Themen: Familienrecht, Mediation, gesetzliche Entwicklungen, Ratschläge für junge Anwälte, Brodard Avocats.
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Guten Tag, Frau Brodard. Sie sind Mitbegründerin und auf Familienrecht spezialisierte Anwältin bei Brodard Avocats SA. Könnten Sie uns von Ihrem Werdegang erzählen, von Ihren Anfängen bis zur Mitgründung von Brodard Avocats SA?
Nach meinem Jurastudium an der Universität Freiburg und dem Erwerb meines Anwaltspatents arbeitete ich zunächst als Gerichtsschreiberin, bevor ich der Rechtsabteilung der Kanzlei Schellenberg Wittmer in Genf beitrat. Danach schloss ich mich einer bestehenden Kanzlei an und gründete, angetrieben von dem Wunsch nach Expansion und Spezialisierung im Familienrecht, die Kanzlei Brodard Avocats SA. Diese ist ausschließlich auf Fälle im Familienrecht (Scheidung, Trennung) sowie auf nationale und internationale Steuerangelegenheiten spezialisiert.
Was hat Sie besonders am Familienrecht und an der Mediation angezogen?
Das Familienrecht vereint sowohl menschliche als auch technische Aspekte. Den Parteien zu helfen, eine besonders schwierige Phase ihres Lebens zu bewältigen, und gleichzeitig die erforderlichen technischen Fähigkeiten einzubringen, insbesondere bei der Berechnung von Unterhaltszahlungen und der Auflösung des Güterstands, ist meine Hauptmotivation in diesem Beruf.
Mediation und kollaboratives Recht bieten Werkzeuge, die es den Parteien ermöglichen, gemeinsam mit Hilfe eines Dritten nachhaltige und kostengünstigere Lösungen zu finden als eine von der Justiz auferlegte Entscheidung. Seit dem Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung am 1. Januar 2011 hat die gesetzliche Verankerung der Mediation ihr eine Position im Instrumentarium der Justiz verschafft. Sie wird jetzt in Gerichtssälen anerkannt und hat ihre rein psychotherapeutische Konnotation verloren.
Wie beeinflusst Ihre Gerichtserfahrung Ihre Mediationspraxis?
Die Mediation ist in den Artikeln 213 bis 218 der Schweizerischen Zivilprozessordnung geregelt. Sie wird den Parteien als Alternative zur Schlichtung angeboten. Mediation spielt mittlerweile zwei Rollen im Zivilprozess: Sie kann als Alternative zu einem Schlichtungsgesuch oder als Zwischenverfahren im Rahmen eines laufenden Verfahrens in erster oder zweiter Instanz eingesetzt werden.
Die gesetzliche Verankerung der Mediation erhöht zweifellos das Verständnis für diesen Prozess bei Gerichten, Parteien und Anwälten. Mediation wird inzwischen von der Justiz als Hilfsmittel zur Streitbeilegung eingesetzt.
Die Welten des gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahrens sind somit nicht mehr gegensätzlich, sondern arbeiten verstärkt zusammen, um den Parteien zu ermöglichen, ihre Konflikte zu lösen.
Die Gleichberechtigung bei der Wahl des Familiennamens ist ein Thema, das in der Schweiz weiterhin für Diskussionen sorgt. Was ist Ihre Meinung dazu?
Der Fokus sollte auf der freien Wahl der Ehepartner liegen, die heute nur die Möglichkeit haben, entweder einen gemeinsamen Namen anzunehmen oder jeweils ihren eigenen Geburtsnamen zu behalten. Die Abstimmung des Nationalrats im Juni 2024 zur Wiedereinführung des Doppelnamens zeigt, dass die Namensrechtsreform von 2013 nicht mit der gesellschaftlichen Realität der Paare übereinstimmt, die an ihrer durch den Geburtsnamen geschaffenen Identität festhalten, während sie dennoch eine familiäre Einheit bilden wollen.
Was die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf unsere Mandanten betrifft, so liegt die Frage des Namens nicht in der Zuständigkeit des Scheidungsgerichts oder der Schutzmaßnahmen für die Ehe. Es handelt sich um ein ausschließlich persönliches Recht der Ehegatten. Die Frage, ob der zukünftige Ex-Ehegatte seinen Familiennamen behalten möchte, kann manchmal psychologische Probleme aufwerfen, aber die rechtliche Realität besagt, dass jede Person die Freiheit hat, entweder ihren Geburtsnamen wieder anzunehmen oder ihren Ehenamen nach der Trennung beizubehalten. Diese Entscheidung wird oft von der Anwesenheit gemeinsamer Kinder beeinflusst. Es gibt daher keinen Handlungsspielraum in diesem Punkt.
Die Pandemie hat die Digitalisierung der Familiengerichte beschleunigt. Was sind die Vorteile und Herausforderungen dieses Übergangs?
Die Auswirkungen der Pandemie waren besonders gravierend für das Familienrecht, da unzählige Menschen mitten in einer akuten Familienkrise standen. Besonders Eltern, die sich in Trennungs- oder Scheidungsverfahren befanden, waren stärker materiell und emotional betroffen, mit unterschiedlich schweren Folgen für Mütter, Väter und Kinder.
Der Übergang zur digitalen Justiz im Zivilverfahren ermöglichte es, dringende Fälle zu bearbeiten und erhebliche Verzögerungen zu vermeiden.
