Onlinekommentare 31.08.2023

Langlaufen

Zitiervorschlag: David F. Ehlebracht, Langlaufen, in: Anne Mirjam Schneuwly/Rahel Müller (Hrsg.), Bergsportkommentar, https://bergsportkommentar.ch/langlaufen, 1. Aufl., (publiziert am 31. August 2023).

Kurzzitat: Ehlebracht, Rz. xx.



Literatur

Beck Peter, Die Beweisführung im Haftpflichtrecht, Freiburger Sozialrechtstage 2006, 227 ff.; Berger-Steiner Isabelle, Das Beweismass im Privatrecht, Diss., Bern 2008; Christen Rita, Gutachten bei Bergunfällen, in: HAVE 3/2015, S. 268 ff.; Elsener Fabio/Wälchli Dominic, Pisten-Skifahren, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Fellmann Walter, Sekundäre Darlegungslast, in: HAVE 2022/1, S. 34 ff.; Gerber Andreas, Strafrechtliche Aspekte von Lawinen- und Bergunfällen, unter Berücksichtigung der schweizerischen Gerichtspraxis, Diss. Zürich 1979; Heer, Marianne, in: Niggli, Marcel Alexander/Heer, Marianne/Wiprächtiger, Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafrechtprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl. 2014; Koch, Patrick, Skitouren und Variantenfahren Teil 1, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar; Laube, Viktor, Der schmale Grat der Fahrlässigkeit, Einige Überlegungen zum «Jungfrau-Drama», in: Jusletter 16. November 2009; Müller Rahel, Haftungsfragen am Berg, Diss., Bern 2016; Niggli Marcel Alexander/Heimgartner Stefan, in: Niggli Marcel Alexander/Heer Marianne/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafrechtprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl. 2014; Tophinke Ester, in: Niggli Marcel Alexander/Heer Marianne/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafrechtprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl. 2014; Saxer Urs/Thurnheer Simon, in: Niggli Marcel Alexander/Heer Marianne/Wiprächtiger Hans (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafrechtprozessordnung, Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl. 2014 Stratenwerth Günter, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., Bern 2005; Summermatter Daniel/Jacober Claudia, Beweismass beim Kausal- und Motivationszusammenhang, HAVE 2/2012, S. 136 ff.; Summermatter Daniel, Kausalität, Ein Handbuch, Bern 2019; Hans Vest, Freispruch der im Bergunfall an der Jungfrau angeklagten militärischen Bergführer – ein Fehlurteil?, in: Jusletter 27. September 2010; Vuille Miro, Wandern, in: Schneuwly Anne Mirjam/Müller Rahel (Hrsg.), Bergsportkommentar.

I. Einleitung


Bergsportaktivitäten können im Gerichtssaal enden. Insbesondere die strafrechtlichen Verfahren finden auch in der Öffentlichkeit teils grosse Beachtung. Die Berichterstattung durch die Medien bildet aber oft nur einen kleinen – meist den letzten – Teil eines umfangreichen Verfahrens ab. Den betroffenen Bergsportler*innen, aber auch interessierten Drittpersonen soll mit dem vorliegenden Beitrag eine Übersicht über das Straf- und Zivilverfahren mit besonderem Fokus auf den Bergsportunfall gegeben werden. Nicht behandelt werden öffentlich-rechtliche Fragestellungen, namentlich das Bewilligungsverfahren zur gewerbsmässigen Ausübung einer Risikoaktivität.


Als Veranschaulichungsbeispiel für die nachfolgende Darstellung dient ein fiktiver Fall: Mehrere Teilnehmer*innen haben bei der Biketour AG eine tägige Tour mit dem Mountainbike durch das Gebirge gebucht. Der Tourenführer ist bei der Biketour AG angestellt. An einer Stelle führte der Weg durch felsiges und steiles Gelände. Während andere Teilnehmer*innen auf diesem Abschnitt das Bike geschoben haben, absolvierte ein Teilnehmer die Stelle auf dem Bike fahrend. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte ab und zog sich dabei schwere und bleibende Verletzungen zu.

II. Das Strafverfahren: Ablauf und Besonderheiten


Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens ist beispielsweise ein Absturz beim Klettern oder Bergsteigen, ein Zusammenprall von Personen beim Pistenskifahren miteinander oder mit einem Hindernis auf der Piste, oder aber einen Lawinenabgang mit Personenschäden, oder die Verletzung von Sportler*innen bei einem Wettkampf aufgrund eines schlecht angelegten Parcours. Nachfolgend soll der Ablauf eines solchen Verfahrens allgemein beschrieben und einige Besonderheiten herausgegriffen werden. Die Besonderheiten des Strafverfahrens bei einem Bergsportunfall betreffen insbesondere die Feststellung des Sachverhalts sowie Definition der Sorgfaltspflichten unter Berücksichtigung der verfügbaren Normen und der Einholung von Gutachten.

A. Einleitung und Einstellung des Strafverfahrens

1. Einleitung von Amtes wegen


Strafbehörden sind bei Verdachtsgründen für eine Straftat verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen (Art. 7 Abs. 1 StPO). Diese Pflicht gilt im Falle eines Bergsportunfalls, wenn eine Person schwer verletzt oder getötet wurde. Im eingangs beschriebenen Beispielfall wird die Sanität alarmiert und gleichzeitig die Polizei avisiert. Beide gehen gemeinsam vor Ort. Die Staatsanwaltschaft wird von der Polizei informiert. Es liegt in deren Ermessen, ob sie zur Unfallstelle kommt. Dies wird sich vor allem dann aufdrängen, wenn bei schweren und komplexen Fällen die Staatsanwaltschaft sich ein eigenes Bild von den konkreten Umständen und Verhältnissen in engem zeitlichem Bezug zum Unfall machen will, um gegebenenfalls Sofortmassnahmen anzuordnen. Bereits an der Unfallstelle beginnt somit die Sachverhaltsfeststellung im Rahmen des strafrechtlichen Vorverfahrens. Auf diesen wichtigen Aspekt im Verfahren ist nachfolgend gesondert einzugehen (Rz. 8 ff.).

2. Einleitung nach Strafantrag


Hätte sich der Verunfallte im Einstiegsfall beim Sturz nur leichte Verletzungen zugezogen (einfache Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 1 StGB), würde das Verfahren nur eingeleitet, wenn er einen Strafantrag gegen den Tourenleiter stellt (Art. 303 Abs. 1 StPO). Er hat dazu eine Frist von drei Monaten zu beachten (Art. 31 StGB). Das Stellen eines Strafantrags und die Konstituierung als Privatkläger im Strafverfahren hat den Vorteil, dass der Sachverhalt von den Strafbehörden anders als im Zivilverfahren von Amtes wegen (siehe dazu nachfolgend Rz. 8 ff.) festgestellt wird. Der Verunfallte im Einstiegsfall würde somit davon profitieren, dass der Unfallhergang sowie die Grundlagen der vom Tourenleiter zu beachtenden Berufspflichten polizeilich und allenfalls gutachterlich genau hergeleitet und geprüft werden und er gestützt darauf Zivilansprüche geltend machen kann (vgl. dazu nachstehend Rz. 60 ff.). Wird das Verfahren gegen den Tourenleiter aber in der Folge eingestellt, kann der Verunfallte unter Umständen zur Übernahme der Anwaltskosten verpflichtet werden, die sich auf mehrere tausend Franken belaufen können (Art. 432 Abs. 2 StPO; BGE 147 IV 47 E. 4.2.4-4.2.6).

