Themen: Karriere, Partner, Bewerbung, Karrieretipps, Work-Life Balance, Bewerbungsprozess, Diversität, No-Gos, Hiring Partner, Geschäftsleitung, Top-Kanzlei, Walder Wyss.
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Lesezeit: 6 Minuten.
Guten Tag Frau Suter-Sieber, wir schätzen sehr, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen konnten. Als Partnerin für Arbeitsrecht und Hiring Partner bei Walder Wyss haben Sie zweifellos eine beeindruckende Karriere hingelegt. Können Sie uns bitte Ihren Karriereweg beschreiben, insbesondere, wie Sie zu einem Mitglied der Geschäftsleitung bei Walder Wyss wurden?
Ich habe parallel Musik (Klavier) und Jura in Zürich studiert. Nach der Anwaltsprüfung kam unser erstes Kind zur Welt und ich habe eine juristische Doktorarbeit zur Hörmarke verfasst. Das war mein Versuch, meine beiden liebsten Disziplinen (Recht und Musik) miteinander zu verbinden. Danach bin ich als junge Anwältin im Bereich Litigation/Arbitration in eine Grosskanzlei eingestiegen und habe mich mit der Zeit im Arbeitsrecht spezialisiert. Ich habe auch heute noch einen starken Fokus auf arbeitsrechtliche Zivilprozesse und profitiere immer noch von der Zeit als reine Prozessanwältin.
Ich bin 2020 als Partnerin für Arbeitsrecht zu Walder Wyss gestossen und wurde gut ein Jahr später in die Geschäftsleitung gewählt. Seither bin ich dort in der Funktion als Hiring Partner tätig. Gegenwärtig setzt sich unsere Geschäftsleitung aus fünf Mitgliedern zusammen, wobei jeder und jede ein bestimmtes Ressort verantwortet. Dass ein Arbeitsrechtler oder eine Arbeitsrechtlerin das Ressort HR/Hiring übernimmt, ist naheliegend. Ausserdem ist es Walder Wyss wichtig, eine gleichmässige Vertretung der Geschlechter, Regionen etc. in den Leitungsgremien sicherzustellen. Unterdessen sind zwei der fünf Mitglieder der Geschäftsleitung weiblich.
Wichtig für junge Talente ist es, nicht in den Arbeitnehmermodus zu schalten, sondern schon als junger Anwalt oder junge Anwältin zu zeigen, dass das Interesse des Klienten im Vordergrund steht und dass die Begeisterung für die Arbeit als Anwalt oder Anwältin spürbar ist. - Dr. Irène Suter-Sieber
Sie haben es bis zur Partnerin geschafft und fungieren als Hiring Partner. Können Sie uns erklären, was es braucht, um in einer angesehenen Kanzlei wie Walder Wyss den Karrieresprung zum Partner oder zur Partnerin zu realisieren.
Bei Walder Wyss werden junge Anwältinnen und Anwälte nach drei Jahren zu Senior Associates befördert. Ab frühestens ca. fünf Jahren machen wir Senior Associates zu Managing Associates. Dies erfordert, dass wir in ihnen das Potential zur Partnerin oder zum Partner sehen. Für die Beförderung in die Partnerschaft sind drei Kriterien entscheidend: (i) Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen von der Persönlichkeit her gut in unsere Partnerschaft passen und integer sein, (ii) sie müssen brillante Anwältinnen und Anwälte sein und (iii) ausgezeichneten Geschäftssinn zeigen.
Wichtig für junge Talente ist es, nicht in den Arbeitnehmermodus zu schalten, sondern schon als junger Anwalt oder junge Anwältin zu zeigen, dass das Interesse des Klienten im Vordergrund steht und dass die Begeisterung für die Arbeit als Anwalt oder Anwältin spürbar ist.
Es braucht ausserdem viel Durchhaltevermögen auf dem Weg in die Partnerschaft und Rückschläge gehören dazu. Häufig fällt diese Zeit zusammen mit dem Zeitraum, in welcher Associates eine junge Familie aufbauen. Das kann die Welt aus den Fugen bringen und einen an den eigenen Ambitionen und Fähigkeiten zweifeln lassen, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann: «Will ich das? Kann ich das?». Viele junge Frauen – aber auch vermehrt junge Männer – ziehen sich dann zurück und verlassen die Wirtschaftskanzlei. Es gab in meinem Leben keine anstrengendere und belastendere Zeit als jene der Schwangerschaften und der Kleinkinderphase. Energie und Ambitionen sind aber zurückgekehrt und ich bin dankbar, dass ich drangeblieben bin. Meine Arbeit gibt mir sehr viel Freude und Befriedigung.
Uns beeindrucken junge Menschen, die sich ihr Studium selbst verdienen mussten, besonderem Druck standhielten, ihre Leidenschaften neben den Studien nicht vernachlässigten und trotzdem hervorragende Leistungen im Studium gezeigt haben. - Dr. Irène Suter-Sieber
Worauf achten Sie bei der Rekrutierung besonders und welche Qualitäten und Fähigkeiten suchen Sie bei neuen Anwältinnen und Anwälten?
