Literatur
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Materialien
BBI 1983 IV 1 ff., Botschaft zu einem Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG); BBI 2009 6013 ff., Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur Parlamentarischen Initiative, Rahmengesetz für kommerziell angebotene Risikoaktivitäten und das Bergführerwesen; Bergnotfälle Schweiz 2021, Zahlen und Auswertungen, Schweizer Alpen-Club SAC; Die rechtliche Stellung von Tourenleiterinnen und Tourenleitern des SAC, Schweizer Alpen-Club SAC, 2011; SAC Berg- und Alpinwanderskala, Schweizer Alpen-Club SAC; Empfehlungen zur Anwendung von UVG und UVV Nr. 5/83, ad hoc-Kommission Schaden UVG.
I. Allgemeines
A. Einleitung
Wandern versteht sich als eine sportliche Disziplin ohne Wettkampfcharakter, bei der eine gewisse Wanderwegstrecke zu Fuss zurückgelegt wird (Bergamin, S. 7). Diese Disziplin gilt hierzulande als die beliebteste und meistgetätigte Volkssportart (Lamprecht/Bürgi/Stamm, S. 23). Über die Hälfte der Schweizer Wohnbevölkerung im Alter ab 15 Jahren (und nicht zu vergessen die zahlreichen, ca. 300'000 Touristinnen und Touristen) wandern jährlich in der Schweiz (Fischer/Lamprecht/Bürgi, S. 6).
Leider häufen sich beim Wandern auch die Unfälle. Der Schweizer Alpen-Club SAC verzeichnete für das Jahr 2021 für Bergwanderungen im Vergleich mit den übrigen Bergsportarten die mit Abstand meisten Notfälle. Von insgesamt 3'680 Bergnotfällen, bei denen Berggängerinnen und Berggänger die Hilfe der Bergrettungsdienste beanspruchten, wurden allein für Bergwanderungen 1'525 Bergnotfälle registriert (Bergnotfälle Schweiz 2021, S. 1 f.).
Bei einer Vielzahl solcher Bergnotfälle stellen sich rechtliche Fragen. Wer haftet für den entstandenen Schaden? Wurde ein strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag gelegt? Besteht ein Anspruch auf Versicherungsleistungen, resp. gibt es Einschränkungen? Angesichts der zahlreichen Unfälle und der rechtlichen Folgefragen drängt sich eine rechtliche Auseinandersetzung mit der Volkssportart Wandern auf.
B. Grundlagen
Ausgangspunkt für die Beurteilung rechtlicher Fragestellungen rund um Wanderwege ist die Bundesverfassung. Durch Art. 88 BV wird der Bund zu einer Grundsatzgesetzgebung ermächtigt, wodurch mittels Erstellung und Unterhalt eine angemessene und sichere Infrastruktur für Fuss-, Wander- und Velowege ermöglicht werden soll (vgl. BSK-Kern, Art. 88 BV N 2 und 5; Kraemer, Verkehrsregelung, Rz. 80; BGE 129 I 337 E. 1.2). Gestützt auf seine Kompetenz hat der Bund das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die Fuss- und Wanderwege (FWG) erlassen. Begrifflich wird darin zwischen Fuss- (Art. 2 FWG) und Wanderwegen (Art. 3 FWG) unterschieden. Differenziert wird dabei nach Funktion und Lage der Verbindung (BBI 1983 IV 1, 8), wobei sich durch die gleiche Regelung von Fuss- und Wanderwegen keine unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen ergeben (BGE 129 I 337 E. 3.3). Der für Wanderwege einschlägige Art. 3 FWG lautet folgendermassen:
1 Wanderwegnetze dienen vorwiegend der Erholung und liegen in der Regel ausserhalb des Siedlungsgebietes.
2 Sie umfassen untereinander zweckmässig verbundene Wanderwege. Andere Wege, Teile von Fusswegnetzen und schwach befahrene Strassen können als Verbindungsstücke dienen. Historische Wegstrecken sind nach Möglichkeit einzubeziehen.
3 Wanderwegnetze erschliessen insbesondere für die Erholung geeignete Gebiete, schöne Landschaften (Aussichtslagen, Ufer usw.), kulturelle Sehenswürdigkeiten, Haltestellen des öffentlichen Verkehrs sowie touristische Einrichtungen.
Ausgenommen von kurzen Teilstrecken (vgl. Art. 3 Abs. 2 FWG) haben Wanderwege eine eigenständige Wegführung (Vogel, S. 26). Die Wanderwegnetze sind in kantonalen (wie auch in kommunalen) Plänen festzuhalten (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a FWG; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 107 f.; Müller, Haftungsfragen, S. 17). Zudem haben die Kantone dafür zu sorgen, dass Wanderwege angelegt, unterhalten und gekennzeichnet werden, dass diese Wege frei und möglichst gefahrenlos begangen werden können und dass der öffentliche Zugang rechtlich gesichert ist (Art. 6 Abs. 1 FWG). Die Kantone können entsprechende Ausführungsgesetze erlassen (vgl. Beispiele in Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 110 f.).
Auf Verfassungsebene ist zudem Art. 82 BV von Relevanz (Kraemer, Verkehrsregelungen, Rz. 80). Der Bund kann neben dem Strassen- auch den Fussverkehr regeln, da unter den Begriff «Strasse» auch Wanderwege fallen (Vogel, S. 25; BSK-Kern, Art. 82 BV N 4; Kraemer, Strassenverkehr, S. 16). Doch weder das Strassenverkehrsgesetz (mit Ausnahme von Art. 43 Abs. 1 SVG; siehe Hogrefe, Rz. xx) noch die sich darauf stützende Signalisationsverordnung (SSV) definieren Wanderwege näher. Mittels Art. 115a lit. f SSV wurde die vom VSS herausgegebene Norm SN 640 829a «Strassensignale» für rechtsverbindlich erklärt.
1. Norm SN 640 829a
Die rechtsverbindliche Norm SN 640 829a teilt das Wanderwegnetz in Wanderwege, Bergwanderwege und Alpinwanderwege auf, definiert diese Begrifflichkeiten und beschreibt die jeweiligen Anforderungen an die Benützer sowie deren Signalisation wie folgt:
Wanderweg (Ziff. 7.8):
«Wanderwege sind allgemein zugängliche und in der Regel für zu Fuss Gehende bestimmte Wege. Sie verlaufen möglichst abseits von Strassen für den motorisierten Verkehr und weisen möglichst keine Asphalt- oder Betonschichten auf. Steile Passagen werden mit Stufen überwunden und Absturzstellen werden mit Geländern gesichert. Fliessgewässer werden auf Stegen oder Brücken passiert.»
Anforderungen an die Benützer (Ziff. 7.8.1):
«Wanderwege stellen keine besonderen Anforderungen an die Benützer.»
Signalisation (Ziff. 7.8.2):
«Die Signalisation der Wanderwege ist gelb.»
Bergwanderweg (Ziff. 7.9):
«Bergwanderwege sind Wanderwege, welche teilweise unwegsames Gelände erschliessen. Sie sind überwiegend steil und schmal angelegt und teilweise exponiert. Besonders schwierige Passagen sind mit Seilen oder Ketten gesichert. Bäche sind unter Umständen über Furten zu passieren.»
Anforderungen an die Benützer (Ziff. 7.9.1):
«Benützer von Bergwanderwegen müssen trittsicher, schwindelfrei und in guter körperlicher Verfassung sein und die Gefahren im Gebirge kennen (Steinschlag, Rutsch- und Absturzgefahr, Wetterumsturz). Vorausgesetzt werden feste Schuhe mit griffiger Sohle, der Witterung entsprechende Ausrüstung und das Mitführen topografischer Karten.»
Signalisation (Ziff. 7.9.2):
«Die Wegweiser sind gelb mit weiss-rot-weisser Spitze, Bestätigungen und Markierungen sind weiss-rot-weiss.»
Alpinwanderweg (Ziff. 7.10):
«Alpinwanderwege sind anspruchsvolle Bergwanderwege. Sie führen teilweise durch wegloses Gelände, über Schneefelder und Gletscher, über Geröllhalden, durch Steinschlagrunsen oder durch Fels mit kurzen Kletterstellen. Bauliche Vorkehrungen können nicht vorausgesetzt werden und beschränken sich allenfalls auf Sicherungen von besonders exponierten Stellen mit Absturzgefahr.»