3. Einstellung ohne gerichtliche Beurteilung


Bei der Frage, ob ein Strafverfahren bereits im Rahmen des Vorverfahrens wieder eingestellt werden kann, gilt der sog. Grundsatz «in dubio pro duriore» (im Zweifel für das Härtere). Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nur bei klarer Straflosigkeit verfügt werden. In Zweifelsfällen hat eine Anklage und gerichtliche Beurteilung zu erfolgen (BGE 137 IV 219 E. 7.1; vgl. auch Urteil des BGer 6B_553/2022 vom 16.09.2022 E. 2.2). Sind die Voraussetzungen für eine Einstellung nicht gegeben, erlässt die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl oder erhebt Anklage beim Gericht und es kommt zu einem Hauptverfahren. Erst beim Verfahren vor Gericht gilt der Grundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten) als Teil der Unschuldsvermutung (BSK StPO-Tophinke, Art. 310 N 75).


Würde beim Einstiegsfall der Tourenleiter behaupten, dass er die Tourenteilnehmer*innen explizit auf den schwierigen Wegabschnitt aufmerksam gemacht und sie angewiesen habe, das Bike zu schieben, der Verunfallte aber aussagt, er habe diese Anweisung nicht erhalten, steht Aussage gegen Aussage. Im Zweifel ist zulasten des Tourenführers davon auszugehen, dass eine ungenügende Instruktion stattfand und es ist Anklage zu erheben. Gelangt auch das Gericht im anschliessenden Gerichtsverfahren – beispielsweise nach weiteren Zeugenbefragungen – nicht zu einer hinreichenden Überzeugung, dass eine Instruktion unterlassen wurde, ist im Zweifel von dieser auszugehen und der Tourenleiter ist freizusprechen.

B. Feststellung des Sachverhalts

1. Relevanz


Die Strafbehörden, d.h. die Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte (Art. 12 f. StPO) klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1 StPO). Belastende und entlastende Umstände sind mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen (Art. 6 Abs. 2 StPO; vgl. Koch, Rz. 49).


Nur die präzise Aufarbeitung der Ereignisse kann Grundlage dazu liefern, ob wirklich eine strafbare Handlung vorliegt bzw. Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Auch der Verteidigung ist vor diesem Hintergrund in der Regel nicht zu empfehlen, sich komplett passiv zu verhalten und auf den Grundsatz in dubio pro reo zu hoffen. So konnte im Militärjustizverfahren um den tödlichen Bergsportunfall an der Jungfrau mit dem von der Verteidigung in Auftrag gegebenen Privatgutachten und den Aussagen der Augenzeugen aufgezeigt werden, dass der Gerichtsgutachter und entsprechend auch die Anklage von nicht zutreffenden Sachverhaltselementen ausgingen: Der Hypothese des Gerichtsgutachters, wonach die verunfallten Rekruten wegen des Schneedrucks im Neuschnee ihren Halt verloren hatten, konnte das Gericht nicht folgen. Namentlich aufgrund der Tatsache, dass die abgestürzten Personen nicht verschüttet waren, die obersten Tritte noch sichtbar waren und diese im abgeblasenen Gelände im Altschnee erfolgten, war von festem Stand auszugehen und erst eine überstürzte Handlung infolge Erschreckens einer oder mehrerer Rekruten führte nach Auffassung des Gerichts zum Mitreissunfall (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 insb. E. 10.4 und 13.4).

2. Anklagegrundsatz


Kommt es nach den Ermittlungshandlungen im Vorverfahren zu einer Anklage, hat diese den der Täterschaft zur Last gelegten Vorwurf und damit auch den Sachverhalt genau zu umschreiben. Die möglichst genaue Feststellung des Sachverhalts wirkt sich somit nicht nur auf die anschliessende Sachverhaltswürdigung durch das Gericht aus, sondern bereits zuvor auf die Frage, ob dem Anklagegrundsatz genüge getan ist. Genügt die Anklageschrift den Anforderungen nicht, ist sie vom Gericht zur Verbesserung zurückzuweisen. Wird in der Folge keine genügende Anklageschrift eingereicht, wird das Verfahren eingestellt (BSK StPO-Niggli/Heimgartner, Art. 9 N 62). In der Praxis ist jedoch festzustellen, dass der Rüge der ungenügenden Anklageschrift selten Erfolg beschieden ist (vgl. zuletzt Urteil des BGer 6B_101/2022 vom 30.01.2023 E. 1.5, zur Publikation vorgesehen).


Der Anklagegrundsatz ist gemäss Urteilen in der Praxis eingehalten, wenn eine falsche Beurteilung der Lawinensituation «auf dem Rottalsattel» angeklagt ist, jedoch das Schneebrett im unmittelbar angrenzenden Hang abgegangen ist (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 7 E. 17.3). Nicht umfasst ist die Vorhersehbarkeit einer Lawinenauslösung bei mässiger Lawinengefahr, wenn nur die Vorhersehbarkeit bei erheblicher Gefahr angeklagt ist (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 17.5.5.ck; kritisch Vest, Rz. 33, wonach es sich um eine rein normative Einstufung handle). Offengelassen wurde die Einhaltung des Anklagegrundsatzes, wenn statt eines Mitreiss- ein Lawinenunfall angeklagt ist oder die Beurteilung der Temperaturentwicklung in der Anklageschrift nicht erwähnt wird (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 17.5.5 ci und cn).

3. Ermittlungshandlungen der Polizei und Beizug von Spezialist*innen


Die Feststellung des Sachverhalts ist in Bergsportunfällen von entscheidender Bedeutung. Direkt vor Ort werden meist bereits Befragungen durch die Polizei durchgeführt. Die angetroffene Situation ist zu protokollieren und fotografisch festzuhalten. Im Einstiegsfall sind der Ort der Lage des Verletzten, der Zustand des Bikes, die Ausrüstung sowie der betroffene Wegabschnitt und der Absturzweg mittels Bericht und Fotos genau zu dokumentieren. Das Bike kann für weitere technische Untersuchungen beschlagnahmt werden. Nicht zuletzt witterungsbedingt muss stets mit einer Veränderung der Situation gerechnet werden (für Skitouren vgl. Koch, Rz. 49).


Die Ermittlungen bei einem Bergsportunfall sind primär Aufgabe der zuständigen Polizei, die auch als erstes vor Ort ist. Nach der Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft, kann diese die Polizei mit weiteren Untersuchungen beauftragen, beispielsweise mit delegierten Einvernahmen (Art. 312 StPO, zu den Rechten der einvernommenen Personen vgl. nachstehend Rz. 17).


