Von der Rechtsabteilung an die Unternehmensspitze: Wie die Anwältin Philomena Colatrella CEO der CSS wurde
Lawjobs im Interview 23.01.2025 Beiträge

Von der Rechtsabteilung an die Unternehmensspitze: Wie die Anwältin Philomena Colatrella CEO der CSS wurde

Cedric Frenzer
Cedric Frenzer
Natalie Spruijt
Natalie Spruijt
Ferhan Osseili
Ferhan Osseili

Die CEO der CSS und Verwaltungsrätin von Swiss Life schildert ihren Werdegang bis zur Spitze der CSS, erklärt welche juristischen Fähigkeiten ihr im heutigen Führungsalltag von Nutzen sind und gibt wertvolle Ratschläge für eine Karriere in der Unternehmensführung.


Themen: Anwältin, CEO, Karrieretipps, Versicherung, Leadership, Unternehmenskultur, Krankenversicherung, Swiss Life, CSS.
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Lesezeit: 4 Minuten.

 

Guten Tag Frau Colatrella. Sie sind CEO der CSS und besitzen das Luzerner Anwaltspatent. Wie sieht Ihr Werdegang aus?

 

Ich bin an sehr vielen Themen interessiert. Dementsprechend breit war das Feld möglicher Studienrichtungen. Letztlich entschied ich mich für das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg - ein Studium, das mir viele Chancen eröffnete. Es war eine sehr gute Allgemeinbildung. Hinzu kam die Mehrsprachigkeit – ein Aspekt, der sich durch meine gesamte Laufbahn zieht. Meine Interessen galten dem europäischen Recht und dem Versicherungsrecht sowie der Schnittstelle zu Wirtschaft und Medizin. Nach dem Lizenziat (utriusquie iuris) absolvierte ich Praktika am Bezirksgericht und auf einem Anwaltsbüro. Zudem erwarb ich das Luzerner Anwaltspatent. Die CSS war lediglich als Einstiegsjob gedacht. Nachdem ich jedoch rasch strategische Projekte massgeblich prägen durfte, wurde die CSS zu einem Langzeit-Projekt. 

 

Wie gelingt einer Rechtsanwältin der Schritt zur CEO-Position?

 

Ich habe meine Karriere bei der CSS nie von langer Hand geplant. Vielmehr hat sich immer ein Schritt nach dem andern ergeben – von der Rechtsanwältin über die Funktion als General Counsel bis hin zur stellvertretenden CEO und dann zur CEO. Auf dem Weg dahin habe ich verschiedene Weiterbildungen in Finanzen und Management in der Schweiz und im Ausland absolviert.

 

Seit meinem ersten Arbeitstag gilt: Ich habe eine Begeisterung für Unternehmensführung und unternehmerische Zusammenhänge. Und ich liebe es, mich anwaltschaftlich für die Interessen unserer Kundinnen und Kunden zu engagieren, damit sie sich auch künftig über ein gutes und bezahlbares Gesundheitssystem erfreuen können.

Ich will spüren, wie es meinen Leuten geht und mich nicht in einem Elfenbeinturm verschanzen. - Philomena Colatrella

Wie gestaltet sich heute Ihr typischer Arbeitstag?

 

Normale Arbeitstage, wie ich sie noch als Juristin kannte, gibt es praktisch nicht. Die fast einzige Konstante ist der Umstand, dass ich meist vor sieben Uhr im Büro bin. Die Tage sind in aller Regel geprägt von Meetings, in denen Entscheidungen über die Weiterentwicklung des Unternehmens getroffen werden. Und ich bin viel unterwegs, um mich mit den diversen Stakeholdern auszutauschen oder auch um Gespräche mit angehenden Talenten zu führen. Einen wichtigen Platz nimmt der Austausch mit den Mitarbeitenden ein. Ich will spüren, wie es meinen Leuten geht und mich nicht in einem Elfenbeinturm verschanzen. Mir ist wichtig, dass Mitarbeitende die Bereitschaft mitbringen, sich auf Neues einzulassen, ohne den Bezug zur Basis und zum Werte-Kompass zu verlieren. Exakt diese Kombination macht den Erfolg der CSS aus.

 

Was waren die grössten Herausforderungen beim Wechsel von der Rechtsabteilung zur CEO-Rolle und welche Fähigkeiten aus Ihrer Zeit als Rechtsanwältin haben sich als besonders wertvoll erwiesen?

 

Da ich nach der Funktion als General Counsel mehrere Jahre lang als Generalsekretärin tätig war, war ich bereits Teil der Führungscrew und lernte die CSS in- und auswendig kennen. Der Job als CEO war also kein Sprung ins kalte Wasser. Aber natürlich war es ein enormer Wandel. Nur schon der Umstand, dass ich plötzlich viel mehr im Fokus der Öffentlichkeit stand, war ziemlich gewöhnungsbedürftig. Mein Hauptanliegen als CEO ist die Transformation und die Frage, wie wir die CSS agiler, zukunftsfähiger und digitalisierter aufstellen können. Es freut mich, dass dies in vielerlei Hinsicht gelungen ist. 

