Themen: Karriereweg, Kanzleiinhaber, Rechtsanwalt, Steuerexperte, Partner, Internationales Steuerrecht, Unternehmenssteuerrecht, Weiterbildung, Steuerrekursgericht, Gründung, Weidmann Rechtsanwälte.
Kommentieren Sie gerne auf Linkedin.
Lesezeit: 5 Minuten.
Guten Tag Herr Weidmann, vielen Dank für die Zusage zu unserem Interview. Sie waren Partner und Steuerrechtsexperte bei einigen der renommiertesten Schweizer Kanzleien und sind nun Inhaber Ihrer eigenen Kanzlei, Weidmann Rechtsanwälte in Zürich. Könnten Sie uns Ihren Ausbildungsweg zum Rechtsanwalt schildern?
Ich habe mich schon während des Studiums in Zürich für Steuerrecht interessiert in der weltfremden Annahme, es gehe nicht so emotional zu und her wie in anderen Rechtsgebieten. Zudem wollte ich eine Dissertation schreiben, war mir aber mangels praktischer Erfahrung nicht sicher, ob das Steuerrecht tatsächlich mein bevorzugtes Rechtsgebiet würde. So entschied ich mich, zuerst die Rechtsanwaltsprüfung abzulegen. Für das Praktikum wollte ich ans Gericht, denn ich fand es wichtig zu wissen, wie ein Gericht funktioniert und arbeitet. So habe ich mich denn für ein Praktikum, das im Kanton Zürich Auditorat genannt wird, beim Bezirksgericht Zürich beworben und dort das gesamte Nettojahr absolviert.
Die Erfahrungen, die ich an verschiedenen Stationen sammeln konnte, waren sehr breit gefächert und sind für mich immer noch wertvoll. Ich konnte bei einem sehr kompetenten und engagierten Einzelrichter in Zivil- und Strafsachen meine ersten Arbeitsversuche tätigen, befasste mich mit SchKG-Klagen und provisorischen Massnahmen. Eigentlich hätte es mich gereizt, noch länger am Bezirksgericht zu arbeiten, aber ich wollte die Anwaltsprüfung erledigen und die Dissertation schreiben. Ich fragte den bekannten, mittlerweile pensionierten Steuerrechtler Prof. Dr. Markus Reich, ob er allenfalls Bedarf nach einem Assistenten, wie üblich mit Teilzeitpensum, habe. So wechselte ich nach dem Bezirksgericht wieder an die Universität, um mich neben der Arbeit als Assistent zunächst der Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung zu widmen; erfreulicherweise erfolgreich.
Was hat Sie dazu bewegt, das Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen und für wie relevant erachten Sie Zusatzausbildungen wie zum Dipl. Steuerexperten?
Wie viele Juristen wählte ich das Rechtsstudium, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich konnte mir einiges vorstellen, anderes schloss ich aus, und eine besondere Begabung in der einen oder anderen Richtung konnte ich bei mir nicht ausmachen. Die Weiterbildung zum dipl. Steuerexperten war für mich lange kein Thema, aber immerhin befasste ich mich nach dem Studium vertieft mit Buchführung, weil es thematische Zusammenhänge mit meiner Dissertation gab. Ich schloss diese, wie man zu sagen pflegt, innert nützlicher Frist ab und kehrte in die Justiz zurück, diesmal indessen aufgrund eines Hinweises von Prof. Reich als Gerichtsschreiber bei den damaligen Steuerrekurskommissionen, heute Steuerrekursgericht des Kantons Zürich. Auch dies war eine sehr lehrreiche und schöne Zeit. Ich musste mir dann aber die Frage stellen, ob ich in der Justiz bleiben oder doch noch in die Beratung wechseln wollte.
Ich habe mich für die Veränderung entschieden und wurde Mitabeiter in einer grossen Wirtschaftskanzlei, die auf die Steuerexpertenprüfung grossen Wert legte. Der Vorteil dieser Zusatzausbildung besteht darin, dass sie den Kandidaten dazu zwingt, sich mit dem ganzen Stoff systematisch auseinanderzusetzen. Die Relevanz liegt also meiner Ansicht nach in dieser praxisbezogenen Weiterbildung. Das an der Universität erworbene Wissen reicht im Umfeld der Steuerberatung keineswegs aus. Abhängig vom jeweils konkreten Mandat greife ich zu mehr als 80 % auf Kenntnisse und Fertigkeiten zurück, die ich nach dem Hochschulabschluss erworben habe. Eine ständige Weiterbildung ist unerlässlich, ich verweise hier auf STAF, ATAD, DAC6, Pillar 2 und US GILTI.
Das an der Universität erworbene Wissen reicht im Umfeld der Steuerberatung keineswegs aus. Abhängig vom jeweils konkreten Mandat greife ich zu mehr als 80 % auf Kenntnisse und Fertigkeiten zurück, die ich nach dem Hochschulabschluss erworben habe. Eine ständige Weiterbildung ist unerlässlich, ich verweise hier auf STAF, ATAD, DAC6, Pillar 2 und US GILTI. - Markus Weidmann
Was hat Sie dazu bewegt, nach Ihrer Karriere als Partner ab 2016 Ihre eigene Kanzlei zu führen?
