Literatur
Arter Oliver/Gut Eva, Verantwortlichkeit des Veranstalters von Sportanlässen, in: Kleiner Jan/Baddeley Margareta/Arter Oliver (Hrsg.), Sportrecht Band II, Bern 2018, S. 19 ff.; Banzer Bruno, Einige psychische Ursachen "menschlichen Versagens", Mit einer Untersuchung am Beispiel Gleitschirmfliegen, Diss. Zürich 1993, S. 291 ff.; Bütler Michael/Stiffler Hans-Kaspar, Sportunfall – insbesondere Haftung beim Schneesport, in: Weber Stephan/Münch Peter (Hrsg.), Haftung und Versicherung, Basel 2015, S. 807 ff. (zit. Haftung und Versicherung); Elsener Fabio/Wälchli Dominic, Pisten-Skifahren, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar; Erni Franz, Unfall am Berg: wer wagt, verliert!, in: Haftung am Berg 2013, Beiträge zur Tagung vom 20. November 2013, Barbara Klett (Hrsg.), Zürich 2013, S. 15 ff.; Gehring Kaspar, in: Hürzeler Marc/Kieser Ueli, UVG, Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Zürich 2018; Hess, Hans-Joachim, Handkommentar Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) (zit. Hess, Produktehaftpflichtgesetz); Holzgang Otto, Wildruhezonen: Vom Problem zur Lösung am Beispiel der Gemeinde Flühli LU, in: Umweltrecht in der Praxis, Vereinigung für Umweltrecht (VUR) (Hrsg.), S. 321 ff. (zit: Wildruhezonen); Schmid Jörg/Rüegg Jonas, Fliegen und Landen mit Hängegleitern im Lichte des Besitzesschutz und Zonenordnung – Entscheid des Bundesgerichts vom 23.11.2009 (5A_428/2009), in Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht, S. 62 f., zit: Schmid/Rüegg; Hügi, Thomas, Verantwortlichkeiten von Sportveranstaltern, Sportrecht, Bern 2015; Lötscher, Urs/Zeller, Thomas: Gleitschirmfliegen, 11. Aufl., Zürich 2018; Müller Rahel, Bergsportrecht: Einführung und Grundlagen, in: Anne Mirjam Schneuwly/ Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar (zit. Bergsportrecht); dieselbe, Haftungsfragen am Berg, Diss. Bern 2016 (zit. Haftungsfragen); Nickel Karl/Wohlfahrt Michael, Schwanzlose Flugzeuge, Basel 1990; Niggli, Marcel Alexander/Muskens, Louis Frédéric, in: Niggli, Marcel Alexander/Wiprächtiger, Hans (Hrsg.), Basler Kommentar zum StGB, 4. Aufl., Basel 2018; Nosetti Pascal Die Haftung bei geführten Sportangeboten mit erhöhtem Risiko, Diss. Luzern 2012; Schneuwly Anne Mirjam, Kitesurfen (Drachensegelbrett), in: Anne Mirjam Schneuwly (Hrsg.), Wassersportkommentar; Vuille Miro, Wandern, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar; Schwerer Michael/Mayr Barbara/Peschel Oliver/Graw Matthias, Auswertung von tödlichen Unfällen mit Gleitschirm, Fallschirm und Drachen, in: Flugmedizin Tropenmedizin Reisemedizin, 2015 Stuttgart, S. 225 ff.; Toneatti Michael, Wettkampf in den Bergen, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar.
Materialien
BAZL-Kommentar zu: Aktive CTR ausserhalb der «HX» Betriebszeiten, BAZL-HX-Betriebszeiten; Karten gemäss Luftfahrtrecht (Luftfahrtkarten), Dokumentation «Minimales Geodatenmodell», S. 5; Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL; Verfügung betreffend die Änderung der Luftraumstruktur der Schweiz 2022, Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL, BAZL-054.3-20/4/36/1/1/1; Grundlagen zu Hängegleitern und Wildtieren; Luftraum Schweiz, überarbeitete Version SHV 2022; Luftraumnews Schweiz, Präsentation Chrigel Markoff vom 30. November 2022; Luftraumbroschüre des SHV inkl. vertonter Luftraumkurs, Stand 1. Januar 2023; Merkblatt freier Zugang, Schweizerischer Hängegleiter Verband (SHV); Praxishilfe, Hängegleiten – Wildtiere – Wald, Anleitung zum Erkennen Bewerten und Lösen von Konflikten, BUWAL 1997, zit: Praxishilfe BUWA); Weisung zum Betrieb einer «Flugschule SHV», Vers. 12/2015, Schweizerischer Hängegleiter Verband.
I. Einleitung
Der Traum vom Fliegen ist so alt wie die Menschheit. Bereits Galileo Galilei entwickelte Fluggeräte, um diesen Traum verwirklichen zu können und der Franzose, Louis-Sébastien Lenormand soll 1783 mit einem selbst konstruierten Fallschirm vom Turm des Observatoriums gesprungen sein. Gleitschirmfliegen in der heutigen Form ist hingegen eher eine jüngere Sport- und Freizeitbeschäftigung; entwickelt aus Fallschirmspringen und genutzt als Abstiegshilfe für Alpinisten. Grob lassen sich folgende Disziplinen unterscheiden: Freies Fliegen, Streckenfliegen und Akrobatik. Allen Disziplinen gemein ist, dass beim Gleitschirmfliegen eine horizontale wie auch vertikale Wegstrecke zurückgelegt wird. Dabei ist es nicht nur möglich, eine Strecke im sinkenden Gleitflug zu überwinden, sondern auch mittels Thermik wieder zu steigen und an Höhe zu gewinnen. Dementsprechend ist Gleitschirmfliegen eine Sportart, die überwiegend tagsüber ausgeübt wird.
Nach einem anfänglichen Boom zu Beginn der 1990er Jahre ging die Zahl der Gleitschirmpilot*innen deutlich zurück. Erst seit einigen Jahren nimmt die Anzahl der aktiv Fliegenden wieder zu.
A. Definitionen und Grundlagen
1. Hängegleiter
Gleitschirme werden den Hängegleitern zugeordnet und gehören zu den Fluggeräten, die unmittelbar nach dem Start zur Ausführung von Gleit- oder Segelflügel eingesetzt werden (Art. 6 lit. a Verordnung über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien, VLK; siehe auch Nickel/Wohlfahrt, S. 497). Sie fallen damit in die Kategorie der Fluggeräte, die sich durch Einwirkungen der Luft in der Atmosphäre halten können (Art. 1 Abs. 2 Luftfahrtgesetz, LFG) Als solche zählen sie zu den Luftfahrzeugen besonderer Kategorien und sind gemäss Artikel 1 lit. c LFG zum Verkehr im schweizerischen Luftraum zugelassen, wobei für sie Sonderregeln nach den Artikeln 51 und 108 LFG gelten. Hängegleiterflüge darf ausführen, wer den entsprechenden schweizerischen amtlichen Ausweis besitzt. Das Mindestalter für Ausbildungsflüge beträgt 14 Jahre, wobei hierfür die Zustimmung der Erziehungsberechtigen vorliegen muss. Wer die praktische Prüfung ablegen und damit den Ausweis erlangen möchte, muss mindestens 16 Jahre alt sein (Art. 7 VLK). Hängegleiterpilot*innen haben eine Vielzahl von Flugregeln einzuhalten, welche sich aus unterschiedlichen internationalen und nationalen Regelwerken ergeben.
2. Hike&Fly
In den letzten Jahren hat sich unter einigen Gleitschirmflieger*innen vermehrt das Bedürfnis entwickelt, Wandern, Bergsteigen und Gleitschirmfliegen zu kombinieren. Dies erinnert an die Anfangszeiten des Gleitschirmfliegens, als der Gleitschirm als Abstiegshilfe für die Rückkehr ins Tal für Bergsteiger*innen diente. Der Schweizerische Hängegleiterverband hat den Trend Hike&Fly erkannt und hierfür eine eigene Wettkampfdisziplin ins Leben gerufen. Neben den Flugregelungen, sind für Hike&Fly Pilot*innen entsprechend auch die Regelungen für Wandern und Bergsteigen (Vuille, Rz. 4 ff.) zu berücksichtigen.
B. Flugsparten
Die nachfolgenden Erläuterungen geben einen Überblick über die verschiedenen Sparten. Dies sind einerseits die Gleitschirme als solche, andererseits Miniwing und Speedflying, die ebenfalls mit Schirmen ausgeübt werden. Eine Unterscheidung spielt insbesondere hinsichtlich des Versicherungsschutzes eine Rolle, denn gewisse Schirme dürfen nur nach Absolvieren einer Zusatzprüfung legal geflogen werden. Überdies sind Leistungskürzungen der Unfallversicherung möglich, sollte man mit einem Schirm einer höheren Klassifizierung verunglücken, beispielsweise, wenn frisch brevetierte Pilot*innen einen sogenannten D-Schirm fliegen (Rz. 7).
1. Gleitschirme und deren Schirmklassifizierung
Gleitschirme der heutigen Generation können sich in vielerlei Art unterscheiden, beispielsweise in der Bauart. So gibt es Schirme, deren Profil über vier Leinenebenen geformt werden; Schirme der Sport- oder Wettkampfklasse kommen hingegen häufig nur mit drei oder zwei Leinenebenen aus, was zu weniger Luftwiderstand und Verwirbelungen führt. Weiter produzieren einige Hersteller Schirme, deren Kalotte (Tragfläche aus Nylonstoff) nur aus einem Obersegel bestehen. Vorteil dieser Bauart ist die Materialersparnis, was sich in einem niedrigeren Gewicht bemerkbar macht, weshalb derartige Schirme häufig als Abstiegshilfe beim Bergwandern oder für Hike&Fly eingesetzt werden.
