behindern (Art. 54 Abs. 2ter BSV i.V.m. z.B. Anhang 5 zum Urner Reglement über die Beschränkung der Schifffahrt und des Surfersports [SR/UR 50.2115]; für eine Übersicht der kantonalen und kommunalen Verordnungen siehe Kitesurfclub Schweiz, Factsheet; vgl. auch Gfeller, Rz. 65).
Durch die grundsätzliche Definition als Segelschiff drängt sich schliesslich die folgende kuriose Frage auf: Gilt das Drachensegelbrett auch als Schiff, wenn es sich nicht auf Wasser, sondern an Land befindet? Hier sind wieder zwei Szenarien zu unterscheiden: Laufen die Kiter*innen mit ihren Brettern unter dem Arm zum Wassereinstieg, so ist davon auszugehen, dass dies anderen Schiffen, die an Land auf einem Anhänger liegen, gleichgesetzt wird und Drachensegelbretter damit ihre Qualifikation als Schiff nicht verlieren. Lenken die Kiter*innen den Lenkdrachen jedoch zu Übungszwecken an Land, so handelt es sich definitionsgemäss um einen Drachen unter Anwendung des LFG (zur Frage der rechtlichen Qualifikation von Bodydrag siehe nachfolgend Rz. 43 ff.).
2. Verhaltensregeln gemäss BSV
Aus den Vortrittsregeln (Art. 44 Abs. 1 lit. f BSV) geht hervor, dass Drachensegelbretter sowie Segelbretter keinen Vortritt geniessen und allen anderen Schiffen auszuweichen haben. Besonders wichtig ist dabei, aus Sicherheitsgründen den Abstand zu Hafeneinfahrten zu wahren. Ebenso ist das Kitesurfen nur bei Tag, zwischen 8.00 und 21.00 Uhr, sowie bei klarer Sicht erlaubt (Art. 54 Abs. 1 BSV).
Unklar ist hingegen der Gesetzeswortlaut betreffend die Pflicht zur Mitführung von Rettungsgeräten, welche grundsätzlich für alle Schiffe gilt (Art. 134 Abs. 4 BSV). Zwar werden «wettkampftaugliche Wassersportgeräte», worunter auch Drachensegel- und Segelbretter zählen, von dieser Pflicht entbunden (gemäss Binnenschifffahrtsverordnung: Art. 134 Abs. 2 i.V.m. 134a Abs. 1 BSV; für den Bodensee: Art. 13.20 Abs. 5 Bst. a BSO; für den Genfersee verweist das Reglement über die Schifffahrt auf dem Genfersee auf das BSV und für den Langen- und den Luganersee verweist Art. 4 Abs. 2 des Abkommens auf das BSV). Weiter wird allerdings angefügt, dass ausserhalb der Uferzone anstelle von Rettungsgeräten mit mindestens 75 Newton Auftrieb das Mitführen von Schwimmhilfen zulässig ist. Es ist nicht abschliessend geklärt, ob daraus abgeleitet werden muss, dass wettkampftaugliche Wassersportgeräte ab einer Entfernung von 300m vom Ufer doch eine Schwimmhilfe z.B. in Form einer ISO-zertifizierten (SN EN ISO 12402-5:2006 in der Fassung vom November 2006) Rettungsweste mitzuführen haben. Hier bleibt anzumerken, dass der Neoprenanzug bereits einen gewissen Wasserauftrieb hat und auch das mit Luft gefüllte Kite sowie viele Surfbrettmodelle eine Schwimmhilfe bieten. In Frankreich gilt der Neoprenanzug bereits als anerkannte Rettungshilfe (Article 204-2.05 II de la Division 240, Règles de sécurité applicables à la navigation en mer sur des embarcations de longueur inférieure ou égale à 24m).
Drachensegelbretter müssen gut sichtbar mit Namen und Adresse der Eigentümer*innen oder Halter*innen beschriftet sein (Art. 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Bst. d BSV; Bodensee: Art. 2.01 Abs. 1 Bst. b BSO; Genfersee: Art. 18 Abs. 3 Reglement über die Schifffahrt auf dem Genfersee; Langen- und Luganersee: Art. 17 Abs. 5 Bst. c Internationales Reglement über die Schifffahrt auf dem Langensee und dem Luganersee [SR 0.747.225.1]). Durch die Beschriftung können herrenlose Drachensegelbretter auf den Gewässern identifiziert werden, was u.a. die Arbeit der Polizei- und Rettungskräfte unterstützt sowie unnötige Such- und Rettungsaktionen vermeiden kann (Märki/Wyss, Jusletter, Rz. 21). Als weitere allgemeine Verhaltensregeln gelten: das Verbot in fahrunfähigem Zustand (infolge Alkohol-, Betäubungsmittel- oder Arzneimitteleinfluss, siehe Art. 40a BSV) zu kiten und das Nachtfahrverbot (Art. 54 Abs. 1 BSV gestattet das Kiten nur bei Tag zwischen 8:00 und 21:00 Uhr und nur bei klarer Sicht).
3. Rechtsvergleichender Einblick in nationale Regelungen der Nachbarländer
Auch in den Nachbarländern ist das Kitesurfen grundsätzlich erlaubt, doch die örtlichen Behörden können die fahrbaren Zonen eingrenzen. Zu unterscheiden ist die Ausübung des Kite-Sports innerhalb und ausserhalb der Uferzone. So obliegt in Frankreich z.B. den Bürgermeister*innen die Kompetenz, surfbare sowie surffreie Zonen zu unterscheiden und demensprechend abzustecken (art. L 2213 – 23 du Code général des Collectivités territoriales).