Während in einigen Kantonen spezialisierte Einheiten zuständig sind (z.B. Alpinkader Graubünden), gibt es nach wie vor zahlreiche Kantone ohne spezialisierte Polizeieinheiten. Daraus entsteht das Risiko, dass die Wichtigkeit bestimmter Aspekte und Fragestellungen mangels Fachkenntnis nicht erkannt wird und Ermittlungshandlungen versäumt werden, die nicht mehr nachgeholt werden können.


In solchen Situationen ist empfehlenswert, seitens Privatklägerschaft oder beschuldigter Person den Beizug einer gutachterlichen Fachperson bereits zur Ermittlung des Sachverhalts durch die Polizei zu fordern (Christen, S. 275). Diese Gutachterperson unterstützt die Ermittlungsbehörden somit bereits bei der Feststellung des Sachverhalts (zur Beurteilung des Sachverhalts siehe nachstehend Rz. 35), beispielsweise bei Beantwortung der Frage, welche von mehreren in Frage kommenden Personen die Lawine ausgelöst hatte (vgl. Urteil des BGer 6P.163/2004 vom 03.05.2005 E. 5). Wird einem solchen Begehren nicht Folge geleistet, bleibt dem involvierten Rechtsvertreter lediglich die Möglichkeit, sich zumindest von einem privat bestellten Gutachter beraten zu lassen.

4. Mitwirkung der beteiligten Personen


Bei vielen Bergsportunfällen stellt sich das Problem, dass ausser dem Opfer und der potenziell beschuldigten Person (die selber auch Opfer sein kann) oft keine Zeugen den Unfall beobachtet haben. Informationen, zum Beispiel zu getroffenen Absprachen zwischen den Beteiligten, sind daher nur von ihnen erhältlich zu machen. So ist im Einstiegsfall davon auszugehen, dass die anderen Tourenteilnehmer*innen sich auf den Weg konzentrierten und nicht gesehen haben, ob und ab welcher Stelle der Verunfallte auf das Bike gestiegen ist. Nur der Tourenführer und der Verunfallte wissen zudem, welche individuellen Warnhinweise abgegeben wurden.


Von der potenziell beschuldigten Person wird – seitens des Opfers und oft auch den ermittelnden Behörden – erwartet, bei der Sachverhaltsfeststellung mitzumachen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass sich eine beschuldigte Person nicht selbst belasten muss und namentlich die Mitwirkung verweigern darf (Art. 113 Abs. 2 StPO). Diese Rechte bestehen während der gesamten Dauer des Verfahrens. Die beschuldigte Person muss vor der ersten Einvernahme auf das Aussageverweigerungsrecht hingewiesen werden (Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO). Sie hat das Recht, anwaltlich begleitet zu werden (Anwalt erster Stunde, Art. 159 StPO). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der SAC und der Bergführerverband Listen mit auf Bergrecht spezialisierte Anwälte und Anwältinnen führen.


Es ist soweit möglich, von Anfang an zu definieren, in welcher Rolle die involvierten Personen am Verfahren mitwirken. Als Zeuge oder Zeugin einzuvernehmen und zur Aussage verpflichtet sind nur Personen, die an der Begehung der Straftat nicht beteiligt sind und nicht sogenannte Auskunftspersonen sind (Art. 162 StPO). Ist nicht auszuschliessen, dass eine Person als Täter oder Täterin in Frage kommt, wird sie als Auskunftsperson einvernommen (Art. 178 lit. d StPO).


Werden die Beteiligten bereits an der Unfallstelle oder später im Spital durch die Polizei befragt, finden diese Ausführungen bereits Eingang in den Polizeirapport. Im weiteren Verfahren kommt diesen Aussagen als sogenannte Aussagen erster Stunde grosse Relevanz zu. Bei späteren Korrekturen an der Aussage hat das Gericht in die Würdigung miteinzubeziehen, dass diese allenfalls im Lichte der nun bekannten möglichen strafrechtlichen Folgen erfolgt sein könnte. Auch wenn die beschuldigte Person ein Interesse daran hat, zur Wahrheitsfindung beizutragen, um den Erwartungen insbesondere im Umfeld des Opfers gerecht zu werden, ist daher in diesem frühen Stadium oft «weniger mehr».

5. Tatrekonstruktion und Augenschein


Bei Unfällen in der Natur können sich die äusseren Bedingungen rasch verändern. Gerade diese sind aber relevant bei der Frage, ob sich die Unfallbeteiligten angesichts der konkreten Begebenheiten korrekt verhalten haben. Besondere Bedeutung kommt somit der echtzeitlichen Feststellung des Sachverhalts, idealerweise bereits an der Unfallstelle, zu. So kann eine beim Unfall trockene Abstiegsstelle im Zeitpunkt der weiteren Ermittlungen feucht und rutschig sein, ein Bach kann innert Minuten ansteigen oder die Sonneneinstrahlung sich verändern. Auch aus diesem Grund soll der (gerichtliche) Experte nach Möglichkeit noch am Unglückstag einen Augenschein vornehmen, da sich die Verhältnisse im Gebirge sehr rasch ändern können (Gerber, S. 208; für Skitouren vgl. Koch, Rz. 49. So auch im Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 u.a. E. 9.1.1, als der Gerichtsgutachter bereits am Nachmittag des Unglückstages vor Ort war).


Fehlen Feststellungen für den konkreten Zeitpunkt des Unfalls, weil beispielsweise die Witterungsbedingungen nur gerade die Bergung des Opfers zuliessen, hat eine darauffolgende Tatrekonstruktion (im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins) unter realistischen Bedingungen zu erfolgen. Dabei kann sich auch ein Zuwarten bis zum Eintritt vergleichbarer Begebenheiten auszahlen. Spielen bei einem Bootsunfall die Sonneneinstrahlung und Blendverhältnisse eine massgebliche Rolle, kann es angezeigt sein, den Augenschein bzw. die Tatrekonstruktion erst ein Jahr später zum selben Zeitpunkt vorzunehmen. Ein Zugangsweg zur Abseilstelle ist sinnvollerweise nicht im Winter mit Eis und Schnee zu begehen, sondern an einem Tag, der den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Verhältnisse am ehesten entspricht. Sind auf Fotos des Gutachters Jahre nach dem Unfall hervortretende Armierungseisen zu sehen, ist zu fragen, ob dieser Zustand bereits im Unfallzeitpunkt bestand. Massgeblich sind einzig die Fotos (des KTD) vom Unfalltag (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, SK 18 12 vom 25.01.2019 E. 13.5 S. 20).


Bei der Tatrekonstruktion sind zudem nicht nur der Ort des Unfalles, sondern weitere relevante Umstände zu reproduzieren. So spielt es für die Beurteilung, welche Fähigkeiten dem Opfer zugemutet werden konnten, eine wichtige Rolle, ob und wie bereits vorgängig gewisse Stellen gemeistert wurden (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, SK 18 12 vom 25.01.2019 E. 18.3.2 E. 32).