Generell gilt festzuhalten, dass Gleitschirme in der Schweiz von Gesetzes wegen nicht auf die Lufttüchtigkeit geprüft werden (Art. 2 Abs. 2 VLK). Hingegen unterliegen Gleitschirme in Deutschland und Österreich einer Musterprüfung, um zugelassen zu werden. In Deutschland ist für diese Musterprüfung der Hersteller zuständig (vgl. Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgeräten). Damit verfügen in diesem Sinne auch alle in der Schweiz bei einer Flugschule verkauften Gleitschirme über eine Zulassung und eine Schirmklassifizierung.
Klasse A: Einfach zu fliegende Schirme mit hoher passiver Sicherheit und daher geeignet für alle Pilot*innen sowie für die Ausbildung. |
Klasse B: Diese Klasse wird unterteilt in Low-B-Schirme und High-B-Schirme. Erstere können von geübten Pilot*innen geflogen werden, letztere sind in der Regel denjenigen vorbehalten, die über eine regelmässige Praxiserfahrung verfügen und einen aktiven Flugstil pflegen. |
Klasse C: Um Schirme dieser Klasse fliegen zu können, müssen die Pilot*innen über eine sehr grosse Erfahrung verfügen, regelmässig und vorausschauend fliegen sowie anspruchsvolle Flugmanöver beherrschen, um bei Zwischenfällen richtig zu reagieren. |
Klasse D: Nur wenige Pilot*innen verfügen über Fähigkeiten, die es erlauben, Schirme dieser Klasse auch bei turbulenten Bedingungen sicher zu beherrschen und adäquat zu reagieren. |
Die Zuteilung in die vier Schirm-Klassen A-D erfolgt nach einem genormten Verfahren durch unabhängige und für Flugprüfungen an Gleitschirmen qualifizierte Prüfstellen. Einzelheiten hierzu finden sich in der EN 926-2 (Ausrüstung für das Gleitschirmfliegen – Gleitschirme – Teil 2: Anforderungen und Prüfverfahren zur Klassifizierung der sicherheitsrelevanten Flugeigenschaften). Im Ergebnis gibt die Einteilung in die verschiedenen Klassen Auskunft darüber, welche Ansprüche an das Können der Pilot*innen gestellt werden.
2. Miniwing
Seit einigen Jahren hat sich eine neue Kategorie von Gleitschirmen entwickelt, die insbesondere von Laien kaum von den normalen Gleitschirmen zu unterscheiden sind. Diese sogenannten Miniwings weisen eine leicht veränderte Bauweise auf (bspw. kürzere Leinen) und haben eine verkleinerte Fläche. Vorteile sind darin zu finden, dass bei räumlich eingeschränkten Verhältnissen, wie sie im Gebirge vorkommen können, weniger Platz zum Auslegen des Schirms benötigt wird und das Aufziehverhalten schneller erfolgen kann. Das geringere Eigengewicht und die verminderten Packmasse verhelfen dem Miniwing zum idealen Schirm für Hike&Fly Flüge. Andere Faktoren wie eine höhere Abfluggeschwindigkeit oder eine geringere Gleitzahl erfordern gesteigerte Fähigkeiten der Pilot*innen. Rechtlich zählt der Miniwing zu den Gleitschirmen. Eine spezielle Prüfung, wie sie für Speedflying vorausgesetzt wird (vgl. nachstehend Rz. 10), ist nicht erforderlich; der Ausweis für die Sparte Gleitschirmfliegen ist ausreichend.
3. Speedflying
Schirme, die sich zum Speedflying eignen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar fussstartfähig sind, üblicherweise jedoch auf Skiern gestartet wird. Von der Kalottengrösse her sind sie deutlich kleiner als normale Gleitschirme und Mini-Wings. Eine gesetzliche Definition für Speedflying-Schirme gibt es nicht; daher übernimmt der Schweizerische Hängegleiterverband, der die Ausbildung koordiniert, die Sparteneinteilung resp. die Bezeichnung der Hersteller. Infolge der höheren Flächenbelastung von mehr als 8 kg/m2 reagieren Speedflying-Schirme dynamischer auf Steuerimpulse und erreichen höhere Flug- und Sinkgeschwindigkeiten. Dies kann ausgenutzt werden, um während des Flugs mit den Skiern den Boden zu berühren, ein paar Meter zu fahren, um dann wieder abzuheben. Speedflying erfordert ein hohes Mass an fliegerischen und skitechnischen Fähigkeiten, weshalb diese Sportart eine Erweiterung zum Gleitschirmbrevet erfordert. Dies beinhaltet eine theoretische Einführung in die Eigenheiten und Gefahren des Speedflying und eine praktische Schulung. Die Kandidat*in muss danach eine Prüfung bei der Instruktorin ablegen. Nach bestandener Prüfung wird die Kategorie Speedflying als Erweiterung zum Pilot*innenbrevet im Hängegleiterausweis eingetragen.
Wie das Gleitschirmfliegen selbst zählt Speedflying nicht zu den Risikoaktivitäten und wird daher nicht vom Risikoaktivitätengesetz umfasst. Ob sich dies wegen der erhöhten Anforderungen an die Pilot*innen zukünftig ändern wird, steht offen. Beachtet werden muss jedoch, dass der Zustieg zum Startplatz unter die Risikoaktivitätengesetzgebung fallen kann, so beispielsweise dann, wenn im Gebirge eine Bergführerin oder ein Bergführer gegen Entgelt hinzugezogen wird (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a RiskG, Müller Bergsportrecht, Rz. 8).
4. Abgrenzung zu Kiteschirmen
Schliesslich ist eine Abgrenzung zu den Kiteschirmen nötig. Mit diesen ist es ebenfalls möglich, von der Wasser- resp. Erdoberfläche abzuheben und eine gewisse Strecke zu fliegen. Umkehrt können Speedflying-Schirme dazu verwendet werden, um sich von ihnen ziehen zu lassen, wobei für das Kiten auf Wasser eine bestimmte Bauweise (Tube) nötig ist (Schneuwly, Rz. 29), um den Kite steigen zu lassen. Auf Schnee hingegen können sowohl Speedflying-Schirme als auch Kites eingesetzt werden, auch wenn die Verbindung von Schirm resp. Kite zur Pilot*in oder zur Kiter*in in einem anderen Leinensystem besteht (Schneuwly, Rz. 10). Die für das Speedriding ungeeigneten Kites werden somit nicht den Luftfahrzeugen besonderer Kategorien zugeordnet, insbesondere, weil sie nicht für diesen Verwendungszweck hergestellt und in den Umlauf gebracht werden.
II. Öffentliches Recht
A. Luftraumstruktur
1. Luftraumklassen
Um allen Luftraumbenutzer*innen einen möglichst gefahrlosen Zugang zu gewährleisten, ist der Schweizer Luftraum in eine komplexe Struktur aufgeteilt. Die Einteilung erfolgt in die von der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO (International Civil Aviation Organization) definierten Luftraumklassen A (Alpha) bis G (Golf) (für die Schweiz siehe Anhang 1 der Verordnung des UVEK über die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge, VVR). Jede dieser Luftraumklassen hat unterschiedliche Benutzungsbedingungen, welche für alle Luftraumbenutzer*innen gelten. Einerseits sind dies Bestimmungen über Einflugfreigabe und Staffelung der Benutzer*innen untereinander, andererseits Bestimmungen über Flugsicht und Wolkenabstand.
Quelle: Bernhard Bärfuss, Luftraumstrukturen Schweiz, Präsentation vom 28.03.2018
Die Hängegleiter*innen sind grösstenteils in den Lufträumen der Klasse G und E (Echo) unterwegs, denn hier darf ohne Bewilligung geflogen werden. Die mit C (Charly) und D (Delta) klassifizierten Lufträume dürfen nur von Luftfahrzeugen beflogen werden, die mit Funk ausgerüstet sind und eine Freigabe erhalten, wobei die Freigabe von den Pilot*innen individuell angefragt werden kann (vgl. Luftraumbroschüre, SHV, 2022).
2. Flugverkehrszonen
Der Luftraum wird weiter eingeteilt in Verkehrszonen und Flugplätze, namentlich die Kontrollzonen (CTR), Nahkontrollbezirke (TMA), Radio Mandatory Zonen (RMZ) und Luftstrassen (AWY), welche den Flugverkehr um die Flugplätze besonders schützen.
Die CTR und TMA Zonen der internationalen Flughäfen sind rund um die Uhr aktiv, weshalb sie mit «H24» ergänzt werden. Andere Flugplätze wie bspw. Bern, Locarno oder auch Grenchen verfügen über keine fixen Betriebszeiten (vgl. Übersicht in Lötscher/Zeller, S. 175). Ihr Bezeichnung wird deshalb mit «HX» ergänzt.
