Literatur
Bütler, Michael, Praxis und Möglichkeiten der Revision des schweizerischen Jagdrechts, in: Bundesamt für Umwelt (Hrsg.), Zürich 2008 (zit. Bütler, Jagdrecht); Bütler, Michael, Ausgewählte Aspekte zum Jagd- und Fischereirecht, in: Keller, Peter M./Zufferey, Jean-Baptiste/Fahrländer, Karl Ludwig (Hrsg.), Kommentar NHG, Ergänzt um Erläuterungen zu JSG und BGF, 2. Aufl., Zürich 2019, (zit. Bütler, Kommentar JSG); Bütler Michael, Erschliessung und Ausbau von Skigebieten aus rechtlicher Sicht, in: URP 2010 S. 411 ff. (zit. Bütler, URP); Egli, Samuel, Anzeigepflichten, Grundlagen - Normkonzepte - Entwicklungsmöglichkeiten, am Beispiel der Anzeigepflichten für Umweltverwaltungsbehörden Zürich 2020; Fellmann, Walter, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band III - Haftung nach den Gefährdungshaftungen des JSG, HFG, USG, GTG, EleG, RLG, SprstG, StAG und KHG 2008, Bern 2015; Gehring, Kaspar, in: Hürzeler, Marc/Kieser, Ueli (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Bern 2018 (zit. UVG Kommentar-Gehring); Hofer, Irene, Kommentar zu Art. 4-5, 9, 13, 13a, in: Frésard-Fellay, Ghislaine/Klett, Barbara/Leuzinger, Susanna (Hrsg.), Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, Basel 2020 (zit. BSK ATSG); Rausch, Heribert, Umwelt und Planung, in: Thürer, Daniel/Aubert, Jean-François/Müller, Jörg Paul (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz/Droit constitutionnel suisse, Zürich 2001; Schärmeli, Liliane/Griffel, Alain, Kommentar zu Art. 79-80 BV, in: Waldmann, Bernhard/Belser, Eva Maria/Epiney, Astrid (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesverfassung Basel 2015 (zit.: BSK BV); Seitz Andreas, Der Schutz des Wolfes in der Schweiz de lege lata et ferenda, in: URP 2011 S. 250 ff.; Sieber, Isabel, Die Haftpflicht für Jagdschaden, Diss. Zürich 1998; Spiess, Angelika, Wegleitung zur Typologie von Kompetenzen und Aufgaben von Bund und Kantonen, Freiburg 2016; Wagner Pfeifer, Beatrice, Umweltrecht - Besondere Regelungsbereiche, Ein Handbuch zu Spezialgebieten des Umweltrechts: Störfallvorsorge, umweltrechtliche Aspekte des Chemikalienrechts, Abfallrecht, Altlasten, Gewässerschutz, Natur und Heimatschutz, Wald u.a., Zürich 2021.
Materialien
Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Herbstsession 1984, Ständerat, S. 484 ff. (zit. Amt.Bull. S); Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz der wildlebenden Säugetiere und Vögel (JSG) vom 27. April 1983, BBl 1983 II, S. 1197 ff.; Erläuternder Bericht zur Änderung der Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdverordnung, JSV) vom 30. Juni 2021 (zit. Bericht JSV); Botschaft der Regierung des Kantons Graubünden an den Grossen Rat des Kantons Graubünden über die Teilrevision des kantonalen Jagdgesetzes und der kantonalen Jagdverordnung vom 21. Juni 2016, Heft Nr. 6 /2016 –2017, S. 331 ff. (zit. Botschaft GR); Quartalsbericht Grossraubtiere 3 & 4 2022 vom 17. Februar 2023, Amt für Jagd und Fischerei Graubünden (zit. Quartalsbericht Grossraubtiere GR).