In Deutschland werden im Fahrwasser ebenfalls gewisse Wasserflächen freigegeben, um das «Surfen mit einem von einem Drachen gezogenen Surfbrett» (§ 2 Abs. 1 Ziff. 21c der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) vom 3. Mai 1971) sowie das Wasserskilaufen und dergleichen zu ermöglichen. Das Kiten in den Uferzonen ausserhalb des sog. Fahrwassers ist laut § 31 Abs. 1 SeeSchStrO grundsätzlich erlaubt. Im österreichischen Schifffahrtsgesetz werden Drachensegelbretter als «Schwimmkörper» bezeichnet, welche wie Flosse und andere fahrtaugliche Konstruktionen, Zusammenstellungen oder Gegenstände mit oder ohne Maschinenantrieb, die weder als Fahrzeuge noch schwimmende Anlagen qualifiziert sind (§ 2 Ziff. 12 Bundesgesetz vom 30. Juni 1997 über die Binnenschifffahrt (Schifffahrtsgesetz) und § 3 Abs. 4 Ziff. 2 Verordnung vom 15. April 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend eine Seen- und Fluss-Verkehrsordnung; SFVO). Allgemein sind die weiteren Regelungen in den deutschsprachigen Nachbarländern den schweizerischen sehr ähnlich. Analog zur Schweiz geben die nationalen Regeln zur Binnenschifffahrt den Rahmen vor und durch Vernehmlassungen werden örtliche Regelungen z.B. zu Startgassen gesetzt. Als gemeinsame Regel ist hervorzuheben, dass alle Nachbarstaaten zeitliche Beschränkungen (§ 31 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 1 SeeSchStrO; articolo 24 Ordinanza di sicurezza balneare e disciplina generale delle attività diportistiche, ordinanza No 67/2011, Ministero delle infrastrutture e dei trasporti capitaneria di porto di Cagliari) eingeführt haben und das Kiten bei Nacht oder verminderter Sicht verbieten. Auch schreiben die Vortrittsregeln aller Länder vor, dass die Kite- und Segelsurfer allen anderen Schiffen auszuweichen haben (§ 31 Abs. 2 SeeSchStrO i.V.m. den Internationalen Regeln vom 20. Oktober 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See [Kollisionsverhütungsregeln – KVR]; articolo 26 ordinanza No 67/2011; Instruction no 00-119 J.S. du 2 août 2001, Recommandations pour la pratique des glisses aérotractées [kitesurf, char à cerf-volant]).
Bemerkenswert ist die italienische Regelung, welche eine Altersbeschränkung für das Surfen mit Drachensegelbrettern eingeführt hat. So ist in Italien das Kitesurfen erst ab vollendetem vierzehnten Lebensjahr erlaubt (art. 23 ordinanza No 67/2011: «L’uso delle tavole con aquilone, di seguito denominate kitesurf, è consentito esclusivamente a coloro i quali abbiano compiuto i 14 anni di età.»; art. 1 ordinanza N° 31/2007, Ministero dei trasporti, ufficio circondariale marittimo di Piombino), je nach örtlicher Regelung erst ab vollendetem sechzehnten (art. 11 al. 2 lit. a Ordinanza di sicurezza balneare N° 68/2017, Ministero delle infrastrutture e dei trasporti capitaneria di Porto di Trieste). Allerdings unterscheiden sich die italienischen Vorschriften zur Ausübung des Kite-Sports ebenfalls je nach Region. Wie in allen übrigen Nachbarländern werden die Vorgaben des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur, in diesem Fall das «Regolamento Diporto Nautico”, jeweils durch die örtliche Hafenmeisterei oder Küstenwache in Verordnungen, sog. «ordinanza di sicurezza balneare», ortsspezifisch umgesetzt.
In Frankreich ist die gesetzliche Regelung zur Sicherheit der Strände für Badegäste sowie über Schwimmkörper aller Art ebenfalls den örtlichen Bürgermeister*innen bzw. der Stadtverwaltung vorbehalten (art. L2213-23 du Code Général des Collectivités Territoriales; s.a. Cadre réglementaire de la pratique du surf et des activités de vagues, Direction technique nationale, 2007). Allerdings ist deren Zuständigkeit auf eine 300m breite Uferzone beschränkt. Zu bemerken ist, dass auf offenem Gewässer das Mitführen von Schwimmkörpern sowie von Lichtsignalen Pflicht ist (art. 240-2.05 II de la Division 240, Règles de sécurité applicables à la navigation en mer sur des embarcations de longueur inférieure ou égale à 24m). Zudem hat Frankreich auf nationaler Ebene besondere Vorsichtsregelungen eingeführt und sensibilisiert die Kitesurfer*innen für diverse ökologische Anliegen (art. 17 de la loi no 84-610 du 16 juillet 1984 modifiée pour la discipline: cerf-volant de traction [glisses aérotractées] le 19 décembre 2002; décret no 2002-1269 du 18 octobre 2002). Als Besonderheit gilt schliesslich die allgemein beschränkte Kite-Höchstgeschwindigkeit von 5 Knoten in der Uferzone, welche nur durch Ausnahmebewilligungen der örtlichen Behörde aufgehoben werden kann (Instruction no 00-119 J.S. du 2 août 2001, Recommandations pour la pratique des glisses aérotractées [kitesurf, char à cerf-volant]). Solche Regelungen finden sich ebenfalls in italienischen Verordnungen. Diese beziehen sich allerdings im Gegensatz zu Frankreich nicht auf die gesurfte Kite-Geschwindigkeit, sondern auf die gemessene Windgeschwindigkeit. In einigen Regionen Italiens ist das Kitesurfen sogar nur mit einer gemessenen Windgeschwindigkeit von bis und mit 20 Knoten gestattet (vgl. z.B. articolo 24 ordinanza No 67/2011).