Bei CTR und TMA mit dem Zusatz HX ist entsprechend immer davon auszugehen, dass diese aktiv sind, resp. deren Aktivierung innert 30 Minuten erfolgen kann. Dies bedeutet, dass unabhängig von den im VFR-Manual publizierten Betriebszeiten Luftfahrzeugführer*innen davon ausgehen müssen, dass die Kontrollzone aktiv ist, wenn das ATIS (Automatic Terminal Information Service) keine gegenteilige Information aussendet. Entsprechend muss auf der TWR-Frequenz aufgerufen werden. (vgl. BAZL-HX-Betriebszeiten). Flugplätze mit lediglich temporären TMA ohne den Zusatz «HX» aktivieren Letztere durch Bekanntgabe via NOTAM bzw. DABS (Lötscher/Zeller, S. 174).
Der Betrieb von Hängegleitern ist unterhalb einer Höhe von 2000 Fuss über dem Bezugspunkt eines Flugplatzes ohne Kontrollzone (CTR) oder mit inaktiver CTR in einem Abstand von weniger als 5 km von den Pisten eines für Flugzeuge bestimmten zivilen Flugplatzes oder während der militärischen Flugdienstzeiten von den Pisten eines für Flugzeuge bestimmten militärischen Flugplatzes untersagt. Für die Helikopterflugplätze beträgt der Abstand 2,5 km vom Flugplatzbezugspunkt (Art. 9 Abs.1 VLK). Ist die Sicherheit hingegen gewährleistet, so können Ausnahmen von diesen Einschränkungen bewilligt werden. Bei Flugplätzen mit Flugverkehrskontrolldiensten von der Flugverkehrskontrollstelle im Einvernehmen mit der Flugplatzleiter*in und bei den übrigen Flugplätzen von der Flugplatzleiter*in direkt (Art. 9 Abs. 2 VLK, ausführlicher z.G.: Luftraumbroschüre, SHV 2022, inkl. dem vertonten Luftraumkurs, Stand 1. Januar 2023).
3. Gefahren- und Sperrzonen, Flugbeschränkungsgebiete
Zusätzlich zur allgemeinen Luftraumeinteilung und zu den Flugverkehrszonen gibt es noch die Gefahren-, Flugbeschränkungs- oder Sperrgebiete, welche in allen Luftraumklassen aktiviert werden können (Art. 10 der Verordnung des UVEK über die Verkehrsregeln der Luftfahrzeuge, VRV-L). In diesen Zonen finden zu gewissen Zeiten für Luftfahrzeuge gefährliche Vorgänge statt, weshalb deren Benützung durch Luftfahrzeuge permanent oder vorübergehend (bspw. wegen einer Flugshow oder anderer Grossanlässe) eingeschränkt wird. Sperrgebiete (LS- P, prohibited area) mit zeitlich befristetem Flugverbot sind in der Schweiz keine festgelegt. Anders die Gefahrengebiete (LS- D, danger area), in welchen zu bestimmten Zeiten militärische Flug- und Schiesstätigkeiten stattfinden. Diese sind sowohl auf der Segelkarte aufgeführt, wie auch im VFR-Guide detailliert umschrieben. Auf eigene Gefahr dürfen diese LS- D mit der nötigen Vorsicht durchflogen werden. Sofern die betroffene Person jedoch nicht über die genauen Aktivitäten und den damit verbundenen Gefahren der LS- D Bescheid weiss, ist dringend von einem Durchflug abzuraten. In den Flugbeschränkungsgebieten (LS- R, restricted area) ist der Flugverkehr durch bestimmte Bedingungen zu gewissen Zeiten eingeschränkt. Teilweise sind diese Beschränkungen zugunsten der Hängegleiter und Segelflieger (LS- R for glider), wenn Lufträume für bestimmte Zeiten für den Instrumentenflugverkehr gesperrt sind und gleichzeitig reduzierte Wolkenabstände für die Hängegleiter gelten (Lötscher/Zeller, S. 174). Weiterführende Informationen zu den Luftraumstrukturen und deren Regelungen sind der Luftraumbroschüre des SHV inkl. dem vertonten Luftraumkurs, Stand 1. Januar 2023 zu entnehmen.
4. Informationspflicht der Pilot*innen
Es obliegt den Pilot*innen, sich vor Flugbeginn mit allen verfügbaren aktuellen Informationen zum Luftraum vertraut zu machen und insbesondere allfällige aktivierte Luftbeschränkungszonen zu prüfen (Art. 8 VVR). Als verfügbare und anerkannte Quellen gelten namentlich:
- Die Segelflugkarte im Massstab 1:300'000 zeigt Flughäfen, Flugplätze, Lufträume mit Klassierung, Sperr-/Flugbeschränkungs- und Gefahrengebiete sowie Luftfahrthindernisse und weitere spezifische Angaben für den Segelflug. Änderungen werden jährlich im Frühling durch Verfügung des BAZL erlassen und gelten als rechtlich verbindlich.
- NOTAM (Notice to Airman) Publikationen bspw. via DABS (Daily Airspace Bulletin Switzerland). Abrufbar unter skyguide, wird täglich um 09:00,13:00 und 16:00 Uhr aktualisiert.
- VFR-Guide und VFR-Manual. Diese enthalten insbesondere Informationen zu Flugfrequenzen, Gefahrenzonen, Wetterinformationsdiensten und Luftraumeinteilung.
Grundsätzlich ist jede Pilot*in verpflichtet, unmittelbar vor dem Flug die neuste Version des DABS zu konsultieren, damit auch kurzfristige Änderungen der Luftraumbeschränkungen beachtet werden können.
B. Wild- Jagd- und Naturschutz
Der Wild-, Jagd- und Naturschutz wird in der Schweiz auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene geregelt. Neben den bundesrechtlichen Schutzzonen (bspw. eidgenössische Jagdgebiete, Schutzgebiete der AuLaV) sind auch die Kantone verpflichtet, Bestimmungen zum Schutz der Wildtiere vor Störungen zu erlassen (Art. 7 Abs. 4 Jagdgesetz, JSG, Art. 4ter Jagdverordnung, JSV, Art. 14 Abs. 2 lit. a Waldgesetz, WaG, Art. 5 Abs. 1 lit. b Verordnung über die eidgenössischen Jagdbanngebiete, VEJ).
1. Wildruhezonen, Wildtierschutzzonen
Wildruhezonen sind Landschaftsausschnitte von besonderer ökologischer Bedeutung, in denen Wildtiere möglichst ungestört leben sollen. Die Nutzung durch den Menschen wird zur Vermeidung übermässiger Störung eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen. Eine zeitliche und eine auf Aktivitäten spezifische Abstufung der Massnahmen ist möglich (Art. 7 Abs. 4 JSG). Die Umsetzung der Wildruhezonen fällt in den Kantonen unterschiedlich aus. Zum einen werden sie durch den kantonalen- und kommunalen Rechtsetzungssprozess (kantonale Jagdgesetze, kommunale Zonenplanung), zum anderen durch behördliche Empfehlungen oder durch freiwillige Vereinbarungen mit Grundeigentümer*innen und Nutzer*innen festgelegt.
Wildtierschutzgebiete bezwecken den Schutz ausgewählter Arten und Lebensräume. So werden auf Bundesebene bspw. die 41 Jagdbanngebiete, gestützt auf Art. 11 JSG bestimmt. Neben der Jagd ist in diesen Gebieten auch die Freizeitnutzung in Form von Begehungsverboten eingeschränkt. Alle bundesrechtlichen, kantonalen und kommunalen Schutz- und Ruhezonen sind für Hängegleiter*innen insbesondere für die Hike&Fly Pilot*innen von Bedeutung, da oft ausserhalb der offiziellen Plätze gestartet und gelandet wird. Die Pilot*innen haben sich bei Start und Landung an die Weggebote und allfällige Begehungsverbote zu halten (vgl. Vuille, Rz. 10). Je nach Schutzzweck des Begehungsverbotes kann auch ein bodennaher Überflug (wenige Meter ab Boden) als problematisch und folglich als Verstoss gegen das Verbot qualifiziert werden.
Die Hängegleiter*innen können nicht nur zu Fuss, sondern auch beim Fliegen eine Bedrohung der Wildtiere und deren Lebensräumen darstellen. Von den Schweizer Wildhütern werden folgende Wildtierarten genannt, welche durch das Überfliegen der Hängegleiter*innen gestört sind: Über der Baumgrenze können Gemsen und Steinböcke aufgeschreckt werden, welche meist mit Flucht auf grosse Distanz in den Wald reagieren. Dabei genügt bereits ein einziger Flug über der Waldgrenze, um eine grosse Herde solcher Huftiere für mehrere Stunden in den Wald zu verjagen (Praxishilfe BUWAL, S. 10 f.). Für die Wildtiere entscheidend ist, ob eine Störung vorhersehbar und damit berechenbar ist oder nicht (Wildruhezonen, S. 323).
Ebenfalls konnten Auswirkungen der Hängegleiter*innen auf die Felsbruten von Steinadler, Wanderfalken und anderen felsbrütenden Vogelarten festgestellt werden. Die relevanten Auswirkungen der Hängegleiter Flüge beschränken sich dabei auf einen Bereich im Umkreis von einigen hundert Metern um den Horst während der Fortpflanzungszeit. Entsprechend sind die meisten Überflugsverbote auf einige hundert Meter über Boden beschränkt. Keine Rolle spielen dabei die Art und Farbe des verwendeten Fluggeräts bzw. Gleitschirms. Rauhfusshühner und Murmeltiere, welche ebenfalls über der Baumgrenze leben, werden durch die Hängegleiter*innen nicht nachweislich gestört (z.G. vgl. Praxishilfe BUWAL, S. 10 ff.).