I. Rechtsquellen zum Jagdrecht
Jagd bewegt – sei es auf emotionaler Ebene, wenn es um ihre gesellschaftspolitische Legitimation geht oder aus tatsächlicher Sicht, wenn Gebirgsjäger*innen steile Hänge beschreiten und Felswände erklimmen. Jagd ist Bergsport in einer seiner ursprünglichsten Formen. Im Gebirge werden ganz unterschiedliche Tierarten bejagt: von Paarhufern (Gämse, Reh, Hirsch, Steinbock etc.) über Nager (Murmeltiere) bis hin zu Raub- (Fuchs, Dachs, Marder) und Federwild (Schneehuhn, Birkhuhn etc.).
A. Dynamische, legislatorische Prozesse
Das Jagdrecht ist historisch gewachsen und verfügt über breit abgestützte, gesetzliche Grundlagen (siehe sogleich Rz. 7 ff. I./C.). Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit haben eine starke, legislatorische Dynamik zur Folge, die sich auch auf die Rechtsquellen zum Jagdrecht auswirken. Zu diesen Entwicklungen gehören unter anderem der Umgang mit Grossraubwild (Wolf, Bär etc.). Das Grossraubwild geniesst sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene strengen Schutz. Aufgrund steigender Grossraubwildzahlen (namentlich beim Wolf) tauchen speziell im Gebirge grosse Nutzungskonflikte auf: Einerseits der Schutz der Grossraubtiere und andererseits der Umgang mit Schäden, die von Grossraubtieren verursacht werden (z.B. Nutztierrisse). Diesen Nutzungskonflikten hat der Gesetzgeber Rechnung zu tragen, was zweifelsohne eine komplexe Aufgabe ist, die ohne Schwächung des Schutzes für Grossraubtiere indessen nicht zu bewältigen ist (siehe zum Ganzen Seitz, S. 250 ff.).
Gerade im Gebirge prosperiert besonders der Wolf. In Graubünden wird der aktuelle Bestand auf mindestens 94 Individuen geschätzt (siehe Amt für Jagd und Fischerei Graubünden). Dies führt dazu, dass auch der Wolf vermehrt jagdlich reguliert wird, was Auswirkungen auf das Jagdrecht zeitigt: So hat der Bundesrat die revidierte Jagdverordnung (Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 29. Februar 1988) genehmigt und per 15. Juli 2021 in Kraft gesetzt. Die revidierte Jagdverordnung kommt zwei Motionen des Parlaments (UREK-NR 20.4340; UREK-SR 21.3002) nach. Die Motionen verlangten, dass nach der abgelehnten Revision des Jagdgesetzes durch die Stimmbevölkerung im September 2020 die Verordnung im Rahmen des geltenden Gesetzes anzupassen sei. Mit der revidierten Jagdverordnung wird den Kantonen erlaubt, rascher in Wolfsbestände einzugreifen (siehe Mitteilung vom 30. Juni 2021 sowie Bericht JSV S. 1 ff.). In Graubünden wurde im September 2022 in Klosters ein schadenstiftender Einzelwolf, das Weibchen F82, erlegt. Speziell war nicht der Abschuss an sich, sondern der konkrete, kantonale Vollzug: Für den Abschuss wurden ergänzend zu den Mitarbeitenden des Amts für Jagd und Fischerei auch speziell bezeichnete, ortskundige Jagdberechtigte während der ordentlichen Jagd berechtigt (siehe Medienmitteilung vom 26. September 2022 sowie Quartalsbericht Grossraubtiere GR).
B. Historische Entwicklung des Jagdrechts
Die Jagd wurde erstmals in der Bundesverfassung aus dem Jahr 1874 reglementiert. Art. 25 der aBV vom 29. Mai 1874 lautete (AS 1999 2556): «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen über die Ausübung der Fischerei und Jagd, namentlich zur Erhaltung des Hochwildes, sowie zum Schutze der für die Land- und Forstwirtschaft nützlichen Vögel zu treffen.».