C. Definition der Sorgfaltspflichten


Bei der Frage, ob der beschuldigten Person ein strafbares Verhalten vorgeworfen werden kann, wird geprüft, ob eine Verletzung der Sorgfaltspflichten vorliegt und wo die Grenze zum sportinhärenten Risiko zu ziehen ist (vgl. Koch, Rz. 58 und 73).


Für das urteilende Gericht stellt sich in diesem Rahmen die Frage, anhand welcher Quellen die Sorgfaltspflichten zu definieren sind. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Gutachten zu.

1. Quellen der Sorgfaltspflichten

a. Risikoaktivitätengesetz

Sorgfaltspflichten sind in Art. 2 des Bundesgesetzes über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten (RiskG) definiert. Diese orientieren sich am allgemeinen Gefahrensatz: «Wer eine diesem Gesetz unterstellte Aktivität anbietet, muss die Massnahmen treffen, die nach der Erfahrung erforderlich, nach dem Stand der Technik möglich und nach den gegebenen Verhältnissen angemessen sind, damit Leben und Gesundheit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht gefährdet werden.» Eine nicht abschliessende Aufzählung dieser Massnahmen findet sich in Art. 2 Abs. 2 RiskG.


In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass nur folgende gewerbsmässig angebotenen Sportarten dem RiskG unterstellt sind:

  1. die Tätigkeit als Bergführer oder Bergführerin;
  2. die Tätigkeit als Schneesportlehrer oder Schneesportlehrerin ausserhalb des Verantwortungsbereichs von Betreibern von Skilift- und Seilbahnanlagen;
  3. Canyoning;
  4. River-Rafting und Wildwasserfahrten;
  5. Bungee-Jumping.
b. Normen der Selbstregulierung und Fachliteratur

Die allgemeinen Formulierungen der Risikoaktivitätengesetzgebung erweist sich in der Praxis oft als zu wenig konkret. Bei Vorliegen eines Normmangels können Selbstregulierungen in Form von privaten Normen, «Leit- oder Richtlinien», als «soft law» angesehen werden und als Auslegungshilfe oder Lückenfüller dienen. So dienten bei der Haftung von Bergbahnunternehmen in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die von der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten ausgearbeiteten Richtlinien für Anlage, Betrieb und Unterhalt von Schneesportabfahrten und die von der Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten der Seilbahnen Schweiz herausgegebenen Richtlinien der Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten (z.B. BGE 130 III 193 E. 2.3; s. auch Elsener/Wälchli, Rz. 7 ff.).


Auch Fachliteratur kann wichtige Erkenntnisse für die anzuwendende Sorgfalt liefern, sofern sie allgemein anerkannt ist. Nicht jede Literaturmeinung zeigt jedoch den «goldenen Standard» auf; ein angepriesenes Vorgehen kann in der übrigen Literatur umstritten sein.


Dabei ist jeweils auch zu prüfen, wer Adressat der betreffenden herangezogenen privaten Norm oder Literatur ist. So sind gemäss Urteil des Militärgerichts Bedienungshilfen für Amateure nicht direkt auf ausgewiesene Experten anzuwenden. Diese seien in der Lage, eine komplexere Analyse der Lawinensituation vorzunehmen und die Bedienungshilfe zu übersteuern (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 17.4.5). Oder anders: Weil ein Vorhaben für Laien als ungeeignet eingestuft wird, ist es dies nicht zwingend auch für Experten. Diese Haltung wird namentlich von Vest als falsch und überaus gefährlich betrachtet, denn das erhöhte Sonderwissen gehe auch mit einer erhöhten Verantwortung einher (Vest, Rz. 21). Umgekehrt muss sich der Bergführer kein spezifisches schneephysikalisches Wissen anrechnen lassen, welches in der Ausbildung nicht gelehrt wird (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 17.5.5 ci.). Somit ist im Prozess auch immer der Frage nachzugehen, was der im Unfallzeitpunkt geltende Ausbildungsstand war, und die entsprechenden Schulungsunterlagen sind zu beschaffen.


Fachliteratur und Normen der Selbstregulierung können den Ermessensspielraum von Gutachtern (s. dazu nachfolgend Rz. 33 ff.) einengen oder deren Auffassung bestätigen. Wenn sich beispielsweise aus der Fachliteratur ergibt, dass nur spontan abgehende oder fernausgelöste Schneebretter Alarmzeichen für eine erhebliche Lawinengefahr darstellen, kann dem Bergführer (entgegen den gutachterlichen Feststellungen) nicht vorgeworfen werden, das bewusst im Sinne einer Übung ausgelöste Schneebrett sei entsprechend zu werten gewesen (MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 17.5.5 bf).


Nicht in allen Sportarten bestehen leicht zugängliche (private) Normierungen oder Fachliteratur, die für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten herangezogen werden können. Das Fehlen birgt für die beschuldigte Person das Risiko, dass aus dem blossen Umstand, dass ein Unfall passiert ist, auf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht geschlossen wird. Wo eine Regelung fehlt, kann der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden. So ergibt sich gemäss Militärgericht die Pflicht zur Beobachtung der Lawinensituation jedenfalls aus dem allgemeinen Gefahrensatz (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009E. 17.4.1). Um in diesem Zusammenhang Kurzschlüsse zu vermeiden, ist zu verlangen, dass klar definiert wird, welche Fehler die beschuldigte Person gemacht hat und welches korrekte Vorgehen den Unfall verhindert hätte.


Zur Definition der Sorgfaltspflichten kommt das Gericht daher in der Regel nicht umhin, eine fachliche Expertise zum konkreten Unfall einzuholen.

2. Gutachten

a. Notwendigkeit eines Gutachtens

Es liegt nahe, dass auch Richter und Staatsanwälte privat Wintersport betreiben oder eine Wanderung machen. Sie verfügen daher mindestens über ein gewisses Grundwissen in diesem Bereich. Entsprechend stellt sich die Frage, in welchen Fällen ein Gerichtsgutachten anzuordnen ist.


Staatsanwaltschaft und Gerichte ziehen sachverständige Personen bei, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Feststellung oder Beurteilung des Sachverhalts erforderlich sind (Art. 182 StPO). Die Frage nach der Notwendigkeit einer Begutachtung ist aufgrund eines objektiven Massstabes zu beantworten. Staatsanwaltschaft und Gerichte dürfen sich eigene Fachkenntnisse nur dort zutrauen, wo sie diese aufgrund der Lebenserfahrung ohne spezielle Fachausbildung auch haben können (BSK StPO-Heer, Art. 182 N 8). Verfügen Mitglieder des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft über weitergehende Fachkenntnisse, vermag dieses spezifische Fachwissen eine Begutachtung grundsätzlich nicht zu ersetzen. Ausnahmsweise kann ein solches Vorgehen im Einverständnis der Parteien zum Tragen kommen. Entsprechende Erkenntnisse müssen für die Parteien und für weitere Instanzen deutlich nachvollziehbar sein und hinterfragt werden können (BSK StPO-Heer, Art. 182 N 9).