2. Weitere Schutzgebiete
Neben Wildruhezonen und Wildtierschutzgebieten sind besondere Begehungsregelungen für Naturschutzgebiete, private Schutzgebiete (bspw. von Pro Natura) zu berücksichtigen. Ein spezifisches Start- und Landeverbot gilt in den nationalen Hochmooren, in Kernzonen von Nationalparks, in Wasser- und Zugvogelreservaten, in Auengebieten von nationaler Bedeutung sowie in eidgenössischen Jagdbanngebieten. Ein Verstoss gegen das Start- und Landeverbot in diesen Zonen kann mit Busse bestraft werden (Art. 19 i.V.m. Art. 42 AuLaV und Art. 91 Abs. 1 lit. f. LFG).
3. Übertretung
Übertretungen in den Wildtierschutzgebieten und den rechtsverbindlichen Wildruhezonen (Schutzgebiete und Zonen, welche durch Gesetz, Verordnung oder Verfügung definiert sind) sind strafbar (vgl. Rz. 72). Hingegen geniessen nur empfohlene Schutzgebiete und freiwillige Vereinbarungen mit Nutzer*innen keinen Rechtsschutz. Das heisst, deren Einhaltung kann nur durch Ermahnung und Appellation an die Hängegleiterpilot*innen eingefordert werden. Insbesondere können darauf gestützt keine Strafen oder administrativen Massnahmen durch die Behörden erlassen werden.
Eine Übersicht der Wildtierschutzzonen und Wildruhezonen ist auf dem Geoportal des Bundes zu finden. Mit Klick auf die Wildschutzzone wird u.a. ersichtlich, ob es sich dabei um eine rechtsverbindliche Wildschutz- bzw. Wildruhezone handelt oder lediglich um eine Empfehlung.
Quelle: https://wildruhezonen.ch
Weitere bundesrechtliche Schutzgebiete sind unter dem Filter «AuLaV» oder auf den jeweiligen kantonalen Geoportalen abrufbar.
4. Vereinbarungen SHV/Wildschutzbehörde
Für die Hängegleiterpilot*innen sind die Vereinbarungen des Schweizerischen Hängegleiterverbands (resp. einzelnen lokalen Vereinen) mit den örtlichen Wildschutzbehörden von Bedeutung. Die Regelungen der lokalen Vereinbarungen sind auf den Fluggebietstafeln sowie auf der entsprechenden Club-Homepages zu finden. Eine Übersicht über die Vereinbarungen in der Schweiz ist auch auf dem SHV Airspace sowie auf XContest Airspace abrufbar. Die Vereinbarungen entstehen unter bestmöglicher Berücksichtigung aller involvierten Interessen. Sie beinhalten klare Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Hängegleiterpilot*innen zum Schutz von Wildtieren. Die Vereinbarungen können nur durch Ermahnung und Appellation an die Gleitschirmpilot*innen durchgesetzt werden. Ihre Einhaltung ist aber von grosser Bedeutung. Werden die Vereinbarungen nicht eingehalten, ist zu befürchten, dass zukünftige Wildruhezonen grossflächiger und ausschliesslich durch den Rechtsetzungsprozess definiert werden und der Einfluss der betroffen Gleitschirmclubs und des Schweizerischen Hängegleiterverbands bei deren Realisierung abnimmt. Schliesslich werden dadurch auch bilaterale Ausnahmeregelungen (bspw. für Anlässe und Wettkämpfe) erschwert oder ganz verhindert.
C. Flugverkehrsregeln
1. Sichtflugregeln
Im Luftverkehr wird unterschieden zwischen Sichtflug und Instrumentenflug. Hängegleiter fliegen ausschliesslich unter den Sichtflugregeln (visual flight rules, VFR). Letztere können je nach Luftraumklasse variieren und sind europaweit einheitlich in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. September 2012 (Standardised European Rules of the Air, SERA) geregelt und in der Verordnung des UVEK über die Verkehrsregeln der Flugfahrzeuge (VRV-L) ergänzt. Unter den Sichtflugbedingungen (VMC-Minima) werden die minimalen Wetterbedingungen verstanden, die erfüllt sein müssen, um Flüge nach Sichtflugregeln durchzuführen. Sie setzen sich zusammen aus der Flugsicht und Mindestabständen zu Wolken. Grundsätzlich gilt im Luftraum C, D, E sowie G von 300 bis 600m ab Grund ein Wolkenabstand von 300m vertikal und 1.5 km horizontal. In den aktiven LS-R für Segelflug gelten reduzierte VMC-Minima von 50m vertikal und 100 m horizontal. Im Luftraum G gilt bis zu 300 m ab Grund die kleinen VMC-Minima, das heisst die Hängegleiter dürfen bei ständiger Sicht auf den Boden so nahe an die Wolken fliegen, dass eine Umkehrkurve innert Sichtweite möglich ist (vgl. Art. 23 ff. VRV-L).
2. Luftverkehrsregeln
Ebenfalls in der SERA geregelt und für die Schweiz in der VRV-L ergänzt, sind die Flug- und Vortrittsrechte der verschieden Luftfahrtkategorien. Die jeweiligen Vortrittsrechte sind entsprechend der Ausweichmöglichkeiten der Luftfahrzeuge festgelegt. Ausweichen muss folglich immer das Luftfahrzeug, das dazu eher in der Lage ist. Gleitschirmpilot*innen haben notlandenden Luftfahrzeugen und Freiballon den Vortritt zu gewähren und geniessen grundsätzlich den Vortritt vor Luftschiffen, schleppenden Luftfahrzeugen und Motorluftfahrzeugen. Die Luftfahrzeuge dürfen sich im Flug anderen Luftfahrzeugen nur so weit nähern, wie keine Kollisionsgefahr besteht. Beim Überholen und Kreuzen gilt Rechtsvortritt resp. ist rechts zu überholen, wobei der Vortritt beim vorderen Luftfahrzeug bleibt. Über- und Unterfliegen ist mit genügend Abstand erlaubt. Ausser am Hang, hier darf weder überholt, noch unter- und überflogen werden. Kreist ein Gleitschirm in der Thermik, ist dieser zu umfliegen. Der erste in der Thermik kreisende Pilot kann die Drehrichtung wählen und hält den Vortritt vor später dazukommenden Piloten. Letztere müssen auch seine Drehrichtung in der Thermik übernehmen. Nur wenn es die Sicherheit erfordert, darf von diesen Verkehrsregeln abgewichen werden.
3. Start- und Landung
Grundsätzlich dürfen Luftfahrzeuge gemäss Art. 8 Abs. 1 LFG nur auf Flugplätzen abfliegen oder landen. Hingegen regelt der Bundesrat gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. a LFG, unter welchen Voraussetzungen Luftfahrzeuge ausserhalb von Flugplätzen abfliegen oder landen dürfen. Daher wurde die Verordnung über das Abfliegen und Landen mit Luftfahrzeugen ausserhalb von Flugplätzen (Aussenlandeverordnung, AuLaV) erlassen. In dieser Verordnung wird bestimmt, dass Aussenlandungen zulässig sind, sofern die Verordnung keine Einschränkungen vorsieht (Art. 3 Abs. 1 AuLaV). In Bezug auf das Gleitschirmfliegen, wie es in diesem Kommentar behandelt wird, bestehen grundsätzlich keine Einschränkungen, da solche nur für Hängegleiter mit elektrischem Antrieb vorgesehen sind (Bewilligungspflicht gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. d AuLaV). Art. 21 Abs. 1 AuLaV hält jedoch fest, welche anwendbaren Bestimmungen auch für Hängegleiter gelten. Im Fokus steht hier der Naturschutz. In der Schweiz sind zahlreiche Gebiete ausgewiesen, die zum Schutz der dortigen Fauna und Flora dienen. In solchen Schutzgebieten ist das Starten und Landen mit Hängegleitern gemäss Art. 19 AuLaV verboten, bspw. Kernzonen des Nationalparks (vgl. oben Rz. 27). Das UVEK kann zum Schutz der Natur in Schutzgebieten nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 für bestimmte Kategorien von Luftfahrzeugen Einschränkungen für Überflüge im Zusammenhang mit Aussenlandungen erlassen (Art. 20 AuLaV).
Eine besondere Bestimmung wird in Art. 23 AuLaV definiert, wonach das BAZL und das BAFU die gesamtschweizerischen Hängegleiterverbände bei der Erarbeitung von freiwilligen Betriebsregeln zum Schutz der Natur unterstützt. Der Schweizerische Hängegleiterverband unternimmt diesbezüglich grosse Anstrengungen, um den Naturschutz und die Interessen der Mitgliederinnen und Mitglieder in Einklang zu bringen (vgl. oben Rz. 23 und 28).
Bezüglich Starts und Landungen auf öffentlichen Strassen und Skipisten besteht eine klare gesetzliche Regelung: solche sind gemäss Art. 8 Abs. 1 VLK untersagt. Dafür stellen Betreiberinnen von Wintersportgebieten regelmässig präparierte Start- und Landezonen zur Verfügung, welche ausschliesslich fürs Gleitschirmfliegen reserviert sind. Andere Wintersportler*innen dürfen diese Zonen nicht befahren oder betreten. Eine eigenmächtige Aussonderung von öffentlichen Pistenstreckenabschnitten zu Start- oder Landeplätzen für Gleitschirme ist unzulässig (vgl. BGE 6S.728/2001).