Zu dieser Zeit waren die Tierbestände, insbesondere jene der Paarhufer (u.a. Gämse, Rothirsch und Reh), auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt, was einerseits auf die Kriegswirren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie andererseits auf eine schlecht geregelte Jagd und starke Wilderei zurückzuführen war (BBl 1983 II, S. 1199). Die verfassungsrechtliche Grundlage sowie die dazugehörige, gesetzliche Grundlage (Gesetz über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 und vom 10. Juni 1925 [AS 41 727]) verfehlte ihre Wirkung nicht: Bereits in der Botschaft zum JSG vom 27. April 1983 wurde festgestellt, dass die strengen Schutzbestimmungen des dannzumal geltenden Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz sowie ein Gesinnungswandel in der Jägerschaft und in der Bevölkerung zu starken, teilweise sogar zu überhöhten Wildbeständen geführt haben (BBl 1983 II, S. 1199).
Das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz verfolgte einen doppelten Auftrag: Einerseits die Regelung der Jagd und andererseits den Schutz wildlebender Tiere. Dieser doppelte Auftrag wurde schlussendlich auch in das Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 20. Juni 1986 (JSG) übernommen (Art. 1 JSG; AS 1988 506), das nach wir vor in Kraft ist. Eine avisierte, umfassende Revision des JSG wurde vom Stimmvolk anlässlich der Abstimmung vom 27. September 2020 abgelehnt. Aktuell laufen die parlamentarischen Beratungen für eine Revision des JSG (siehe Medienmitteilung vom 18. Januar 2022).
C. Stufe Bund
1. Art. 79 BV
Art. 79 BV ist die oberste, föderale Rechtsquelle des Jagdrechts, die aus Art. 25 aBV hervorgegangen ist (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 3): Im Vergleich zu Art. 25 aBV beinhaltet Art. 79 BV eine deutlich ökologischere Komponente, weil ganz grundsätzlich die Erhaltung der Artenvielfalt angestrebt wird (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 4; Rausch, § 58 Rz. 23). Der Bund legt gestützt auf Art. 79 BV die Grundsätze über die Ausübung der Fischerei und der Jagd fest, insbesondere zur Erhaltung der Artenvielfalt der Fische, der wildlebenden Säugetiere und der Vögel.
Bereits der Wortlaut von Art. 79 BV erhellt, dass dem Bund lediglich eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz zukommt: Die Regalhoheit zur Jagd liegt bei den Kantonen. Der Bund kann lediglich Grundsatzregelungen zur Jagd erlassen (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 3; anders Bütler, Jagdrecht, S. 8, welcher von einer beschränkten Kompetenz spricht). Von dieser Kompetenz hat der Bund mit dem Erlass des JSG (Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 20. Juni 1986, SR 922.0) Gebrauch gemacht.
Art. 79 BV kommt indessen keine selbstständige Bedeutung zu: Die Jagd wird stark vom Arten- und Tierschutz geprägt. Im Zusammenhang mit dem Jagdrecht sind insofern stets auch die Art. 78 Abs. 4 BV (Biotopschutz) und Art. 80 BV (Tierschutz) beachtlich (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 16).
2. JSG
Das JSG stellt die Grundsätze auf, nach denen die Kantone die Jagd zu regeln haben (Art. 1 Abs. 2 JSG). Das JSG bezweckt, die Artenvielfalt und die Lebensräume der einheimischen und ziehenden wildlebenden Säugetiere und Vögel zu erhalten, bedrohte Tierarten zu schützen, die von wildlebenden Tieren verursachten Schäden an Wald und an landwirtschaftlichen Kulturen auf ein tragbares Mass zu begrenzen und eine angemessene Nutzung der Wildbestände durch die Jagd zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 lit. a-d JSG).
a. Ausgewählte Vorgaben zum Jagdrecht
Die Kantone haben bei der Jagdgesetzgebung die örtlichen Verhältnisse sowie die Anliegen der Landwirtschaft und des Naturschutzes zu berücksichtigen. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und die natürliche Verjüngung mit standortgemässen Baumarten sind sicherzustellen (Art. 3 Abs. 1 JSG).