Bei Bergsportunfällen erfolgt die eigentliche Feststellung des Sachverhalts oft bereits mit den Ermittlungshandlungen der Polizei. Dennoch dient das Gutachten in der Praxis wie gezeigt (s. vorstehend Rz. 14) auch für die Erhebung noch offener Sachverhaltsfragen, namentlich wenn deren Feststellung Expertenwissen voraussetzt, das im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen noch nicht vertieft eingesetzt worden ist. Das Gutachten bezweckt aber vornehmlich die Beurteilung des Sachverhalts, nämlich die Aufbereitung der Grundlagen dazu, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen wurde. Wichtig ist, dass das Gutachten nicht selber Rechtsfragen beantwortet (also z.B., ob im konkreten Fall die juristischen Kriterien der Fahrlässigkeit erfüllt sind), sondern dem Richter den Sachverhalt einschliesslich fachliche Aspekte so darlegt, dass er seinerseits die rechtliche Würdigung vornehmen kann. In der Praxis sind die Grenzen aber durchaus fliessend.

b. Abgrenzung zu den richterlichen Aufgaben

Wird eine sachverständige Person eingesetzt, ist eine Abgrenzung zu den rein richterlichen Aufgaben vorzunehmen. Die Anwendung des Rechts ist Aufgabe des Gerichts und kann nicht delegiert werden. Die Vorsicht, die zu beachten der Bergführer verpflichtet war, richtet sich letztlich nach den konkreten Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen. Das ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung nicht an den Gutachter delegiert werden kann (Beschluss der Beschwerdekammer in Strafsachen des Kantons Bern, BK 15 83 E. 6.6).


Die Fülle von Literatur und Selbstregulierungsnormen (s. vorstehend Rz. 27 ff.) kann wiederum den Beizug einer Gutachterperson notwendig machen, um einschlägige Bestimmungen zu finden und einzuordnen. Bei der Formulierung von Fragen an den Gutachter wird somit auch nach Literatur oder privaten Normen und deren Anwendbarkeit auf den konkreten Fall zu fragen sein. Entsprechend wird auch die Gutachterperson feststellen, wenn es gerade keine besonderen Richtlinien gibt (vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, SK 18 12 vom 25.01.2019 E. 18.2 S. 30; keine einschränkenden Regelungen zum Anseilen von Jugendlichen). Der Gutachter kann somit die verfügbare Literatur und die anwendbaren «Regeln» zusammentragen sowie deren Qualität und Relevanz für den betreffenden Fall aufzeigen. Bevor die Anforderungen an die Begehung eines Weges nach der SAC-Wanderskala (s. dazu Vuille, Rz. 8 ff.) mit dem konkreten Fall abgeglichen werden können, muss der Weg vom Experten überhaupt erst eingestuft werden (vgl. z.B. Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, SK 18 12 vom 25.01.2019 E. 13.5 S. 20).


Während technische Fragen in Anwendung der einschlägigen Literatur meist objektiv beantwortet werden können, lässt sich nicht verhindern, dass der Gutachter auch gewisse Werturteile abgibt, indem er seine eigene Erfahrung und Risikobereitschaft in die Beurteilung miteinfliessen lässt (Christen, S. 277). Gerade dies hat aber Berührungspunkte zur Definition des erlaubten Risikos (s. dazu nachfolgend Rz. 46 ff.), was eine Rechtsfrage darstellt.

c. Suche nach der geeigneten Gutachterperson

Zwar sieht die Strafprozessordnung vor, dass Bund und Kantone für bestimmte Gebiete dauernd bestellte oder amtliche Sachverständige vorsehen können (Art. 183 Abs. 2 StPO). Weder Bund noch Kantone haben im Bergsportbereich von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Es liegt daher an der mit der Sache befassten Staatsanwaltschaft oder dem Gericht, eine Gutachterperson zu finden (Christen, S. 272).


Insbesondere aus Opfersicht stellt sich die Frage, ob und wie die Unabhängigkeit des Gutachters gewährleistet wird. Noch mehr als bei ärztlichen Gutachten entsteht oft der Eindruck von sprichwörtlichen Seilschaften unter den (Berg)Sportler*innen, insbesondere bei Randsportarten, da die Zahl verfügbarer Experten klein ist. Sportverbände selbst könnten ein eigenes Interesse am Ausgang eines Strafverfahrens haben.


Im Bergsportrecht soll ein spezieller, vom Bergführerverband geschaffener Gutachterpool die Unabhängigkeit und Expertise sicherstellen. Der FEB (Fachexpertise bei Bergunfällen) vermittelt der Justiz und den Versicherungen auf Anfrage geeignete Gutachter*innen. Der FEB verfügt über ein Netzwerk von Fachleuten für alle alpinistischen Disziplinen. Die FEB-Gutachter*innen sind Berufsleute mit eidgenössischem Fachausweis und langjähriger Erfahrung im Bereich der Tourenführung und Ausbildung. Die Gutachter*innen werden alle drei Jahre an einer vom FEB durchgeführten Veranstaltung weitergebildet, zu welcher auch Personen aus Justiz und Versicherung eingeladen sind (Christen, S. 271 f.).


Solche Spezialisierungen auf Seiten der Gutachter schaffen Vertrauen in die Qualität und Unabhängigkeit und verhindern das «Abrutschen» in die Beantwortung von Rechtsfragen, die dem Gericht überlassen sind. Die Schaffung solcher Gutachterpools auch für andere Sportarten wäre wünschenswert.

d. Mehrere Gutachten und Privatgutachten

Wurden zwei oder mehr Gutachten mit unterschiedlichem Ergebnis eingeholt, kann das Gericht nicht nach dem Grundsatz in dubio pro reo das für die beschuldigte Person günstigere für anwendbar erklären. Es hat vielmehr ohne Rücksicht darauf zu prüfen, welcher Einschätzung es folgen will. Dies gilt sinngemäss für alle Arten von Beweisen (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1).


Ein Privatgutachten stellt lediglich eine Parteibehauptung dar (statt vieler BGE 127 I 73 E. 3 f/bb). Es kann dazu dienen, die Erstellung eines zusätzlichen Gutachtens zu rechtfertigen oder zu zeigen, dass ein vorhandenes gerichtliches Gutachten mangelhaft oder nicht schlüssig ist. Oft lassen sich substanziierte Einwände gegen gerichtliche Gutachten nur gestützt auf die Auffassung eines privaten Gutachters machen (BSK StPO-Heer, Art. 189 N 6 f.; BGE 141 IV 369 E. 6.2.).