Aus den geschilderten Regelungen wird ersichtlich, dass die Normen in den Nachbarstaaten nicht harmonisiert sind und demzufolge die Kiter*innen an jedem neuen Spot in Europa die einschlägigen Regelungen zur Kenntnis nehmen müssen.
D. Allgemeine Verhaltensregeln der Kiter*innen
Ob das Kite als Luftfahrzeug oder Segelschiff bezeichnet wird, kommt demnach auf die konkreten Umstände an. Bei der Fortbewegung über Wasser oder Land mittels Windkraft im Drachen in Kombination mit einem Brett werden jeweils die unterschiedlichen Rechtshoheitsräume von Luft, Wasser und Land tangiert. Entsprechend vielfältig gestaltet sich auch die Diskussion der vergleichenden Rechtszusammenhänge. Da Kiten keiner bisherigen Sportart eindeutig zugeordnet werden kann, ist auch die Rechtspraxis gefordert, das evolutive Normverständnis abzugleichen und mit Blick auf die Bedürfnisse der Kite-Sportler*innen für Rechtssicherheit zu sorgen. Dies gilt auch für das Wingfoilen und andere Wassersportarten, die erst noch erfunden werden. Verhaltensregeln finden sich in der LFV sowie BSV, ausserdem wird durch das Kiten auf gewissen Verkehrsflächen ebenfalls das SVG tangiert. Im Falle eines Rechtsstreits können die internationalen Kite-Regelungen des International Kiteboarding Organization (IKO) oder Verband Deutscher Windsurfing- und Wassersportschulen (VDWS) herangezogen werden, so wie es das Bundesgericht mit den FIS-Regeln getan hat (siehe hierzu auch Märki/Wyss, Jusletter, Rz. 14; Kraemer, Rz. 55). Als Verhaltensregel gilt die Beachtung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach Art. 22 BSG und Art. 5 BSV.
Der Kite-Sport hat allgemeingültige Verhaltensregeln, ähnlich den genannten FIS-Regeln, aufgestellt, welche zwar nicht als Rechtsnorm zu qualifizieren sind, aber zur Auslegung der Verantwortung herangezogen werden können. Sie sind auf die Vortrittsregeln der nationalen Binnen- und Seeschifffahrtsnormen ausgerichtet und gelten für alle Kitesurfer*innen. In der Regel hat jede/jeder Kiter*in einen Grundkurs besucht und im Theorieunterricht auch die gültigen Verhaltensregeln und Sicherheitsnormen gelernt.
Verschiedene Verbände wie die IKO oder VDWS vertreten den Kite-Sport auf internationalem Niveau und engagieren sich für die Wassersportschulen. Diese internationalen Verbände setzen sich unter anderem für eine Lizenz ein, welche die Kenntnisstufe der Kitesurfer*innen zertifiziert. Auch weitere Verbände wie die Kitesurf and Snowkite Association e.V. (KSA), der Welt Wassersportverband (WWS-WWC e.V.) oder der Fédération Française de Vol Libre (FFVL) geben Lizenzen aus. Doch auch wenn diese attestierten Einstufungen teilweise als Kriterien für die Zulassung an bestimmten Kitespots (siehe z.B. § 3 Ziff. 6 Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz über die Zulassung und Verwendung von Kitesurfgeräten im Bereich des österreichischen Bodenseeufers in den Gemeinden Fussach, Höchst und Gaissau vom 30. Januar 2015: «Die Verwendung von Kitesurfgeräten ist an die erfolgreiche Absolvierung eines Grundkurses (‹IKO›-Schein) gebunden.») oder für die Vermietung von Kite-Material genutzt werden, so ist eine solche Lizenz nicht verpflichtend. Die Kite-Lizenz dient lediglich als Nachweis für ein verantwortliches Ausüben des Kite-Sports unter allen Sicherheitsaspekten und als Richtwert für die Kitesportler*innen oder ihre Lehrer*innen.
E. Landkiten und Snowkiten
Fahren Kiter*innen mit einem Buggy über festen Boden oder mit Skiern oder einem Snowboard über schneebedecktes Gelände (sog. Snowkiten), sind sie zur Vorsicht verpflichtet und haben auf die freien Flächen zu achten (siehe dazu die internationale Verhaltensregeln des VDWS; Kitesurfclub Schweiz, Verhaltensregeln; diese allgemeine Regeln können auch von der geltenden Rechtsprechung BGE 122 IV 17 E. 2b bb) abgeleitet werden). Ob dabei das Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01) sowie die Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) zur Anwendung gelangen, ist im Einzelfall zu prüfen, denn die Verkehrsregeln gelten grundsätzlich nur für Benutzer*innen öffentlicher Strassen.
Als öffentliche Strassen gelten von Fahrzeugen sowie Fussgänger*innen benutzte Verkehrsflächen, die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen (Art. 1 Abs. 1 und 2 VRV). Fahren Kiter*innen hingegen ausschliesslich auf privatem Gelände, würden diese Regelungen grundsätzlich nicht greifen (z.B. privater See). Auf öffentlichem Gelände, wie bspw. Skipisten, gilt es jedoch zu beachten, dass sich die bundesgerichtliche Rechtsprechung bereits zur Vorsichtspflicht ausgesprochen hat, indem sie die zehn FIS-Verhaltensregeln für Skifahrer*innen und Snowboarder*innen (Verhaltensregeln der Fédération Internationale de Ski, beschlossen am Kongress in Beirut 1967) herangezogen und Art. 26 SVG analog angewendet hat (BGE 106 IV 350 E. 4; BGE 122 IV 17 E. 2b; BGer 6B_345/2012, 9. Oktober 2012, E. 2.2.1). Dieser Bestimmung zufolge müssen sich alle im Verkehr so verhalten, dass sie andere Verkehrsteilnehmer*innen in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindern noch gefährden.