Die Jagd darf nur von Personen ausgeübt werden, die im Besitz einer kantonalen Jagdberechtigung sind (Art. 4 Abs. 1 JSG). Die Jagdberechtigung wird auf Grundlage einer Prüfung erworben, die sicherstellt, dass die Jäger*innen die Jagdwaffen handhaben können und über die nötigen Kenntnisse des Jagdrechts sowie des Jagdwesens verfügen. Die Jäger*innen müssen auch die jagdbaren und geschützten Säugetiere sowie Vögel kennen und die erforderlichen Kenntnisse der ökologischen Zusammenhänge besitzen (BBl 1983 II, S. 1203). Ausnahmen vom Erfordernis der Jagdberechtigung können einerseits für Personen, die sich auf die kantonale Jagdprüfung vorbereiten, und andererseits für Jagdgäste vorgesehen werden. Die Jagdberechtigung dieser Personen ist indessen auf einzelne Tage zu beschränken (Art. 4 Abs. 3 JSG). Diese Regelung, welche den Kreis der Jagdberechtigten in nicht unerheblicher Weise öffnet, wurde erst in der Herbstsession 1984 des Ständerats nach einem Kommissionsvorschlag aufgenommen. Dies mit der Begründung, dass Jungjäger*innen «sich eine gewisse Praxis aneignen müssen und bereits vor der Ablegung der Prüfung in diese Praxis eingeführt werden sollen» sowie mit der Begründung, dass es offenbar Brauch sei, «dass die Jagdgesellschaften im Sinne der Pflege eines guten Verhältnisses mit den Landwirten, mit den Förstern usw., mit den Gemeindebehörden, diese gelegentlich einladen zu einer Jagd» (vgl. Amt.Bull. S, S. 491).
Das JSG umfasst nicht die gesamte Fauna, sondern hat einen beschränkten Anwendungsbereich. Gemäss Art. 2 JSG ist das Gesetz auf folgende wildlebenden Tiere anwendbar: Vögel; Raubtiere; Paarhufer; Hasenartige; Biber, Murmeltier und Eichhörnchen (für die nicht dem JSG unterstellten Tiere siehe nachstehend Rz. 25 I./C./3.). Alle Tiere, die sich nicht in der Aufzählung von Art. 2 JSG wiederfinden, sind grundsätzlich geschützt (geschützte Arten; Art. 7 Abs. 1 JSG). Ausnahmen (z.B. Bejagung von Steinböcken) finden sich in den Art. 7 und 8 des JSG (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 6).
Aus Art. 5 JSG gehen die jagdbaren Arten und die Schonzeiten der jagdbaren Arten hervor. Art. 5 JSG setzt eine untere Grenze. Den Kantonen steht es entsprechend frei, die Schonzeiten zu verlängern oder die Liste der jagdbaren Arten einzuschränken (Art. 5 Abs. 4 JSG). Nicht heimische bzw. schadenstiftende Tiere (Marderhund, Waschbär etc.) sind das ganze Jahr jagdbar (Art. 5 Abs. 3 JSG).
Neben den Schonzeiten finden sich unterschiedliche weitere Bestimmungen zum Schutz der jagdbaren Arten, wobei die Schutzgebiete nach Art. 11 JSG besonders zu erwähnen sind: Der Gesetzgeber wollte das Instrument der Schutzgebiete nicht bloss zur Hebung der Wildbestände schaffen, sondern ein modernes Konzept schaffen, um
- der anhaltenden Zerstörung der Lebensräume durch mannigfaltige zivilisatorische Tätigkeiten,
- der zunehmenden Störung der Wildarten in den verbleibenden Lebensräumen durch Tourismus, Sport und intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung sowie
- dem zunehmenden Jagddruck in einzelnen Gebieten auf gewisse Tierarten
entgegenzuwirken (BBl 1983 II, S. 1209; s. auch Bütler, URP, S. 411 ff.).