So konnte im Militärstrafverfahren betreffend den Bergsportunfall an der Jungfrau mit dem Privatgutachten das Gerichtsgutachten nicht nur in Frage gestellt werden, sondern das Gericht war von der Sachverhaltsgrundlage im Privatgutachten überzeugt (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009 E. 10.4 und 13.4. und vorstehend Rz. 9).

3. Erlaubtes Risiko und eigenverantwortliche Selbstgefährdung


Nach dem Prinzip des erlaubten Risikos lässt sich eine Gefährdung fremder Rechtsgüter, die über das allgemeine Lebensrisiko nicht hinausgeht, nicht verbieten, sondern gefordert werden kann nur die Einhaltung eines bestimmten Mindestmasses an Sorgfalt und Rücksichtnahme (BGE 117 IV 58 E. 2b; Stratenwerth, Rz. 34 m.w.H.; Laube, Rz. 11). Dabei geht es um die Frage, welche Risiken allgemein in Kauf zu nehmen sind, und nicht um eine Ermässigung der Sorgfaltsanforderungen (BGE 117 IV 58 E. 2b). Unter dem Titel der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ist zu berücksichtigen, dass informierte mündige Personen in der Lage sind, eigenverantwortlich Risiken einzugehen und dass in diesem Umfang die Erfolgszurechnung gegenüber einem Dritten eingeschränkt wird (Stratenwerth, Rz. 40; Laube, Rz. 12). Diese Elemente sind gerade im Bergsport von besonderer Relevanz. Zwar wird beim Beizug eines Bergführers zur Durchführung einer Tour ein Teil der Eigenverantwortung auf die Führerperson übertragen, jedoch bleibt das «alpine Restrisiko» auch in diesem Fall bei der geführten Person (Müller, S. 14).


Im Prozess ist in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung zu rufen bzw. darauf hinzuweisen, dass gesetzgeberisch ausdrücklich darauf verzichtet wurde, ein Verbot bestimmter Risikosportarten zu erlassen und gesellschaftlich damit ein gewisses Restrisiko in Kauf genommen wird. Dies kann dem Gericht und den Experten helfen, einem Rückschaufehler zu unterliegen. Die Beurteilung ist Rechtsfrage, wobei ein Werturteil durch die beigezogenen Gutachter nicht gänzlich verhindert werden kann (vgl. vorne Rz. 38).


In der Praxis wurde letztlich ein solches Restrisiko angenommen bei einer «heimtückischen Schwachschicht» im Schnee, die zu einem Schreck und in der Folge zu einem Mitreissunfall führte (Urteil MG 7 09 161 vom 20.11.2009). Ebenso beim Stolpern auf einem flachen Stück, nachdem zuvor Schlüsselstellen ohne Probleme gemeistert wurden und auch sonst kein Anlass für Unaufmerksamkeit bestand (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, SK 18 12 vom 25.01.2019 E. 19 S. 39; vgl. auch Müller, S. 14 f.).

4. Sorgfaltspflichten oberer Entscheidträger*innen (Organe)


Nicht nur direkt am Unfall beteiligte Personen (seien es Führer*innen oder Freizeitsportler*innen) können strafrechtlich verfolgt werden. Auch für obere Entscheidträger*innen eines kommerziellen Anbieters von geführten Aktivitäten kann ein Unfall strafrechtliche Folgen haben. Beispielsweise wurden im Nachgang zum Canyon-Unglück in Wilderswil die Geschäftsführer und Verwaltungsräte des Tourenanbieters wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil sie ungenügende organisatorische Massnahmen zur Vermeidung eines solchen Ereignisses getroffen hätten. Der eigentliche Unfallhergang war in diesem Fall (retrospektiv) unbestritten: Aufgrund eines heftigen Gewitters im hinteren Saxetental, hatten sich alle Seitenbäche des Saxetbachs mit Wasser gefüllt, was letztlich zur tödlichen meterhohen Wasserwalze führte. Dieses Szenario hätte gemäss Gericht in einem Risikokonzept Niederschlag finden müssen. Es genügte das Wissen um die grundsätzliche Gefahr und den Mechanismus des «Auffangbeckens». Hinzu kamen die Voten von Ortsansässigen, welche ein solches Ereignis bereits einmal erlebt haben wollten (zur Information bei Ortsansässigen im Rahmen der Tourenvorbereitung s. Gerber, S. 21). Das Ereignis war mithin aus Sicht des Gerichts für die obere Führungsebene abstrakt voraussehbar, nicht jedoch für die im Bach arbeitenden Guides, die sich auf die üblichen Gefahrensignale wie die Farbe des Bachs (Dreckwasser) verlassen durften (Urteil des Kreisgerichts XI Interlaken-Oberhasli P11 00 249 vom 11. Dezember 2001).


Der strafrechtliche Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung verlagert sich mithin auf eine höhere, vorangehende Verantwortlichkeitsebene. Entsprechend verändert sich auch die Argumentation im Bereich der Anklage und Verteidigung. Es liegt auf der Hand, dass die Gefahr eines Kurzschlusses gross ist: Der Unfall ist geschehen; hätte man ein Risikokonzept entwickelt, hätte man ihn voraussehen können und müssen, ergo wären Schutzmassnahmen getroffen worden, die ihn verhindert hätten. Da es sich bei diesem Vorwurf in der Regel um ein unechtes Unterlassungsdelikt handelt, ist besonderes Augenmerk auf die Kausalität zu werfen: Kann mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass ein Handeln – beispielsweise das Implementieren eines Risikokonzepts – den Unfall tatsächlich verhindert hätte (zum Beweismass vgl. vorstehend Rz. 62)? Das von der Anklage nachzuweisende hypothetische Szenario enthält in diesem Zusammenhang deutlich mehr Komponenten und Unbekannte, als namentlich das Handeln des «im Feld» arbeitenden Bergführers im Einzelfall und dessen Umgang mit dem betreffenden Konzept.


Im Einstiegsfall könnte den Organen der Bikesport AG beispielsweise vorgeworfen werden, sie hätten keine schriftliche Handlungsanweisung an die Tourenführer*innen abgegeben, wonach Instruktionen von den Teilnehmer*innen immer rückzubestätigen sind. Gleichzeitig müsste nachgewiesen werden, dass eine solche schriftliche Instruktion den Unfall verhindert hätte, mithin der Tourenleiter sich an die Handlungsanweisung gehalten und der Verunfallte diese auch befolgt hätte.

D. Fazit zum Strafverfahren


Ein Strafverfahren nach einem Bergsportunglück beginnt viel früher, als es dem juristischen Laien bewusst ist. Es lohnt sich, von Beginn weg nicht nur juristisch beraten zu sein, sondern insbesondere den Sachverhalt fachmännisch aufzuarbeiten. Es ist darauf hinzuarbeiten, dass von den Ermittlungsbehörden früh ein Experte beigezogen wird, wenn das eigene Fachwissen fehlt. In diesem Zusammenhang ist es wünschenswert, dass in den exponierten Kantonen bereits die polizeilichen Ermittlungsteams aus alpinen Sachverständigen bestehen. Die Expertise soll auch auf Gerichtsebene vorhanden sein. Die Akzeptanz von (gerichtlichen) Gutachten könnte erhöht werden, wenn spezifische Gutachterpools konsequent bzw. ausschliesslich berücksichtigt werden oder bereits bei den Gerichten entsprechende Fachrichter beisitzen.

