Themen: Internationale Karriere, Anwalt, Ausland, London, Silicon Valley, Auswanderer, Ausbildungsweg, Law & Economics, Universität St. Gallen, LL.M., UC Berkeley, LALIVE.
Kommentieren Sie gerne auf LinkedIn.
Lesezeit: 3 Minuten.
Guten Tag Herr Estermann. Sie haben an der Universität St. Gallen Law & Economics studiert und in Rechtswissenschaften doktoriert. Trotz weitverbreiteter Gerüchte, dass es nach einem Schweizer Jurastudium schwierig sei, im Ausland zu arbeiten, waren Sie in den vergangenen Jahren sowohl im Silicon Valley als auch in London tätig. Können Sie uns Ihren Ausbildungsweg schildern, insbesondere wie es zu Ihrer internationalen Karriere gekommen ist?
Guten Tag und besten Dank für die Anfrage. In der Tat ist es als Schweizer Jurist:in schwierig im Ausland zu arbeiten. Es ist allerdings nicht unmöglich, erfordert nebst viel harter Arbeit natürlich auch die nötige Portion Glück. Wie so vieles im Leben.
Verschiedene Wege können zu einem internationalen Werdegang führen. Mein Türöffner war wohl der LL.M. an der UC Berkeley , eine der Top-10-Universitäten der USA. Der Abschluss eröffnete mir ungeahnte Optionen. Letztlich habe ich mich dafür entschieden das kalifornische Anwaltspatent nicht auch noch zu machen, sondern direkt im Silicon Valley für eine Softwarefirma zu arbeiten. Ohne Berkeley Abschluss hätte ich die Position nicht gekriegt, was mir auch klar gesagt wurde. Die an der HSG hart erarbeiteten Noten und Titel schienen plötzlich irrelevant, obwohl sie – wie auch meine Berufserfahrung – mir dabei geholfen haben, an die UC Berkeley zu kommen.
Alle Stationen in der Karriere von Dr. Philipp Estermann, LL.M. finden Sie auf seinem LinkedIn Profil.
Wieso haben Sie sich dafür entschieden, eine internationale Karriere anzustreben?
Der Entscheid fiel weniger bewusst, als man vielleicht vermuten würde. Ein diverses und internationales Umfeld fand ich zwar stets spannend und so versuchte ich, während meines HSG-Studiums mehrere Austauschsemester zu machen. Danach folgte ich jedoch dem "klassischen" Schweizer Anwaltswerdegang. Den LL.M. machte ich dann nicht zuletzt auch, weil ein solcher in der Welt der Schweizer Wirtschaftskanzleien zum guten Ton gehörte.
Am Leben im Ausland fand ich sofort Gefallen. Glücklicherweise war das bei meiner Frau, die für eine Med-Tech-Firma in Palo Alto arbeitete, genauso. So haben wir uns als Paar dafür entschieden, das Leben als Auswanderer noch etwas zu verlängern…
Nebst einem international anerkannten Abschluss (i.d.R. ein LL.M. einer bekannten Universität) ist regelmässig ein (zusätzliches) ausländisches Anwaltspatent oder eine Fachausbildung (z.B. ein CIPP) ein Türöffner. - Dr. Philipp Estermann, LL.M.
Welche Schritte sind erforderlich, um als Anwalt im Ausland tätig zu werden und welche Herausforderungen sind Ihnen dabei begegnet?
Meine Erfahrung war, dass im Ausland niemand auf einen Schweizer Anwalt wartet. Nebst einem international anerkannten Abschluss (i.d.R. ein LL.M. einer bekannten Universität) ist regelmässig ein (zusätzliches) ausländisches Anwaltspatent oder eine Fachausbildung (z.B. ein CIPP) ein Türöffner. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, sein Studium oder seine Berufstätigkeit in der Schweiz gezielt international auszurichten (z.B., wenn man internationales Recht studiert oder im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit tätig ist). Eine Blaupause gibt es aber nicht.
Das erforderliche Visum sowie die Arbeitsbewilligung können ein unverhofftes Hindernis darstellen. Zudem ist es wichtig, den relevanten regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Wie erwähnt, braucht es letztlich auch Glück.
Es kursieren gelegentlich Aussagen, dass Absolventinnen und Absolventen eines Jurastudiums in der Schweiz nur begrenzte Möglichkeiten im Ausland haben. Wie sehen Sie diese Behauptung?
Dieser Aussage kann ich leider etwas Wahres abgewinnen. Meine Erfahrung war, dass Absolventen:innen eines Jurastudiums aus einem EU Mitgliedstaat eine bessere Ausgangslage haben, weil sie den grösseren EU Markt abdecken können. Sie sind attraktiver auf dem internationalen Arbeitsmarkt. Selbstredend gibt es vereinzelt auch Konstellationen in denen Arbeitgeber explizit einen Schweizer Abschluss voraussetzen; dies scheint mir aber eher die Ausnahme.
Zentral war, dass ich mich schnell in neue Rechtssysteme und Themenbereiche einarbeiten konnte. - Dr. Philipp Estermann, LL.M.
Wie gehen Sie mit den unterschiedlichen rechtlichen Systemen und den kulturellen Normen verschiedener Länder um?
Insbesondere in meiner Tätigkeit als In-house Counsel, der allein für EMEA zuständig war, musste ich immer wieder in neuen Rechtssystemen juristische Probleme lösen. Zentral war, dass ich mich schnell in neue Rechtssysteme und Themenbereiche einarbeiten konnte. Die Ausbildungen in der Schweiz und den USA haben dabei ebenso geholfen wie meine Berufserfahrung am Gericht, in Wirtschaftskanzleien und In-house.
Inwiefern unterscheidet sich LALIVE von anderen juristischen Arbeitgeberinnen, und inwiefern hat das Unternehmen Ihre Bestrebungen unterstützt, im Ausland zu arbeiten?
LALIVE hat eine internationale Ausrichtung und eine ausgesprochen diverse Belegschaft mit Anwälten:innen aus zurzeit 26 Ländern, die 20 Sprachen sprechen und in 16 Jurisdiktionen zugelassen sind. Seit jeher fokussiert sich die Kanzlei auf die Beilegung internationaler Rechtsstreitigkeiten. Dies manifestiert sich auch in LALIVE’s Büros in Genf, Zürich und London. Entsprechend sind es die Anwälte:innen bei LALIVE gewohnt, büroübergreifend zusammenzuarbeiten und dabei neue Technologien zu nutzen.
Schon gewusst?
Mit dem Programm "International Trainees" bietet LALIVE neue Möglichkeiten für den Einstieg in eine internationale Karriere.
Zum ProgrammWelche persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten halten Sie für entscheidend, um in einer internationalen Anwaltskarriere erfolgreich zu sein?
Offenheit, Sprachgewandtheit, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen scheinen mir essenziell.
Welche Ratschläge möchten Sie Juristinnen und Juristen geben, die eine internationale Karriere anstreben?
Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Oftmals folgt ein Puzzleteil auf das andere, ohne dass man dies hätte planen können. Der erste Schritt ins Ausland mag unsicher sein, aber die Erfahrungen, die man dabei sammeln darf, sind unbezahlbar. Nur Mut. Es lohnt sich!
Es ist schön zu hören, dass es sich lohnt diesen herausfordernden Weg zu gehen. Vielen Dank für die wertvollen Einblicke in Ihre internationale Karriere und die hilfreichen Ratschläge. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!