Ausdrücklich vorbehalten bleiben die Rechte von an einem Grundstück Berechtigten, insbesondere auf Abwehr von Besitzesstörung und Ersatz ihres Schadens (Art. 4 AuLaV). Als Grundsatz kann somit festgehalten werden, dass aus privatrechtlicher Sicht mit Gleitschirmen grundsätzlich überall gestartet oder gelandet werden darf, sofern eine Einwilligung der Berechtigten besteht. Ebenso kann eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung in einem kommunalen Bau- und Zonenreglement den Ansprüchen gemäss Art. 928 Abs. 2 ZGB entgegenstehen (Schmid/Rüegg, S. 63). Im Fall BGE 135 III 633 ff. klagte eine Partei wegen Besitzesstörung. Sie wollte verhindern, dass Hängegleiter ihre Grundstücke im Perimeter "Landeplatz" in einer Höhe von weniger als 50 m überfliegen oder darauf landen. Die Klage richtete sich gegen mehrere Parteien, die den Landeplatz betrieben respektive nutzten. Der Landeplatz war im Gemeindezonenplan als Sport- und Erholungszone ausgeschieden. Letztlich entschied das Gericht, dass keine Besitzesstörung vorliegt.
D. Kennzeichnungspflicht
Art. 59 Abs. 1 LFG schreibt vor, dass jedes im schweizerischen Luftraum verkehrende Luftfahrzeug ein deutliches Kennzeichen tragen muss. Als nicht registrierte Luftfahrzeuge müssen Gleitschirme mit einem gut erkennbaren Kennzeichen versehen werden (Art. 11a Abs. 1 Verordnung des BAZL über die Kennzeichen der Luftfahrzeuge, VKZ). Das Kennzeichen darf aus höchstens fünf Ziffern bestehen. Jede Zahl muss 40 cm hoch sein. Das Kennzeichen muss auf der Unterseite der Kalotte angebracht werden. Sodann wird das Kennzeichen im Haftpflichtversicherungsnachweis des Halters resp. der Halterin eingetragen und muss mit diesem Eintrag übereinstimmen (Art. 11a Abs. 2 VKZ). Besitzt die Pilotin oder der Pilot mehrere Gleitschirme, so wird für alle das gleiche Kennzeichen verwendet. Das BAZL hat den Schweizerischen Hängegleiterverband mit der Zuteilung und Verwaltung beauftragt (Art. 11a Abs. 3 VKZ).
Die Kennzeichnungspflicht birgt einige praktische Probleme und führt immer wieder zu Diskussionen. Grundsätzlich müssten beispielsweise auch Testschirme mit einem Kennzeichen versehen werden, was einerseits einen erheblichen Mehraufwand zur Folge hätte und andererseits zu unschönen optischen Kleberückständen und damit zu einer Wertverminderung führen würde, da die Ziffern normalerweise in Form von Klebezahlen auf dem Segeltuch appliziert werden. Als praktische Alternative werden Kennzeichen verwendet, bei welchen die Ziffern auf ein zusätzliches Stoffstück angebracht werden und dieses dann am hinteren Leinensystem befestigt wird. Eine derartige Kennzeichnung entspricht jedoch nicht den Vorschriften, da jene auf der Unterseite der tragenden Fläche angebracht sein muss (vgl. Art. 11a Abs. 1 VKZ).
Zusätzlich zur Kennzeichnungspflicht auf der Tragflächenunterseite muss der Gleitschirm mit einem gut sichtbaren Schild versehen werden, das über folgende Angaben Auskunft gibt: Hersteller, Baumuster, Baujahr und der Gewichtsbereich der Zuladung (Art. 11a Abs. 4 VKZ). Bei Gleitschirmen besteht dieses Schild in aller Regel aus Nylonstoff und wird zwischen Ober- und Untersegel auf der Zelltrennwand oder an einer anderen geeigneten Stelle eingenäht oder -geklebt.
E. Versicherungspflicht
Gleitschirmfliegen birgt gewisse Risiken. Häufig treten leichtere Verletzungen beim Starten oder Landen auf, so etwa Verstauchungen oder Prellungen. Seltener, dafür in der Auswirkung gravierender sind Verletzungen im Becken- und Rückenbereich; dies als Folge von Stürzen aus Höhen von 5-15 Metern. Darüber ist mit schwersten Körperverletzungen bis hin zur Todesfolge zu rechnen. Während die Pilotin oder der Pilot über eine Unfallversicherung oder zumindest über einen obligatorischen Krankversicherungsschutz verfügt, können bei Biplace-Flügen Haftpflichtansprüche von Passagieren entstehen. Zur Sicherung dieser Haftpflichtansprüche ist eine entsprechende Versicherung für Biplace-Gleitschirme abzuschliessen (Art. 10 Abs. 1bis VLK). Dabei beträgt die Mindestgarantiesumme 5 Millionen Franken für gewerbliche und 1 Million Franken für alle übrigen Flüge.
Gemäss Art. 10 Abs. 1 VLK muss jede Halterin oder jeder Halter über eine Haftpflichtversicherung verfügen, die Haftpflichtansprüche Dritter auf der Erde sicherstellt. Die Garantiesumme muss mindestens 1 Million Franken betragen. Der Versicherungsnachweis zur Deckung der Haftpflichtansprüche ist bei allen Flügen mitzuführen (Art. 10 Abs. 3 VLK).
F. Flugfunk
Die meisten Gleitschirmpilot*innen werden ihre Flüge ohne Funk durchführen können, da diese entweder nicht durch Flugplatzkontrollzonen (vgl. oben Rz. 16 ff.) führen oder diese umflogen werden. Wer jedoch längere Streckenflüge plant und sich Optionen in der Flugroutenwahl offenhalten möchte, kommt kaum darum herum, sich mit dem Thema Funk auseinanderzusetzen und das entsprechende Equipment und die nötigen Lizenzen zu erwerben.
1. Zulassung Geräte/Frequenzzuteilung
Es darf nur mit zugelassenen Funkgeräten gesprochen werden. Dies sind Geräte mit einem Kanalabstand von 8.33 kHz. Jede Pilot*in benötigt zudem ein personenbezogenes Rufzeichen, das beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) bezogen werden kann. Dieser Behörde ist ebenfalls das Funkgerät anzumelden. Für den Flugfunk sind bestimmte Frequenzbereiche reserviert (vgl. Anhang 2 zu Art. 4 Verordnung des BAKOM über die Nutzung von des Funkfrequenzspektrums, VVNF). Hängegleiterpilot*innen ist für den direkten Funkverkehr die Frequenz 130.930 MHz zugeteilt, Hängegleiter-Flugschulen die Frequenz 123.430 MHz. Die Frequenzen für die Flugsicherungsdienste und Informationskanäle können von der Segelflugkarte abgelesen werden oder sind auf der Website von skyguide unter eVFR Manual abrufbar.
2. Sprechfunklizenz
Die Teilnahme am Flugfunk setzt eine Sprechfunklizenz VRF Voice (Radiotelefonielizenz RTF) voraus. Diese wird nach entsprechender Ausbildung und Prüfung für die Bereiche Motorflug, Segelflug oder Ballon erteilt. Jede dieser Lizenzen erlaubt es den Gleitschirmpilot*innen, legal mit dem Flugsicherungsdienst zu kommunizieren. Das BAZL hat es verworfen, eine speziell auf die Bedürfnisse der Hängegleiterpilot*innen zugeschnittene Ausbildung und Prüfung anzubieten. Der Funkverkehr mit dem Flugsicherungsdienst hat grundsätzlich in englischer Sprache zu erfolgen, wobei im nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr – mit Ausnahme des Flughafens Zürich – auch die lokal gesprochene Amtssprache zulässig ist (Art. 10a Abs. 2 LFG).
G. Exkurs: Flüge mit Grenzüberschreitung vom und ins Ausland
Gerade in Regionen in Grenznähe, Flügen bei geeigneten Wetterbedingungen (Streckenflug) oder bei kurzfristig geänderten Flugrouten kann es vorkommen, dass die Landesgrenze überflogen werden muss. Derartige Flüge sind explizit gestattet, sofern beim Überflug der schweizerischen Landes- und Zollgrenze keine Waren mitgeführt werden und die für den Grenzübertritt erforderlichen Papiere mitgeführt werden (Art. 8 Abs. 3 VLK). Als Waren im Sinne dieser Bestimmung gelten auch solche, für die im Reiseverkehr Freimengen nach Art. 65 Zollverordnung (ZV) gelten würden. Hingegen dürfen persönliche Gebrauchsgegenstände und Reiseproviant für den Flugtag mitgenommen werden (Art. 63 und Art. 64 ZV).
Bei Flügen ins Ausland bleibt selbstredend das ausländische Recht vorbehalten (Art. 8 Abs. 3 VLK). Entsprechend hat sich die Pilotin oder der Pilot mit der Gesetzeslage des Nachbarlandes zu befassen, bevor die Landesgrenze überflogen wird. Eine seriöse Flugbereitung schliesst diese Thematik ein.