III. Abgrenzung zum Zivilverfahren


Bei einem Unfall am Berg können die geschädigte Person, deren Angehörige oder eine regressierende Versicherung klagende Partei in einem Zivilverfahren sein und die Zusprache von Schadenersatz und/oder Genugtuung verlangen.


Das Zivilverfahren kann unabhängig von einem Strafverfahren geführt werden. Es kann auch parallel zu diesem ablaufen oder vor- oder nachgelagert sein. Auch wenn Zivilansprüche adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht werden können (Art. 122 StPO), werden insbesondere Schadenersatzansprüche aufgrund der Komplexität der Schadenberechnung in den seltensten Fällen vom Strafgericht beurteilt.

A. Parteien des Zivilverfahrens


Ist der Unfall im Rahmen eines gewerblichen Sportereignisses erfolgt, wird in der Regel der Anbieter der Aktivität bzw. der Wettkampfveranstalter im Zivilverfahren als beklagte Partei aufgeführt. Da diese oft in der Form einer juristischen Person (AG oder GmbH) auftreten, ist der einzelne Mitarbeiter in der Praxis nicht direkt involviert. Etwas anderes gilt nur für Anbieter, welche Aktivitäten gewerblich als Einzelperson (oder Einzelunternehmen) anbieten. Haftungsgrundlage ist in diesem Fällen der mit dem Unfallopfer abgeschlossene Vertrag.


Bei privaten Sportereignissen sind diejenigen Personen beklagte Partei, die als verantwortlich für den Unfall betrachtet werden. Haftungsgrundlage bildet dabei meist eine unerlaubte Handlung bzw. Unterlassung oder Gefälligkeit.


Für die geschädigte Person hat sich per 1.1.2022 eine Verbesserung ihrer Position ergeben, indem gegenüber einer Haftpflichtversicherung der schädigenden Person ein direktes Forderungsrecht besteht (Art. 60 Abs. 1bis VVG). Dies ist insbesondere von Vorteil, wenn die schädigende Person nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt oder sich unkooperativ verhält.

B. Behauptungs- und Bestreitungslast


Die klagende Partei hat den rechtserheblichen Sachverhalt zu behaupten und, wenn von der beklagten Partei bestritten (und nur dann), zu beweisen. Anders als im Strafprozess beurteilt das Gericht nur den Sachverhalt, der von den Parteien zum Gegenstand des Prozesses gemacht wird (Art. 55 Abs. 1 ZPO). Es darf einer Partei auch nicht mehr zusprechen, als diese verlangt (Dispositionsgrundsatz, Art. 58 ZPO). Im Einstiegsfall hat der Verunfallte die Umstände zu behaupten und zu beweisen, die zur Annahme einer Pflichtverletzung des Tourenleiters führen, namentlich die objektive Gefährlichkeit des Wegabschnitts, die Berufspflicht des Tourenleiters, die Teilnehmer zum Absteigen anzuhalten und das Unterlassen dieser Information. Wenn der Tourenleiter in der Klageantwort nicht bestreitet, dass er beruflich verpflichtet gewesen wäre, die Tourenteilnehmer hätte abmahnen sollen, muss darüber auch nicht Beweis geführt werden. Es bedarf mithin keines gerichtlichen Gutachtens zur Frage der Berufspflichten eines Tourenführers im konkreten Fall.


Gelingt einer – meist der klagenden – Partei der Nachweis eines bestimmten Sachverhaltselements nicht, hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Die beklagte Partei trifft jedoch eine sogenannte Bestreitungslast. Diese geht gemäss neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung in bestimmten Konstellationen, namentlich beim Vorliegen eines Informationsgefälles zwischen den Parteien, so weit, dass im Rahmen einer sekundären Darlegungslast begründet werden muss, warum eine bestimmte Behauptung bestritten wird (Urteil des BGer 4A_36/2021 [BGE 148 III 11] vom 01.11.2021, nicht publ. E. 5.1.3 m.w.H.; kritisch dazu Fellmann, S. 37). Im Falle eines Bergsportunfalls kann sich ein Informationsgefälle namentlich aus dem überlegenen Ausbildungs- oder Erfahrungsbestand der beklagten beteiligten Person oder auch aus Erinnerungslücken bei der verunfallten Person ergeben. Auch hier empfiehlt es sich für die beklagte Person somit in der Regel nicht, ausschliesslich passiv zu bleiben.

C. Bindungswirkung des Strafverfahrens


Eine strafrechtliche Verurteilung bindet den Zivilrichter nicht (Art. 53 OR). In der Praxis ist jedoch eine zumindest faktische Bindungswirkung festzustellen. Dies zeigt sich besonders bei den Gutachten. Unterschiede können sich namentlich bei Fragen des Kausalzusammenhangs oder der Organisationspflichten ergeben.

1. Gutachten


Auch im Zivilverfahren geht es letztlich um die Frage, ob der beklagten Partei eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Auch hier sind die relevanten Tatfragen von einer Gutachterperson zu beantworten. Die im allenfalls vorangehenden Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse bilden massgebliche Grundlage. Ein bereits im Strafverfahren erstelltes Gutachten ist zwar für den Zivilrichter nicht bindend, in der Praxis jedoch von grosser Relevanz. So kann auf ein amtlich eingeholtes Gutachten abgestellt werden, ohne dass das Zivilgericht ein neues in Auftrag geben muss (zum Gutachten eines Sozialversicherers im Zivilprozess vgl. BGE 140 III 24 E. 3.3.1). Dabei ist jedoch besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob das Gutachten die im Zivilrecht massgeblichen Fragestellungen überhaupt beantwortet.

2. Kausalzusammenhang


Bei einem Schuldspruch im Strafverfahren ist auch eine Klagegutheissung im Zivilverfahren naheliegend (Müller, S. 108). Umgekehrt kann es trotz eines Freispruchs im Strafverfahren zu einer Klagegutheissung im Zivilverfahren kommen. Im Zivilrecht gilt für den Kausalzusammenhang zwischen Handlung oder Unterlassung und Schaden das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (statt vieler BGE 133 III 153 E. 3.3). Diese ist gemäss Formulierung des Bundesgerichts gegeben, wenn andere denkbare Möglichkeiten «vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen». Der Schwellenwert wird in der Literatur bei 65% bis 75% veranschlagt (Berger-Steiner, S. 269; Beck, S. 243; zum Ganzen: Summermatter/Jacober, S. 143). Im Strafrecht wird demgegenüber der Begriff der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verwendet. Als Wahrscheinlichkeitsgrad wird ein solcher von 95% veranschlagt (Summermatter/Jacober, S. 140). Verlangt wird jedenfalls ein Mehr im Vergleich zu dem im Zivilrecht geforderten Beweismass. Anders als im Zivilrecht wird auch nicht zwischen Handlungen und Unterlassungen unterschieden (Summermatter/Jacober, S. 141).