Wird Snowkiten an Berghängen ausgeübt, die ausserhalb des Verantwortungsbereichs von Betrieben von Skilift- und Seilbahnanlagen liegen, ist zu überprüfen, ob die Schneesportler*innen gemäss Art. 1 Abs. 2 Bst. b dem Bundesgesetz über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten vom 17. Dezember 2010 (SR 935.91) unterstellt sind. Die Sorgfaltspflichten nach Art. 2 gelten jedoch nur für Anbieter*innen solcher Aktivitäten (siehe zum Einzelnen die Beiträge zum Skitouren, Variantenfahren und Pistenskifahren im Bergsportkommentar [coming soon]).
III. Haftpflichtrechtliche Fragestellung
A. Haftpflichtversicherungsgebot und Mindestgarantiesumme
Da es wie in jedem anderen Sport kein Nullrisiko gibt, werden nachfolgend die haftpflichtrechtlichen Fragen zum Kite-Sport untersucht. Wie aus der vorherigen Analyse hervorgeht, muss der Kite-Sport grundsätzlich unter dem Aspekt der Luftfahrt- und der Binnenschifffahrtsregelung betrachtet werden. Und aus ebendiesen Regelungen geht hervor, dass Kiter*innen eine private Haftpflichtversicherung mit einer Mindestgarantiesumme abzuschliessen haben.
1. Luftfahrtrecht
Art. 11 VLK i.V.m. Art. 125 Abs. 2 LFV besagt, dass die Haftpflichtansprüche von Dritten auf der Erde vom Halter eines Drachens durch eine Haftpflichtversicherung mit einer Garantiesumme von mindestens 1 Mio. CHF sicherzustellen sind. Interessant hierbei ist, dass die vom UVEK bestimmte Garantiesumme somit höher ist als die von Luftfahrzeugen mit einem Abfluggewicht unter 500kg, welche laut Art. 125 Abs. 1 lit. a LFV auf CHF 750‘000 angesetzt wurde.
Weiter werden gemäss Art. 20 VLK Drachen mit einem Gewicht von weniger als 1kg und einer Steighöhe von weniger als 60m von der Mindestgarantiesumme entbunden. Hier stellt sich die Frage, ob das Kite den Anforderungen entspricht, um von der Mindestgarantiesumme entbunden zu werden. Im Kite-Sport werden zwei Kategorien von Drachen verwendet: die Softkites und die Tubekites. Der Tubekite besteht, wie der Name (tube) vermuten lässt, aus einem Schlauchsystem, welches dem Drachen seine Form und eine grosse Stabilität gibt und ihn zudem auf dem Wasser schwimmen lässt. Sein Gewicht liegt deutlich über 1kg. Das Softkite hingegen ist dem Gleitschirm sehr ähnlich; die eingenähten Luftkammern füllen sich bei Wind mit Luft und sind damit sehr leicht. Der Auslegung von Art. 20 VLK entsprechend wäre also das Snowkiten mit einem kleinen Softkite unter 1kg gar keiner Mindestgarantiesumme unterstellt. Nichtsdestotrotz sind die Halter*innen für die Schäden, die sie verursachen, verantwortlich und eine gute Versicherungsdeckung wird auf jeden Fall empfohlen.
2. Binnenschifffahrtsrecht
Das Drachensegelbrett wird wie erwähnt als Segelschiff angesehen. Segelschiffe dürfen grundsätzlich nur eingewässert werden, wenn die Halter*innen eine Versicherung abgeschlossen haben (Art. 31 Abs. 1 BSG und Art. 153 Abs. 1 BSV). Aus der Botschaft zum BSG vom 1. Mai 1947 (BBl 1974 I 1549 ff.) ist auch ersichtlich, wie das Versicherungsobligatorium für Schiffseigentümer*innen und -führer*innen entstanden ist. Im Anschluss an den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoss von Binnenschiffen (Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoss von Binnenschiffen [SR 0.747.205]; AS 1972 883) im Jahr 1972 wurde drei Jahre später das BSG eingeführt. In der Vernehmlassung zum BSG wurde bereits geklärt, dass Schadenereignisse in der Schifffahrt, welche in der Regel Schiffszusammenstösse oder Kollisionen mit Anlagen des Schiffsverkehrs bedeuten, auf der Verschuldenshaftung beruhen. Für die übrigen Schadenfälle, die nicht unter das Übereinkommen fallen, wurde davon ausgegangen, dass das Obligationenrecht genüge und die allgemeine Kausalhaftung nicht gerechtfertigt sei. Auch war umstritten, ob kantonale Schifffahrtsvorschriften eine obligatorische Haftpflichtversicherung rechtsgültig vorschreiben können. Folglich wurde vorgeschlagen, die Versicherungspflicht in einem besonderen Abschnitt des Gesetzes zu verankern (BBl 1974 I 1549 ff., 1554).
Beim Erlass der BSV wurde dieses Versicherungsobligatorium für einige Kategorien gelockert, insbesondere für Schiffe ohne Maschinenantrieb, für Rafts unter einer Länge von 2,5m und für Segelschiffe ohne Motor, deren Segelfläche 15m2 oder weniger beträgt (Art. 153 Abs. 2 BSV). Da bei Einführung der Kite-Regelungen in der BSV von Seiten der Behörden Sicherheitsbedenken bestanden und mit dem Argument, dass bei Unfällen zumindest die materiellen Schäden abzudecken seien, wurden damals die Drachensegelbretter einer Versicherungsplicht unterstellt, ungeachtet der Ausnahmen von Art. 153 Abs. 2 BSV (Art. 153 Abs. 2bis BSV, s.a. AS 2001 1089). Die Mindestgarantiesumme für das durch Drachensegelbretter verursachte Unfallereignis wurde auf CHF 750‘000 Schadensdeckung gesetzt (Art. 155 Abs. 5 BSV).