Wir schätzen es, wenn sich Bewerberinnen und Bewerber im Anschreiben kurzfassen können und (auch im Bewerbungsgespräch) konkret auf Walder Wyss und die Rechtsdisziplin eingehen, für welche sie sich bewerben.
Unbedingt in den CV gehören sportliche und künstlerische Auszeichnungen, Nebenjobs und Freiwilligenarbeit. Uns beeindrucken junge Menschen, die sich ihr Studium selbst verdienen mussten, besonderem Druck standhielten, ihre Leidenschaften neben den Studien nicht vernachlässigten und trotzdem hervorragende Leistungen im Studium gezeigt haben.
Und natürlich: Ein wichtiges Kriterium ist der Notenschnitt, wobei der Bachelorabschluss und die harten Fächer ausschlaggebend sind. Es versteht sich von selbst, dass wir auch berücksichtigen, dass die Notenvergabe an den verschiedenen Schweizer Universitäten unterschiedlich ausfällt. Es ist nicht zwingend die 5.0, die wir erwarten. Je nach Universität liegt unsere Erwartung darunter oder darüber. Als Daumenregel kann dienen, dass die Bewerberinnen und Bewerber zu den besten 10-20% ihrer Peers zählen sollten.
Sicherlich kein No-Go ist die Nervosität, welche viele Bewerberinnen und Bewerber am Anfang des Bewerbungsgesprächs zeigen. (...) Was nicht gut ankommt und immer spürbar ist, sind zu gut vorbereitete oder ausweichende Antworten. - Dr. Irène Suter-Sieber
Welche No-Gos treffen Sie im Bewerbungsprozess regelmässig an und wie können Bewerbende diese No-Gos vermeiden?
Suboptimal ist es, wenn im Anschreiben ein falscher Kanzleiname steht oder wenn Bewerberinnen oder Bewerber gewisse Beilagen nicht einreichen, wie z.B. den Notenspiegel oder einzelne Arbeitszeugnisse. Das ist alles schon vorgekommen. Ausserdem müssen der CV und das Anschreiben fehlerfrei und sauber formatiert sein, denn das erwarten wir von unseren Mitarbeitenden auch in der täglichen Arbeit.
Sicherlich kein No-Go ist die Nervosität, welche viele Bewerberinnen und Bewerber am Anfang des Bewerbungsgesprächs zeigen. Wichtig ist, dass die Kandidatin oder der Kandidat im Laufe des Gesprächs auftaut und ein persönliches Kennenlernen zulässt. Was nicht gut ankommt und immer spürbar ist, sind zu gut vorbereitete oder ausweichende Antworten. Auf unangenehme und schwierige Fragen ist mir eine unverblümt ehrliche Antwort viel lieber als die substanziierte Replik (z.B.: «Ich habe in dieser Prüfung einfach den Puck nicht gesehen.» statt «Die Prüfungsfrage war unfair und ausserdem war am Vortag mein Hund verstorben.»)
Schon gewusst?
Walder Wyss ernannte kürzlich neue PartnerInnen und KonsulentInnen. Lesen Sie im Per§onalia Beitrag, wer es geschafft hat.
Zu Per§onaliaWas zeichnet Walder Wyss als Arbeitgeberin aus?
Die Grösse und Komplexität der Fälle unterscheidet sich nicht zwischen den Top-Kanzleien. Und klar ist auch: Bei der Qualität und beim Tempo machen wir keine Abstriche. Es ist matchentscheidend, innert kürzester Zeit, die besten und praxistauglichsten Antworten zu liefern. Unsere Anwältinnen und Anwälte müssen diesem Druck standhalten, was ihnen einiges abverlangt, aber diesen Job auch so abwechslungsreich und bereichernd macht.
Es sind andere Stellschrauben, an denen wir drehen, um uns zu einer der attraktivsten Arbeitgeberinnen auf dem Kanzleimarkt zu machen:
- Teilzeitarbeit für bessere Vereinbarkeit von Familie/Akademie/Hobbies und Beruf ist bei Walder Wyss auch auf Stufe Partnerschaft schon längst etabliert. Jüngst sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Anlässlich des jüngsten Associates Meetings haben unsere Mitarbeitenden den Wunsch nach mehr Freizeit/Ferien für Bonus geäussert. Solche Anliegen nehmen wir ernst. Auf den 1. Januar 2024 haben wir ein Konzept in Kraft gesetzt, welches es Associates grundsätzlich erlaubt, bis zu vier Wochen unbezahlten Urlaub pro Jahr zu beziehen. Dabei ist voller Versicherungsschutz auf Kosten von Walder Wyss gewährleistet und selbstverständlich gibt es keinerlei Benachteiligung bei Beförderungsentscheiden. Das Konzept stösst bereits in diesem frühen Stadium auf grossen Anklang.