Daraus ergibt sich, dass trotz Verneinung eines strafrechtlich genügend erstellten Kausalzusammenhangs dieser im Zivilrecht doch bejaht werden könnte. Wäre im Einstiegsfall beispielsweise durch Zeugenaussagen erstellt, dass sich der Verunfallte während der ganzen Tour sämtlichen Anweisungen der Tourenleiter widersetzt hatte, steht der Einwand im Raum, der Verunfallte hätte auch einer Instruktion zum betreffenden Wegabschnitt keine Folge geleistet. Zu beurteilen ist also ein hypothetischer Kausalverlauf. Während das Gericht im Strafverfahren zu 95% überzeugt sein muss, dass der Verunfallte die konkrete Anweisung befolgt hätte, liegt die Anforderung an die Überzeugung im Zivilrecht tiefer. Da eine Unterlassung vorgeworfen wird, ist dieser Beweis im Zivilrecht vom Geschädigten zu erbringen (zur Beweislast bei Unterlassung vgl. Summermatter, N 218).

3. Verletzung von Organisationspflichten


Häufig wird vorgebracht, sogenannte Organisationspflichten würden zivilrechtlich zu einer weitergehenden Haftung als im Strafrecht führen. Diese Annahme liegt nahe, steht doch im Strafverfahren die einzelne beschuldigte Person vor Gericht, im Zivilverfahren hingegen meist der Anbieter der Aktivität oder der Wettkampfveranstalter. Bei näherer Betrachtung hilft die Berufung auf Organisationspflichten jedoch meist nicht weiter. Denn auch im Zivilrecht muss, wie gezeigt, der Zusammenhang zwischen (Organisations)pflichtverletzung und Schaden mit dem notwendigen Wahrscheinlichkeitsgrad – der zwar etwas tiefer liegt als im Strafrecht – nachgewiesen werden. Organisationspflichten sind aber meist so abstrakt definiert, dass dieser Kausalzusammenhangsnachweis in den seltensten Fällen gelingen wird. Ist der Zusammenhang zwischen einer verletzten Organisationspflicht mit dem eingetretenen Ereignis derart evident, kann auch eine strafrechtliche Verurteilung der oberen Entscheidträger erreicht werden (s. vorstehend Rz. 49).

D. Fazit zum Zivilverfahren


Im Zivilverfahren obliegt das Zusammentragen der Beweismittel und das Behaupten des relevanten Sachverhalts ausschliesslich den Parteien. Es ist daher von Vorteil, wenn sie sich hierfür auf ein bereits durchlaufenes Strafverfahren stützen können.

E. Weitere Hinweise aus praktischer Sicht


Abschliessend ist auf drei weitere verfahrensrechtlich interessierende Punkte einzugehen, die regelmässig Gegenstand der Instruktion mit der Klientschaft bilden: Wer wird beim Prozess anwesend sein? Muss ich ins Gefängnis, wenn ich verurteilt werde? Wer zahlt das alles?

1. Öffentlichkeit


Beteiligten Opfern oder beschuldigten Personen ist ein Prozess oft unangenehm. Noch schwieriger ist der Umgang mit der Presse bei Unfallereignissen, welche die breite Öffentlichkeit interessieren. Verhandlungen vor dem erstinstanzlichen Gericht und dem Berufungsgericht sowie die mündliche Eröffnung von Urteilen und Beschlüssen dieser Gerichte sind grundsätzlich dem Publikum und damit auch den Medien offen (Art. 69 Abs. 1 und 4 StPO; Art. 54 ZPO). Das Öffentlichkeitsprinzip gilt als rechtsstaatliches Prinzip und wesentliches Element der Demokratie. Die staatliche Tätigkeit soll für die betroffenen Personen, aber auch für die allgemeine Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar sein (BSK StPO-Saxer/Thurnheer, Art. 69 N 12 ff). Wenn somit die Medien und interessierte Drittpersonen den Verhandlungen beisitzen und die Medien im Vor- und Nachgang versuchen, Auskünfte oder ein Interview zu erhalten, geht es nicht darum, die beteiligten Personen blosszustellen. Dennoch kann durch die Berichterstattung der Medien das Risiko einer sogenannten Vorverurteilung bestehen. Beim Canyoningunglück Saxetbach hatte beispeilsweise eine durch die Tagespresse durchgeführte Befragung unter der ortsansässigen Bevölkerung ergeben, dass es im Saxetbach auch schon grosse Unwetter bzw. Hochwasser gegeben habe. Hier ist ein professioneller Umgang seitens des Gerichts aber auch der beteiligten Vertreter und Vertreterinnen gefragt. Klient*innen sind entsprechend zu instruieren.

2. Strafrechtliche Sanktionen


Eine weitere Sorge der Klientschaft betrifft die mögliche Sanktion bei einer strafrechtlichen Verurteilung.


Kommt es im Zusammenhang mit einem Bergsportunfall zu einer strafrechtlichen Verurteilung der beschuldigten Person wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts, droht dieser in aller Regel keine Gefängnisstrafe, sondern eine Geldstrafe. Diese wird in Abhängigkeit der Vermögens- und Einkommensverhältnisse ausgesprochen, weshalb die beschuldigte Person im Rahmen der Untersuchung auch nach ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen gefragt wird.


Die Geldstrafe wird – bei zuvor unauffälligem Strafregister – in der Regel bedingt ausgesprochen. D.h. sie muss nicht bezahlt werden, wenn in der Probezeit keine weiteren Straftaten hinzu kommen. Nach Ablauf der Probezeit erscheint die bedingt ausgesprochene Strafe nicht mehr im Privatauszug des Strafregisters (Art. 40 Abs. 3 i.V.m. 41 Strafregistergesetz [StReG]). Ganz entfernt wird sie nach fünfzehn Jahren (Art. 30 Abs. 2 lit. d StReG). Ergänzt wird die Geldstrafe durch eine Busse (sog. Verbindungsbusse, Art. 42 Abs. 4 i.V.m. Art. 106 StGB), die in jedem Fall zu bezahlen ist. Hinzu kommt die Übernahme der Verfahrenskosten, d.h. der Gerichts- und Anwaltskosten.

3. Kostentragung


Eine allfällig vorhandene Rechtsschutzversicherung oder je nach Police auch die Haftpflichtversicherung gewähren Rechtsschutz bereits im Strafverfahren. Das heisst, sie übernehmen die Kosten für die anwaltliche Vertretung sowie die Verfahrenskosten, nicht jedoch die eigentliche Strafe (Busse oder Taggeld), falls es zu einer Verurteilung kommt.


Der in einem Straf- oder Zivilverfahren einem Opfer zugesprochene Schadenersatz und die Genugtuung werden von der Haftpflichtversicherung bezahlt, soweit Deckung besteht.

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