Bekanntlich üben die Kitesurfer*innen den Sport meist bei starkem Wind aus und erreichen bei entsprechenden Windverhältnissen recht hohe Geschwindigkeiten auf dem Wasser. Ausserdem stellen die Sprünge, aufgrund des potenziell grossen Aktionsradius und eines eventuellen Kontrollverlustes, je nach den Verhältnissen, eine gewisse Gefährdung auch für andere Wassersportler*innen dar (Bianchi/Müller, S. 15). Diese Gefährdung wird von Expert*innen der Swiss Kitesailing Association sowie der See- und Kantonspolizei jedoch als gering eingeschätzt, da sich Kitesurfer*innen verantwortungsbewusst an die Sicherheitsregeln halten und in der Regel gut geschult wurden (Bianchi/Müller, S. 15). Wie bereits erwähnt, sind die anfänglich bemängelten Sicherheitsvorkehrungen heute längst standardisiert, und dieser Tatsache müsste bei einer allfälligen Revision der BSV Rechnung getragen werden, indem die Drachensegelbretter wie auch Segelbretter vom Versicherungsobligatorium entbunden würden.
B. Ausschluss des Kite-Sports von der Haftpflichtversicherung
Grundsätzlich sind mit Abschluss der meisten privaten Haftpflichtversicherungen die Mindestgarantiesummen nach LFV und BSV gedeckt. Allerdings schliessen eine Grosszahl der Versicherungen Schäden infolge von Kite-Unfällen explizit aus. Der Grund dafür ist nicht auf Anhieb ersichtlich, denn entsprechend Art. 101b Abs. 6 lit. a VVG. liegt nur ein Grossrisiko vor, wenn die Risiken betroffen sind, die unter den entsprechenden Versicherungszweigen der Luftfahrzeughaftpflicht und See-, Binnensee- und Flussschifffahrtshaftpflicht eingestuft sind. Folglich wird auf das BSG sowie das LFG verwiesen, aus denen aber nicht hervorgeht, dass der Kite-Sport in eine Risikogruppe fallen würde.
Genau so wenig fällt das Kiten unter die Bezeichnung eines Wagnisses nach Art. 39 UVG (siehe auch Art. 50 UVV). Denn es ist wie oben aufgezeigt auszuschliessen, dass Kiter*innen ein absolutes Wagnis eingehen, indem sie sich einer definitionsgemässen Gefahr aussetzen würden, welche nicht in einem vernünftigen Mass herabgesetzt werden könnte (laut Definition der SUVA fallen unter anderem folgende Sportarten unter das absolute Wagnis: Base-Jumping; Fullcontact-Wettkämpfe [bspw. Boxwettkämpfe]; Motocrossrennen; Downhill-Biking; Ski-Geschwindigkeits-Rekordfahrten; Tauchen in einer Tiefe von mehr als 40m). Der Kite-Sport kann im Einzelfall höchstens unter das relative Wagnis subsumiert werden, welches die SUVA nur für schützenswerte Handlungen definiert, bei denen die objektiv grossen Risiken nicht auf ein vertretbares Mass herabgesetzt wurden. Entsprechend werden im Falle eines Unfalls die Interessen abgewogen und die konkreten Umstände berücksichtigt. Mit anderen Worten werden die persönlichen Fähigkeiten sowie die Art der Durchführung einer Handlung untersucht. Als besonders grosse Risiken, welche eine Kürzung der Geldleistungen um 50% rechtfertigen, werden folgende Kriterien genannt: die Durchführung einer Sportart oder Tätigkeit bei sehr hohem Tempo, bei sehr ungünstigen Wetterbedingungen, bei mangelhafter Ausrüstung oder bei geringer Erfahrung (Informationen zu relativen Wagnissen auf der Internetseite der SUVA). In solchen Fällen werden die üblichen Regeln oder Vorsichtsgebote von den Sportler*innen in schwerwiegender Weise missachtet. Laut SUVA fallen darunter bspw. «Bergsteigen oder Klettern oder Schneesportaktivitäten abseits markierter Pisten bei schwerwiegender Missachtung der üblichen Gebote (Ausrüstung, Erfahrung etc.) oder Gleitschirm- und Hängegleiterfliegen bei sehr ungünstigen Windbedingungen».
Vergleicht man die Verletzungsstatistiken (Kwiatkowski, passim) und beachtet man die Einschätzung der Expert*innen zur Fremdgefährdung, so scheint der Kite-Sport nicht riskanter als bspw. der Skisport. Die bisher registrierten Kite-Unfälle in der Schweiz und verschiedene Studien zeigen, dass sich die Verletzungshäufigkeit und -schwere in Grenzen hält (Bianchi/Müller, S. 10; siehe auch Pikora/Braham/Mills, S. 80 ff.; Pikora/Braham/Hill/Mills, S. 119 ff.). Folglich scheint der Ausschluss des Kite-Sports aus den privaten Haftpflichtversicherungen unbegründet. Es wird vielmehr für eine Gleichstellung von Kiter*innen und Windsurfer*innen plädiert, denn letztere wie auch die Skifahrer*innen werden von den privaten Haftpflichtversicherungen nicht ausgeschlossen.