 

Müsste ich zwei Fähigkeiten aus meiner Zeit als Rechtsanwältin nennen, die mich besonders geprägt haben, so wären dies Methodik und Logik. Sie erlauben mir heute Dinge präzise anzupacken und Lösungen zu finden. Dass ich dabei auf fähige Menschen in meinem Umfeld zählen darf, macht die Sache natürlich einfacher.

 

Sie sind ein bedeutendes Vorbild für viele Frauen, die Führungspositionen anstreben. Welche Überlegungen sind bei der Karriereplanung wichtig und gibt es rückblickend Schritte, die Sie anders angehen würden?

 

Ich bin sehr gerne CEO der CSS. Ursprünglich hatte ich eine internationale Laufbahn angestrebt, das finde ich im Rückblick immer noch attraktiv. Wichtig ist, dass man sich nicht zu stark auf vorgefasste Ideen und Karriereschritte fixieren sollte. Denn eine Karriere ist verbunden mit vielen Unwägbarkeiten und lässt sich nicht einfach auf dem Reissbrett planen. Ein zentraler Aspekt ist aber auch, dass man sich nicht versteckt und auf eine «Berufung» wartet. Vielmehr sollte man über seine Ambitionen sprechen und Opportunitäten ergreifen, wenn sich solche eröffnen.

Die zwei vielleicht wichtigsten Führungsprinzipien sind für mich Ehrlichkeit und Authentizität. Ich setze zudem stark auf Dialog, Austausch und Kontakt mit anderen. - Philomena Colatrella

Sie wurden 2021 zur Leaderin des Jahres ausgezeichnet. Was sind für Sie die wesentlichen Merkmale erfolgreichen Leaderships, und wie würden Sie die Unternehmenskultur bei der CSS charakterisieren?
 

 

Die zwei vielleicht wichtigsten Führungsprinzipien sind für mich Ehrlichkeit und Authentizität. Ich setze zudem stark auf Dialog, Austausch und Kontakt mit anderen. Diese Merkmale spiegeln sich auch in der Führungsphilosophie der CSS wider. Als Vorgesetzte müssen wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht bloss Orientierung geben und sie inspirieren. Wir müssen selbst auch Vorbilder sein, damit die Leute sich ernst genommen fühlen und mit auf den eingeschlagenen Weg kommen. Wichtige Basis dafür bildet die Vertrauenskultur. Nur wo Vertrauen vorhanden ist, können sich Erfolge einstellen.

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Schweizer Gesundheitswesen und welche Lösungen würden Sie vorschlagen, um die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen?

 

Die stetig steigenden Gesundheitskosten und damit der Prämien sind klar die grösste Herausforderung. Im September hat der Bundesrat die dritte grosse Prämienerhöhung innert drei Jahren kommuniziert. Familien kommen an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit. Am 24. November haben wir an der Urne die einheitliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen angenommen. Das wird die Prämienzahlenden in Zukunft entlasten. Grundsätzlich haben es revolutionäre Änderungen im Gesundheitssystem sehr schwer. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Deshalb braucht es grossen Durchhaltewillen und eine Politik der kleinen Schritte, bei der alle Beteiligten einen Beitrag leisten müssen. Wir als CSS zum Beispiel kontrollieren strikte alle eingehenden Rechnungen und sparen so hunderte Millionen Franken ein.

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Welche Ratschläge würden Sie Juristinnen und Juristen sowie Rechtsstudierenden geben, die eine Karriere in der Unternehmensführung oder eine CEO-Position anstreben?

 

Das Studium der Rechtswissenschaften ist eine optimale Basis. Darüber hinaus braucht es aber auch fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Eine spezifische Weiterbildung in den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, wie das bei mir der Fall war, macht deshalb Sinn. Zudem habe ich eine Management-Weiterbildung an der London Business School absolviert. Als Juristen sind wir oft Experten in der Risikoanalyse. Wir sehen also immer wieder Gründe, weshalb man etwas aus risikotechnischer Sicht nicht anpacken sollte. Würde ich als CEO einzig nach diesem Grundsatz handeln, könnte ich das Unternehmen kaum oder zumindest nicht im notwendigen Tempo vorwärtsbringen. Um die Geschicke eines Unternehmens zu gestalten, müssen wir den Risikofokus öffnen. Gerade in einer dermassen stark regulierten Branche wie dem Krankenversicherungsmarkt braucht es ein gutes Auge für den unternehmerischen Spielraum. Ich möchte in diesem Kontext von einer positiven Gestaltungskraft sprechen, die man als CEO an den Tag legen und vor allem auch vorleben sollte. Das gilt auch für den Aspekt der Weiterbildung. Es ist heute unerlässlich, sein Wissen und seine Skills laufend zu erweitern. Ich selbst habe mich insbesondere im Bereich Digitalisierung und AI fortgebildet und äusserst wertvolle Erfahrungen gemacht.

 

Vielen Dank für die spannenden Einblick in Ihre Karriere und Ihren Alltag bei der CSS! Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.

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