In zahlreichen Gebieten der Schweiz treffen Agrarflächen, Wirtschaftswald und naturnahe Flächen aufeinander bzw. sind sogar miteinander verbunden, was zwangsläufig zu Schäden und Spannungen unter Förster*innen, Landwirt*innen, Naturschützer*innen und Jäger*innen führt. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, regelt das JSG den Umgang mit Wildschäden (BBl 1983 II, S. 1211). Der Prävention kommt dabei vorrangige Bedeutung zu (Art. 12 JSG). Die Vergütung von Wildschäden ist ein subsidiäres Hilfsmittel (Art. 13 JSG; Bütler, Kommentar JSG, N 50 ff.; Wagner Pfeifer, Rz. 1588; ausführlich zum Wildschaden Bütler, Jagdrecht, S. 20 ff.).
In Gebirgskantonen kommt vor allem den Schutzwäldern eine grosse Bedeutung zu. Schutzwälder sollen vor Steinschlag, Erdrutsch und Lawinenbildung schützen. In den letzten Jahren sind vermehrt Probleme bei der Waldverjüngung festzustellen – so auch in Graubünden. Neben klimatischen Problemen sind auch Wildschäden (Verbiss) als Ursache auszumachen. Die Regierung des Kantons Graubünden hat deshalb mit der Strategie «Lebensraum Wald-Wild 2021» eine nachhaltige Lösung entwickelt, um diese Situation zu verbessern. Aus jagdlicher Sicht wird diese Strategie vor allem umgesetzt, indem Wildbestände naturnah aufgebaut sind, was eine regionale Festlegung der Jagdziele und eine regional angepasste Regulation erfordert. Dies wird unter anderem mit der Verordnung über den Jagdbetrieb (Jagdbetriebsvorschriften) umgesetzt (siehe auch Medienmitteilung vom 13. August 2021).
Der in Art. 14 JSG statuierten Information, Ausbildung und Forschung kommt vor allem deklaratorische Bedeutung zu. Die entsprechenden Bemühungen sind zur Hauptsache die Angelegenheit der Kantone (BBl 1983 II, S. 1212 f.).
Auf die haft- und strafrechtlichen Bestimmungen im JSG wird an anderer Stelle eingegangen (siehe nachstehend Rz. 30 ff. II. und 33 f. III.)
b. Verordnungen
Das JSG wird auf Verordnungsstufe vor allem durch die JSV (Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel vom 29. Februar 1988, SR 922.01) konkretisiert. In der jüngeren Vergangenheit kommt der Verordnung vor allem in Bezug auf das Grossraubtiermanagement eine ganz entscheidende Bedeutung zu, wovon zahlreiche Bestimmungen zeugen (u.a. Art. 4bis JSV sowie Art. 9bis ff. JSV).
Gestützt auf das JSG hat der Bundesrat zwei weitere Verordnungen erlassen, die das Jagdrecht massgeblich mitbestimmen: Die VEJ (Verordnung über die eidgenössischen Jagdbanngebiete vom 30. September 1991, SR 922.31) und die WZVV (Verordnung über die Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung vom 21. Januar 1991, SR 922.32). Es erscheint im Lichte der Regelungsdichte und Detaillierung der VEJ zumindest fraglich, ob der Verordnungsgeber über die bundesrechtliche Grundsatzgesetzgebungskompetenz (siehe zum Begriff Spiess, Rz. 18) hinausgegangen ist (u.a. Regelungen zu den Wildhütern; Art. 11 ff. VEJ).