Anforderungen an die Benützer (Ziff. 7.10.1):
«Benützer von Alpinwanderwegen müssen trittsicher, schwindelfrei und in sehr guter körperlicher Verfassung sein und den Umgang mit Seil und Pickel sowie das Überwinden von Kletterstellen unter Zuhilfenahme der Hände beherrschen. Sie müssen die Gefahren im Gebirge kennen. Zusätzlich zur Ausrüstung für Bergwanderwege werden Höhenmesser und Kompass, für Gletscherüberquerungen Seil und Pickel vorausgesetzt.»
Signalisation (Ziff. 7.10.2):
«Die Wegweiser sind blau mit weiss-blau-weisser Spitze, Bestätigungen und Markierungen sind weiss-blau-weiss. Die Informationstafel Alpinwanderweg weist am Weganfang auf die besonderen Anforderungen hin.»
2. SAC Berg- und Alpinwanderskala
Eine ähnliche Differenzierung hat der SAC in seiner «SAC Berg- und Alpinwanderskala» vorgenommen. Obwohl ihr kein Normcharakter zukommt, kann sie dennoch rechtliche Auswirkung haben (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 13; RiskV Anhang 2). Die SAC- Berg- und Alpinwanderskala differenziert ebenfalls zwischen Wandern, Berg- und Alpinwandern, jedoch zusätzlich noch zwischen verschiedenen Schwierigkeitsgraden (T1-T6).
Wie der Gliederung des Wanderwegnetztes in Wander-, Bergwander- und Alpinwanderwege und auch der Feingliederung mittels Schwierigkeitsgrade zu entnehmen ist, variieren die Anforderungen sowohl an die Wanderwege als auch an die Wandernden je nach Qualifikation stark (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 41).
3. Wandern abseits von Wanderwegen
Für das Wandern abseits von Wanderwegen bildet Art. 699 ZGB die rechtliche Grundlage. Demnach ist das Betreten von Wald und Weide jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden (Abs. 1). Kulturunfähiges Land (vgl. Art. 664 ZGB) wird dabei Wald und Weide gleichgestellt (Bergamin, S. 15). Beschränkt wird das Betretungsrecht, wo es nicht ohne Schädigung ausgeübt wird und damit mit den Interessen des Grundeigentümers nicht mehr vereinbar ist (BGE 109 Ia 76 E. 3b) oder wo die Kantone beispielsweise gestützt auf das Waldgesetz die Zugänglichkeit einschränken (Art. 14 Abs. 2 lit. a WG).
II. Privatrecht
Wanderwege befinden sich in freier Natur und erschliessen teilweise unwegsames und anspruchsvolles Gelände, können steil, schmal und exponiert verlaufen und mit natürlichen Hindernissen versehen sein. Entsprechend bergen sie gewisse Unfallrisiken. Bei Wanderunfällen kann sich – stets unter Berücksichtigung der Eigenverantwortung der Wandernden – die Frage stellen, ob allenfalls eine Drittperson (natürliche oder juristische Person) für den Unfall (mit)verantwortlich ist und haftbar gemacht werden kann. Mögliche Haftungsgrundlagen (Verschuldenshaftung, Kausalhaftung, vertragliche Haftung sowie Vertrauenshaftung) wurden bereits im Allgemeinen Teil diskutiert, worauf verwiesen wird (siehe Müller, Bergsportkommentar, Rz. xx).
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass Wandernde grundsätzlich eigenverantwortlich handeln. Zur Eigenverantwortung gehört die Pflicht, die Tätigkeit den eigenen Fähigkeiten und der körperlichen Verfassung anzupassen, ausreichende Vorabklärungen (insbesondere betreffend Routenwahl, Schwierigkeitsgrade und äusseren Umständen wie Tageszeit und Witterungsverhältnissen) zu treffen und sich mit genügender Ausrüstung und Verpflegung auszustatten (vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 111 und 116; Müller, Haftungsfragen, Rz. 34; Lustenberger, S. 123 f.; Bergamin, S. 99 f.). Im Zweifelsfall ist von einer Wandertour abzusehen oder eine solche abzubrechen, wenn sich die Umstände verschlechtern (vgl. Bergamin, S. 100; Portner, Haftung, S. 130).
Wer sich in die Berge begibt, mach das grundsätzlich auf eigene Gefahr. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt auf eigene Gefahr, wer eine konkrete Gefahr erkennt und diese auf sich nimmt oder durch sein Handeln fördert (vgl. BGE 117 II 547 E. 3b; BGE 92 II 221 E. 6). Das eigenverantwortliche Handeln ist für sämtliche Haftungskonstellationen von Relevanz und kann nach Art. 44 OR zu einer Schadenersatzreduktion oder sogar zu einem Wegfall von Schadenersatz führen (Art. 99 Abs. 3 OR; BSK-Kessler, Art. 44 OR N 4 ff.).
Beim Wandern ist vom Grundsatz auszugehen, dass eine Einwilligung in das nicht vermeidbare, dem Alpinsport inhärente Verletzungsrisiko vorliegt – nicht jedoch in eine durch Dritte in pflichtwidriger Weise verursachte Schädigung (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 30; Bergamin, S. 42 f.; Bütler/Stiffler, S. 847 f.; Gerber, S. 80 f.). Nach dem Grundsatz casum sentit dominus haben Wandernde den Schaden aus einem Unfall selbst zu tragen, sofern keine spezielle Haftungsnorm erfüllt ist (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 111). Nachfolgend werden die für das Wandern möglichen Haftungskonstellationen diskutiert.
A. Haftung des Wanderleiters / der Wanderleiterin
1. Wanderleiterinnen und Wanderleiter
Wanderleiterinnen und Wanderleiter sind Personen, welche einen entsprechenden eidgenössischen Fachausweis innehaben. Der Wanderleiterberuf fällt unter die Risikoaktivitätengesetzgebung (Art. 1 Abs. 2 RiskG i.V.m. Art. 1 lit. c RiskV; Müller, Risikoaktivitätengesetzgebung, S. 99). Grundsätzlich befähigt der eidgenössische Fachausweis für Wanderleiterinnen bzw. Wanderleiter nur mit einer zusätzlichen Bewilligung nach Art. 3 RiskG, Touren gewerbsmässig organisieren und führen zu können. Dabei gilt es zu beachten, dass Wanderleiterinnen bzw. Wanderleiter Touren höchstens mit dem Schwierigkeitsgrad T4 der SAC-Berg- und Alpinwanderskala gewerbsmässig führen dürfen (Art. 8 Abs. 4 lit. a RiskV), wobei für die Schwierigkeitsgrade T1-T3 wiederum keine Bewilligung erforderlich ist (Art. 3 Abs. 1 lit. b RiskV).
In der Regel besteht zwischen Wanderleiterinnen bzw. Wanderleitern und ihren Gästen ein auftragsähnliches Verhältnis (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 295 m.w.H.). Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass ein Gast einen Vertrag mit einer Veranstalterin (einem Verein oder einer Bergschule) abschliesst, welche wiederum in einem Vertragsverhältnis zu einer Wanderleiterin resp. einem Wanderleiter steht (Müller, Haftungsfragen, Rz. 327 ff.; siehe zu dieser Dreieckskonstellation nachfolgende Ausführungen (Tourenleiterinnen und Tourenleiter) Rz. 25 ff.).
Durch das Auftragsverhältnis kommen Wanderleiterinnen und Wanderleitern sowie der Veranstalterin besondere Sorgfalts- und Treuepflichten zu (Art. 398 OR). Sie werden ersatzpflichtig, wenn ein Gast durch eine unsorgfältige oder treuwidrige Besorgung des Auftrags geschädigt wird (BSK-Oser/Weber, Art. 398 OR N 24 ff.; Müller, Haftungsfragen, Rz. 295). Die vertraglich geschuldete Leistung besteht demnach in einer «einwandfreien Führung auf einer bestimmten Tour, soweit dies nach den gegebenen Umständen möglich ist, unter bestmöglicher Vermeidung aller Gefahren für den Gast» (Portner, Rechtliches, S. 27).