- Ebenfalls neu per 1. Januar 2024 haben wir unser Associates Exchange Program eingeführt. Es ermöglicht unseren Anwältinnen und Anwälten, für ein paar Wochen auch über die Sprachgrenzen hinweg in einem anderen Walder Wyss Büro in der Schweiz (Genf, Lausanne, Bern, Basel, Lugano, Zürich) zu arbeiten und Erfahrungen sammeln zu können.
- Solche Konzepte, wie die eben dargestellten, setzen voraus, dass wir ausreichend Mitarbeitende haben, welche die anstehende Arbeit erledigen können. Eine klare Absage erteilen wir nach wie vor dem Konzept des "lean staffing". Wir stellen also immer so viele neuen Anwältinnen und Anwälte ein, dass die Arbeit auf genügend Schultern verteilt werden kann. Das führt dazu, dass unser Mittelbau (Senior Associates, Managing Associates und Counsel) sehr gross, stark und wichtig für den Erfolg der Kanzlei ist. Wenn unsere Mitarbeitenden rasch ausbrennen würden und die Kanzlei schon nach wenigen Monaten/Jahren verliessen, würden wir gerade diese wertvollen Mitarbeitenden verlieren. Wir stellen die Leute also ein, um ihnen einen langen Verbleib bei uns bieten zu können.
- Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Handicaps etc. bilden keinerlei Grund, eine Person nicht einzustellen oder nicht zu fördern. Ganz im Gegenteil, wir suchen die Diversität bei unseren Mitarbeitenden und sie macht einen grossen Teil unseres Erfolgs, unseres Wachstums und der guten Unternehmenskultur aus.
- Walder Wyss ist eine der wenigen Grosskanzleien mit einem für Associates und Senior Associates komplett transparenten (d.h. berechenbaren) Bonussystem. Wer mehr arbeitet, soll entsprechend mehr Bonus erhalten. Unsere Anforderungen an die Mandatsarbeitsstunden sind dabei vergleichsweise tief. Zudem sind bei uns auch bürointerne Arbeiten (z.B. Know-how Produkte), die Teilnahme an externen Weiterbildungsveranstaltungen sowie persönliches Marketing (Publikationen, Präsentationen, Roadshows) bonusrelevant.
- Viele fringe benefits haben sich bei Walder Wyss seit Jahren bewährt: Das beginnt bei den frischen Brötchen jeden Morgen, die Kühlschränke sind voll mit verschiedensten Getränken und jeden Freitag gibt es ein TGIF. Einmal pro Woche gibt es in Zürich Lunch für alle – im Sommer ist es Grill auf der Dachterrasse, natürlich immer auch mit einer vegetarischen oder veganen Alternative. Intern gibt es unzählige Weiterbildungsangebote und work from home bis durchschnittlich zwei Tage pro Woche hat sich durchgesetzt.
Mein Mann übernimmt den grössten Teil der Familienarbeit und hält mir den Rücken frei, wofür ich ihm enorm dankbar bin. - Dr. Irène Suter-Sieber
Wie vereinen Sie eine ausgewogene Work-Life-Balance mit Ihrer erfolgreichen Karriere?
Ich erachte es für ausserordentlich wichtig, dass sich alle unsere Mitarbeitenden Freiräume schaffen, abschalten und niemals aufhören, ihren Leidenschaften nachzugehen.
Bei mir sind das Familie, Musik und Sport. Mein Mann und ich haben vier Kinder im Alter zwischen sieben und dreizehn Jahren. Mein Mann übernimmt den grössten Teil der Familienarbeit und hält mir den Rücken frei, wofür ich ihm enorm dankbar bin. Er und die Kinder geben mir (in all dem Chaos, das wir zugegebenermassen immer wieder haben) Frieden und Rückhalt. Die Musik spielt heute in meinem Leben nicht mehr dieselbe Rolle wie früher, aber der Flügel steht nach wie vor im Wohnzimmer und ich spiele mit den Kindern vierhändig. Ich mache seit vielen Jahren Teamsport (v.a. Volleyball und Beachvolleyball) und geniesse die Momente, in denen nur dieser eine Ball wichtig ist.
Welche Trends erkennen Sie im juristischen Arbeitsmarkt und welche Fähigkeiten werden zukünftig besonders gefragt sein?
Ich erwarte, dass die Schulen und Universitäten grösseres Gewicht auf kreatives Denken legen und künstliche Intelligenz-Tools in den Unterricht einbauen. Letztere werden einen grossen Teil der Fleissarbeit ersetzen, die junge Juristinnen und Juristen früher erledigt haben. Deshalb wird es immer wichtiger, dass junge Menschen IT-affin sind und künstliche Intelligenz-Tools im Arbeitsalltag gekonnt einzusetzen wissen. Wichtig bleiben Berufserfahrung, Spezialisierung und Kommunikation.
Herzlichen Dank für die hilfreichen Ratschläge und die wertvollen Einblicke in die Arbeitswelt von Walder Wyss. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!