Die VEJ bezweckt mit Jagdbanngebieten einerseits den Schutz sowie die Erhaltung von seltenen und bedrohten wildlebenden Tieren und ihrer Lebensräume. Andererseits sollen Jagdbanngebiete der Erhaltung von gesunden, den örtlichen Verhältnissen angepassten Beständen jagdbarer Arten dienen (Art. 1 VEJ). Neben dem Jagdbanngebiet, in denen die Jagd grundsätzlich verboten ist, sollen die Erhaltungs- und Schutzziele mit unterschiedlichen flankierenden Massnahmen gewährleistet werden: Kenntlichmachung der Jagdbanngebiete (Art. 7 VEJ); jagdliche Massnahmen (Art. 9 ff. VEJ); Wildhüter (Art. 11 ff. VEJ; siehe zum Ganzen Wagner/Pfeifer, Rz. 1564 ff. m.w.H.).
Die WZVV bezweckt den Schutz und die Erhaltung der Zugvögel und der ganzjährig in der Schweiz lebenden Wasservögel. Der Verordnungszweck soll mit Wasser- und Zugvogelreservaten von internationaler und nationaler Bedeutung samt flankierender Massnahmen erreicht werden (siehe Art. 1 ff. WZVV; Wagner Pfeifer, Rz. 1570 f. m.w.H.).
3. NHG und TschG
Der Schutz der wildlebenden Tiere, die nicht dem JSG unterstellt sind, richtet sich nach dem NHG (Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966, SR 451). Das NHG ist im Vergleich zum JSG allerdings subsidiär, was sich bereits aus dem Vorbehalt in Art. 18 Abs. 4 NHG ergibt (gemäss Bütler gilt der Vorrang des JSG indessen nicht absolut, sondern nur in dem Umfang, als der Gesetzgeber im JSG bewusst vom NHG abgewichen ist. Dieser Einschätzung ist zuzustimmen; siehe Bütler, Kommentar JSG, Rz. 5). Das NHG und das JSG sind indessen mit Rücksicht auf die gleichgelagerten Zielsetzungen so konzipiert, dass Konflikte kaum denkbar sind (Bütler, Kommentar JSG, Rz. 5).
Auch das TschG (Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005, SR 455) beinhaltet in Art. 2 Abs. 2 einen Vorbehalt zu Gunsten des JSG. Die jagdrechtlichen Bestimmungen im JSG gehen im Falle von Normkollisionen deshalb den tierschutzrechtlichen Bestimmungen im TschG vor (Bütler, Kommentar JSG, Rz. 5). Die Kantone sind auf Grundlage von Art. 2 Abs. 2bis JSV gehalten, eine tierschutzgerechte Jagd sicherzustellen, indem sie Regeln zu jagdlichen Hilfsmitteln (Feuerwaffen und Jagdhunde) aufstellen (Ziel ist es, eine tierschutzgerechte Tötung zu gewährleisten; siehe Bütler, Kommentar JSG, Rz. 5).
D. Stufe Kantone
Das Jagdrecht ist ein historisches Regalrecht, das den Kantonen zusteht (Art. 94 Abs. 4 BV). Das Jagdwesen wird daher – abgesehen von den bundesrechtlichen Grundsätzen – durch die Kantone geregelt (Art. 1 Abs. 2 JSG; Wagner Pfeifer, Umweltrecht, Rz. 1556 mit Verweis auf BGer 2C_975/2015 vom 31. März 2016). Die Kantone sind somit kompetent und in vielen Fällen sogar gehalten, die bundesrechtliche Grundsatzgesetzgebung mit kantonalen Detailvorschriften zu erlassen (Bütler, Kommentar JSG, Rz. 5).
Im Bereich des Arten- und Tierschutzes hat der Bund indessen im Detail legiferiert, sodass den Kantonen in diesen Sachbereichen vor allem noch die Möglichkeit verbleibt, über die bundesrechtlichen Mindestanforderungen hinauszugehen (BSK BV-Schärmeli/Griffel, Art. 79 N 11).