2. Haftung
Wanderleiterinnen und Wanderleiter garantieren keine Sicherheit, sondern die Einhaltung des Risikostandards ihres Berufes (Müller, Haftungsfragen, Rz. 299; vgl. Munter, S. 11). Die Unterstellung des Wanderleiterberufs der Risikoaktivitätengesetzgebung lässt wiederum erkennen, dass das Führen auf Wanderwegen keine gefahrenlose Tätigkeit darstellt. Durch den Zuzug einer Wanderleiterin bzw. eines Wanderleiters für eine Wanderung wird ein Teil der Eigenverantwortung (siehe vorstehend Rz. 12) auf die Führungsperson übertragen, wobei ein bergimmanentes Restrisiko bei den Wandernden verbleibt (Müller, Haftungsfragen, Rz. 35 und 299; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 111; vgl. auch Bergamin, S. 100). Dazu gehören etwa Fälle, auf welche wanderleitende Personen keinen Einfluss haben, wie unvorhersehbare Stein- und Felsausbrüche, Stolperstürze auf nicht zu sicherndem Gelände und unvorhersehbare Lawinen- und Murgänge (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 35; Ermacora, S. 11).
a. Sorgfaltspflichten
Die Vertragshaftung und die Deliktshaftung setzen eine Sorgfaltspflichtverletzung mit vergleichbarem Sorgfaltsmassstab voraus (Müller, Haftungsfragen, Rz. 300). Der Sorgfaltsmassstab bemisst sich nach objektiven Kriterien, gestützt auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Krauskopf, Art. 398 Rz. 2; Rey/Wildhaber, Rz. 1002 ff.).
Die durch das Auftragsverhältnis ohnehin geltenden Sorgfaltspflichten (vgl. Art. 398 OR) werden zusätzlich in Art. 2 RiskG festgehalten (Bütler, Gefahrensatz und Verkehrssicherungspflichten, S. 57). Nach Art. 2 Abs. 1 RiskG sind Massnahmen zu treffen, «die nach der Erfahrung erforderlich, nach dem Stand der Technik möglich und nach den gegebenen Verhältnissen angemessen sind, damit Leben und Gesundheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht gefährdet werden». Diese Umschreibung orientiert sich an dem von Lehre und Rechtsprechung aus Art. 2 ZGB abgeleiteten allgemeinen Gefahrensatz (BBI 2009 6013, 6031), welcher besagt: «Wer einen Zustand schafft oder aufrechterhält, der einen anderen schädigen könnte, ist verpflichtet, die zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Vorsichtsmassnahmen zu treffen» (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 112; Rey/Wildhaber, Rz. 899 m.w.H; BGE 121 III 358 E. 4a).
Art. 2 Abs. 2 RiskG führt einen (nicht abschliessend zu verstehenden) und aus der Rechtsprechung (vgl. etwa BGE 126 III 113 E. 2bb; Urteil 4C.296/1999 E. 2b vom 28. Januar 2000; BGE 121 III 358 E. 4a; BGE 125 IV 9 E. 2a; BGE 123 III 306 E. 4; BGE 129 IV 119; BGE 118 IV 130) abgeleiteten Pflichtenkatalog auf, dem nun präventive Wirkung zukommt (Müller, Risikoaktivitätengesetzgebung, S. 97 f.).
Gemäss Pflichtenkatalog müssen Wanderleiterinnen und Wanderleiter Kunden über besondere Gefahren aufklären (lit. a) und überprüfen, ob sie über ein ausreichendes Leistungsvermögen verfügen, um die gewählte Aktivität auszuüben (lit. b). Sie haben sicherzustellen, dass das Material mängelfrei ist und dass Installationen in einem guten Zustand sind (lit. c). Weiter haben sie die Eignung der Wetter- und Schneebedingungen zu überprüfen (lit. d). Sie haben die ausreichende Qualifikation des Personals (lit. e) sowie dem Schwierigkeitsgrad und der Gefahr entsprechend genügendes Personal sicherzustellen (lit. f). Schliesslich haben sie Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen und namentlich die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu schonen (lit. g).
Wie weit die Pflichten einer Wanderleiterin resp. eines Wanderleiters im Einzelfall reichen, hängt von den konkreten Umständen, insbesondere von den Fähigkeiten der Teilnehmenden und den Anforderungen der Wanderung ab. Die zu erbringende Sorgfalt dürfte allerdings weniger weit reichen als diejenige von Bergführerinnen bzw. Bergführern, da Ausbildungsstandard, Erfahrung und Routine ungleich sind (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 322; Dannegger, S. 172; Bütler/Stiffler, S. 829).
b. Kasuistik
Soweit ersichtlich, gibt es zur Haftung von Wanderleiterinnen und Wanderleitern keine Rechtsprechung. Dies mag allerdings aufgrund der noch jungen Berufsgattung (erst seit 2011) nicht weiter zu erstaunen.
B. Haftung des Tourenleiters / der Tourenleiterin
1. Tourenleiterinnen und Tourenleiter
Tourenleiterinnen und Tourenleiter sind durch den SAC ausgebildete Personen, welche für den SAC und seine Mitglieder geführte Touren durchführen (Müller, Haftungsfragen, Rz. 312). Tourenleiterinnen und Tourenleiter fallen nicht unter die Risikoaktivitätengesetzgebung, da sie ihre Tätigkeit nicht gewerbsmässig, sondern ehrenamtlich ausüben (Müller, Haftungsfragen, Rz. 313 und 320; Bütler/Stiffler, S. 813).
Durch die Involvierung einer SAC-Sektion und einer Tourenleiterin resp. eines Tourenleiters in eine Wanderung besteht zusammen mit den teilnehmenden Mitgliedern eine Dreiecksbeziehung. Zwischen der veranstaltenden SAC-Sektion besteht sowohl zur Tourenleiterin bzw. Tourenleiter wie auch zu den teilnehmenden Mitgliedern eine vertragliche Beziehung. Zwischen der Tourenleiterin bzw. Tourenleiter und den teilnehmenden Mitgliedern besteht hingegen keine vertragliche Beziehung.
2. Haftung
Kommt es auf der geführten Tour zu einem haftungsrelevanten Unfall, haftet die veranstaltende SAC-Sektion direkt aus Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR bzw. Art. 41 OR für das Verhalten der Tourenleiterin bzw. des Tourenleiters, da diese Hilfspersonen im Sinne von Art. 55 und 101 OR darstellen. Die SAC-Sektion wiederum kann allenfalls gegenüber der Tourenleiterin bzw. dem Tourenleiter Regress nehmen (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 317). Alternativ können teilnehmende Mitglieder Ansprüche deliktischer Natur direkt gegenüber einer Tourenleiterin bzw. einem Tourenleiter gestützt auf Art. 41 OR geltend machen.
a. Sorgfaltspflichten
Gemäss dem Leitfaden «Die rechtliche Stellung von Tourenleiterinnen und Tourenleitern des SAC» gebühren Tourenleiterinnen und Tourenleitern die folgenden Pflichten (Müller, Haftungsfragen, Rz. 318):
- Aus- und Weiterbildungen gemäss «Reglement Aus- und Fortbildungspflicht für SAC Tourenleiterinnen und Tourenleiter»;
- sorgfältige Tourenvorbereitung und -planung;
- gewissenhafte Auswahl der Teilnehmenden;
- allfällige Ersatztouren haben sich im Bereich der Fähigkeiten der angemeldeten Teilnehmenden zu befinden und dürfen nicht schwieriger als die ursprünglich geplante Tour sein;
- angemessene Gruppeneinteilung;
- sorgfältige Gruppenbetreuung und -überwachung.
Tourenleiterinnen und Tourenleitern kommt somit «echte Führungsverantwortung» zu, was auch zu einer erhöhten Sorgfaltsplicht gegenüber einer lediglich faktischen Führungsperson führt (Müller, Haftungsfragen, Rz. 321; Stiffler, Rz. 815 ff.). Demgegenüber darf von einer Tourenleiterin bzw. einem Tourenleiter nicht das gleiche Mass an Sorgfalt verlangt werden wie von einer Bergführerin bzw. einem Bergführer (Müller, Haftungsfragen, Rz. 322; vgl. auch Bütler/Stiffler S. 829 f.; Benisowitsch, S. 176 f.; Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden PKG 1981 Nr. 26, 77, wiedergegeben in Stiffler, Rz. 816). Aufgrund der Parallelen in der Ausbildung erscheint es als angezeigt, das Sorgfaltsmass mit demjenigen der Wanderleiterinnen bzw. Wanderleiter gleichzustellen. Lediglich im Hinblick auf eine allfällige Schadenersatzbemessung kann im Vergleich mindernd berücksichtigt werden, dass Tourenleiterinnen und Tourenleiter ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 320).