Auch wurde die Angleichung an die bereits verbesserten Sicherheitsvorkehrungen bis anhin noch nicht vorgenommen. Insbesondere wurde der Tatsache noch nicht genügend Rechnung getragen, dass die Drachensegelbretter bei weitem nicht unter die Kategorie von Risikosportarten zu subsumieren sind. Die Unfallstatistiken zeigen, dass beim Kiten, wie bei anderen Sportarten auch, das objektive Unfallrisiko auf ein vertretbares Mass herabgesetzt werden kann. Einzig bei unverantwortlichem Handeln der Kiter*innen kann auf ein relatives Wagnis geschlossen werden, das entsprechend eine Kürzung der Versicherungsleistung rechtfertigen würde. Der Ausschluss von den privaten Haftpflichtversicherungen ist unbegründet, doch solange Drachensegelbretter nicht in den gesetzlich Ausnahmenkatalog von Art. 153 Abs. 2 BSV aufgenommen werden, fühlen sich die Versicherungsgesellschaften darin bestärkt, den Ausschluss aufrechtzuhalten. Schliesslich wird nicht nur die Gleichstellung der Drachensegelbretter in haftpflichtrechtlichen Fragen postuliert, sondern auch eine Rechtsangleichung, damit Schweizer Kiter*innen gleichberechtigten Zugang zum europäischen Versicherungsmarkt erhalten.
C. Benachteiligung der Schweizer Kiter*innen auf dem internationalem Versicherungsmarkt
Schliesslich ist auf eine Regelung des Versicherungsobligatoriums in Art. 35 BSG i.V.m. Art. 154 BSV hinzuweisen. Sie besagt, dass Schiffshalter*innen von Schweizer Schiffen, die auf Schweizer Gewässern verkehren, einer vom Bundesrat ermächtigten Versicherungseinrichtung unterstellt werden müssen. Für ausländische Schiffe, in casu Drachensegelbretter, wird eine im Ausland abgeschlossene Versicherung anerkannt, sofern diese die Mindestgarantiesumme aufweist. Durch diese Praxis wird der Markt Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in der Schweiz vorbehalten. Dies stellt die Schweizer Kitesurfenden vor folgende Problematik: Möchten sie von attraktiven Angeboten ausländischer Haftpflichtversicherungen profitieren, werden sie zwar einen weltweiten Haftungsschutz für Schäden durch Kite-Unfälle geniessen, nicht aber für Schäden in der Schweiz. Dies erstaunt, weil sich die Schweiz im Bereich der heutigen grenzüberschreitenden Versicherungsverträge eigentlich zu einer offenen Politik bekennt.
Bis zur LFG-Revision von 2011 wurde ebenfalls vorgeschrieben, dass sich Halter*innen eines im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragenen Luftfahrzeugs gegen die Folgen ihrer Haftpflicht gegenüber Drittpersonen bei einer Versicherungsunternehmung versichert sein müssen, die vom Bundesrat für diesen Geschäftszweig in der Schweiz zugelassenen worden ist (Art. 70 Abs. 2 aLFG). Aus der Botschaft zur Teilrevision des Luftfahrtgesetzes geht hervor, dass «[d]ieser aus dem alten Versicherungsgesetz von 1855 übernommene Wortlaut [...] jedoch obsolet geworden [ist], da der Bundesrat heute keine solchen Bewilligungen mehr erteilt» (BBl 2009 4915 ff., 4941). Durch die Entwicklung auf dem Risikoversicherungsmarkt in den letzten Jahren, besonders durch die Einführung des im Jahr 2003 verabschiedeten OECD-Kodex zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs und der laufenden unsichtbaren Transaktionen, hat der Schweizer Gesetzgeber unter anderem das LFG revidieren müssen. Entsprechend wurden Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland ohne Niederlassung in der Schweiz für die Deckung von Versicherungsrisiken im Zusammenhang mit der Luftfahrt zugelassen (dies gilt bereits für Hochseeschifffahrt, Luftfahrt und grenzüberschreitende Transporte; s. Art. 1 Abs. 1 lit. a Verordnung vom 9. November 2005 über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen [AVO; SR 961.011]).
Das Festhalten am Erfordernis des Geschäftssitzes oder einer Niederlassung in der Schweiz in den Binnenschifffahrtsregelungen ist nicht mehr gerechtfertigt. Die Marktöffnung hat bereits stattgefunden und Versicherungen sollten frei abgeschlossen werden können, «unabhängig davon, ob sich der Versicherer im Staat [...] des Versicherungsnehmers oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet» (BBl 2009 4915 ff., 4941). Somit wären bei der nächsten Revision Art. 35 BSG sowie Art. 154 BSV der Entwicklung anzugleichen und Art. 153 Abs. 2bis BSV aufzuheben.
IV. Weitere Aspekte
Nachfolgend sollen weitere, besondere Aspekte des Kitesurfens untersucht werden. 2017 stellte sich die Frage der rechtlichen Qualifikation von Bodydrag. Ausserdem ist zu bemerken, dass die Ungleichbehandlung des Kitesurfsports im Vergleich zu anderen Wassersportarten bei Reglementierungen des Einwasserungsspots und beim Vogelschutz eklatant erscheint, auch wenn seit 2012 bereits die Motion «Gleichstellung des Kitesurfens mit anderen Wassersportarten» (Curia Vista, Gesch.-Nr. 12.3496) zum Ziel hatte, das Kitesurfen auf den Schweizer Gewässern den übrigen Wassersportarten gleichzustellen.