E. Stufe Gemeinden
Inwiefern die Gemeinden noch kompetent sind, zu jagdspezifischen Themen zu legiferieren, ergibt sich auf Grundlage der jeweiligen kantonalrechtlichen Gesetzgebung. Im Kanton Graubünden stehen den Gemeinden zum Beispiel durchaus gewisse Legiferierungskompetenzen zu (siehe dazu das Jagdgesetz des Kantons Graubünden, BR 740.000). Dies ist unter anderem im Bereich von baulichen Jagdeinrichtungen der Fall (Botschaft GR, S. 335 f.).
II. Privatrecht
Aus privatrechtlicher Sicht kommt der Haftpflicht der Jäger*innen eine besondere Bedeutung zu. Gemäss Art. 15 Abs. 1 JSG haftet, wer durch die Jagdausübung Schaden verursacht. Diese Bestimmung, die eine Kausalhaftung der Jäger*innen festsetzt, sollte zunächst nur für Schäden an Grundeigentum und Kulturen gelten, wurde im Verlauf der parlamentarischen Beratungen indessen auf alle Schäden von Personen ausgeweitet, welche die Jagd ausüben (Fellmann, § 16 N 2). Für Schäden Dritter (darunter auch Jagdgäste) sollten die Jäger*innen indessen nicht haften (Fellmann, § 16 N 2 mit Verweis auf Amtl. Bull SR 1924, 310 ff.).
Art. 15 JSG ist eine Gefährdungshaftung. Die Rechtfertigung der Gefährdungshaftung ergibt sich aus der Gefahr von Schusswaffen, die bei der Ausübung der Jagd verwendet werden (Gefährdung von Leib und Leben; Fellmann, § 16 N 4; Sieber, S. 41). Vom Anwendungsbereich des Art. 15 JSG ist nur der Jagdschaden, nicht aber der Wildschaden erfasst (Fellmann, § 16 N 7 f.; Sieber, S. 44). Ersterer umfasst alle Schäden, die bei der Ausübung der Jagd verursacht werden. Letzterer erfasst Schäden, die vom Jagdwild an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen oder Nutztieren hervorgerufen werden (Sieber, S. 48 f.).
Als logische Konsequenz der gesetzlich verankerten Gefährdungshaftung besteht eine Versicherungspflicht (Art. 16 JSG): Sämtliche Jagdberechtigte müssen für ihre Haftpflicht eine Versicherung abschliessen.
III. Strafrecht
Die Jagd tangiert unterschiedliche Bereiche, die von strafrechtlicher Relevanz sind. Neben den klassischen Jagdunfällen mit Personen- (diese Unfälle sind häufig auf einen Schusswaffengebrauch zurückzuführen; siehe dazu die statistische Erhebung 2020 der Beratungsstelle für Unfallverhütung, Tödliche Sportunfälle 2000–2019) oder Sachschäden sind zum Beispiel das Umweltstrafrecht (in diesem Zusammenhang sind vor allem Anzeigepflichten von Bedeutung; siehe Egli, Anzeigepflichten, Rz. 84 ff.) oder das Tierschutzstrafrecht (das TschG stellt z.B. unter Strafe, wer ein Tier auf qualvolle Art oder aus Mutwillen tötet; siehe Art. 26 Abs. 1 lit. b TschG) zu erwähnen.
Auf Bundesebene befinden sich unter anderem in Art. 17 ff. JSG Strafbestimmungen, mit denen unterschiedliche Handlungen, die in Zusammenhang mit der Jagd stehen, unter Strafe gestellt werden. Die Strafverfolgung ist dabei Sache der Kantone (Art. 21 JSG), was zu besonderen Konstellationen führen kann. So werden zum Beispiel im Kanton Graubünden gestützt darauf die jagdlichen Strafverfolgungskompetenzen gesetzlich den jagdlichen Aufsichtspersonen (Nationalparkwächter, Wildhüter etc.) zugesprochen. Diese haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Kantonspolizei (Art. 44 Abs. 2 KJG, kantonales Jagdgesetz des Kantons Graubünden vom 4. Juni 1989, BR 740.000).