Falls eine Tourenleiterin oder ein Tourenleiter eine Tour führt, deren Anforderungen ihre Fähigkeiten übersteigen und keine Bergführerin bzw. kein Bergführer hinzugezogen wird, liegt darin ein sorgfaltspflichtwidriges Übernahmeverschulden vor (Müller, Haftungsfragen, Rz. 322; vgl. auch Benisowitsch, S. 177; Bütler / Stiffler S. 830).
b. Kasuistik
Soweit ersichtlich, gibt es zur Haftung von Tourenleiterinnen und Tourenleitern in Bezug auf das Wandern keine Rechtsprechung (vgl. aber Fälle in Bezug zum Skifahren in den entsprechenden Beiträgen Umbricht/Koch, Rz. xx sowie Elsener/Wälchli, Rz. xx).
C. Haftung gegenüber Dritten
Eine Haftung ist nicht nur gegenüber Personen denkbar, welche sich vertraglich oder faktisch für eine Wandertour zusammengeschlossen haben, sondern auch gegenüber Dritten.
1. Direkte Schädigung durch Dritte
Am Oberlandesgericht Stuttgart, Deutschland, wurde ein Unfall auf einem Bergwanderweg strafrechtlich behandelt, bei dem eine Person in eine sich unterhalb auf dem Wanderweg befindende Wandergruppe stürzte, wodurch eine getroffene Person in die Tiefe fiel und später ihren Verletzungen erlag (OLG Stuttgart, Urteil 3 U 65/06 vom 26. Juli 2006, zusammengefasst in SpuRt 4/2007, S. 166 f). Der Wanderweg verlief durch steiles und felsiges Gelände und war felsseitig teilweise mit Stahlketten versehen. Die zuerst gestürzte Person hielt die Hand der fast vierjährigen Tochter, ohne sich selbst an der Stahlkette festzuhalten. Das Gericht hielt fest, dass die Sicherungskette auch dem Schutz anderer diene und die Person fahrlässig gehandelt habe, da sie die Erforderlichkeit des Festhaltens hätte erkennen müssen.
Es sind allerdings auch Unfälle denkbar, bei denen Steine (Müller, Haftungsfragen, Rz. 272) oder auch andere schwere Gegenstände wie Rucksäcke, volle Trinkflaschen usw. ins Rollen gebracht werden und sich darunter befindende Drittpersonen verletzen. Bei solchen Konstellationen wäre im Einzelfall abzuklären, ob ein vorwerfbares Verhalten der auslösenden Person vorliegt, also ob die Person absichtlich oder fahrlässig handelte. Dies dürfte in der Regel zu verneinen sein, da sich Steine bereits durch den normalen Gebrauch von Wanderwegen lösen resp. in Bewegung setzen können. Eine Sorgfaltspflichtverletzung könnte hingegen vorliegen, wenn eine wandernde Person jemandem einen Rucksack oder eine volle Trinkflasche zuwerfen will, diesen Gegenstand allerdings den Hang hinunterwirft und dadurch eine sich darunter befindende Person verletzt, obschon das Werfen aufgrund des steilen Geländes nicht geboten und auch sonst nicht erforderlich war.
2. Verpflichtung zur Hilfeleistung
Strafrechtlich ist jedermann zur Hilfeleistung eines Menschen verpflichtet, vorausgesetzt die hilfsbedürftige Person befindet sich in unmittelbarer Lebensgefahr und eine Hilfeleistung ist zumutbar (Art. 128 StGB; BGE 124 IV 18 E. 2a). Eine unterlassene Hilfeleistung kann allerdings auch zivilrechtlich als unerlaubte (unterlassene) Handlung i.S.v. Art. 41 OR relevant sein (Müller, Haftungsfragen, Rz. 268; Verde, Rz. 660). Die Pflicht zum Handeln (BSK-Kessler, Art. 41 OR N 37) und die Widerrechtlichkeit der Schädigung wird dabei durch die Schutznorm von Art. 128 StGB begründet (Verde, Rz. 660 m.w.H.).
Wer beim Wandern auf eine sich in unmittelbarer Lebensgefahr befindende Person trifft und trotz gegebener Zumutbarkeit keine Hilfe leistet, kann auf Grundlage von Art. 41 OR haftbar gemacht werden (Müller, Haftungsfragen, Rz. 266 ff.).
D. Haftung des Werkeigentümers / der Werkeigentümerin
In der Regel besteht zwischen Wandernden und Eigentümern resp. Betreibern von Wanderwegen kein Vertragsverhältnis (Müller, Haftungsfragen, Rz. 98; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 111). Eine vertragliche Bindung ist allerdings möglich, etwa bei einer Nutzung gegen Entgelt (siehe aufgezählte Beispiele in Müller, Haftungsfragen, Rz. 100) oder bei einem Transport durch Bergbahnen (Bergamin, S. 179 ff.). Trotzdem gilt es bei Unfällen auf Wanderwegen vorwiegend ausservertragliche Haftungsgrundlagen, insbesondere die Werkeigentümerhaftung nach Art 58 OR zu prüfen.
1. Werkeigentümerhaftung
Nach Art. 58 Abs. 1 OR haftet der Werkeigentümer für den Schaden, der durch fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder durch mangelhaften Unterhalt des Werks verursacht wird.
a. Werk
Werke im Sinne von Art. 58 Abs. 1 OR sind stabile, durch Menschenhand künstlich hergestellte oder angeordnete, bauliche oder technische Anlagen, die mit dem Erdboden, sei es direkt oder indirekt, dauerhaft verbunden sind (BSK-Kessler, Art. 58 OR N 12; BK-Brehm, Art. 58 OR N 24). Darunter fallen beispielsweise Drahtzäune (BGE 96 II 34), bloss vorübergehend mit dem Erdboden verbundene Baugerüste (BGE 96 II 359) oder etwa Mauern, Abschrankungen und Schutzbauten als Teile einer Strasse (BGE 106 II 201 E. 2a m.w.V.). Ausnahmsweise kann auch ein Baum durch die Art seiner Anpflanzung oder infolge künstlicher Veränderung zu einem Werk werden (BSK-Kessler, Art. 58 OR N 12b; BK-Brehm, Art. 58 OR N 30). Eine Wiese ist hingegen kein Werk (BK-Brehm, Art. 58 OR N 47).
In der Lehre herrscht die Auffassung, dass Wanderwegen Werkcharakter zukommt, wenn sie durch erhebliche Abtragungen, Sprengungen und Aufschüttungen (Terrainveränderungen) künstlich angelegt oder mit baulichen Konstruktionen oder Sicherungselementen (Brücken, Leitern, Treppen, Eisenstäbe, Handläufe, Haken, Seile, Metallketten, Stützmauern, Zäune, Gräben, Rohre, Schächte usw.) versehen werden (Müller, Haftungsfragen, Rz. 77; Bütler, Haftung auf Wanderwegen S. 113; Lustenberger, S. 123; Bergamin, S. 67; Portner, Haftung S. 81 ff.). Auch das Bundesgericht vertritt die Auffassung, dass künstlich angelegten Wegen Werkcharakter zukommt, hingegen einem bloss ausgetretenen Weg nicht, selbst wenn dieser markiert ist (BGE 91 II 281 E. 2). Wanderwegen kommt somit nur teilweise Werkcharakter zu (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 113 f.; Lustenberger, S. 123; a.M. Seferovic, S. 51 f.).
b. Mangelhaftigkeit
Wenn ein Werk die für seinen bestimmungsgemässen Gebrauch erforderliche Sicherheit nicht bietet, liegt ein Werkmangel, also eine fehlerhafte Anlage oder ein mangelhafter Unterhalt vor (BSK-Kessler, Art. 58 OR N 13 m.w.H.). Ob ein Werk mängelfrei ist, bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten (BK-Brehm, Art. 58 OR N 55; BGE 122 III 229 E. 5a). Bestehen die notwendigen Sicherungs- und Schutzvorrichtungen, um eine sichere Benützung zu gewährleisten, gilt das Werk als mängelfrei (BGE 116 II 422 E. 1b). Allerdings gilt es nicht sämtlichen Gefahren vorzubeugen. Risiken, die bei einem Mindestmass an Vorsicht vermieden werden können, dürfen ausser Acht gelassen werden (Urteil 4A_265/2012 vom 22. Januar 2013 E. 4.1.1; BGE 130 III 736 E. 1.3).