A. Die rechtliche Qualifikation von Bodydrag>
1. Das Urteil>
2017 musste das Bezirksgericht la Broye die Frage klären, ob das «Bodydragen» als «Kitesurfen» rechtlich zu qualifizieren ist und somit den Binnenschifffahrtsregelungen untersteht. Denn Mitte September 2017 wurde ein Kitesurfer von der Freiburger Polizei verzeigt, weil er angeblich in einer für die Schifffahrt gesperrten Zone in der Nähe des Strandes von Protalban (Freiburger Gewässer des Neuenburgersees) mit seinem Drachensegelbrett verkehrte. Per Strafbefehl vom 27. Oktober 2017 wurde er der Übertretung des Binnenschifffahrtsgesetztes (Art. 40 Abs. 1 BSG) schuldig gesprochen und zu einer Busse von CHF 100 sowie zur Bezahlung der Verfahrenskosten verurteilt. Gegen diesen Strafbefehl erhob der Kitesurfer Einsprache vor dem Bezirksgericht la Broye (Urteil des Bezirksgericht la Broye vom 20. Dezember 2017). Entsprechend seinen Angaben hatte er sich vorerst in den freien Gewässern bewegt, bevor er von seinem Brett stieg und sich durch einen Teil der für die Schifffahrt gesperrten Zone ziehen liess (Bodydrag), um schliesslich zu Fuss, mit dem Brett unter dem Arm, das Ufer zu erreichen. Da nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass der Beschuldigte in der gesperrten Zone auf seinem Brett stand, wurde er von der angerufenen Richterin freigesprochen. Das Gericht hielt ausserdem fest, dass das Überqueren der für die Schifffahrt gesperrten Zone zu Fuss nicht unter das Schifffahrtsverbot fällt und somit nicht strafbar ist.
Dieser Freispruch liess nicht nur den Beschuldigten, sondern auch die gesamte Schweizer Kitesurfgemeinschaft aufatmen. Allerdings hinterbleibt nicht nur ein schaler Nachgeschmack, sondern auch die Ungewissheit, wie Bodydrag rechtlich zu qualifizieren ist.
2. Rechtliche Analyse
Kitesurfer*innen, welche sich mit ihrem Brett mitsamt Drachen im Luftraum über Schweizer Gewässer bewegen, werden nicht als Luftfahrzeug entsprechend dem Luftfahrtgesetz, sondern als Wassergefährt definiert, welches den Binnenschifffahrtsregelungen untersteht. Beim Bodydrag lassen sich die Sportler*innen von einem Drachensegel im Wasser ziehen, ohne dabei auf dem Surfbrett zu stehen. Laut Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 16 BSV ist das Drachensegelbrett «ein Segelschiff mit geschlossenem Rumpf, das von nicht motorisierten Fluggeräten (Flugdrachen, Drachensegel oder ähnlichen Geräten) geschleppt wird; das Fluggerät ist über ein Leinensystem mit der Person verbunden, die auf dem Drachensegelbrett steht.» Entsprechend dem Gesetzeswortlaut ist ein Drachensegelbrett nur als solches zu bezeichnen, wenn die Kiter*innen auf ihrem Brett stehen. In der französischen und italienischen Fassung des Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 16 BSV wird nicht ausdrücklich verlangt, dass die Kitesurfer*innen auf dem Brett stehen, sondern sich lediglich auf dem Brett befinden. Es ist aber davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier die Fortbewegung auf dem Brett beschreiben wollte. Das sog. Bodydrag wird darin nicht eingeschlossen. Daraus ist grundsätzlich abzuleiten, dass ein Drachensegel ohne Brett oder mit dem Brett unter dem Arm kein Drachensegelbrett sog. «Kitesurf» im Sinne des Gesetzes ist und demzufolge nicht mehr den Binnenschifffahrtsregelungen bzw. dem Schifffahrtsverbot untersteht.
Führt man diese Überlegung weiter, so scheint der Zweck, der von den Gemeinden ausgeschiedenen Einwasserungs- und Anlegezonen (Art. 54 Abs. 2ter BSV), damit die Drachensegelbretter den regulären Schiffsverkehr nicht behindern, unterminiert. Laut Art. 54 Abs. 2ter BSV sind die zuständigen Behörden befugt, «das Fahren mit Drachensegelbrettern in den Uferzonen auf behördlich bewilligte und als solche gekennzeichnete Startgassen zu beschränken.» Denn in der Uferzone ist das Kitesurfen, ausserhalb bewilligter Startgassen bzw. Zufahrtskorridore verboten (Art. 54 Abs. 2 BSV). Es liegt im öffentlichen Interesse, dass die zuständigen Behörden die Schifffahrt auf ihren Gewässern, insbesondere in sensiblen Gewässerbereichen (z.B. Uferzonen mit Vogelschutzgebieten) oder in Zonen mit besonderen Risiken (z.B. Badestrände während der Badesaison) das Befahren mit Drachensegelbrettern verbieten oder einschränken dürfen (Erläuternder Bericht, S. 10). Auch wenn Bodydrag nicht unter die Definition des Kitesurfens laut Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 16 BSV fällt, gilt das Schifffahrts- bzw. Kiteverbot auch für Kitesurfer*innen die sich mit dem Brett unter dem Arm oder gänzlich ohne Brett bis in die freien Gewässer ziehen lassen. Zweck der Startgassen ist, dass Kitesurfer*innen nicht uneingeschränkt und überall ins Wasser steigen können.
Vom Bodydrag zu unterscheiden ist schliesslich, wenn Kitesurfer*innen ihre Drachensegel an Land lenken. Dann handelt es sich definitionsgemäss um einen Drachen unter Anwendung des Luftfahrtgesetzes (siehe vorstehend Rz. 9). Nichtsdestotrotz verliert ein Segelschiff nicht seine Qualifikation, nur weil es an Land auf einem Anhänger steht; so auch das Drachensegelbrett. Meines Erachtens ist das Urteil des Berzirkgerichts la Broye so zu verstehen, dass der zu Fuss «gehende» Kitesurfer nicht dem Schifffahrtsverbot untersteht, weil er sich nicht auf den Gewässern bewegt, wo auch Vortrittsregeln gelten. Nichtsdestotrotz untersteht er weiterhin den Binnenschifffahrtsregelungen. Denn ein Drachensegelbrett darf grundsätzlich nur eingewassert werden, wenn der Halter eine Versicherung abgeschlossen hat (Art. 31 Abs. 1 BSG und Art. 153 Abs. 1 BSV), dies unabhängig davon ob er auf dem Brett steht, sich durch das Wasser ziehen lässt (Bodydrag) oder sich zu Fuss mit dem Brett unter dem Arm zum Ufer bewegt.