III. Privatrecht
A. Grundsatz der Eigenverantwortung
Gleitschirmfliegen ist eine Individualsportart, die mit gewissen Risiken verbunden ist. Durch eine profunde Ausbildung mit abschliessender Prüfung ist man befähigt, diese Risiken adäquat einzuordnen. Wichtige Einflussfaktoren bilden die eigene physische und psychische Gesundheit sowie die Wetterverhältnisse am Flugtag. Ebenso ist die Wahl des Geländes für Start und Landung entscheidend. Wie bei anderen Bergsportarten in diesem Kommentar gilt beim Gleitschirmfliegen eigenverantwortliches, an die eigenen Fähigkeiten angepasstes Handeln. Dies kann bedeuten, von einem Start abzusehen, obgleich andere Pilot*innen fliegen oder die Tour zum geplanten Landeplatz abzubrechen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 34).
B. Haftungsgrundlagen
Im Zusammenhang mit der Ausübung des Gleitschirmsports steht die deliktische Haftung nach Art. 41 OR in der Praxis im Vordergrund. Selbstverständlich ist auch eine Haftung aus Vertrag denkbar, beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausbildung in Flugschulen, bei Biplace-Flügen oder bei Wettkämpfen. Deliktische und vertragliche Haftung stehen zueinander in Anspruchskonkurrenz, wobei wegen der Verschuldensfrage für die geschädigte Partei bei Vorliegen eines Vertragsverhältnisses diese Haftungsgrundlage attraktiver ist. Weitere Haftungsgrundlagen finden sich in der Spezialgesetzgebung, so im Luftfahrtgesetz oder im Seilbahngesetz, welches bezüglich Haftung auf das Eisenbahngesetz verweist (dort mit weiteren Verweisen, bspw. das Personenbeförderungsgesetz).
1. Haftung aus unerlaubter Handlung
Die Voraussetzung für eine Haftung aus unerlaubter Handlung ergeben sich aus Art. 41 OR. So muss ein Schaden verursacht worden sein, ein Verschulden vorliegen, ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen sowie rechtswidrig gehandelt worden sein. Es wird an dieser Stelle auf die zahlreiche, ausführliche Literatur und Rechtsprechung verwiesen.
Im Zusammenhang mit dem Gleitschirmfliegen ist primär an Sach- und Personenschäden zu denken. Diese entstehen überwiegend beim Starten oder Landen, äusserst selten in der Luft. Als Beispiele aus der Praxis kann der beschädigte Weidezaun angeführt werden oder die Zerstörung von Futtergras oder Getreide. Bei Kollisionen in der Luft können direkte Schäden an Gleitschirmen oder Materialien entstehen, wie etwa Risse in der Kalotte oder von Leinen. Als Folge einer Luftkollision kann es zu einem Absturz kommen, die Schäden an Material und/oder auch Personenschäden hervorrufen können. Die Praxis zeigt, dass in solchen Fällen häufig Beweisschwierigkeiten entstehen. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang Aufzeichnungen von Videokameras – wie sie in jüngerer Zeit verbreitet verwendet werden–, um den Flug zu dokumentieren. Schäden die beim Landen entstehen betreffen häufig Landwirtschaftsland; hier ist es schwierig, den Schaden zu beziffern (vgl. Müller Bergsportrecht, Rz. 43 f.).
2. Haftung aus Vertrag (insbesondere Ausbildungsvertrag)
Die französische Bezeichnung für das Hängegleiten vol libre ist insoweit irreführend, dass einerseits nicht überall geflogen werden darf. Andererseits ist es in der Schweiz auch nicht erlaubt, ohne entsprechenden Ausweis zu fliegen. Somit müssen alle angehenden Gleitschirmpilot*innen eine Ausbildung absolvieren. Dies geschieht in einer vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) anerkannten Flugschule. Mindestens eine Person muss über den ebenfalls durch das BAZL erteilte Fluglehrer*innenbescheinigung verfügen. Die Schulungsflüge werden unter unmittelbarer Aufsicht einer Fluglehrer*in durchgeführt (Art. 7 Abs. 3 VLK), wobei diese*r Hilfspersonen – beispielsweise als Starthelfer*in – hinzuziehen kann. Der Grad der Betreuung muss dabei dem Ausbildungsstand der Flugschüler*innen angepasst werden.
In der Schweiz erfolgt die Ausbildung zur Gleitschirmpilotin oder zum Gleitschirmpiloten überwiegend bei einer vom Schweizerischen Hängegleiter Verband konzessionierten Flugschule. Mittels Weisungen zum Betrieb einer «Flugschule SHV» soll insbesondere die qualifizierte und sichere Ausbildung in der Schweiz sichergestellt werden. Es wäre aber auch zulässig, sich privat von einer Fluglehrerin oder einem Fluglehrer ausbilden zu lassen, sofern diese über einen amtlichen Fluglehrerausweis verfügen (Art. 7 Abs. 3 VLK).
Da Flugschüler*innen von Beginn an allein fliegen, ist ein aktives, physisches Eingreifen – wie es beispielsweise bei einer Lernfahrt im Auto möglich ist – ausgeschlossen. Somit entsteht eine Haftung im Rahmen der Ausbildung regelmässig dann, wenn der Fluglehrer resp. die Fluglehrerin oder deren Hilfspersonen unzureichende oder fehlerhafte Anweisungen erteilen. Das Kantonsgericht St. Gallen hatte im Entscheid ST.2016.121 (Strafkammer) die Sorgfaltspflichten eines Gleitschirmfluglehrers im Zusammenhang mit einem tödlichen Absturz einer Gleitschirmschülerin zu beurteilen. Unter Berücksichtigung der Umstände kam es zum Schluss, dass die Vorinstanz den Beschuldigten zu Recht freigesprochen habe (vgl. unten Rz. 64 f.).
Im Zusammenhang mit der Ausbildung zur Gleitschirmpilot*in kommt es zwar häufig zu Körperschädigungen wie Prellungen, Stauchungen oder Knochenbrüche (bei Start oder Landung). Diese müssen jedoch bei einer Sportart wie dem Gleitschirmfliegen in Kauf genommen werden (Schadenneigung) und begründen nur in Ausnahmefällen eine Haftung des Fluglehrers oder der Fluglehrerin.
3. Haftung nach Produktehaftpflichtgesetz
Obgleich Gleitschirme und Zubehör strengen Prüfungen unterzogen werden, müssen Produkte ab und an wegen Fehlern vom Markt zurückgezogen werden.
Eine Herstellerin haftet nach dem schweizerischen Produkthaftpflichtgesetz (PrHG) für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht wurden. Dabei können sowohl physische Schäden (z.B. Verletzungen) als auch Sachschäden in Betracht kommen. Verletzt sich beispielsweise eine Gleitschirmpilot*in wegen eines schlecht vernähten Gleitschirms mit Absturzfolge oder wird sie gar getötet, so haftet gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a die herstellende Person (Herstellerin) für den Schaden.
Als Herstellerin gilt, wer eine der in Art. 2 Abs. 1 lit. a-c PrHG aufgelisteten Eigenschaften erfüllt. Dabei gilt gemäss Art. 4 PrHG ein Produkt dann als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Für eine Haftung nach PrHG muss die Herstellerin identifiziert werden können, d.h. es muss klar sein, wer das fehlerhafte Produkt hergestellt hat. Für den Fall, dass diese nicht festgestellt werden kann, gilt die Lieferantin als Herstellerin, sofern sie der geschädigten Person die Herstellerin oder die Person, die ihrerseits geliefert hat, nicht bekannt gibt (Art. 2. Abs. 2 PrHG). Zudem darf kein Mitverschulden der geschädigten Person vorliegen, d.h. der Schaden darf nicht durch unsachgemässe Verwendung des Produkts verursacht worden sein. Wie bei Kausalhaftungen üblich, ist es nicht erforderlich, dass der Hersteller den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Es reicht aus, dass das fehlerhafte Produkt den Schaden verursacht hat. Zum Ganzen siehe Hess Produktehaftpflichtgesetz.
IV. Strafrecht
Gleitschirmunfälle können eine strafrechtliche Untersuchung nach sich ziehen. Unfälle von Hängegleitern werden hingegen in der Regel nicht durch die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST untersucht (Art. 2 Abs. 1 lit. b Verordnung über die Untersuchung von Flugunfällen und schweren Vorfällen, VFU).
A. Delikte nach StGB
1. Allgemein
Strafrechtlich sind insbesondere die Delikte Sachbeschädigung (Art. 144 StGB), fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB) und fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB) relevant. Die schwere fahrlässige Körperverletzung und die fahrlässige Tötung werden von Amtes wegen verfolgt und sind gemäss Rechtsprechung überwiegend im Zusammenhang mit Tandemflügen und Flugschulstunden vorgekommen. Generell kommt es wohl nur selten zu Verurteilungen wegen Sachbeschädigung, da es sich hierbei um ein Vorsatzdelikt handelt und damit mindestens ein Eventualvorsatz vorliegen muss und keine Entschuldigungsgründe (Art. 17 und 18 StGB) vorhanden sein dürfen.