Massgebende Kriterien zur Bestimmung der Mangelhaftigkeit sind somit die Zweckbestimmung, die Zumutbarkeit von Sicherungsmassnahmen sowie die Eigenverantwortung der Werkbenützer (Müller, Haftungsfragen, Rz. 80 f. und 89; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 114 ff.).
Der Zweck eines Wanderweges hängt einerseits von seiner Wanderwegkategorie ab (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 114) und andererseits von seiner konkreten Nutzung (Urteil 4A_244/2010 vom 12. Juli 2010 E. 1.5). Für die Benützer von Wanderwegen liegt der Zweck darin, sich in freier Natur bewegen zu können und bei Berg- und Alpinwanderwegen in anspruchsvollem voralpinem und alpinem Gelände (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 114). Liegt in der konkreten Nutzung eines Wanderweges ein zusätzlicher Zweck, so ist auch dieser zu berücksichtigen (vgl. Urteil 4A_244/2010 vom 12. Juli 2010 E. 1.5). Ferner gilt es zu beachten, dass die Benützung von Wanderwegen grundsätzlich an gute, schnee- und eisfreie Bedingungen und an Tageslicht anknüpft (Müller, Haftungsfragen, Rz. 84; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 114).
Eine Beschränkung der Sicherungspflicht bildet die Zumutbarkeit (BK-Brehm, Art. 58 OR N 58; Urteil 4A_265/2012 vom 22. Januar 2013 E. 4.1.1). Sicherungsmassnahmen sind zumutbar, wenn sie technisch möglich sind und in einem vernünftigen Verhältnis zwischen dem Schutzinteresse der Benützer und dem Zweck des Werkes stehen. Ebenso ist die wirtschaftliche Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen, hingegen nicht die konkrete finanzielle Leistungsfähigkeit (BK-Brehm, Art. 58 OR N 60 f.; vgl. Seferovic, S. 49). Wurden etwa Mängel durch Dritte oder Naturgewalten verursacht, ist für die Mangelhaftigkeit entscheidend, ob die rechtzeitige Feststellbarkeit und Behebung des Mangels zumutbar war (Bergamin, S. 68; Portner, Haftung, S. 86).
Der Eigenverantwortung von Wandernden kommt wiederum zentrale Bedeutung zu (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 116). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben Sportler die Risiken zu tragen, die dem Sport inhärent sind (Urteil 4A_235/2007 vom 1. Oktober 2007 E. 5.2). Verbleibende untergeordnete Gefahren stellen keine Werkmängel dar, wenn ein hohes Mass an Aufmerksamkeit verlangt werden kann (BK-Brehm, Art. 58 OR N 85), wie etwa beim Wandern. Die Werkeigentümerhaftung greift auch trotz Werkmangel nicht, wenn feststeht, dass auch bei richtigem Unterhalt des Werkes weder der Schadenseintritt verhindert noch dessen Auswirkungen gemindert worden wären (BGE 122 III 229, 233 ff.; BSK-Kessler, Art. 58 OR N 6). Ganz nach dem Grundsatz «mit einzelnen Steinschlägen ist in den Bergen immer zu rechnen» (Lustenberger, S. 124), verbleibt somit das alpine Restrisiko bei den Wandernden.
Aus aktuellem Anlass wird (leider) wieder über die Sicherungspflichten zu diskutieren sein. Der medialen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass im Sommer 2022 im Alpsteingebiet rund um den Äscher unweit voneinander fünf Personen auf Wanderwegen gestürzt und einen Abhang resp. eine Felswand runtergefallen sind und sich dabei tödlich verletzten (https://www.srf.ch/news/schweiz/zwei-todesopfer-wieder-ein-toedlicher-wanderunfall-im-alpstein). Diesbezüglich werden die Werkeigentümer (und allenfalls die Wanderwegbetreiber) mit der Frage konfrontiert sein, ob die Alpsteinwanderwege genügend gesichert sind.
c. Passivlegitimation
Wanderwege werden in der Regel im Auftrag des Gemeinwesens erstellt (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 118) und entweder durch das Gemeinwesen selbst oder durch private Fachorganisationen im Sinne von Art. 8 FWG (Sektionen des Verbands Schweizer Wanderwege) oder Private instandgehalten (vgl. Portner, Haftung, S. 46). Nach Art. 58 Abs. 1 OR haftet allerdings der Eigentümer des Werkes. Die Haftung des Werkeigentümers knüpft nach dieser Bestimmung somit grundsätzlich nicht an jener Person an, die die Instandhaltung ausübt, sondern eben an den Eigentumsverhältnissen.
Wanderwege führen oft über kulturunfähiges Land und stehen dadurch grundsätzlich im Eigentum des Gemeinwesens (Art. 664 Abs. 2 ZGB). Teils führen sie aber auch über kulturfähiges Land (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 116). Es kann also vorkommen, dass sowohl das Gemeinwesen als auch natürliche oder juristische Personen Eigentümer von Grundstücken sind, über welche Wanderwege verlaufen. Kraft Akzessionsprinzips sind die für die Wanderwege baulichen Massnahmen, welche in der Regel mit dem Boden resp. Fels fest verbunden sind, Bestandteil des Grundstücks und gehören dessen Eigentümer (Art. 671 Abs. 1 ZGB; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 117; Müller, Haftungsfragen Rz. 91).
Vom Prinzip der Haftung des Grundeigentümers wird ausnahmsweise abgewichen, wenn sich das Werk haftpflichtrechtlich nicht im Verantwortungsbereich des Eigentümers befindet (BGE 121 III 448 E. 3c; BK-Brehm, Art. 58 OR N 7 ff.). So wird das dienstbarkeitsberechtigte Gemeinwesen als Werkeigentümerin betrachtet, wenn ein öffentlicher Fussweg gestützt auf eine Wegdienstbarkeit auf einem privaten Grundstück errichtet und vom Gemeinwesen unterhalten wird (BGE 91 II 281 E. 5a; Bergamin, S. 70 f.). Eine solche Abweichung lässt sich allerdings nur für das Gemeinwesen und nicht umgekehrt für Privatpersonen rechtfertigen, da Wanderwege stets auch dem öffentlichen Interesse dienen (vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 118 f.; Rey/Wildhaber, Rz. 1291).
Privatpersonen sind dann passivlegitimiert, wenn der Wanderweg auf ihrem Grundstück liegt und sie den Weg im Eigeninteresse, also nicht im Auftrag des Gemeinwesens, angelegt haben (Müller, Haftungsfragen, Rz. 94; vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 118 f.). Ob eine private Fachorganisation zum Unterhalt des Wanderweges beigezogen wird, ist für die Passivlegitimation des Gemeinwesens nach Art. 58 OR unerheblich (Müller, Haftungsfragen, Rz. 93 und 96). Ebensowenig ist für die Haftung nach Art. 58 OR entscheidend, ob der Wanderweg in die Pläne aufgenommen wurde (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 122 f.).
2. Weitere Haftungsgrundlagen
Sofern ein Vertragsverhältnis besteht, kann der Werkeigentümer resp. die Betreiberin von Wanderwegen allenfalls aus Vertragshaftung haftbar gemacht werden (Müller, Haftungsfragen, Rz. 98 ff.).