3. Fazit
Auch wenn das erstinstanzliche Urteil des Bezirkgerichts la Broye die rechtliche Qualifikation von Bodydrag nicht vorangetrieben hat, so wurde festgelegt, dass Kitesurfer*innen, die sich mit ihrem Brett unter dem Arm zu Fuss fortbewegen, nicht gegen das Schifffahrtsverbot verstossen. Doch entsprechend weiterführenden Überlegungen verlieren Kitesurfer*innen ihre Qualifikation als Segelschiff nicht und unterstehen durch das Haftpflichtobligatorium weiterhin den Binnenschifffahrtsregelungen. Lassen sich Kitesurfer*innen mit ihren Brettern unter dem Arm durch das Wasser ziehen (Bodydrag), so sind sie – wie auch das Drachensegelbrett – den Binnenschifffahrtsregelungen unterstellt und müssen sich an Verbote und Vortrittsregeln halten. Demzufolge muss Bodydrag als Kitesurfen qualifiziert werden und kann nicht dazu genutzt werden, die Gemeinderegelungen über Einwasserungs- und Anlegezonen zu umgehen.
B. Ungleichbehandlung gegenüber anderen Wassersportarten
Das Interesse an Trendsportarten wie Kitesurfen, Wingfoilen oder Bugeesurfen (Wyss/Märki, Wassersportkommentar, Rz. [coming soon]) steigt ungebrochen, und obwohl die diesbezüglichen Sicherheitsnormen fortlaufend angeglichen werden, hinken einige der Entwicklung nach. Ziel der Motion «Gleichstellung des Kitesurfens mit anderen Wassersportarten» (Curia Vista, Gesch.-Nr. 12.3496) war es auch, das Kitesurfen auf den Schweizer Gewässern den übrigen Wassersportarten gleichzustellen (AS 2014 261 und Erläuternder Bericht, S. 5; BBl 2015 3158 ff., 3158). Im Rahmen der Revision der BSV vom 15. Januar 2014 wurde bereits das allgemeine Kite-Verbot auf Schweizer Gewässern aufgehoben. Doch das Versprechen, die Drachensegelbretter den anderen Wassersportarten gleichzustellen, wurde u.a. in Sachen Versicherungsobligatorium (Art. 153 Abs. 2bis BSV) sowie Ausübung der Sportart in Schutzgebieten (Art. 5 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 2 Abs. 2 WZVV) nicht eingehalten.
Im Sinne des Vogelschutzes wird das Kitesurfen in einigen Gebieten mit der Begründung verboten, dass die ständigen Richtungswechsel der Drachensegel ein hohes Störungspotenzial für brütende Zugvögel bedeuten (Vernehmlassungsentwurf Kt. Luzern, S. 11; Botschaft an den Grossen Rat, Kt. Aargau, S. 3; Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Mai 2013 Interpellation: Erweiterte Schutzgebietsplanung aufgrund der Gleichstellung des Kitesurfens [Curia Vista, Gesch.-Nr. 13.3197]). Doch es scheint willkürlich, dass Drachensegelbretter als einzige Wassersportart in Schutzgebieten der Kategorie III verboten werden, wenn dort gleichzeitig die Schifffahrt nicht eingeschränkt wird, Motorboote verkehren dürfen und sogar das Wakeboarden erlaubt ist (vgl. das Bundesinventar der Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung vom 15. Juli 2015 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 2 Abs. 2 WZVV). Die Ungleichbehandlung ist besonders eklatant bei der Schifffahrtsregelung am Bodensee: Die Nutzungseinschränkung für Kitesurfende ist räumlich wie auch zeitlich massiv eingeschränkt, dies im Kontrast zu anderen Wassernutzenden wie Segelschiffe, Motorboote, Wakeboarder*innen oder Segelsurfer*innen (Art. 16.01 Abs. 1 und 5 BSO; siehe oben Rz. 8). Die Behörden befürchten negative Einflüsse des Kitesports auf die Brutvögel.
Reservate von nationaler und internationaler Bedeutung sind zu schützen und auch das Wohl der Wildvögel sowie allgemein der Natur liegt den Kitesurfer*innen am Herzen. Auch die Nachhaltigkeit im Kitesport wird von der Kiter*innen-Community mitgetragen (Decurtins, Rz. 1 ff.). Doch die Ungleichbehandlung der Kitesurfenden gegenüber anderen Wasserpostarten ist ungerechtfertigt. In vielen Studien von Vogelwarten im europäischen Raum wird das Kitesurfen isoliert betrachtet, was dazu führt, dass keine wissenschaftliche Schlussfolgerung über die Auswirkungen des Kitesurfens im Verhältnis zu anderen Freizeitaktivitäten in Küstenregionen gezogen werden kann (COWI Study, S. 42). Es gibt keine empirische Beweise, dass das Kitesurfen für Vögel eine grössere Bedrohung darstellt, als andere menschliche Aktivitäten auf dem Wasser (COWI Study, S. 43 f.). Ausserdem wird dem Fakt nicht Rechnung getragen, dass das Kitesurfen bei starkem Wind ausgeübt wird und je mehr Wind auf offenem Wasser weht, desto weniger Vögel im Gebiet rasten und fressen. Diese Tatsache verringert vielerorts die Konflikte zwischen Vögeln und Kitesurfern (COWI Study, S. 44). Es kann festgehalten werden, dass das Kiten nicht schädlicher ist als andere Wassersportarten.