2. Die Sorgfaltspflichtverletzung bei Garantenstellung im Besonderen
Strafrechtliche Untersuchungen im Gleitschirmsport Schweiz stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit Unfällen von Flugschüler*innen und Tandemflügen. Untersucht wird jeweils die Strafbarkeit der Fluglehrer*innen resp. Biplacepilot*innen aufgrund der ihnen zufallenden Garantenstellung (zur strafrechtlichen Garantenstellung und der allgemeinen Herleitung von Sorgfaltspflichten vgl. Müller, Bergsportrecht, Rz. 56 ff.). Sowohl bei den Fluglehrpersonen wie auch bei den Tandempilot*innen ergeben sich die zu beachtenden Sorgfaltspflichten aus den zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträgen (Art. 11 Abs. 2 lit. b StGB) und je nach Situation aus eventuell zusätzlich geschaffenen Gefahren (Art. 11 Abs. 2 lit. d StGB).
a. Sorgfaltspflicht der Biplacepilot*innen
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ergibt sich das Mass der bei einem Tandemgleitschirmflug durch die Pilotin bzw. den Piloten zu beachtender Sorgfalt aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Luftfahrt, den jeweils aktuellen Weisungen des Schweizerischen Hängegleiterverbands über die Fähigkeitsprüfung für Gleitschirm-Piloten (Doppelsitzer Stufe 1), den für die Prüfung ausgehändigten Theorieunterlagen sowie den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Pilot*innen (Urteil des Bundesstrafgerichts CA.2020.6 vom 18. Januar 2021, E. 2.3.1). Von den gesetzlichen Bestimmungen über die Luftfahrt sind insbesondere die VLK für die Hängegleiterpilot*innen von Bedeutung. Art. 5a VLK verweist auf die Bestimmungen des Anhangs der SERA-Verordnung. Gemäss Ziffer 31010 SERA dürfen Luftfahrzeuge bzw. Gleitschirme nicht in fahrlässig (oder vorsätzlich) riskanter Weise so betrieben werden, dass Menschenleben oder Sachen Dritter gefährdet werden. Da auch die Hängegleiter bzw. Gleitschirme gemäss Art. 6 lit. a i.V.m Art. 1 VLK zu den Luftfahrzeugen zählen, sind für Gleitschirmpilot*innen nebst der VLK auch die Vorschriften der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges vom 22. Januar 1960 (KdtV) anwendbar. Befindet sich nur eine Luftfahrzeugführer*in an Bord, was auf den Biplaceflug zutrifft, so gilt diese gemäss Art. 3 Abs. 1 KdtV als Kommandantin bzw. als Kommandant. Sie oder er hat nach Art. 6 Abs. 1 KdTV alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Interessen der Fluggäste zu wahren. Die Kommandantin bzw. der Kommandant ist für die Führung des Luftfahrzeuges namentlich nach den gesetzlichen Bestimmungen, den anerkannten Regeln der Luftfahrt und den Weisungen des Halters verantwortlich. Diese anerkannten Regeln der Luftfahrt (vgl. auch Ziff. III oben) werden für die Fähigkeitsprüfung für Gleitschirmpilot*innen in den Weisungen E.-VERBANDS weiter konkretisiert (vgl. Urteil des Bundesstrafgerichts CA.2020.6 vom 18. Januar 2021, E. 2.3.1).
In casu hat ein Tandem-Gleitschirmpilot beim Landeanflug zu stark gebremst, was zu einem Strömungsabriss und zum Absturz aus acht Metern Höhe führte. Das Gericht kam gestützt auf ein vorinstanzliches Gutachten zum Schluss, dass der Tandempilot statt zusätzlich an der linken Bremsleine zu ziehen, die letzte Linkskurve durch das Einlösen der rechten Bremse hätte einleiten können. Alternativ hätte er auch bereits vor der Kurve durch ein leichtes Lösen der Bremsen wieder beschleunigen können. Somit erscheint es höchstwahrscheinlich, dass der Absturz des Gleitschirms und damit die vom Privatkläger erlittenen Verletzungen ausgeblieben wären, wenn der Beschuldigte die Geschwindigkeit des Fluggeräts sorgfaltskonform eingeschätzt und den Landeanflug nicht mit zusätzlicher Bremsung ausgeführt hätte. Der Tandempilot wurde entsprechend der fahrlässigen einfachen Körperverletzung schuldig gesprochen.
b. Sorgfaltspflicht der Fluglehrer*innen
Im Entscheid Nr. ST.2016.121, vom 23. November 2017 urteilte die Strafkammer des Kantonsgericht St. Gallen über die Sorgfaltspflichtverletzung eines Flugschullehrers. Eine bereits erfahrene Flugschülerin des betroffenen Fluglehrers ist während dessen angeleiteter Flugstunde zu Tode gestürzt. Zur Beurteilung der Sorgfaltspflicht des Flugschullehrers hat das Gericht in casu neben den Flugverkehrsregeln nach VLK, VVR, LFG, VRV-L und SERA-Verordnung, die «Recommended International Paragliding Standards of Safety and Training» des internationalen Luftsportverbands FAI (Fédération Aéronautique Internationale) als anerkannte Sportsregeln herangezogen. Diese Vorgaben stellen Referenzpunkte dar, an denen man sich bei der strafrechtlichen Würdigung des fraglichen Verhaltens zu orientieren hat (so bereits BGer 6B_1332/2016 vom 27.07.2017 E. 3.4). Weiter wurde die Einhaltung der Weisungen des Schweizerischen Hängegleiterverbands zum Betrieb einer "Flugschule SHV" als Referenzpunkte geprüft (E. 3b). Schliesslich wurde auch untersucht, ob der Fluglehrer genügend instruiert und geschult hat, ob seine Anweisungen per Funkgerät während des Flugs situationsadäquat waren und ob passendes Flugmaterial verwendet wurde. Dem gegenübergestellt wurde die Flugerfahrung der Schülerin und ihr Verhalten während des Unfalls.
Zum allgemeinen Gefahrensatz führt das Gericht aus, dass sich Gleitschirmpilot*innen im Vergleich zu «normalen» Sportarten einem erhöhten Risiko aussetzten und gerade Flugschüler*innen nicht immer in der Lage seien, sich selber vor den vorhandenen Gefahren zu schützen, diese zu erkennen und richtig damit umzugehen. Den Fluglehrer*innen kommen folglich eine wichtige Rolle zu. Zu deren allgemeinen Pflichten zählt das Gericht das Aufstellen eines Sicherheits- und Notfalldispositivs, die Überprüfung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten ihrer Schüler*innen sowie deren technischer Ausrüstung, die Überprüfung der Wetterbedingungen und der lokalen Geländeverhältnisse, die Aufklärung der Schüler*innen über Gefahren und Risiken und die sorgfältige Instruktion. Die Schüler*innen müssen über die wichtigsten Techniken, Materialien, Besonderheiten des Geländes und des Wetters genügend instruiert sein und das Verhalten im Notfall kennen. Auf besondere Risiken und Gefahren haben die Fluglehrer*innen rechtzeitig hinzuweisen und entsprechende Anweisungen zu geben (vgl. Nosetti, Rz. 315 ff.). Dabei ist jedoch von zentraler Bedeutung, dass die Flugschüler*innen eine zunehmende Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme erlernen (z.G. Entscheid ST.2016.121, vom 23. November 2017 E. 3c). Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Fluglehrer*innen wurde in casu verneint.
c. Strafbarkeit der Veranstalter*innen
Veranstalter*innen eines Gleitschirmwettkampfes nehmen gegenüber den teilnehmenden Pilot*innen ebenfalls eine Garantenstellung nach Art. 11 Abs. 2 lit. b StGB ein. Die Teilnehmenden haben sich bei den Veranstalter*innen angemeldet, damit ist ein Veranstaltungsvertrag zustande gekommen, und danach regeln sich die üblichen Sorgfaltspflichten. Die Veranstalter*innen von Wettkämpfen werden sich für die Instruktion der Teilnehmenden, der Hilfspersonen, wie auch für die Verwendung und Überprüfung von Material verantworten müssen, soweit dies zumutbar ist (Toneatti, Rz. 76). Hier ist bspw. an die Kontrolle der in den jeweiligen Wettkampfregeln vorgeschriebenen Sicherheitsausrüstung (Notfallschirm, genormter Sicherheitshelm etc.) zu denken.
Der Grundsatz der Garantenstellung geht über den Veranstaltungsvertrag hinaus, indem er allgemein statuiert, dass die Person, die einen Zustand geschaffen, unterhalten oder gesteigert hat, durch den andere gefährdet werden können, verpflichtet ist, alle nach den Umständen gebotenen Massnahmen zu treffen, um den Eintritt eines Schadens oder gegebenenfalls die Verschlimmerung einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung zu verhindern (BGE 134 IV 255 E. 4.2.2 S. 260 f.). Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Organisatoren eines Sportwettbewerbs, wenn die ausgeübte Aktivität Risiken für Sportler, Zuschauer oder Dritte birgt, die Pflicht haben, alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um vorhersehbare Schäden zu verhindern und sich nicht einfach auf die Vorsicht der einen oder anderen verlassen dürfen (BGer 6B_578/2008 vom 3. März 2009, E. 2.1.1). Die Veranstaltung kann nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn die Sportler ihre Aufmerksamkeit ihrer Aktivität widmen und die Zuschauer das Spektakel geniessen können, ohne sich allzu sehr um die Sicherheitsmassnahmen kümmern zu müssen. Es sei daher Aufgabe der Organisatoren, die die Sportler zum Wettkampf und die Zuschauer zum Zuschauen eingeladen haben, die nach den Umständen gebotenen Vorsichtsmassnahmen zu treffen und dabei besonders zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit beider Seiten auf den Sport gelenkt werden könnte (BGer 6B_578/2008 vom 3. März 2009, E. 2.1.1). Das Bundesgericht sprach zwei Mitglieder des Organisationskomitees eines Gleitschirmwettkampfes der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) schuldig, als eine Gleitschirmfliegerin beim Start in den Gleitschirmwettkampf mit dem rasenmähenden Pächter des Grundstücks, auf welchem sich das Startgelände befand, zusammenstiess und dieser an den Folgen des Unglücks verstarb (BGer 6B_578/2008 vom 3. März 2009; vgl. auch Haftung und Versicherung, S. 838, Rz. 17.77). In casu waren die beiden Mitglieder der Organisationskomitees auf dem Startgelände anwesend und haben es unterlassen, den Pächter aufzufordern, sich während des Starprozederes nicht im unteren Teil der Startwiese aufzuhalten. Dies wurde ihnen als unvorsichtiges, pflichtwidriges Verhalten angerechnet.