Bei Vorliegen eines Transportvertrages mit einer Bergbahn ist bei Unfällen auf Wegen im Einzugsgebiet der Bergbahn stets auch die Vertragshaftung zu prüfen, da auch eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten zu einer Haftung gestützt auf Art. 97 Abs. 1 OR führen kann (vgl. Bergamin, S. 191 ff.). Das Bundesgericht liess offen, ob unter die Nebenpflichten eines Transportvertrages mit einer Bergbahn auch gewisse Schutzpflichten fallen, welche Wanderwege betreffen (BGE 113 II 246 E. 6). Nach Bergamin ist ein funktioneller Zusammenhang zwischen dem Transportvertrag und der Sicherungspflicht und somit eine dahingehende vertragliche Nebenpflicht grundsätzlich zu verneinen. Ausnahmen und somit vertragliche Nebenpflichten bestehen dort, wo die entsprechende Verantwortung im Vertrag ausdrücklich übernommen wurde, die Werbung einem Weg eine gewisse Eigenschaft zuspricht oder der Weg als Verbindungsweg dient (Bergamin, S. 193 f.).
Alternativ zur Werkeigentümerhaftung kann der Werkeigentümer auch auf Grundlage von Art. 41 OR haftbar gemacht werden (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 120 f.). Die Deliktshaftung nach Art. 41 OR dürfte allerdings nur dann von Bedeutung sein, wenn die Werkqualität i.S.v. Art. 58 OR abgesprochen wird (BSK-Kessler, Art. 58 OR N 4).
Das Gemeinwesen kann gestützt auf kantonale Verantwortlichkeitsgesetze (Staatshaftung) haftbar gemacht werden (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 122 f.; Müller, Haftungsfragen, Rz. 97), allerdings nur subsidiär zur Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR (BGE 115 II 237 E. 2c).
3. Kasuistik
Im Urteil 4A_244/2010 vom 12. Juli 2010 prüfte das Bundesgericht die Werkeigentümerhaftung, nachdem eine Person auf einem vereisten Wegabschnitt eines Bergwanderwegs stürzte, der über das Grundeigentum einer Bergbahn führte. Die Wanderin zog sich durch den Sturz mehrere Brüche am rechten Unterarm und an der linken Handwurzel zu. Die Bergbahn machte geltend, dass der Bergwanderweg durch seine Widmung zu einer öffentlichen Sache wurde, wodurch lediglich die Gemeinde passivlegitimiert sei. Das Gericht hielt fest, dass die Bergbahn nach Art. 58 OR passivlegitimiert sei, da der Wegabschnitt auf ihrem Grundstück liegt, als Verbindungsweg von der Bahnstation und dem Parkplatz zur Talstation dient und die Bergbahn sich um den Unterhalt des Weges kümmert (E. 1.4). Weiter erwog das Gericht, dass für das Mass an Unterhalt nicht allein die Bezeichnung des Weges, sondern die konkrete Nutzung massgeblich ist. Wird der Weg im Interesse der Eigentümerin als Verbindungsweg genutzt, kann von ihr verlangt werden, dass sie die für diese Nutzung notwendigen Vorkehrungen trifft. So wäre es zumutbar gewesen, den Weg mit Holzschnitzeln zu bestreuen oder ihn für Skifahrer, welche die Vereisung verursachten, abzusperren (E. 1.5 ff.). Eine Eigenverantwortung wurde verneint (E. 1.6) und die Werkeigentümerhaftung der Bergbahn bejaht.
Im Urteil S 02 1921 der Gerichtspräsidentin 7 des Gerichtskreises II Biel-Nidau vom 18.12.2003 (wiedergegeben in Berger, Rz. 1 ff.) beschäftigte sich das Gericht mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Wanderwegbetreibers aufgrund eines Unfalles in der Taubenlochschlucht auf einem gut ausgebauten Wanderweg in unmittelbarer Stadtnähe (vgl. nachfolgend Ausführungen zum strafrechtlichen, Rz. 62). Das Gericht hielt fest, dass Sicherungspflichten sich auch auf Nebenflächen von Wanderwegen beziehen können, wenn von dort aus Bedrohungen wie etwa herabstürzende Bäume und Steinschlag für Wanderer ausgehen. Hingegen verneinte es eine Sicherungspflicht, wenn die Gefahr besteht, dass Wanderer auf Nebenflächen über Wurzeln stolpern oder von einer erkletterten Böschung herunterfallen (Berger, Rz. 24). Obschon keine Zivilforderungen gestellt wurden, können die Erwägungen zur Sicherungspflicht auch für die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR relevant sein (Müller, Haftungsfragen, Rz. 61).
III. Strafrecht
Für die Grundlagen möglicher strafrechtliche Konsequenzen bei Bergunfällen wird auf den Allgemeinen Teil (vorstehend Rz. 1) verwiesen. Bei einem strafrechtlich relevanten Wanderunfall stellt sich meist die Frage, ob eine am Unfall beteiligte Person den Tatbestand der fahrlässigen Tötung oder der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt hat (Christen, S. 270).
A. Fahrlässige Körperverletzung / Tötung
Nach Art. 12 Abs. 3 StGB handelt fahrlässig, wer pflichtwidrig unvorsichtig handelt. Der Kern der Fahrlässigkeitshaftung liegt in einer Sorgfaltspflichtverletzung (BSK-Niggli/Maeder, Art. 12 StGB N 88). Wie gross die Sorgfaltspflichten sind, kommt auf die persönlichen Verhältnisse des Täters an (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB). Die Sorgfaltspflichten hängen damit einerseits von den individuell durch Ausbildung oder Erfahrung erworbenen Fähigkeiten oder Fachkenntnissen (BSK-Niggli/Maeder, Art. 12 StGB N 100; vgl. zudem BGE 98 IV 168 E. 4), andererseits auch von der Rolle der wandernden Person ab (Christen, S. 270).
Christen hält betreffend Führungspersonen fest, dass die Sorgfaltspflichten einer professionellen Führungsperson am weitesten gehen, etwas weniger weit diejenigen einer ehrenamtlichen Führungsperson und eines faktischen Führers und am wenigsten weit diejenigen eines Mitglieds einer Gefahrengemeinschaft (Christen, S. 270).
B. Kasuistik
Im Urteil SK 18 12 des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer vom 25. Januar 2019 behandelte das Obergericht einen tödlichen Unfall eines Mädchens, das auf dem Weg zu einer Abseilstelle die Schlucht hinunterstürzte. Dem Bergführer wurde fahrlässige Tötung vorgeworfen, da er es unterlassen habe, die zwei 13-jährigen Mädchen mit einer Seilsicherung hinuntergeführt zu haben. Bei dem Weg handelte es sich um einen nicht offiziellen Wanderweg, der ca. hüftbreit und ungefähr 50m lang war. Der Weg führte teilweise durch sehr steiles Gelände (bis 40 Grad), wies viele Wurzeln und Bäume auf, wurde teilweise mit hölzernen Treppenstufen und am talseitigen Bodenrand mit Baumstämmen ausgebaut. Am Unfalltag war der Weg feucht und mit Laub bedeckt. Das Obergericht hielt fest, dass ein strenger Sorgfaltsmassstab anzuwenden sei, da es sich um einen ausgebildeten und erfahrenen Bergführer handelte (E. 18.1). Es verneinte allerdings eine Sorgfaltspflichtverletzung durch das Hinuntersteigen des Weges ohne Seileinsatz aufgrund der konkreten Umstände (gutes Verhalten beider Mädchen vor dem Unfall, langsames Tempo, Ermahnungen zum sorgfältigen Gehen, stetiges Beobachten und verbales Hilfestehen durch den Bergführer) und hielt schliesslich fest, dass sich der Bergführer im Bereich des erlaubten Risikos befand (E. 19).