Der digitale Wandel der Justiz wurde durch die Pandemie angestoßen, ist jedoch Teil einer breiteren und nachhaltigeren Transformation des Justizsystems und der Schweizer Gesellschaft. Um Verzögerungen zu vermeiden und dringende Fälle zu bearbeiten, hat der Schweizerische Bundesrat Fernverhandlungen in Zivilverfahren (RS 272.81) genehmigt.
Dies ist jedoch ein Ausnahmefall, der im Kanton Waadt noch nicht zur Anwendung gekommen ist.
Meiner Meinung nach ist eine "Fernjustiz" im Familienrecht nicht ideal, wo Emotionen geteilt und zum Ausdruck gebracht werden müssen. Viele Vereinbarungen können während persönlicher Verhandlungen getroffen werden.
Im Familienrecht brauchen die Parteien zudem den menschlichen Kontakt, und eine "Fernjustiz" könnte dazu führen, dass Konflikte im Familienrecht zunehmen.
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LawjobsDas Schweizer Familienbarometer 2024 hebt den finanziellen Druck auf Familien hervor, insbesondere im Zusammenhang mit den Kosten für Krankenkassenprämien und Gesundheitsversorgung. Wie beeinflussen diese Zwänge Familienangelegenheiten und Verhandlungen bei Trennungen?
Die Trennung eines Paares führt in jedem Fall zur Schaffung von zwei getrennten Haushalten, was de facto eine Erhöhung der festen Kosten der Familie zur Folge hat, insbesondere im Hinblick auf die Anmietung einer neuen Wohnung. Die Erhöhung der Krankenkassenprämien und Gesundheitskosten stellt einen zusätzlichen Druckpunkt dar, der manchmal zur Folge hat, dass ein Antrag auf Zuschüsse gestellt werden muss, da die Mittel der Familie in Anwesenheit von zwei getrennten Haushalten nicht ausreichen, um alle festen Kosten zu decken.
Die aktuelle Rechtsprechung spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider, insbesondere in Bezug auf die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit oder die Erhöhung der Erwerbstätigkeit des Ehegatten, der seine Arbeitszeit reduziert oder ganz auf Arbeit verzichtet hat, um sich um die Kinder zu kümmern. Außerdem wird das Wechselmodell immer häufiger als Betreuungsregelung für die Kinder eingeführt, was es beiden Elternteilen ermöglicht, ihre Erwerbsfähigkeit zu steigern, um unter anderem die zusätzlichen Kosten, die durch eine Trennung entstehen, zu bewältigen.
Die Anwendung von einvernehmlichen Verfahren ermöglicht es den Parteien jedoch, gemeinsam über Lösungen nachzudenken, um die finanziellen Folgen einer Trennung auf konsensuelle und weniger abrupte Weise zu mildern als durch eine gerichtliche Lösung.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Anwälten geben, die sich auf Familienrecht und Mediation spezialisieren möchten?
Mein Rat ist, sich schnell auf eine Kanzlei zu spezialisieren, die im Bereich des Familienrechts tätig ist. Dann sollte man sich im spezifischen Bereich der Mediation und des Familienrechts weiterbilden. Der Schweizerische Anwaltsverband bietet spezifische Ausbildungen in Mediation und Familienrecht an, die jedoch eine Berufserfahrung in diesen Bereichen voraussetzen. Es ist daher wichtig, diese Bereiche in der Praxis zu erfahren, bevor man diese Ausbildungen absolviert, und die Wahl der Anwaltskanzlei spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Zu den wichtigsten Fähigkeiten zählen eine gute Zuhörfähigkeit, Empathie und die Fähigkeit, die nötige Distanz zu wahren, um eine gesunde Distanz zur jeweiligen Situation zu halten.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Familienrechts in der Schweiz in den kommenden Jahren?
Das Familienrecht wird in den kommenden Jahren wichtige Veränderungen erfahren, insbesondere durch die Anerkennung neuer Familienformen. Der heutige Familienbegriff ist breiter gefasst, insbesondere in Bezug auf die Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren.
Die Einführung der Ehe für alle, das Gesetz zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung und Fragen im Zusammenhang mit der Stiefkindadoption werden zu gesetzlichen Änderungen führen, die die neuen Formen von Familienzellen berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf unverheiratete Eltern.
Die Einführung des „Cochem-Verfahrens“ im Wallis, des Konsensusmodells im Kanton Waadt und das Inkrafttreten des Mediationsgesetzes im Kanton Genf zeigen ein wachsendes Bewusstsein sowohl bei den Justizbehörden als auch bei den Streitparteien für einvernehmliche Verfahren im Familienrecht, insbesondere wenn Kinder betroffen sind.
Was die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf unsere Mandanten betrifft, so liegt die Namensfrage nicht in der Zuständigkeit des Scheidungsgerichts oder der Schutzmaßnahmen für die Ehe. Es handelt sich um ein streng persönliches Recht der Ehegatten. Die Frage, ob der zukünftige Ex-Ehegatte seinen Familiennamen beibehalten möchte, kann manchmal psychologische Probleme aufwerfen, aber rechtlich bleibt es jedem freigestellt, entweder den Geburtsnamen wieder anzunehmen oder den Ehenamen nach der Trennung zu behalten, häufig beeinflusst durch das Vorhandensein gemeinsamer Kinder. Es gibt hier keinen Handlungsspielraum.
Übersetzt von KI