Gleitschirmwettkämpfe ziehen besonders an den Startplätzen viele Zuschauer an, welche den Piloten teilweise aktiv bei der Startvorbereitung (Ausbreiten der Gleitschirme) helfen. Ist der Startplatz von den Veranstalter*innen vorgegeben und ist ihnen bekannt, dass auch Zuschauer das Startprozedere verfolgen, sollten sie das Gelände während dem Startprozedere beobachten, um bei erkennbaren Gefahren eingreifen zu können. Bei hike&fly Wettkämpfen sind die Start- und Landeplätze oftmals nicht durch die Veranstalter*innen vorgeschrieben. Vielmehr gehört es zur Wettkampfdisziplin, dass sich die Pilot*innen selbstständig passende Start- und Landeplätze suchen. Entsprechend sind die Veranstalter*innen diesbezüglich nur für die angemessene Instruktion der Wettkampfteilnehmer*innen verantwortlich.
Bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung ist wie bei der zivilrechtlichen Haftung das Handeln der Gleitschirmpilot*innen ebenfalls in Betracht zu ziehen. Es geht auch hier um die Frage der Risikoverteilung. Einerseits ist klar, dass die Pilot*innen für ihr riskantes Tun selbst einzustehen haben, andererseits sollen die Veranstaltenden im Rahmen des technisch Möglichen und des wirtschaftlich Zumutbaren Sicherungsvorkehren schaffen müssen. Dass sich diese Risikoverteilung stark zu Lasten der in der Regel haftpflichtversicherten Veranstalter*innen verschiebt, ist wohl eine Zeiterscheinung: Eigenverantwortlichkeit ist – zu Unrecht – immer weniger gefragt. Es ist angezeigt, das allgemeine Bewusstsein für die Selbstverantwortung, insbesondere im Zusammenhang mit Outdoorsportarten, wieder vermehrt zu vermitteln (Bütler/Stiffler, Rz. 17.64, dahingehend auch Banzer, S. 291 ff.).
B. Spezialgesetzliche Strafbestimmungen
1. Verbrechen / Vergehen
Da auch die Hängegleiter bzw. Gleitschirme gemäss Art. 6 lit. a i.V.m Art. 1 VLK zu den Luftfahrzeugen zählen, sind für Gleitschirmpilot*innen auch die Vorschriften der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges vom 22. Januar 1960 (KdtV) anwendbar. Wenn sie während eines Flugs als Kommandant des Luftfahrzeugs, oder als Passagier die gesetzlichen Vorschriften oder Verkehrsregeln vorsätzlich missachten und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum von erheblichem Wert auf der Erdoberfläche in Gefahr bringen, können sie mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer fahrlässig handelt (Art. 90 LFG).
2. Übertretungen
Die Verletzung der Flugverkehrsregeln nach VLK und VRV-L, die nicht zur Gefährdung von Leib und Leben oder fremden Eigentum mit erheblichem Wert nach Art. 90 LFG führt, kann mit Busse bestraft werden (Art. 91 Abs. 1 lit. a LFG). Wo die Grenze des Eigentums mit erheblichem Wert zum Eigentum mit nicht erheblichem Wert gezogen wird, ist nicht klar und ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht. Bauten und Anlagen werden wohl allgemein in die erste Kategorie gehören.
Verletzen Halter*innen eines Gleitschirms die Versicherungspflicht nach Artikel 10 VLK (vgl. Rz. 41) wird eine Busse nach Art. 20b VLK i.V.m. Art. 91 Abs. 1 lit. i LFG ausgesprochen. Die Höhe der Busse liegt im Ermessen des Richters und beträgt maximal 20’000 Franken. Sie wird unabhängig davon ausgesprochen, ob vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt wurde. Ebenfalls der Busse unterliegen die Aussenlandungen und Starts in Schutzgebieten (Art. 19 i.V.m. Art. 42 AuLAV und Art. 91 Abs. 1 lit. f. LFG). Schliesslich wird auch die Nichteinhaltung von Überflugverboten des UVEK (Art. 20 AuLAV) mit Busse zu bestraft.
C. Administrativmassnahmen
Bei der Verletzung von Flugverkehrsregelbestimmungen kann das BAZL, unabhängig von der Einleitung und vom Ausgang eines allfälligen Strafverfahrens administrative Massnahmen verfügen. Zum einen kann ein zeitlich beschränkter oder dauernder Entzug oder eine Einschränkung des Geltungsbereiches von erteilten Bewilligungen, Erlaubnissen und Ausweisen verfügt werden. Zum anderen kann auch die Beschlagnahme von Luftfahrzeugen, deren weiterer Gebrauch die öffentliche Sicherheit gefährden würde oder deren missbräuchliche Verwendung zu befürchten ist, erfolgen (vgl. Art. 92 LFG).
V. Sozialversicherungsrecht
A. Risikosportart
Gleitschirmfliegen wird gemeinhin als gefährliche Sportart eingestuft. Die Folgen eines Absturzes sind in aller Regel gravierend und können zu schwersten Verletzungen führen oder tödlich ausgehen. Dennoch gilt das kommerzielle Anbieten von Gleitschirmflügen nicht als Risikoaktivität und fällt demnach nicht unter die in Art. 1 Abs. 2 RiskG aufgezählten Tätigkeiten (vgl. Müller Bergsportrecht, Rz. 8 ff.). Eine fliegerärztliche Tauglichkeitsuntersuchung ist nicht vorgeschrieben (vgl. Schwerer/Mayr/Peschel/Graw, S. 227, welche auf Grund der untersuchten Todesfälle im Hängegleitersport eine ärztliche Flugtauglichkeitsprüfung empfehlen).
B. Gleitschirmfliegen als Wagnis
Bezüglich Gleitschirmfliegen stellt sich die Frage, ob diese Sportart als absolutes Wagnis gilt. Die Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Wagnis ist von grundlegender Bedeutung im Hinblick auf allfällige Leistungskürzungen bei Unfällen (Art. 39 und Art. 50 UVG). Absolute Wagnisse führen immer zu Leistungskürzungen. Zu den Extremsportarten, die als absolute Wagnisse gelten, zählen beispielsweise Base-Jumping, Speedflying oder Downhill-Biken (Gehring, Rz. 77). Gleitschirmfliegen fällt nicht unter die Kategorie der absoluten Wagnisse, eine Kürzung von Leistungen per se ist demnach ausgeschlossen.
Dennoch gibt es auch beim Gleitschirmfliegen Situationen, in welchen man von einem Wagnis spricht. Dies, wenn die Pilot*innen bewusst Risiken eingehen. Beispielsweise muss ein sogenannter Klippenstart mit eingeschränkter Möglichkeit eines sicheren Startabbruchs als relatives Wagnis eingestuft werden. Ebenso kann ein Start bei gefährlichen Wetterverhältnissen wie beispielsweise Föhn oder vor einer Gewitterfront als Wagnis eingestuft werden (Erni, S. 30).
Die Auswirkungen von Leistungskürzungen bei Wagnissen kann gravierende Folgen für die Betroffenen haben. Während bei Heil-, Bergungs- und Rettungskosten keine Kürzungen erfolgen, werden hingegen Taggelder sowie Invalidenrenten gekürzt oder in besonders schweren Fällen sogar ganz verweigert. Dies kann zu empfindlichen finanziellen Einschränkungen für den Rest des Lebens führen.
C. Kürzungen bei Grobfahrlässigkeit
Auch wenn die Pilot*innen kein relatives Wagnis eingehen, können Versicherungsleistungen gekürzt werden. Dies dann, wenn grobfahrlässig gehandelt wurde. Beispielsweise kann ein nicht korrekt geführter Vorstart-Check als Grobfahrlässigkeit gewertet werden, ebenso das Fliegen unter Einfluss von Alkohol oder medizinischen Substanzen.
VI. Ausblick
Immer mehr Flugschulen bilden immer mehr Gleitschirmpilot*innen aus. Auch die Dichte an Gleitschirmwettkämpfen nimmt zu. Gleichzeitig wird der verfügbare Luftraum durch neue Luftraumteilnehmende wie beispielsweise Drohnen zusätzlich in Anspruch genommen. Neue Lösungen zur Koordination der unterschiedlichen Luftraumteilnehmer*innen werden folglich nötig. Aktuell wird über die Einführung einer weiteren Luftraumklasse (Klasse «U (Uniform)») diskutiert. In dieser Zone soll der Flugverkehr von Drohnen neben den Hängegleiterpilot*innen und anderen Luftraumteilnehmenden reguliert werden.