Die Organisationen und Kulturen der Kanzleien unterscheiden sich recht stark. Ich habe über die Jahre gewisse Vorstellungen entwickelt, wie ich arbeiten will. Meine geschäftlichen Grundlagen befinden sich im Unternehmenssteuerrecht und im internationalen Steuerrecht. Indessen haben mich immer auch Anfragen von Klienten zu anderen Rechtsgebieten erreicht oder ich werde für Spezialfragen beigezogen, insbesondere wenn es in einem weiteren Sinne um Rechnungslegung geht. In meiner eigenen Kanzlei habe ich grössere Flexibilität als in einer Kanzlei, die ihren Partnern möglicherweise gewisse fachliche Grenzen setzen will, oder sich in Arbeitsgruppen und dergleichen organisiert.
In meiner eigenen Kanzlei habe ich grössere Flexibilität als in einer Kanzlei, die ihren Partnern möglicherweise gewisse fachliche Grenzen setzen will (...) - Markus Weidmann
Und wie sieht heute Ihr Arbeitstag als Kanzleiinhaber aus?
Der Arbeitsalltag eines Wirtschaftsanwalts, der ich wohl bin, ist generell äusserlich unspektakulär. Als Kanzleiinhaber hat sich diesbezüglich nichts geändert und dies soll auch so sein. Verglichen mit den Aufgaben eines Partners in einer – mehr oder weniger stark – integrierten Kanzlei kommen klarerweise zusätzliche organisatorische und administrative Arbeiten dazu. Es empfiehlt sich, diesen Aspekten genügend Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Delegation, wo es möglich ist, und klare interne Abläufe und Strukturen müssen selbstverständlich sein.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich leidenschaftlich gern und ist Ihnen ein Fall besonders in Erinnerung geblieben?
Eigentliche Lieblingsthemen möchte ich nicht benennen. Bei vertiefter Auseinandersetzung mit der Materie kann sehr vieles, das anfangs trocken daherkommt, sehr spannend sein. Auch fällt mir schwer, einen Fall besonders hervorzuheben. Ich freue mich, wenn sich beispielsweise eine Strukturberatung als richtig und erfolgreich herausstellt, und die kleinen und grossen Erfolge in streitigen Situationen bilden auch bei mir das Salz in der Suppe. Es dauert aber oftmals viele Jahre, bis sich solche Erfolge einstellen oder sichtbar werden. Beratend wie prozessierend braucht es neben technischem Wissen und Fertigkeiten auch Methodik, Intuition und Kreativität. Manchmal kann man nicht helfen, und damit muss man auch umgehen.
Wie eingangs erwähnt, sind Sie ein ausgewiesener Steuerexperte. Was schätzen Sie an der Arbeit in diesem Rechtsgebiet besonders?
Es scheint, dass ich eine gewisse Zahlenaffinität entwickelt habe. Die Steuerberatung baut auf den Zahlen der Unternehmen auf und ermöglicht damit andere, ich meine auch tiefere Einblicke in die Unternehmen als die klassische Rechtsberatung. Aus der Steuerberatung für natürliche Personen ergibt sich ein kontinuierlicher Kontakt mit dem Klienten. Beides schätze ich und empfinde ich als bereichernd. Man kann übrigens auch von den Klienten sehr viel lernen.
Aus der Steuerberatung für natürliche Personen ergibt sich ein kontinuierlicher Kontakt mit dem Klienten. Das schätze ich und empfinde ich als bereichernd. Man kann übrigens auch von den Klienten sehr viel lernen. - Markus Weidmann
Was meinen Sie, wie unterscheidet sich Weidmann Rechtsanwälte als Arbeitgeberin von anderen Kanzleien?
Wir sind ein kleines Team, und da ist es selbstverständlich, dass jeder mitdenkt und mitzieht. Der Betrieb ist, so meine ich, sehr transparent geführt. Aber ich sehe keine grundsätzlichen Unterschiede zu anderen Kanzleien; gearbeitet wird überall.
Und zum Abschluss: Welche Ratschläge würden Sie angehenden und jungen Jurist*innen geben, die eine Karriere als Kanzleiinhaber*in oder Steuerexpert*in anstreben?
Ich bin keinem Generalplan gefolgt, sondern vieles hat sich ergeben, anderes musste und muss ständig erarbeitet werden. Es erscheint mir wichtig, eine solide fachliche und methodische Basis zu haben, die sich nicht auf das engere Fachgebiet beschränkt. Gerichtserfahrung, oder im Fall des Steuerrechts auch Erfahrung aus Tätigkeit in der Verwaltung, ist von einem grossen Vorteil. Neugier für den Klienten und für die rechtlichen Entwicklungen sind unabdingbar. Und selbstverständlich muss man sich um seine Klienten kümmern; da braucht es schon etwas Leidenschaft.
Besten Dank für die sehr persönlichen und tiefen Einblicke in Ihre Welt im Steuerrecht, Herr Weidmann. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute und bleiben Sie gesund!