Weiter befasste sich das Bundesgericht in BGE 122 IV 303 mit der Sorgfaltspflicht eines Klassenlehrers, der mit seiner sechsten Klasse und ungefähr 20 Schülern und einer Begleitperson auf einer Bergwanderung unterwegs war, bei dem ein Schüler auf einem Schneefeld ausrutschte, hinunterstürzte und seinen Verletzungen erlag. Das Bundesgericht führte aus, dass Lager- und Tourenleiter, die Kinder in die Berge führen, grundsätzlich hohen Sorgfaltspflichten gerecht werden müssen und beschrieb die generellen Sorgfaltspflichten wie folgt: «Pflicht des Führers ist es, vor Antritt der Tour sorgfältig zu prüfen, ob bei den gegebenen Witterungs- und Routenverhältnissen, der körperlichen Eignung und dem technischen Können der Teilnehmer die geplante Bergwanderung überhaupt durchgeführt werden soll. Er wird sich dabei auch vergewissern, ob die Teilnehmer genügend ausgerüstet sind. Während einer Bergtour oder Bergwanderung ist auf die Kondition der Teilnehmer Rücksicht zu nehmen und das Gelände eingehend zu studieren. Treten im Verlaufe der Tour Schwierigkeiten auf, ist in jedem Fall besondere Sorgfalt geboten» (E. 3a). Aufgrund der konkreten Umstände (fehlende Reaktionen und Instruktionen die Schneefelder betreffend und fehlendes Vorangehen des Führers sowie fehlende erforderliche körperliche und charakterliche Eigenschaften des Kindes) wurde eine Sorgfaltspflichtverletzung bejaht (E. 3b ff.).
Im Urteil S 02 1921 des Gerichtspräsidenten 7 des Gerichtskreises II Biel-Nidau vom 18.12.2003 (vgl. vorstehend Rz. 56) befasste sich das Gericht mit einem Unfall in der Taubenlochschlucht, bei dem sich ein Kind tödlich und drei weitere Kinder teils schwer verletzten. Die Kinder gingen mit ihren Müttern zusammen auf einem Wanderweg, ehe die Gruppe auf einer Sitzbank rastete und ein paar Kinder auf einer in unmittelbarere Nähe steigenden Böschung mit bestehenden Trampelpfaden zu spielen begannen. Plötzlich lösten sich mehrere Steinblöcke, welche die vier Kinder zu Boden rissen und die Verletzungen verursachten. Bereits einige Monate zuvor stürzten in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle Steinblöcke herunter. Da trotz Kenntnis der Gefahrenlage und weiterer relevanter Umstände (Wanderweg in Naherholungszone, vorhandene finanzielle Mittel) kein Geologe beigezogen wurde und auch keine Sicherungsmassnahmen getroffen wurden, sprach das Gericht den Präsidenten des für den Weg verantwortlichen Vereins wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger einfacher Körperverletzung sowie wegen fahrlässiger Verursachung eines Einsturzes schuldig.
IV. Sozialversicherungsrecht
A. Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung
In der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmende sind obligatorisch einer Unfallversicherung angeschlossen (Art. 1a UVG) und Selbständigerwerbende können sich freiwillig versichern lassen (Art. 4 UVG). Die Versicherungsleistungen werden grundsätzlich für Berufs- und Nichtberufsunfälle gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG). Auf Basis dieser Bestimmungen ist zu prüfen, ob durch Wanderunfälle verursachte Bergungs-, Heilungs-, Erwerbsausfallkosten etc. durch die Unfallversicherung übernommen werden können (vgl. Müller, Haftungsfragen, Rz. 384).
Die gesetzliche Definition des Unfalles findet sich in Art. 4 ATSG (Art. 1 Abs. 1 UVG). Demnach ist ein Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. Massgebendes Kriterium für den Unfallbegriff bildet die Ungewöhnlichkeit eines Unfalles. Demnach stellt die Verwirklichung eines der Sportart inhärenten Risikos grundsätzlich kein Unfall dar (Meyer, S. 47, 55 ff.; Müller, Haftungsfragen, Rz. 385). Für unfallähnliche Körperschädigungen (vgl. lit. a bis h) kommt die Unfallversicherung auf, sofern die Schädigung nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind (Art. 6 Abs. 2 UVG).
B. Leistungskürzungen/ -verweigerungen
Das UVG sieht Leistungskürzungen oder -verweigerungen vor, wenn der eingetretene Schaden schuldhaft herbeigeführt wurde oder wenn eine aussergewöhnliche Gefahr oder ein Wagnis eingegangen worden ist (Art. 37 und 39 UVG). Skifahren, Bergsteigen und Klettern stellen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich schützenswerte Handlungen dar (BGE 104 V 19 E. 2; BGE 97 V 72 E. 3). Da Wandern aufgrund geringerer Geschwindigkeit und (meist) weniger steilem Gelände an sich auch mit geringeren Risiken als die vorgenannten Sportarten verbunden ist, hat auch Wandern als schützenswerte Handlung zu gelten.
Schützenswerte Sportarten, die mit Risiken verbunden sind, können dennoch als relative Wagnisse gelten, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Reduzierung der Gefahren auf ein vernünftiges Mass nicht vorgenommen wurden (BGE 112 V 297 E. 1b; BGE 112 V 47 E. 2a und b). Die Frage, ob ein relatives Wagnis vorliegt oder nicht, hängt daher vom Einzelfall und sogar vom einzelnen Handlungsabschnitt ab (vgl. Erni, S. 22; BGE 97 V 72 E. 6a). Die ad hoc-Kommission Schaden UVG führt in ihrer (unverbindlichen) Empfehlung Nr. 5/83 auf, dass Bergsteigen, Klettern und Schneesport-Aktivitäten abseits markierter Pisten bei schwerwiegender Missachtung der sportüblichen Regeln und Vorsichtsgebote relative Wagnisse darstellen. Häufig stellt sich bei einem Bergunfall also die Frage, ob die Person es unterlassen hat, die objektiv vorhandenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabzusetzen (Erni, S. 27).
Bergunfälle, die grobfahrlässig herbeigeführt wurden, können zur Kürzung der Versicherungsleistung führen (Art. 37 Abs. 2 UVG). Während beim Wagnis die grosse Gefahr der Handlung im Vordergrund steht, ist für die Grobfahrlässigkeit die Ausführung der Handlung entscheidend (Müller, Haftungsfragen, Rz. 406; Erni, S. 25).
C. Kasuistik
Im Urteil U 258/04 vom 23. November 2006 lag dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ein Sachverhalt zugrunde, bei dem ein Wanderer nach einer langen Wanderung aufgrund eines harten Aufschlages beim Bergabgehen im felsigen Gelände ohne gesicherten Weg mit bis zu 1,5 Meter hohen Absätzen einen Ermüdungsbruch am Fersenbein erlitt. Das Eidgenössische Versicherungsgericht verneinte die Ungewöhnlichkeit wie auch die Plötzlichkeit, weshalb es einen Unfall und auch eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne des Gesetzes verneinte (Urteil U 258/04 vom 23. November 2006 E. 3.2 f.).
Im Urteil U 519 vom 06. April 2004 befasste sich das Eidgenössiche Versicherungsgericht mit einer durch Wundreiben der Füsse in schmalen Bergschuhen verursachten Blasenbildung und anschliessender Infektion unterhalb des grossen Zehen. Das Gericht hielt fest, dass die für die Infektion verantwortlichen Bakterien nicht wegen einer eigentlichen Verletzung in den Körper eingedrungen sind und demnach aufgrund des fehlenden ungewöhnlichen äusseren Faktors keinen Unfall vorlag (wiedergegeben in RKUV 2004, S. 439 ff.; vgl. zudem Meyer, S. 61).
Im Urteil Schweiz. Unfallversicherungsanstalt gegen Squaratti des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 23. Juli 1960 beschäftigte sich das Gericht mit einem tödlichen Unfall auf einer Bergwanderung, bei der eine Person auf einem steil abfallenden, feuchten Grashang abstürzte. Die Ungewöhnlichkeit und somit das Bestehen eines Unfalles wurde bejaht. Da der Verunfallte allerdings bekanntermassen in bestimmten Lagen an Schwindel- und Schwächeanfällen litt, wurde sein Verhalten als erhebliche Mitursache für den Absturz und somit als grobfahrlässig qualifiziert. Die Hinterlassenenrente wurde daher um 50% gekürzt (wiedergegeben in EVGE 1960, S. 158 ff.; vgl. zudem Kaiser/Ferreiro, S. 32; Meyer, S. 61).
Im Gegensatz zu Hochtouren und Schneeschuhwanderungen (vgl. nachfolgende Beiträge xy) sind bei Wanderungen (auf Wander- und Bergwanderwegen) keine Gerichtsfälle von (relativen) Wagnissen bekannt. Dennoch wäre eine solche Konstellation denkbar, wenn etwa eine Bergwanderung trotz angekündigter grosser Lawinengefahr (Erni, S. 27) oder ein Wanderweg aufgrund vorhersehbarer Bergsturzgefahr und entsprechender Sperrung trotzdem begangen wird.