IV. Sozialversicherungsrecht
Gemäss der eidgenössischen Beratungsstelle für Unfallverhütung sind in den Jahren 2000 bis 2019 66 Personen bei der Jagd gestorben (siehe dazu die statistische Erhebung 2020 der Beratungsstelle für Unfallverhütung, Tödliche Sportunfälle 2000–2019). Die Jagd ist zweifelsohne gefährlich. Die grosse Mehrheit der Jagdunfälle ist dabei nicht auf den Schusswaffengebrauch, sondern auf Stürze, Abstürze, Schnittverletzungen, Zeckenstiche etc. zurückzuführen (siehe dazu die detaillierte Auswertung von JagdSchweiz). Die Aufzählung verdeutlicht, dass die typischen Jagdunfälle (u.a. Stürze und Abstürze) grundsätzlich auch den Unfallbegriff im sozialversicherungsrechtlichen Sinn erfüllen: Nach Art. 4 ATSG ist ein Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen, äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat (ausführlich zum Unfallbegriff nach BSK ATSG-Hofer, Art. 4 N 6 ff.).
Gerade weil Jagdunfälle immer wieder vorkommen, ist aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive wichtig, dass Jagdunfälle, welche den Jagenden zustossen, über Unfallversicherungen versichert sind. Dabei ist zu beachten, dass nach Art. 39 UVG und Art. 50 UVV bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, die Geldleistungen gekürzt und in besonders schweren Fällen sogar verweigert werden können (ausführlich zum Unfallbegriff nach BSK ATSG-Hofer, Art. 4 N 6 ff.). Wagnisse sind Handlungen, mit denen sich der Jagende einer besonders grossen Gefahr aussetzt (UVG Kommentar-Gehring, Art. 39 N 58). Die Gefahr gilt als besonders gross, wenn das Risiko so hoch ist, dass dessen Übernahme der Versichertengemeinschaft nach dem Grundgedanken der Kürzungsbestimmungen nicht zumutbar ist (UVG Kommentar-Gehring, Art. 39 N 58). Ob nun eine Gefahr als besonders hoch einzustufen ist oder nicht, hängt einerseits von objektiven äusseren Faktoren und andererseits auch von den subjektiven Fähigkeiten und Eigenschaften der handelnden Person ab (UVG Kommentar-Gehring, Art. 39 N 59). Es kommt also entscheidend darauf an, welche Fähigkeiten und Erfahrungen der Jagende hat: Die Gebirgsjagd in steilem, abschüssigem Gelände ist für geübte Gebirgsjäger*innen grundsätzlich nicht besonders gefährlich. Für ungeübte Jäger*innen, welche sonst nicht im Gebirge jagen, kann die gleiche Situation indessen erhebliche Absturzgefahren hervorrufen und ist deshalb als Wagnis einzustufen (siehe dazu BGE 97 V 72 E. 2b:
«Die erforderliche Relativierung wurde gefunden, indem die Gefährlichkeit einer Betätigung nicht schlechthin aus der Sicht des Durchschnittsmenschen beurteilt, sondern der Durchschnitt jener Personen als Massstab genommen wurde, die der fraglichen Betätigung regelmässig obliegen […].»).
Diese Unterscheidung akzentuiert sich demnach vor allem bei einer Gebirgsjagd, die sowohl von erfahrenen als auch unerfahrenen Gebirgsjäger*innen ausgeübt wird. Zu denken ist beispielsweise an die Steinwildjagd im Kanton Graubünden, die allen Jäger*innen zugänglich ist – mithin auch solchen, die sonst nicht im Gebirge jagen. Nicht zu Unrecht und aus Erfahrung hält das kantonale Amt für Jagd und Fischerei deshalb fest, dass die Jagd «erfahrungsgemäss hohe Anforderungen bezüglich Bergtüchtigkeit, Ausdauer, Ansprechen und Schiessfertigkeit» erfordert.