V. Spezifische Fragestellungen
Da Wanderrouten (nicht nur liebevolle) Begegnungen mit Tieren mit sich bringen können und teils wegen Naturereignissen und -gefahren oder aus anderen Gründen gesperrt werden, gilt es diese Aspekte des Wanderns noch einzeln zu diskutieren.
A. Begegnungen mit Tieren
Wie bereits ausgeführt, können Wanderwege auch über kulturfähiges Land verlaufen. Insbesondere bei wirtschaftlich genutzten Weiden, kann es auch zu Begegnungen mit von Menschen gehaltenen Tieren kommen. Kommt es zu tierverursachten Verletzungen, etwa durch Kühe (insbesondere Mutterkühe), Stiere, Pferde, Hunde (insbesondere Herdenschutzhunde) usw., dient Art. 56 OR als Haftungsgrundlage (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 121). Nach Art. 56 OR haftet für den von einem Tier angerichteten Schaden, «wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre». Eine Haftung kommt allerdings nur in Frage, wenn die Schädigung auf ein tierspezifisches Verhalten zurückzuführen ist und das Tier aus eigenem Antrieb gehandelt hat (BSK-Kessler, Art. 56 OR N 8 f.; Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 121). Ein tierspezifisches Verhalten liegt nicht mehr vor, wenn der Halter das Tier als «Werkzeug» benutzt (BGE 64 II 373 E. 1). Sind die vorgenannten Voraussetzungen nicht gegeben, kann subsidiär eine Haftung nach Art. 41 OR geprüft werden (BSK-Kessler, Art. 56 OR N 3).
Die konkreten Sorgfaltspflichten nach Art. 56 OR richten sich in erster Linie nach geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Fehlen gesetzliche oder reglementarische Vorschriften und haben auch private Verbände keine allgemein anerkannten Vorschriften erlassen, ist zu prüfen, welche Sorgfalt nach der Gesamtheit der konkreten Umstände geboten ist (BGE 131 III 115 E 2.1).
Das Bundesgericht beschäftigte sich in BGE 126 III 14 mit der Tierhalterhaftung. Ein Ehepaar befand sich mit zwei angeleinten Hunden auf einem absteigenden Wanderweg vom Chasseral, der durch eine mit Stacheldraht eingezäunten Weide führte, auf welcher sich Mutterkühe mit ihren Kälbern befanden. Als das Ehepaar mit ihren Hunden die Weide durch das Drehkreuz betraten, näherten sich die Mutterkühe und begannen zu muhen. Aus Angst liess das Ehepaar die Hunde los, welche jedoch in deren Nähe blieben. Die aufgeregten Kühe rempelten das Ehepaar, warfen sie um und trampelten auf ihnen herum, sodass sie schwer verletzt wurden. Das Bundesgericht verneinte die Verletzung einer Rechtsnorm oder einer Verbandsvorschrift und überprüfte gestützt auf eine Interessensabwägung, ob weitere Sicherheitsmassnahmen vernünftigerweise verlangt werden konnten. Als massgebliche Kriterien erachtete es die Wirksamkeit und Nachteile einer Massnahme, deren Kosten, die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts und das mögliche Schadensausmass. Eine über die bestehenden Sicherungsmassnahmen hinausgehende Sicherungspflicht, insbesondere eine Pflicht für das Anbringen von Warnschildern wurde verneint und somit ebenfalls eine Haftung nach Art 56 OR (BGE 126 III 14 E. 1b; vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 121 f.).
Das Bundesgericht behandelte mit Urteil 6B_1084/2009 vom 29. Juli 2010 die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines durch ein Rind verursachten Unfalls. Eine wandernde Person kletterte über einen Elektrozaun und begab sich auf eine Weide, auf der sich eine Rinderherde befand. Als die wandernde Person an den Rindern vorbeiging, erlitt sie verschiedene durch ein Rind zugetragene Körperverletzungen am Rücken. Da nicht nachgewiesen werden konnte, dass das fragliche Rind bereits zuvor bösartig aggressiv war und der Tierhalter davon Kenntnis hatte, verneinte das Bundesgericht eine Sorgfaltspflichtverletzung des Tierhalters.
B. Sperrung von Wanderwegen
Wanderwege befinden sich teilweise im Einflussbereich von Naturgefahren wie Steinschlag, Fels- und Bergsturz, Murgänge, Hangrutschung, Schnee- und Eislawinen, Blitzschlag Starkniederschläge, umstürzende Bäume bei Sturm usw., welche von menschlichen Handlungen unabhängige Geschehnisse darstellen (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 115). Solche Gefahren, wenn sie dann voraussehbar sind, können eine Sperrung von Wanderwegen erfordern. Werden voraussehbare Sperrungen unterlassen, können sie aufgrund einer Garantenstellung haftungsbegründend sein. Als mögliche Haftungsgrundlage dient die Werkeigentümerhaftung (vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 115) oder die Staatshaftung nach einem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz (vgl. Seferovic, S. 54 f.).
Dass Wanderwege gesperrt werden können und unter Umständen auch gesperrt werden müssen, ergibt sich aus den Verkehrssicherungspflichten nach Art. 58 OR für die Werkeigentümer (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 116) und aus Art. 6 Abs. 1 lit. b FWG sowie aus dem allgemeinen Gefahrensatz (vgl. Seferovic, S. 54). Steht eine ausserordentliche Gefahrenlage bevor und erhalten die Behörden rechtzeitig glaubwürdige Hinweise, so kann ein Ereignis voraussehbar sein. In diesem Fall sind Fachleute beizuziehen und der Gefahrenlage angepasste Schutzmassnahmen zu ergreifen (Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 116). Bei akuter, unmittelbar drohender Gefahr für die Wegbenützer müssen die Behörden Wanderwege sperren (Seferovic, S. 55), wodurch sich das Haftungsrisiko wirksam reduzieren lässt (Berger, Rz. 46). Werden Wanderwege nicht gesperrt, dürfte eine Haftung aufgrund der Zweckbestimmung von Wanderwegen und der Eigenverantwortung dennoch lediglich selten vorliegen (vgl. Bütler, Haftung auf Wanderwegen, S. 116).
Im Urteil 6B_235/2020 vom 01. Februar 2021 befasste sich das Bundesgericht mit dem Bergsturz an der Nordostflanke des Piz Cengalo im Bondascatal vom 23. August 2017, der einen Schuttstrom bis ins darunterliegende Dorf Bondo auslöste. Acht Personen, welche sich zum Zeitpunkt des Bergsturzes auf einem Wanderweg befanden, gelten seither als vermisst. Im Strafverfahren machten die Privatkläger Zivilforderungen gegenüber den Personen geltend, welche mitverantwortlich sein sollen, dass die betroffenen Wanderwege ab dem 10. August 2017 nicht bereits gesperrt wurden (vgl. E. 1.3). Die Staatsanwaltschaft untersuchte dabei, ob und welche Empfehlungen im Vorfeld des Bergsturzes an die Gemeinde gemacht wurden und ob das Ereignis voraussehbar war (E. 2.6.2.). Das Bundesgericht wies die Sache an die Staatsanwaltschaft zurück (vgl. dazu auch Fontana, S. 401 ff.), womit die Frage der Voraussehbarkeit noch offen liegt.
Aktuell ereignete sich ein tödlicher Vorfall auf einem gut ausgebauten Wanderweg, der stark frequentierten Badstrasse zwischen Bad Ragaz und der Taminaschlucht. Auf diesem Wanderweg fiel von einer Felswand oberhalb des Weges ein Baumstamm herunter und verletzte dabei zwei Personen tödlich. Gemäss Berichterstattung findet dreimal wöchentlich eine visuelle Kontrolle der Badstrasse statt (https://www.srf.ch/news/schweiz/weg-zur-taminaschlucht-mutter-und-kind-von-herabfallendem-baumstamm-toedlich-verletzt). Ähnlich wie im Piz Cengalo-Fall wird die in diesem Zusammenhang zu stellende rechtliche Frage sein, ob die Voraussehbarkeit des Baumsturzes gegeben war.